Protokoll der Sitzung vom 05.09.2018

Vielen Dank, Herr Dr. Tjarks. – Herr Heißner, Sie haben jetzt für die CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich war vor dieser Sitzung auf einem Treffen mit den Trägern für politische Bildung in Hamburg, und ich glaube, zu

einem dieser Träger sollten wir Herrn Kienscherf auch einmal schicken.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kienscherf, die Verfassung sieht es so vor, dass Volksbegehren und Volksentscheide in dieser Stadt das gesetzgeberische Verfahren im Parlament ergänzen. Sie ersetzen es nur, wenn es einen Volksentscheid gab und der eine Mehrheit gefunden hat. Das ist hier nicht der Fall. Solange das nicht der Fall ist, haben wir ein ganz normales gesetzgeberisches Verfahren im Parlament. Und so, wie Sie es betreiben, ist es nicht normal, sondern es ist in höchstem Maße intransparent gegenüber den Bürgern in dieser Stadt,

(Beifall bei der CDU und der FDP – Anna- Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Und das machen die GRÜNEN mit!)

es ist intransparent gegenüber Verbänden in dieser Stadt und es ist intransparent gegenüber den Abgeordneten in diesem Haus.

Der zweite Punkt, zu dem ich Ihnen vielleicht noch einmal so ein Seminar ans Herz legen darf, ist: Sie geben hier ja vor – die Senatorin leider auch –, als seien Gesetze nicht änderbar. Dieses Argument von Ihnen, dass es darum gehe, das vor anderen Mehrheitsverhältnissen zu schützen, ist dermaßen absurd, dass man es sofort vom Tisch wischen muss. Nein, seien Sie ehrlich, es geht darum, dass man Ihnen nicht geglaubt hat, dass Sie Ihre Versprechen einhalten, und deswegen gab es diese Forderung, das ins Gesetz zu schreiben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Aber ich fürchte, auch das wird nichts helfen, um noch einmal zurückzukommen zu dem Punkt, der hier eigentlich auf der Tagesordnung steht. Denn was steht seit 2010 im Hamburger Kinderbetreuungsgesetz? Paragraf 21a: Die zuständige Behörde schafft eine Kita-Inspektion. Das steht seit 2010 im Gesetz. Und was ist bis heute passiert? Die zuständige Behörde hat keine Kita-Inspektion geschaffen. Also so viel einmal dazu, was passiert, wenn etwas im Gesetz steht und die SPD regiert. Es wird nämlich nicht zwingend umgesetzt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es wäre wichtig, um das noch einmal zu sagen – und das ist der Grund, warum wir es zum ursprünglichen Tagesordnungspunkt beantragt haben –, dass es eine solche Überprüfung gibt. Wir haben ein hervorragend funktionierendes Kita-Gutscheinsystem in Hamburg, das den Trägern zu Recht sehr viele Freiheiten gibt. Dazu gehört aber auch, dass der Staat sich vergewissern muss, zum Wohle der Eltern und Kinder in dieser Stadt, dass diese Sachen auch alle umgesetzt werden. Ihre Rechtsposition war immer: Das geht alles rechtlich nicht, wir können da nicht hingehen. Und jetzt lesen wir in Ihrem Antrag, dass es plötzlich doch

(Dr. Anjes Tjarks)

möglich sein soll und der Senat eben sehr wohl anlassunabhängige Kontrollen in den Kitas einführen möchte. Das ist genau das, was der Kollege Hamann hier beim letzten Mal gesagt hat: Wenn es Ihnen gerade politisch nicht in den Kram passt, ist alles immer rechtlich ganz schwierig, geht es überhaupt nicht, bis Sie ein Dreivierteljahr später damit kommen und dann geht plötzlich alles, rechtlich kein Problem. Dann können Sie auch unserem Antrag hier zur Kita-Inspektion zustimmen. Das haben wir 2010 ins Gesetz geschrieben. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Heißner. – Das Wort hat jetzt Herr Yildiz für die Fraktion DIE LINKE.

(Dirk Kienscherf SPD: Jetzt habt ihr den An- trag bis zum Ende gelesen! – Gegenruf von Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Mensch, hör doch mal auf, das ist so arrogant! Eine Frechheit ist das!)

Herr Kienscherf, Herr Tjarks, ich habe selten so viel Besserwisserei und Arroganz erlebt in den letzten zehn Jahren wie heute von Ihnen beiden. Ich frage mich: Wenn Ihnen das tatsächlich wichtig ist, warum weigern Sie sich, das erst einmal an den Ausschuss zu überweisen? Begründen Sie mal, warum Sie sich weigern. Ich habe mit den Vertreterinnen der Volksinitiative gesprochen, ich habe mit den Trägern gesprochen, die im Landesrahmenvertrag mit Ihnen verhandeln. Keiner sagt, es sei eilig. Es ist nicht so, dass heute beschlossen und morgen umgesetzt wird, sondern es wird heute oder beim nächsten Mal beschlossen und beginnt in anderthalb, zwei Jahren. Warum weigern Sie sich?

(Beifall bei der LINKEN)

Dann könnten Sie auch einmal auf fachliche Fragen Antworten geben, nicht nur auf rechtliche. Wie ich gesagt habe, wir werden diesen Beschluss unterstützen. Aber es geht nicht, dass Sie das Parlament übergehen, dass Sie uns 24 Stunden vorher eine Gesetzesvorlage vor die Nase packen, bevor wir im Ausschuss besprechen, was fast 500 000 Menschen in dieser Stadt betrifft. Es sind fast 100 000 Kinder, 7 000 oder 8 000 Beschäftigte und, wenn man die Familien dazu nimmt, fast 500 000 Menschen, die die Volksinitiative direkt oder indirekt unterstützt haben, die davon betroffen sind. Warum weigern Sie sich, dass man im Ausschuss fachlich darüber diskutiert, noch einmal berät und dann hier gemeinsam beschließt? Was ist der Grund?

(Beifall bei der LINKEN)

Und wissen Sie, zu der Qualitätsfrage sollten Sie einmal die Bertelsmann Stiftung lesen oder heute

den Kommentar im "Hamburger Abendblatt", wo Sie es immer so darstellen, als seien wir bundesweit spitze. Nein, wir sind nicht spitze. Sogar mit dem jetzigen Beschluss sind wir Durchschnitt, was der Kommentar im "Hamburger Abendblatt" auch richtig auf den Punkt bringt. Ich finde die gemeinsame Entscheidung richtig, wenn es auch nicht das ist, was wir uns vorstellen. Aber wiederum: Die Art und Weise ist nicht hinnehmbar.

Drittens: Ich glaube, Sie müssen einmal die Protokolle des Familienausschusses lesen, die Vorschläge der LINKEN, ob das zur Personalgewinnung ist, ob das zum Personalschlüssel ist oder zur Förderung der Kinder und Jugendlichen, statt uns hier zu unterstellen, was denn unsere Vorschläge seien. Leider ist der Hauptantrag untergegangen, den Sie eigentlich angemeldet haben. Das, was Sie gemeinsam mit den Trägern vereinbart haben und was auch in der Drucksache erwähnt worden ist, dass man zur Personalgewinnung zusätzlich den Senat beauftragt, dafür zu sorgen, dass die Kollegen Vollzeitstellen bekommen, dass dadurch auch prekäre Beschäftigung abgebaut wird – ich habe das in der vorletzten Sitzung des Familienausschusses vorgeschlagen. Die Senatorin sagte zu mir, das ginge nicht, die Beschäftigten wollten das nicht. Wie kommen Sie nun darauf, dass sie es jetzt wollen – was ich für richtig halte? Da ist eines der besten Beispiele.

Daher: Weigern Sie sich nicht, dass man erst einmal miteinander im Ausschuss berät und nachher darüber hier entscheidet. Und stellen Sie es gegenüber der Volksinitiative und den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt nicht so dar, als weigerten wir uns. Sie weigern sich.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben die ganze Zeit die Volksinitiative bekämpft und wollen die Einigung jetzt einfach durchpeitschen. Das lassen wir nicht zu.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Yildiz. – Herr Oetzel hat nun für die FDP-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Tjarks, Sie haben eben gefragt, was wir denn wollen und mit welcher Kritik man auf diesen Vorgang zurücksehen könne. Ich glaube, einige Dinge sind eben in der ersten Runde schon recht deutlich geworden, ich sage es aber gern auch noch einmal.

Was wir auf jeden Fall befürwortet hätten: wenn es hier ein klareres, transparentes Verfahren gegeben hätte, wo wir alle die Gelegenheit hätten haben können, uns in aller Ausführlichkeit – wie es auch angemessen wäre, wenn wir schon über Angemessenheit gegenüber der Volksinitiative spre

(Philipp Heißner)

chen – mit dem Gesetz zu befassen. Das hätte auch eine Ausschussbefassung beinhaltet. Aber auf jeden Fall nicht, was Sie hier gewählt haben, nämlich vor zwei Wochen irgendein Thema, das irgendwie gerade einmal leidlich damit im Zusammenhang steht, nämlich insofern, dass es auch Familienpolitik ist, auf die Tagesordnung zu setzen, zur Debatte anzumelden, und dann zufällig – was für ein Glück – gestern noch damit um die Ecke zu kommen, um es dann wie durch ein Wunder noch auf die Tagesordnung zu bekommen. Das hat wirklich ausgesprochen gut gepasst für das Verfahren, das Sie hier anstreben. Aber das ist einer der Punkte, bei dem wir auf jeden Fall sagen, das hätte man wirklich besser machen können.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Dann haben Sie gefragt, was man denn konkret an dem Gesetzentwurf noch inhaltlich kritisieren könne. Dazu kann ich Ihnen auch etwas sagen. Noch keiner hat hier – ich wundere mich etwas – darüber gesprochen, dass die Frage nach der mittelbaren Pädagogik, nach der Berücksichtigung von Krankheits- und Urlaubszeiten und so weiter jetzt alles keine Rolle mehr spielt. Denn was die FachkraftKind-Relation eben nicht ausdrückt, ist, wie viele Fachkräfte und wie viele Kinder sich real in den Krippen oder Kitas im Raum befinden. Man sollte doch eigentlich meinen, dass das genau das ist, was dieser Schlüssel aussagt. Das tut er aber nicht. Deshalb wäre mehr Transparenz an dieser Stelle auf jeden Fall noch besser gewesen.

(Beifall bei der FDP – Glocke)

Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Herr Oetzel, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Abgeordneten Dr. Tjarks?

Vielen Dank, Herr Oetzel. Sie bezweifeln ja ausweislich Ihrer PM schon jetzt, dass wir die erforderlichen Erzieherinnen und Erzieher als Fachkräfte überhaupt gewinnen können. Das haben Sie ja gestern per Pressemitteilung verkündet. Deswegen frage ich Sie konkret: Wünschen Sie sich in diesem Zeitraum, der jetzt kommt, dass wir noch mehr Erzieherinnen und Erzieher gewinnen können, von denen Sie jetzt schon bezweifeln, dass wir sie gewinnen können, um die mittelbare Pädagogik weiter auszustatten?

Daniel Oetzel FDP (fortfahrend) :* Herzlichen Dank. Wenn Sie noch wenige Sekunden mehr Geduld gehabt hätten, hätte ich Ihnen auch noch gesagt, dass wir uns sogar recht einig darin sind, dass wir mehr Erzieherinnen und Erzieher in den

Krippen wollen. Das ist keine schwer zu beantwortende Frage, muss ich sagen.

(Beifall bei der FDP)

Aber das Problem tritt an der Stelle auf, und das ist bei der Rede des Kollegen Kienscherf eben deutlich geworden …

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Nicht ausrei- chend!)

Ich habe doch die Frage beantwortet: Wir wollen in den nächsten Jahren alles dafür tun, dass es so viele Krippenerzieher und -erzieherinnen wie möglich gibt.

(Zuruf von Dr. Anjes Tjarks GRÜNE)

Dann müssen Sie leider die Frage noch einmal stellen, tut mir leid. Wenn noch ein Aspekt unbeantwortet ist, dann treten Sie bitte noch einmal ans Mikrofon.

Das Problem ist, dass Herr Kienscherf eben mit seiner Rede schon genau das gemacht hat, was ich befürchte. Er hat nämlich auf die Frage, was denn passiert, wenn es nicht klappt, wenn vielleicht nicht genug Leute da sind, einfach gesagt: Es steht doch im Gesetz, es klappt doch. Wie könnt ihr noch infrage stellen, dass es klappt? Es steht doch im Gesetz. Herr Kienscherf, wenn es so einfach wäre,

(Dirk Kienscherf SPD: Einfach ist das gar nicht! – Wolfgang Rose SPD: Was ist denn dein Vorschlag?)

könnten wir alle Probleme unserer Stadt, Arbeitslosigkeit und so weiter, einfach per Gesetz abschaffen. Wenn es so einfach wäre, dann würden wir hier schnell auf einen Nenner kommen. Aber so einfach ist es nicht.

(Beifall bei der FDP, der CDU und bei Dr. Ludwig Flocken fraktionslos)