Protokoll der Sitzung vom 25.04.2019

"Italiens Innenminister Salvini hatte am 4.4.2019 gesagt: 'Das Schiff ist deutsches Eigentum, unter deutscher Flagge, mit deutscher Besatzung.' Deshalb müsse sich Deutschland auch darum kümmern. Das Schiff solle nach Hamburg fahren."

Zitatende.

Einmal abgesehen davon, dass Herr Salvini fortlaufend derjenige ist, der Völker- und Seerecht bricht, frage ich mich allerdings schon, warum Sie von der AfD jetzt eigentlich plötzlich nicht mehr seiner Meinung sind. Sie sind doch sonst auch Brüder im Geiste. Das finde ich schon sehr bemerkenswert.

(Beifall bei den GRÜNEN, vereinzelt bei der SPD und bei Jörg Hamann CDU)

Und dann schreiben Sie noch – ich zitiere weiter –:

"Daher sollte Hamburg zukünftig Bootsflüchtlinge nur noch aufnehmen, wenn sich alle europäischen Länder – auch Ungarn und Polen – dazu bereit erklären, entsprechend einer angemessenen Quote Flüchtlinge aufzunehmen."

Zitatende.

Da habe ich kurz gedacht: Donnerwetter. Die AfD ist jetzt also dafür, dass sich alle europäischen Staaten auf eine gemeinsame Lösung zur Aufnahme von Flüchtlingen einigen. Und daher jetzt die Frage an Sie, weil Sie es schon einmal nicht richtig finden, wenn Deutschland mit positivem Beispiel vorangeht: Was tun Sie als AfDler ganz konkret dafür, dass es so kommt? Da bleibt eigentlich nur die Möglichkeit, dass Sie mit Ihren politischen Freunden in Ungarn und Polen eben genau darüber sprechen und selbst versuchen, diese von einer solchen gemeinsamen Lösung, wo es um Quoten und Kontingente geht, zu überzeugen. Wir alle

(Franziska Rath)

wissen aber natürlich, dass Sie das Gegenteil davon tun.

Was also bleibt am Ende zu Ihrem Antrag zu sagen? Sie haben nicht nur – ich zitiere die "taz" – "Schiss vor Stickern", Sie haben auch genauso Angst vor 64 Menschen, die aus Seenot gerettet wurden.

(Dirk Nockemann AfD: Sie wissen doch, dass es darum gar nicht geht!)

Selbst denen gegenüber versuchen Sie sich zum Opfer zu machen.

(Dr. Alexander Wolf AfD: Wie platt ist denn das!)

Wir hingegen wissen, Zukunft wird aus Mut gemacht, aus Solidarität und Humanität, und dafür steht Hamburg.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Frau Schneider hat das Wort für die Fraktion DIE LINKE.

Liebe Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Antrag ist ein böses Gemisch von Fake und Menschenfeindlichkeit.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Im letzten September hat die Bürgerschaft Hamburg zum sicheren Hafen erklärt. Seither hat die Stadt sieben aus Seenot gerettete Schutzsuchende aufgenommen: im November drei Geflüchtete, die Malta von der "Aquarius 1" und der "Aquarius 2" an Land genommen hatte, und kürzlich vier, die Seenot und eine wochenlange Irrfahrt einschließlich schwerer Winterstürme mit der "Sea-Watch" überstanden hatten, bevor sie aufgrund der Aufnahmezusagen von sechs europäischen Ländern, darunter Deutschland, Ende Januar endlich an Land durften. Insgesamt also, wie gesagt, sieben Schutzsuchende. Was die "Alan Kurdi" betrifft, hat der Bundesinnenminister die Aufnahme von 26 Menschen zugesagt. Einer von ihnen, vielleicht zwei, würden wahrscheinlich nach Hamburg verteilt. Das wären dann acht oder vielleicht neun. Laut UNHCR sterben täglich durchschnittlich sechs Menschen im Mittelmeer. Seit September 2018 sind das über 1 400 Menschen, die vor den versperrten Häfen Europas ertranken. Soweit die Fakten.

Sie suggerieren mit dem ersten Petitumspunkt Ihres Antrags, Hamburg habe bisher die Übernahme selbstständig an der Bundesregierung vorbei organisiert. Das ist falsch, wie schon gesagt wurde. Die nicht nur von Hamburg, sondern von über 40 Städten und Gemeinden erklärte Bereitschaft, vom Tod durch Ertrinken bedrohte Menschen aufzunehmen,

hat die Bundesregierung schließlich bewogen, in den genannten Fällen ihre Zusagen zu machen. Nur weil sich so viele Städte zur Aufnahme bereiterklärt und Druck auf die Bundesregierung ausgeübt haben, hat sie ihre Zustimmung gegeben und die Aufnahme von Geretteten auch organisiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese wurden dann nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt.

Wir sind für einen größeren Handlungsspielraum für die Bundesländer, Städte und Gemeinden, die bereit sind, Gerettete aufzunehmen und sich so der Politik des Ertrinkenlassens zu verweigern.

(Beifall bei der LINKEN – Dirk Nockemann AfD: Können Sie auch bezahlen, Frau Schneider!)

Natürlich sind wir dafür. Wir meinen, dass die Solidarität der Stadtgesellschaft groß ist und dass wir deshalb auch deutlich mehr Menschen aufnehmen könnten. Aber darum geht es hier nicht. Der Handlungsspielraum der Länder und Kommunen ist rechtlich begrenzt und das wird sich so schnell auch nicht ändern lassen. Was also wollen Sie eigentlich mit Ihrem Antrag?

Sie malen hier etwas an die Wand, um den Widerstand dagegen zu mobilisieren, dass überhaupt Menschen aus Seenot gerettet werden. Die Aufnahmebereitschaft einiger europäischer Länder ist, so begrenzt und zögerlich sie ist, gegenwärtig Voraussetzung dafür, dass NGOs nach meist langem Hinhalten Häfen anlaufen können. Ihre politischen Freunde in Italien, insbesondere Innenminister Salvini, verweigern Geretteten, an Land zu gehen, solange es keine Aufnahmezusagen gibt. Gibt es sie nicht, gibt es binnen kürzester Zeit gar keine Seenotrettung für Geflüchtete mehr, weil die Rettungsschiffe der NGOs keinen Hafen finden. Sie spielen dieses zynische, verächtliche, tödliche Spiel mit Menschenleben mit, wenn Sie in Ihrem zweiten Petitumspunkt de facto fordern, dass Deutschland keine Geretteten mehr aufnehmen soll. Nein, Sie schreiben über Ihren Antrag nicht "Lasst sie doch ertrinken", Sie kommen scheinbar bürgerlich gemäßigt daher, um den Tabubruch zu verhüllen. Aber Sie begehen den Tabubruch,

(Dirk Nockemann AfD: Das steht da doch nicht drin! Was haben Sie denn da gelesen, Frau Schneider?)

genauso wie Ihre Kolleginnen den Tabubruch begangen haben mit der Forderung, an den Grenzen zu schießen, auch auf Frauen und Kinder. Lasst sie ertrinken – das ist die Botschaft, das ist das Ansinnen Ihres Antrags.

(Dr. Alexander Wolf AfD: So ein Quatsch!)

Sie versuchen, die Abwertung von Menschenleben, die Verweigerung von Hilfe für Ertrinkende,

(Anna Gallina)

das Sterbenlassen gesellschafts- und politikfähig zu machen.

(Dr. Alexander Wolf AfD: So ein Quatsch! – Gegenruf von Anna Gallina GRÜNE: Doch, genau das ist es!)

Wir würdigen in wenigen Tagen den 70. Jahrestag des Grundgesetzes. Eine zentrale Schlussfolgerung aus den Verbrechen des Faschismus ist in Artikel 1 verankert: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Das heißt auch, die Würde des Menschen ist unteilbar. 70 Jahre danach ist wieder eine Partei in den Parlamenten, die diese Schlussfolgerung außer Kraft setzen will.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Frau Nicolaysen bekommt das Wort für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Worüber diskutieren wir hier? Über einen Antrag, der nicht in den Zuständigkeitsbereich der Bürgerschaft oder des Senats fällt und sich zudem bereits überholt hat, als die Verteilung der Flüchtlinge auf die bereits genannten Länder – Deutschland, Portugal, Frankreich und Luxemburg – beschlossen wurde. Für die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb Deutschlands bestehen klare Regelungen, die anzuerkennen sind. Jede weitere Diskussion über diesen wenig konstruktiven Vorschlag erscheint mir daher mehr als überflüssig.

(Beifall bei der FDP – Zuruf: Ja, dann gehen Sie doch wieder auf Ihren Platz!)

Statt darüber zu sprechen, dass wir Menschen in Not nicht bei uns aufnehmen wollen, sollten wir lieber darüber diskutieren, wie wir es schaffen können, ihnen die lebensgefährliche Flucht über das Mittelmeer zu ersparen. Statt anzumerken, dass wir etwas nicht wollen, sollten wir lieber Lösungen entwickeln, wie eine gelungene Flüchtlingspolitik aussieht. Als Mitgliedsstaat der Europäischen Union kann man nicht einfach Menschen die Hilfe verweigern, die sich in Seenot befinden.

Die Lage ist ernst zu nehmen. Das heißt aber nicht, dass die deutsche Politik nicht alles daran setzen muss, Flüchtlinge davon abzuhalten, sich korrupten Schleppern anzuvertrauen, um sich auf den lebensgefährlichen Weg nach Europa zu machen. Es heißt auch nicht, dass sich Deutschland nicht verstärkt für eine faire Verteilung der Flüchtlinge zwischen den Mitgliedsstaaten der EU einsetzen muss. Wir können die Herausforderungen von Flucht und Migration nur europäisch

(Zuruf von Dirk Nockemann AfD)

und selbstverständlich über Einhaltung von Recht und Gesetz lösen.

(Beifall bei der FDP)

Europa ist hier der Schlüssel. Es heißt ebenso wenig, dass eine Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer oder der Erlass eines Einwanderungsgesetzes nicht notwendig sind.

Wer Probleme lösen will, muss diese erkennen, benennen und Ansätze zur Verbesserung aufzeigen. Diese erkenne ich in dem Antrag der AfD nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Franziska Rath CDU)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht, meine Damen und Herren. Dann können wir zur Abstimmung kommen.