Protokoll der Sitzung vom 16.01.2019

"Das Erbbaurecht bietet die Möglichkeit, Eigentum an einem Grundstück von Eigentum hierauf stehender Gebäude zu trennen."

(Martina Koeppen)

Das ist nicht nur sehr dünn, es ist auch einfach falsch, denn Sie haben den entscheidenden Punkt, der an dieser Stelle juristisch zum Tragen kommt, weggelassen, temporär das Eigentum am Grundstück von dem Eigentum am Gebäude zu trennen. Denn wenn das Erbbaurecht endet, fällt das Eigentum am Gebäude selbstverständlich auch wieder dem Grundstückseigentümer zu. Das ist nicht irgendeine Formalie, die man nur juristisch sieht, sondern es ist der entscheidende Punkt. Denn wer investiert denn noch in ein Gebäude, von dem er genau weiß, dass es wieder an jemand anderen zurückfallen wird? Der Investitionsstau ist die Folge.

(Markus Schreiber SPD: Sie haben doch keine Ahnung!)

Sie haben zwei Möglichkeiten: Sie machen das Erbbaurecht ganz kurz,

(Zurufe von Heike Sudmann DIE LINKE und Sylvia Wowretzko SPD)

dann ist es nicht so schlimm, vielleicht dass ein paar Jahre nicht investiert wird,

(Sylvia Wowretzko SPD: Das ist doch ohne Sinn und Verstand!)

mag man sagen, aber kein Mensch wird, wenn er nur ein Erbbaurecht für 30 Jahre hat, wirklich sinnvoll in Gebäude investieren. Oder Sie machen es für 90 Jahre, dann will jemand vielleicht investieren, weil er eine Weile etwas von dem Gebäude hat. Aber nicht einmal der weiseste Arbeiterrat weiß, wie die Stadtentwicklungspolitik in 90 Jahren aussehen wird. Sie haben keine Ahnung. Sie begeben sich damit in genau das, was Sie vorgeblich verfolgen, nämlich irgendwelche Entwicklungsmöglichkeiten in der Stadtentwicklungspolitik. Was dort erst in 90 Jahren zum Tragen kommt, hat im Grunde keine Relevanz. Und deswegen ist es erschreckend. Sie haben genug Juristen in Ihrer Fraktion.

(Sylvia Wowretzko SPD: Wo ist Ihrer denn? Wo ist denn Herr Hamann?)

Dass Sie in Ihrer Begründung auf dieses entscheidende Problem, den Nachteil des Erbbaurechts gegenüber dem Eigentum am Grund, mit keinem Wort eingehen … Diese juristische und ökonomische Ahnungslosigkeit, die aus diesem Antrag spricht, ist wirklich erschreckend. Und es ist erschreckend, dass so die Stadtentwicklungspolitik in dieser Stadt betrieben werden soll.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Farid Müller GRÜNE: Es ist ja lächerlich, wie Sie an der Realität vorbeireden!)

Natürlich ist das Erbbaurecht nicht das Allheilmittel der Mietendiskussion in dieser Stadt. Denn dann würden Sie nicht erst seit acht Jahren, nachdem Sie angefangen haben, hier zu regieren, damit an

fangen, Grundstücke als Erbbaurecht zu vergeben. Ursprünglich wurde es für ganz andere Zwecke eingeführt, was auch richtig war, nämlich dass Genossenschaften, die kein Geld hatten, um Grundstücke zu kaufen, Erbbaurechte erwerben können, das über die Zeit abbezahlen. Aber dieses Problem haben wir nicht mehr,

(Heike Sudmann DIE LINKE: Das Problem ist Mietwahnsinn, Herr Heißner!)

denn wir haben inzwischen Genossenschaften in Hamburg, die sogar ohne Kreditaufnahme die Grundstücke kaufen können. Das zieht hier völlig an dem vorbei, und wenn Sie ehrlich wären, dann wissen Sie es doch auch. Denn bei dem einen Großprojekt in dieser Stadt, für das es wegen der Position des Grundstücks wirklich einmal stadtentwicklungspolitische Potenziale gäbe, nämlich beim Elbtower, wo es um den Sprung über die Elbe geht, ausgerechnet an dieser einen entscheidenden Stelle machen Sie kein Erbbaurecht, sondern verkaufen dieses Grundstück. Diese Scheinheiligkeit, die man dort erkennen kann, ist so dick in der Luft, dass man sie greifen kann.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich kurz noch etwas zur BImA sagen. Vielleicht bekommen es die Herren Krupp und Scholz hin, dass sie aus Verbundenheit zu Hamburg das Interesse ihres neuen Dienstherrn so definieren, dass sie es mit ihrer Loyalitätspflicht dem gegenüber verbinden können, haufenweise Grundstücke der Stadt zur Verfügung zu stellen. Aber selbst wenn Ihnen da … Ich meine, was wir im Moment bei der Grundsteuer erleben, lässt mich daran eher zweifeln.

Aber es kann doch nicht allen Ernstes Ihr Ansatz für eine nachhaltige, generationengerechte Grundstücks- und Bodenpolitik in dieser Stadt sein, dass Sie auf einmal Geschenke vom Bund erhoffen. Das ist nun wirklich nicht seriös und schon gar nicht langfristig gedacht. Dieser Antrag ist leider für die Tonne. Deswegen können wir ihm auch nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die GRÜNE Fraktion bekommt nun Herr Duge das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ja, in Hamburg gibt es Erbbaurechte schon seit über hundert Jahren, und besonders viele Erbbaurechte, Herr Heißner, wurden in den Fünfziger-, Sechziger- und Siebzigerjahren bestellt. Und wenn ich mich so recht entsinne, gab es in den Fünfzigerjahren auch einmal eine CDURegierung,

(Michael Kruse FDP: Da können Sie sich dran erinnern?)

(Philipp Heißner)

es war die einzige für eine lange Zeit, und auch dort sind Erbbaurechte vergeben worden. Also seien Sie ein bisschen vorsichtig. Das muss ja dann eine ziemlich schlimme Regierung gewesen sein, wenn die CDU-Regierung dort auch Erbbaurechte vergeben hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Es ist richtig, dass nach dem Krieg das Problem war, dass viele, auch Genossenschaften, sich Gebäude, Grundstücke nicht leisten konnten und deswegen dort auch Erbbaurechte vergeben wurden, um den Wohnungsbau anzukurbeln. Und es ist nicht ganz richtig, dass die Situation nicht so ganz unvergleichbar ist. Denn wir haben leider die Situation, dass durch die ansteigenden Grundstückspreise für viele, die nicht so das große Portemonnaie haben, Grundstücke und damit auch die Möglichkeit, dann Wohnbereiche zu bauen, heute wieder nicht gegeben ist. Deswegen ist es richtig, genau diesen Schritt hier jetzt zu gehen, besonders auch zur Förderung kleiner Akteure, die sich dem Gedanken des Gemeinwohls verpflichtet fühlen und für die der Kauf hier nicht mehr möglich ist, weil die Preise zu sehr hochgehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Genau diesen wollen wir aber als Stadt für die Gesellschaft, für die Nachbarschaften erhalten; sie sollen nicht vom Markt verdrängt werden. Deshalb ist auch das Erbbaurecht, wie ich finde, hier eine verpflichtende Alternative, die wir weiterhin stärken müssen. Deshalb haben wir das Erbbaurecht auch hier gegenüber dem Kauf jetzt erschwinglicher gemacht. Schon vor zwei Jahren, 2017, ist der Erbbauzins für eine 75-jährige Laufzeit von 5 Prozent auf 2,1 Prozent abgesenkt worden, übrigens ohne Antrag der LINKEN, die immer glauben, vorneweg zu sein.

(Zuruf von Heike Sudmann DIE LINKE)

Es ist notwendig, dass die Stadt aus Gründen des Allgemeinwohls, aber auch einer nachhaltigen Stadtentwicklung, das muss man nämlich auch sehen, ihre Gründstücke vorrangig im Erbbaurecht vergibt, weil sie damit sowohl auf die Gestaltung von Mietverträgen einerseits und Umwandlung in Eigentum andererseits, aber auch langfristig auf die Stadtentwicklung und die Stadtgestaltung selbst Einfluss nehmen kann. Eine aktive Bodenpolitik zu wahren, ist damit ein zentrales Element der Daseinsvorsorge in der Stadt für breite Teile der Bevölkerung zusammen mit vielen anderen Elementen und Maßnahmen, die wir hier ergriffen haben: Soziale Erhaltungsverordnung, Wohnraumschutzgesetz, dann die Konzeptausschreibung bis hin, kann man sagen, zur novellierten Hamburger Bauordnung.

Wir brauchen da auch keine Nachhilfe von der LINKEN,

(Heike Sudmann DIE LINKE: Doch! Haben wir doch gesehen!)

die mit uns immer wieder Hase und Igel spielt; das kennen wir. Sie kriegen irgendwie in der Bodenkommission mit, dass wir irgendwelche Sachen – Wiederkaufsrechte und Ähnliches – nicht verkaufen wollen, und dann schießen Sie im Oktober einmal kurz Ihren Antrag raus, um zu sagen: Ick bün all dor. Das ist genau die Methode, mit der Sie vorgehen. Das ist das, was eigentlich … Und wenn man sich den Antrag anguckt, auch was Sie geschrieben haben, dann muss man sagen, der ist ziemlich mit der heißen Nadel gestrickt und auch unausgegoren. Sie machen den zweiten Schritt vorm ersten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

"Aktion Stadtplanung" ist Ihr Motto. Sie wollen sofort nur noch Erbbaurechte vergeben. Eine vorrangige Vergabe von städtischen Grundstücken im Erbbaurecht heißt aber auch, die Regeln festzulegen, in welchen Fällen das gemacht werden kann und darf und welche Ausnahmen es vielleicht geben muss. Das haben Sie selbst gesehen. Es sind Grundstücke beispielsweise außerhalb von Hamburg, die Hamburg gehören. Es gibt Miteigentümer von Grundstücken, die eben nicht allein der Stadt gehören. Es gibt Grundstückstauschgeschäfte oder auch Grundstücksverkäufe an eigene städtische Gesellschaften. Auch darüber müssen wir nachdenken. Nebenbei haben wir natürlich auch noch das EU-Recht zu berücksichtigen. Also, liebe LINKE, Hammer und Meißel nehmen, statt immer mit dem Kopf durch die Wand zu gehen und nachher die Schmerztabletten haben zu wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Unser Antrag geht im Übrigen weit über das hinaus, was DIE LINKE an Vorstellungen entwickelt hat. Er bezieht nicht nur die Grundstücke des Bundes mit ein, sondern wir wollen auch die Handlungsfähigkeit der Stadt durch planungsrechtliche Instrumente stärken und das Finanzierungs- und Förderungsinstrumentarium weiterentwickeln. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen. Den anderen Antrag werden wir ablehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE hat nun Frau Sudmann das Wort.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! In den Fünfzigerjahren, zu Zeiten des Wiederaufbaus, sind in Hamburg sehr viele Grundstücke im Erbbaurecht vergeben worden, in der Regel gekoppelt an langjährige Sozialbindungen – 50, 75, 90 Jahre. Von diesen Beständen profitieren wir heute noch, wie der Senat uns öfter in Anfragen bestätigt, weil wir da die günstigen Wohnungen haben.

(Olaf Duge)

Nun kann man sich fragen: Warum ist diese Politik nicht fortgeführt worden? In den Siebzigerjahren, Herr Heißner, hören Sie gern zu, ist die SPD nämlich davon abgerückt. Und wenn ich mir einmal angucke, was die SPD seit 2011 an Grundstücken nur für Wohnungsbau verkauft hat, 155 Hektar für 18 000 Wohnungen mit einer maximalen Sozialbindung von 15 Jahren … Wir wissen genau, was mit diesen Grundstücken passiert. Wir wissen, wie oft diese Grundstücke nach einer Schamfrist weiterverkauft werden. Wir wissen, wie Spekulation läuft.

(Dirk Kienscherf SPD: Das sind doch keine Wohnungen von der SAGA oder von Genos- senschaften! Das ist doch Blödsinn!)

Wir wissen, dass diese Spekulation zu explodierenden Bodenpreisen und Mieten geführt hat. Das muss endlich beendet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kienscherf, ich bin begeistert, in Ihrem Antrag dann zu lesen, was ich hier schon seit Jahren immer wieder predige: Wir brauchen auch den Besitz an Grundstücken, mit Planungsrecht allein können wir nicht steuern. Ja, das stimmt. Deswegen war es ein Fehler, so lange so viele Grundstücke zu verkaufen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn jetzt Herr Duge erzählt – er ist in der Kommission für Bodenordnung, in Ihrer Pressemitteilung stand es auch –, Sie würden vermehrt Erbbaurecht anwenden … Ich bin genauso wie Sie in dieser Kommission für Bodenordnung und es ist mir nicht wahrnehmbar, dass Sie es vermehrt anwenden. Ich merke, dass Sie diese falsche CDUPolitik seit Jahrzehnten fortsetzen, die sagt: Leute, wollt ihr euer Erbbaurecht nicht ablösen? Wir gehen aktiv auf euch zu. Dass Sie das jetzt beenden, auch das ist gut, aber es ist viel zu spät.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber es ist gut; ich soll Sie ab und zu auch einmal loben. Aber Sie könnten auch uns loben, weil sämtliche Anträge früher von uns kommen, weil wir seit zehn Jahren für Erbbaurecht streiten. Aber dass Sie nicht loben können, weiß ich.