Protokoll der Sitzung vom 16.01.2019

ich glaube, Anna von Treuenfels kann sich daran erinnern –, wenn Sie jetzt sagen, da habe ich vor einem Jahr ein Angebot gemacht und dann haben wir irgendwie nie wieder darüber geredet. Also, Kollege Tjarks war mit Ihnen im Gespräch, wir saßen neulich zusammen, haben darüber gesprochen. Ich glaube, es gab so einige Schuldebatten auch hier im Haus, habe ich jedenfalls mitgekriegt, sodass man doch sagen kann, wir kümmern uns um die Schulpolitik, wir wollen das mit Ihnen auch gemeinsam machen, aber dann seien Sie so ehrlich und gestehen Sie uns zu, dass wir das ebenfalls wollen. Das gehört dazu.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich finde es toll, dass Sie diese 76 Prozent hier vorgezeigt haben. Sie müssen dann aber auch sagen, wie die Frage war. Und dann müssen Sie auch darauf eingehen, was die Hamburgerinnen und Hamburger jetzt dringend finden.

Da gibt es doch verschiedene Politikfelder, Herr Thering kann sich bestimmt auch daran erinnern. Das Thema Bildungspolitik steht da aber nicht vorn. Weil die Hamburgerinnen und Hamburger nämlich gespürt und gemerkt haben, wie viel wir in den letzten Jahren investiert haben in Qualität, in Lehrerressourcen, in Schulbauten, in kleinere Klassen. Das kommt bei den Schülerinnen und Schülern an, und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Deswegen sagen wir, ja, wir müssen weiter diskutieren, wir werden heute auch weiter beraten, und ich glaube, wir müssen uns insbesondere darum kümmern, wie es um die Qualität steht und wo wir da Verbesserungen machen können. Es darf nicht darum gehen – und das ist Ihre Frage und das ver

(André Trepoll)

suchen Sie immer wieder –, dass Sie auf der Suche nach dem Strohhalm sind, der Sie von Ihren 14 Prozent wegbringt.

(Dennis Thering CDU: Weil Sie so stark sind!)

Ich sage Ihnen aber deutlich, dieser Strohhalm können nicht die Interessen der Schülerinnen und Schüler sein, mit der Schulpolitik geht man sehr verantwortungsvoll um.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben einen Qualitätszuwachs gehabt in erheblichem Umfang, wenn man sich die Presse dazu anschaut, ob es die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ist, ob es die "Süddeutsche Zeitung" ist, ob es aber auch Untersuchungen sind wie KESS 12, die alle belegen, dass wir in Hamburg in den letzten zehn Jahren, in denen wir diesen Schulfrieden gehabt haben, wo es nur noch um die Qualität ging, auch das ist ein großer Anspruch, enorm vorangekommen sind und dass wir vom Kellerkind ins Mittelfeld und in einigen Bereichen zum Musterknaben oder Mustermädchen geworden sind.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Geht doch!)

Das ist beeindruckend, und da müssen wir fortsetzen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Und weil das so ist, weil die Schulen gemerkt haben, dass diese zehn Jahre, in denen wir uns über Qualität gestritten haben, was auch wichtig ist, so fruchtbar für die Schulen waren, so gut für die Schülerinnen und Schüler waren, ist es doch nicht weiter erstaunlich, dass vor genau fünf Jahren, als die Schulkonferenzen gefragt worden sind an den Gymnasien, rund 84 Prozent gesagt haben, ja, lasst uns da fortfahren, lasst uns fortfahren bei dieser Qualitätsoffensive, aber nein, keine Strukturreform, diese Struktur hat sich bewiesen. Das sollten Sie sich merken, lieber Herr Trepoll.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es ist dann auch nicht erstaunlich, dass sich jetzt noch einmal der Verband der Gymnasialleitungen im Dezember auch so geäußert hat.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Die haben aber auch etwas anderes gesagt!)

Und es ist auch nicht erstaunlich, dass in Ihrer Partei sehr viele davor warnen, an diese Strukturfrage heranzugehen. Ich verstehe Ihre Äußerung so, dass Sie da ein bisschen wieder zurückrudern und sich schon bewusst sind, was das eigentlich bedeuten würde, wenn es darum geht, von G8 auf G9 zu gehen. Das bedeutet natürlich, dass Ressourcen auf einmal umgeleitet werden in Schulumorganisation, das bedeutet natürlich, dass man

dann auf einmal wiederum darüber redet, Neubauten anders zu planen, aktuelle Projekte zu stoppen, Ergänzungsbauten vorzunehmen. Also all das, was dazu führt, dass die Leute sagen, nein, nicht wieder diese Strukturreform, sondern das nehmen, wo G8 auch Qualität entwickelt hat. Und wenn man sich einmal anschaut, wie die Qualität sich entwickelt hat, sie hat sich doch besser entwickelt,

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Wie denn?)

G8 gegenüber G9.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Wie denn?)

Ja, wieder, es ist besser von der Qualität her geworden.

Wir haben mehr Abiturienten, 40 Prozent mehr an Gymnasien, das heißt doch letztendlich, dass wir da auf gutem Weg sind. Frau Treuenfels, das erwarten, glaube ich, die Hamburgerinnen und Hamburger von uns, kein Walkampfgeplänkel, sondern miteinander diskutieren, streiten miteinander über bessere Qualitäten in diesem System, das sich bewährt hat. In keinem Bundesland in Deutschland kann man G8 und G9 machen, und diese Wahlmöglichkeit sollten wir erhalten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Dr. Tjarks hat nun das Wort für die GRÜNE Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn wir das erste Mal seit zehn Jahren wieder eine eigenständige Debatte zum Thema Schulfrieden machen, ist es, glaube ich, gut, wenn wir uns einmal vergewissern, warum wir das eigentlich getan haben. Wir haben das gemacht, weil wir Ende 2010 in einer hammerharten schulpolitischen Auseinandersetzung waren. Meine Partei hatte da auch einen Anteil.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Sie waren schuld!)

Sie waren auf der anderen Seite. Und ich glaube, dass man im Ergebnis sagen kann, und das ist vielleicht auch ein Lernfortschritt, den nicht immer alle machen, dass das den Schulen nicht gutgetan hat und dass wir gleichzeitig vereinbart haben, wir wollen – und ich zitiere aus dem Schulfriedenspapier von damals:

"[…] erhebliche Anstrengungen machen, um die Leistungsfähigkeit des Hamburger Schulsystems und die Gerechtigkeit im Hamburger Schulsystem zu verbessern."

Das sind Ziele, für die es sich auch noch heute lohnt zu streiten. Wenn wir anschauen, wo wir hingekommen sind, Herr Trepoll, Sie haben es ge

(Dirk Kienscherf)

sagt, so ist es uns gelungen, die Leistungsfähigkeit und auch die Gerechtigkeit erheblich zu verbessern, und das sollten wir gemeinsam fortsetzen zum Wohle unserer Kinder, und das ist der Auftrag, wenn wir über den Schulfrieden reden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Sie haben über viele Punkte geredet, Herr Trepoll, und ich glaube, es ist auch wichtig, dass wir über die reden. Aber was ist G9 eigentlich? G9 bedeutet einen zehnjährigen Veränderungsprozess an den Gymnasien, weil diese Reform durchwächst, die Neuschreibung aller Klassenarbeiten, aller Curricula, aller Lehr- und Rahmenpläne, die Überarbeitung von 60 Schulen im Schulbau und die Einstellung von sehr vielen Lehrern, nicht für die Qualität, sondern für die Quantität. Deswegen ist es nicht richtig, wenn Sie sagen, G9 sei keine große Schulstrukturreform, aber genau das ist es, und genau deswegen läuft das Thema G9 flächendeckend auch dem Schulfrieden zuwider.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Und es ist bezeichnend, Kollege Kienscherf hat es schon gesagt, dass 2013 80 Prozent der Hamburger Gymnasien gesagt haben, wir wollen die Struktur, die Sie so eingeführt haben, beibehalten. Die Vereinigung Hamburger Gymnasialschulleiter hat das jetzt noch einmal bekräftigt. Herr Kienscherf hat gesagt, die Qualität des Abiturs habe nicht abgenommen, und gleichzeitig hat die Zahl der Abiturienten, auch bei G8, zugenommen. Und die Stadtteilschulen, die Sie eingeführt haben, vollbringen wirklich herausragende Leistungen. 2,7 Prozent der Schüler gehen dort mit einer Gymnasialempfehlung in 5 rein und 33 Prozent der Schülerinnen und Schüler machen dort Abitur. Die Stadtteilschulen vollbringen also herausragende Leistungen und fragen natürlich auch nach ihrer Zukunft im Rahmen einer solchen Reform.

Und dann sollte es Ihnen doch ein bisschen zu denken geben, dass wahrscheinlich gleich Frau Boeddinghaus vortreten und sagen wird, ja, das ist auch aus meiner Sicht ein richtiger Schritt, aber aus einer völlig anderen Motivation heraus. Da ist es nämlich die Frage der Schule für alle, und deswegen können Sie das Thema, dass uns in eine harte schulpolitische Auseinandersetzung führen wird, was völlig jenseits der Frage des Schulfriedens ist, doch nicht negieren. Auch das muss man berücksichtigen, wenn man über diese Fragen redet. Das würde ich mir jedenfalls sehr wünschen. G9 produziert an dieser Stelle mehr Fragen als Antworten, und ich glaube, man sollte nicht dem Irrglauben unterliegen, dass man aufgrund von vermeintlicher Stimmungslage eine Jahrzehnte gewachsene Schulpolitik Ihrer Partei einfach über den Haufen wirft.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Umgekehrt könnten Sie natürlich auch, und Sie haben die 76 Prozent eigentlich als das zentrale und wesentliche Argument hier vorgetragen, die Frage stellen, wie viele Hamburgerinnen und Hamburger eigentlich einen Schulfrieden wollen. Sie können ziemlich sicher sein, dass das auch eine sehr große Zahl von Menschen ist, die sagen, sie wollen, dass sich die Schulen nicht mit sich selbst und mit der Struktur, mit einem zehnjährigen Veränderungsprozess befassen, sondern sie wollen, dass sie sich damit befassen, was unser Auftrag an sie ist, nämlich mit der Zukunft unserer Kinder und mit einer guten Unterrichtsqualität, und ich finde, daran sollten wir gemeinsam arbeiten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Natürlich ist es so, dass der Schulfrieden kein Selbstzweck sein kann. Ein Schulfrieden bedeutet doch, man gibt den Schulen Zeit für die Entwicklung. Man darf dann zu Recht, und zwar in der Breite dieses Hauses, auch die Erwartung hegen, dass diese Zeit für die Entwicklung genutzt wird. Und ich bin sehr froh, dass wir zum Ergebnis gekommen sind, zumindest bei den ersten drei Rednern, dass diese Zeit in den letzten zehn Jahren genutzt wurde. Deswegen ist es wichtig, wenn wir wieder über einen Schulfrieden reden, dass wir auch die Ziele bekräftigen, nämlich die Ziele eines leistungsfähigeren und eines gerechteren Schulsystem. Die Qualitätsoffensive haben Sie, CDU und FDP, heute auch in Ihren Anmeldungen angemerkt, ich finde aber, wir sollten zudem über das Thema Gerechtigkeit noch viel stärker reden.

Und wir können natürlich auch über viele andere Themen reden, die Sie angesprochen haben auf dem Weg zur Qualitätsoffensive, beispielsweise über das Thema Entschleunigung an Gymnasien. Das müssen wir machen, dann wird der Schulfrieden auch ein Erfolg. Aber nur dann, wenn wir sauber und sorgsam mit dem umgehen, was uns in dieser Frage anvertraut wird, und zwar aus den verschiedenen Sichtweisen. Dann werden Hamburgs Kinder von diesem Schulfrieden profitieren, und dafür werden wir mit aller Kraft streiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Frau Boeddinghaus bekommt das Wort für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Vorsitzende, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Stadt hat lange den Atem angehalten mit der Frage: Tut sie es oder tut sie es nicht? Die CDU tut es, sie möchte es den Schleswig-Holsteinern nachmachen und mit G9 herauskommen aus dem Umfragetief. Die Frage ist wirklich, wie glaubwürdig das ist, Herr Trepoll, Sie kapern jetzt einmal so en passant das Bildungsressort. Frau Stöver, die eigentlich deutlich andere Meinungen hat, kommt dann

(Dr. Anjes Tjarks)

an zweiter Stelle, ich bin einmal gespannt, wie sie sich da rausredet. Die Kernfrage ist, Sie werden in der Systematik des Zwei-Säulen-Modells mit diesem Vorstoß die Stadtteilschulen zu einer Schule der zweiten Wahl machen, endgültig und für immer. Und dazu müssten Sie stehen und diese Frage müssen Sie beantworten, ob Sie im Grunde mit dem Vorstoß G9 die Stadtteilschule wieder zu einer Haupt- und Realschule zurückstutzen, und diese Antwort von Ihnen möchte ich hier hören.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)