Protokoll der Sitzung vom 12.12.2018

und Lebensqualität. Mut gegen Armut ist deshalb unser Leitmotiv.

(Beifall bei der LINKEN)

Und Hamburg muss in qualifizierter Weise in Bildung investieren. Wir haben eine Zweiklassenarbeitsförderung. ALG-II-Beziehende werden deutlich seltener und nur mit kurzen Maßnahmen gefördert, berufliche Weiterbildung ist sehr selten. Berufliche Weiterbildung mit Abschluss wird so gut wie gar nicht gefördert. Warum wird für ALG-IEmpfängerinnen –Empfängern mehr als das Zweieinhalbfache pro Person ausgegeben? Gerade die, die besondere Unterstützung brauchen, werden dagegen von sozialer Teilhabe ausgegrenzt. Wir halten das für eine völlig verfehlte Förderpraxis.

(Beifall bei der LINKEN)

Von Weiterbildung profitieren nämlich nicht nur die Leistungsbeziehenden selbst, sondern auch ihre Kinder. Eine aktuelle Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung hat ergeben, dass Kinder dann später öfter selbst eine Ausbildung machen und eher in Sozialversicherungsbeschäftigung kommen. Auch der nächsten Generation wird so eine Perspektive gegeben. Was für ein schöner Doppeleffekt für die Zukunft. Das sollte uns jeden Cent des vielen Geldes wert sein. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann erhält das Wort Frau Nicolaysen für die FDP-Fraktion.

Vielen Dank. Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine gute, funktionierende Arbeitsmarktpolitik ist das Rückgrat unserer Wirtschaft und damit unseres Wohlstands sowie die Basis unserer Sozialpolitik. Wir haben das Privileg, von den Innovationen der Vergangenheit gut und auskömmlich leben zu können. Unser Arbeitsmarkt steht derzeit sehr gut da und ist nicht weit von der Vollbeschäftigung entfernt. Es bedarf aber mehr Engagement, die Herausforderungen der Zukunft aktiv zu gestalten. Der zukünftige Wohlstand unserer Gesellschaft wird gefährdet, wenn wir die Themen der Zukunft den anderen Ländern wie den USA oder China überlassen.

Allen voran wird die Digitalisierung die meisten unserer Lebensbereiche gravierend verändern. Besonders deutlich werden wir diese Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt zu spüren bekommen, und das früher, als wir denken. Deshalb müssen wir schon heute damit anfangen, unseren Arbeitsmarkt fit für die Zukunft zu machen. Dabei müssen wir unsere derzeitigen arbeitsmarktpolitischen In

strumente kritisch hinterfragen, die Effektivität erhöhen und da, wo es notwendig ist, verbessern.

(Beifall bei der FDP)

Um das zu erreichen, haben wir Liberale einen Antrag entwickelt, der auf Ebene der Kennzahlen arbeitsmarktpolitische Instrumente effektiver machen soll. Konkret fordern wir größere Anstrengungen bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Ein angestrebter Vermittlungserfolg lediglich in 30 000 Fällen ist nicht besonders ambitioniert

(Beifall bei der FDP)

und trägt weder der guten konjunkturellen Lage noch der Entwicklung der Arbeitslosenzahlen in den letzten Jahren hinreichend Rechnung. Wir halten hier eine um 20 Prozent höher angesetzte Zielsetzung für gut machbar.

(Beifall bei der FDP)

Der erhöhte Ressourcenaufwand für die zusätzlichen Vermittlungserfolge soll durch eine entsprechende Anpassung der nur in geringerem Umfang benötigten Transferkosten in der Produktgruppe Hilfen zur Existenzsicherung gegenfinanziert werden. Von den betreuten erwerbsfähigen Leistungsberechtigten soll einem größeren Teil im Rahmen von Qualifizierungsmaßnahmen die Integration in den Arbeitsmarkt ermöglicht werden.

Der hohe Anteil an Arbeitslosen ohne abgeschlossene Berufsausbildung ist seit längerer Zeit nahezu konstant. Das ist vor allem deshalb problematisch, weil im hoch qualifizierten Hamburger Arbeitsmarkt kaum Helfertätigkeiten für Geringqualifizierte angeboten werden. Die Hamburger Arbeitsmarktpolitik muss deshalb zu einer Arbeitsmarktpolitik der zweiten Chance werden. Arbeitslosen ohne berufsqualifizierenden Abschluss sollten in Maßnahmen Programme vermittelt werden, die ihnen das Nachholen einer beruflichen Qualifikation auch noch im fortgeschrittenen Alter ermöglichen.

(Beifall bei der FDP)

Denken wir daran: Wir Menschen leben zunehmend länger. Wenn man sich dann nicht vorher absichert, ist das der schnelle Fahrstuhl in die Altersarmut, wenn wir diese Menschen nicht qualifizieren. Das vorrangige Ziel muss daher die nachhaltige Qualifizierung von Arbeitslosen sein, da gibt es keinen Weg darum herum, damit die Integration in den Arbeitsmarkt auf Dauer und nicht bloß temporär gelingt. Dieses Ziel wird nur durch qualifizierte Abschlüsse realistisch darstellbar. Daher muss der Erreichung qualifizierter Abschlüsse deutlich mehr Priorität bei den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen eingeräumt werden. Für eine Steuerung der Qualifizierungsmaßnahmen sowie der Feststellung der Maßnahmeneffizienz sind entsprechend aussagekräftige Kennzahlen für die unterschiedlichen Qualifizierungsinstrumente notwendig. Nur so

(Dr. Carola Ensslen)

ist eine politische Steuerung von nachhaltiger Arbeitsmarktintegration überhaupt möglich.

Wir fordern mit unserem Antrag also die Einführung qualitätsorientierter Kennzahlen zur Messung der Effektivität arbeitsmarktpolitischer Instrumente. Dazu sollen in der Produktgruppe Arbeitsmarktpolitik neue Kennzahlen eingefügt werden. Diese sollen zum einen die Gesamtzahl der Teilnehmer und zum anderen die erfolgreichen Teilnehmer an Qualifizierungsmaßnahmen, gegliedert nach Abschlussarten, darstellen.

Des Weiteren fordern wir, wie eingangs gesagt, mit unserem Antrag, die Vermittlungsquote von betreuten, Erwerbsfähigen zu erhöhen. Dazu soll in der Produktgruppe Arbeitsmarktpolitik die Kennzahl für Vermittlungserfolge durch Integration in den Arbeitsmarkt für die Haushaltsjahre 2019 und 2020 von geplanten 30 000 um 6 000 auf 36 000 Vermittlungserfolge erhöht werden.

Da sich die SPD und GRÜNEN sowie DIE LINKE ebenfalls Gedanken zur Arbeitsmarktpolitik gemacht haben, möchte ich auch darauf kurz eingehen. SPD und GRÜNE möchten mit ihrem Antrag die Landesmittel für aktive Beschäftigungspolitik erhöhen. Damit sollen vor allem sehr niedrigschwellige Angebote für – Zitat –

"… besonders arbeitsmarktferne Zielgruppen ohne absehbare Integrationschance auf dem ersten Arbeitsmarkt ermöglicht werden."

Ich sehe hier die positive Absicht, Personen mit besonders komplexen Vermittlungshemmnissen, wie Sie sie nennen, Chancen zu ermöglichen. Allerdings frage ich mich, wie effektiv diese arbeitsmarktpolitischen Instrumente tatsächlich sind und ob das Geld an anderer Stelle nicht wirkungsvoller eingesetzt wäre.

(Beifall bei der FDP)

Haben Sie das einmal untersucht? Wenn ja, zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen? Vor diesem Hintergrund werden wir uns hier enthalten. DIE LINKE, ja, DIE LINKE möchte mit ihrem Antrag Langzeitarbeitslosen etwas Gutes tun. Dafür lassen Sie schlappe 162 Millionen Euro vom Himmel fallen und, wie meistens in LINKEN-Manier, wieder ohne jegliche Gegenfinanzierung.

(Cansu Özdemir DIE LINKE: Haben Sie un- seren Leitantrag mal gelesen?)

Ja, habe ich. Deswegen drücke ich das entsprechend aus.

So nachvollziehbar der Wunsch nach einer besseren Unterstützung für Langzeitarbeitslose auch ist, so unseriös ist eine Diskussion darüber ohne jegliche Gegenfinanzierung.

(Beifall bei der FDP)

Aus diesem Grund werden wir diesen Antrag ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

An der Stelle wurde mir signalisiert, dass die AfD nicht spricht. – Dann ist jetzt Frau Senatorin Leonhard dran. Hier, Pult, reden, Haushalt, Arbeit.

So kommt das. Man ahnt nicht, dass eine komplette Fraktion gar nichts zum Thema Arbeitsmarkt zu sagen hat. Das ist einfach so.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hamburg wird von vielen Menschen bundesweit, europaweit und tatsächlich auch weltweit als Aufbruchs- und Hoffnungsstadt bezeichnet.

(Philipp Heißner CDU: Das ist nur wegen der SPD!)

Wesentlich dafür ist, dass, wenn Menschen, die hier neu ankommen, das Wichtigste geschafft haben, nämlich ein Obdach und unmittelbare Versorgung zu finden, sich von ihrer eigenen Arbeit eine eigenständige Existenz aufbauen können. Nicht nur deswegen ist Arbeit mehr als Broterwerb – das haben viele von Ihnen auch gesagt –, sondern es ist Selbstwirksamkeit. Arbeit statt Leistung ist der Unterschied zwischen Versorgung und Teilhabe an der Gesellschaft, und deswegen setzt dieser Senat mit seiner Arbeitsmarktpolitik auch in diesem Haushalt wichtige Schwerpunkte an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es kommt darauf an, Menschen immer wieder im Leben intensiv anzusprechen und Ihnen Chancen zu gewähren, die Potenziale, die sie mitbringen, zielgerichtet aufzugreifen, weiterzuentwickeln, Qualifizierung dort anzubieten, wo es gut passt, und Übergänge zu gestalten.

Ein wichtiges Beispiel dafür, und das finden Sie in diesem Haushalt wieder, ist die Implementierung von W.I.R., Work and Integration for Refugees. Es ist ein Beispiel dafür, wie es gelingen kann, wenn man guckt, was Menschen mitbringen, darauf aufsetzt, konkrete Qualifizierung, übrigens gemeinschaftlich, auch noch einmal in Richtung CDU an dieser Stelle, gemeinschaftlich mit Kammern konzipiert, also mit den unmittelbaren Unternehmen, die nachher auch dafür verantwortlich zeichnen, diese Menschen einzustellen, diese Qualifizierung passgenau anzubieten und den Menschen damit eine Chance zu geben, ungefördert am ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und jenseits von Mindestlohn auch in gute tariflich bezahlte Beschäftigung überzuwechseln. Das haben wir mit W.I.R. gemacht, gekoppelt mit Sprachförderung, und das war ein

(Christel Nicolaysen)

überaus erfolgreicher Ansatz. Deswegen verstetigen wir den, und das finden Sie auch in unserem Arbeitsmarktprogramm hier im Haushaltsplan.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die gleiche hohe Aufmerksamkeit muss man Menschen zuwenden, die über lange Jahre aus unterschiedlichen Gründen keine Chance hatten, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, oder einstmals ausgeschieden sind und nicht ohne Weiteres wieder in Arbeit kommen, weil sich ihre Branche verändert hat, weil es Strukturwandel gegeben hat oder weil sie selbst unmittelbar in ihrer Biografie etwas verarbeiten müssen. Deswegen ist es wichtig, und da finde ich tatsächlich schon interessant, dass es Ihnen nicht gelungen ist zu erkennen, was wir alles für Förderung tun und abschlussorientierte Maßnahmen anbieten in diesem Bereich für Menschen, die langzeitarbeitslos sind. Wir haben gemeinsam mit vielen Akteuren, den Kammern, den Jobcentern und anderen, Maßnahmen auf den Weg gebracht, die zum Beispiel darauf abzielen, Menschen erst einmal in ihrer Gesundheitsförderung so zu unterstützen, dass sie ausreichend Selbstbewusstsein erlangen, sich dem Thema Arbeitssuche überhaupt wieder zu stellen. Das ist eine wichtige Förderung, die Chancen eröffnet und die Menschen ermöglicht, selbsttätig wieder an dieser Gesellschaft teilzuhaben. Darauf muss der Schwerpunkt liegen: Teilhabe statt Versorgung. Das zeigt sich an allen Dingen, die wir an dieser Stelle fördern.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ausweis dessen sind natürlich auch die neuen bundespolitischen Instrumente aus dem Teilhabechancengesetz; das ist hier schon aufwendig besprochen worden. Das eine Instrument ermöglicht einen Lohnkostenzuschuss über zwei Jahre und entsprechende unterstützende Maßnahmen für die Arbeitgeber und das andere sogar über fünf Jahre für Menschen, die lange im Leistungsbezug waren, weit weg von Arbeit. Aber natürlich stimmt auch, dass beide Maßnahmen im Blick haben, dass die Menschen, um die es geht, in erster Linie, diejenigen, die aus Langzeitarbeitslosigkeit wieder in Arbeit kommen wollen, und weniger die sie betreuenden Träger, dann am ersten Arbeitsmarkt auch perspektivisch anlanden können. Dafür wird sehr viel Geld in die Hand genommen und auch Hamburg wird in einem hohen Maße davon profitieren, aber vor allen Dingen die Menschen, die das brauchen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es zeigt sich, dass es in Hamburg eine Menge Unternehmen gibt – weit über die öffentliche Hand hinaus, es sind Krankenhausträger, es ist die Stadtreinigung, es sind die Wohnungsbauunternehmen, es sind aber auch einige Genossenschaften, es sind einige größere Industrieunternehmen, aber