Protokoll der Sitzung vom 25.04.2019

Worüber die EU-Kommission abgestimmt hat, ist, ob der Senat das Fernwärmenetz zurückkaufen darf. Und in der Tat, da hat sie Ihnen grünes Licht gegeben. Worüber die EU-Kommission nicht abgestimmt hat, ist, ob Sie mit Ihrem Dilettantismus bei der Zukunft des Fernwärmekonzepts weitermachen dürfen. Dafür haben Sie keinen Freifahrtschein bekommen, das ist nicht in der Genehmigung enthalten.

Zwei wesentliche Punkte möchte ich dann gern noch einmal benennen: die Kosten und die Inhalte des Konzepts. Letzte Woche bei der Pressekonferenz – sie hat etwa eine Stunde gedauert – waren Ihre beiden Senatoren 45 Minuten lang nur damit beschäftigt, Fragen danach, was das Ganze denn jetzt koste, abzuwehren. Kein Wunder, es ist ein nicht aufzulösender Widerspruch, wenn Sie sich hinstellen und einerseits sagen, Sie gäben den Kunden zwar eine Preisgarantie – das hat der Bürgermeister persönlich gemacht –, hätten aber überhaupt keine Ahnung von den Kosten, die da auf uns zukommen. Sie wüssten noch gar nicht genau, was die Fernwärmeleitung kostet. Was jetzt das Gaskraftwerk genau koste, dazu hätten Sie den Markt noch nicht befragt. Sie wüssten nur eines: Die Preise werden nicht steigen. Es ist lächerlich, was Sie den Hamburgerinnen und Hamburgern versprechen, und es wird sich nicht einhalten lassen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich sage Ihnen eines: In Ihrer Planung ist keine Substanz. Das Fernwärmenetz wird die HSH Nordbank der Hamburger Energiepolitik werden, weil Sie ein Versprechen nach dem anderen reißen und überhaupt keinen Plan haben, wie Sie in Zukunft vorangehen wollen. Sie haben nichts gelernt aus der HSH Nordbank, aus der CCH-Sanierung, die wir gerade debattiert haben, und vor allem produzieren Sie Kostenexplosionen am laufenden Meter.

(Dr. Anjes Tjarks)

Wie ist das denn mit den üppigen Gewinnen, die die Netzrückkaufbefürworter versprochen haben? Sie haben sich in Luft aufgelöst. Letzte Woche hat dieser Senat tatsächlich die Dreistigkeit besessen, sich auf der eigenen Pressekonferenz hinzustellen und zu sagen, Gewinnerzielungsabsichten seien doch gar nicht das Interesse eines städtischen Unternehmens. 50 Millionen Euro Gewinn nach Zins und Tilgung haben Sie den Hamburgerinnen und Hamburgern versprochen, als Sie gesagt haben, wir sollten die Fernwärme, die Strom- und die Gasnetze zurückkaufen. Nichts davon ist mehr übrig. Sie sagen schon jetzt, Sie würden keine Gewinne machen. Dieses Ziel haben Sie auch gar nicht mehr. Sie haben die Hamburgerinnen und Hamburger hinter die Fichte geführt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Es gibt eine einzige Sache, die in diesem Konzept schon feststeht, eine einzige: Das ist die Tatsache, dass Sie das dreckigste Kohlekraftwerk der Republik noch einmal verlängern werden. Das ist das Einzige, was feststeht. Damit steht Ihre Politik in krassem Wiederspruch zu dem, was Sie in Sonntagsreden zur Klimapolitik behaupten. Sie sorgen dafür, dass die Luft in Hamburg immer dreckiger wird.

Frau Schaal – und dieses Mal meine ich Sie, Frau Schaal –, ich gehöre einer Generation an, auch wenn ich vielleicht nicht so aussehe, die die Suppe hier auslöffeln muss, und dagegen werde ich mich weiter wehren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kruse.

Wir sind jetzt am offiziellen Ende der Redezeit der Aktuellen Stunde angekommen. Zu Wort gemeldet hat sich Senator Dr. Dressel, danach erhalten gemäß Geschäftsordnung alle Fraktionen noch einmal die Möglichkeit, für drei Minuten zu antworten. – Herr Dressel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin doch etwas verwundert, gerade wenn ich die letzten Ausführungen höre, wir hätten die Hamburgerinnen und Hamburger hinter die Fichte geführt. Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben das Votum eines Volksentscheids von 2013 umgesetzt.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Das kann einem gefallen oder nicht. Wir alle wissen doch, dass wir dazu durchaus unterschiedliche Auffassungen hatten. Aber wenn das Volk entschieden hat, dann ist es eine demokratische Pflichtübung, das auch ordentlich umzusetzen.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Ordentlich! Genau!)

Daran hat sich dieser Senat gemacht.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Deshalb müssen Sie, finde ich, auch ein bisschen vorsichtig sein, wenn Sie jetzt sagen, wir hätten die EU-Kommission geblendet, wir hätten denen nicht alles vorgelegt. Das ist schon eine gravierende Unterstellung, die Sie hier unterbreiten. Das werden auch Sie ein bisschen sehen können, denn im Mai, wenn das Verfahren so weit ist, dass das im Amtsblatt nachlesbar ist, wenn dann auch die Entscheidung auf der Seite der EU-Kommission nachlesbar ist, können auch Sie nachlesen, was vorgelegen hat. Das Verfahren hat ein bisschen länger gedauert, als sich das vielleicht der eine oder andere vorgestellt hat, weil es in einem solchen Verfahren einen Austausch gibt, es noch Rückfragen gibt, wir noch etwas nachliefern. Das zeigt doch gerade, dass die in Brüssel ihre Arbeit substanziell ordentlich gemacht haben. Das zeigt aber auch, dass auch unsere Behörden ihre Arbeit ordentlich gemacht haben, weil wir jetzt ein ordentliches Ergebnis vorliegen haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Insofern finde ich, sollten Sie erst einmal lesen und das dann nachher bewerten. Schon jetzt in dieser Weise solche Unterstellungen zu machen, halte ich für einen ziemlich gravierenden Vorgang.

(Beifall bei den GRÜNEN – Michael Kruse FDP: Gehen Sie doch mal inhaltlich darauf ein!)

Ja, das tun wir die gesamte Zeit, das haben wir auch letzte Woche in der Landespressekonferenz gemacht.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Das tun Sie gerade nicht!)

Wir haben festzustellen, dass die EU-Kommission einen Haken dahinter gemacht hat. Sie hat auch keine weiteren Auflagen formuliert – auch das wäre noch ein gewisser Punkt gewesen –, wo wir noch hätten nacharbeiten müssen. Das hat sie an dieser Stelle nicht gemacht. Wir haben jetzt die Voraussetzungen, die Transaktion zu vollziehen, das Carve-Out zu vollziehen und auch das Erneuerungskonzept für die Energieversorgung bei der Fernwärme auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Und wir haben diese Rechts- und Transaktionssicherheit, die auch unser Vertragspartner Vattenfall haben wollte. Vielleicht spulen Sie noch einmal kurz ein bisschen die Zeit zurück. Ich weiß, was Sie alles hier an Vorhaltesachen, wie Nicht-Marktkonformität, bringen, und dass eine Beihilfe da sei und das unerlaubt sei und Brüssel uns stoppen

(Michael Kruse)

werde und was Sie hier alles gesagt haben, Herr Kruse und auch der Kollege von der CDU. Sie haben einen Grund, sich heute zu korrigieren, nicht wir.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben die Zeit genutzt. Wir haben in einer behördenübergreifenden Projektorganisation mit unseren Gesellschaften jetzt die Vorbereitung vollzogen, wir haben die Transaktionen vorbereitet, wir haben den Carve-out vorbereitet. Es ist ein durchaus schwieriges Unterfangen, dieses vorzubereiten, und – darüber freue ich mich in der Tat und das ist auch schon angesprochen worden – heute kann ich für den Senat sagen: Wir haben gestern gemeinsam mit Vattenfall den Gesellschafterbeschluss gefasst, dass Christian Heine, der wie kein anderer in dieser Stadt eine Rekommunalisierungserfahrung aus dem Stromnetz hat und sich auch beim Gasnetz eingebracht hat, jetzt weiterer Geschäftsführer bei der Wärme wird und dafür sorgen wird, dass wir die Fernwärmerekommunalisierung vernünftig schaffen können.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Ich will noch einen Punkt sagen, der uns auch wichtig ist und der den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten immer wichtig gewesen ist, nämlich dass wir dabei ebenso die Arbeitnehmer bedenken, dass wir dafür sorgen, dass sie gesicherte Verhältnisse bei ihren Arbeitsplätzen haben; das haben wir abgesichert. Ich selbst habe den Beschäftigtenvertretern geschrieben, diese Zusage gegeben, die wir bei Stromnetz und bei Gasnetz und jetzt auch bei der Fernwärme realisiert haben, weil klar ist, dass diese Rekommunalisierung nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden darf, sondern mit ihnen umgesetzt werden muss; auch das werden wir garantieren.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Natürlich haben wir noch viel zu tun bei dem Thema des Erzeugungskonzepts. Daran wird mit Hochdruck gearbeitet. Auch wenn Sie daran noch so viel kritisieren, sollten Sie vielleicht einmal bedenken, dass die wesentlichen Eckpunkte mit Vattenfall, mit dem Voreigentümer, abgestimmt gewesen sind, weil man sich auf einen Gesamtrahmen verständigt hat. Es kann sein, Herr Kruse, dass Sie Herrn Kerstan und mir und unseren Beratern nicht trauen und uns nicht glauben. Aber wenn Vattenfall sich auf die wesentlichen Eckpunkte verständigt hat, dann ist das vielleicht etwas, dem die FDP ein bisschen Glauben schenken sollte. Hier sind wir in den wesentlichen Eckdaten unterwegs und werden dieses auch einhalten.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Das alles ist doch von der Opposition offensichtlich auch ein bisschen wahlkampfmäßig vorgeprägt.

(Michael Kruse FDP: Schön, dass Sie Vat- tenfall jetzt beklatschen!)

Es geht darum, dass wir Ihnen durchaus einmal die Gelegenheit geben, die Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Denn wenn ich Ihnen hier so zuhöre, habe ich das Gefühl, dass Sie das bei den wesentlichen Fakten nicht geplottet und nicht verstanden haben, was sich an der Stelle getan hat. Und was man dann hinsichtlich der Frage der Planungstiefe sagen muss, ist doch gerade die Lehre aus Sachen, die nicht kostenstabil geplant und gebaut worden sind: dass wir zuerst die wesentlichen Bestandteile des Erzeugungskonzepts sorgfältig planen und dann ein Preisschild draufkleben, das entsprechend umsetzen und nicht mit halbgaren Kostenüberlegungen an die Öffentlichkeit gehen, sondern es erst sorgfältig planen und dann realisieren. Das ist die Reihenfolge, in der man vorgehen sollte.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vor diesem Hintergrund sind wir nun gut aufgestellt und machen uns jetzt an die Umsetzung. Ich fände es ein gutes Zeichen – gerade weil der Ausgangspunkt eine Situation war, in der wir auf unterschiedlichen Seiten, für oder gegen Rekommunalisierung, unterwegs gewesen sind –, wenn man jetzt einen Weg findet, an dieser Stelle zu sagen, diesen Weg gehe die Stadt ein Stück gemeinsam. Da, glaube ich, muss die Opposition noch eine gewisse Lernkurve hinlegen. Wir werden Ihnen gern dabei helfen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Jetzt erhält das Wort Herr Dr. Tjarks für die GRÜNE Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hätte erwartet, dass heute vielleicht einmal, Herr Kruse und Herr Gamm, ein Tag gewesen wäre, an dem Sie in sich gegangen wären und überlegt hätten, was Sie hier eigentlich den Tag über zu dem Thema erzählen. Der zentrale Vorwurf, den Sie uns über Monate und Jahre gemacht haben – Herr Trepoll: unseriöser Kaufpreis, unerlaubte EU-Beihilfe; Herr Kruse: Schummelrechnung –, hat sich komplett in Luft aufgelöst; das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Herr Kruse, Sie stellen sich hier hin und beschimpfen die EU-Kommission und tun so, als wäre das eine Truppe von Dilettanten,

(Michael Kruse FDP: Das habe ich nicht ge- tan!)

(Senator Dr. Andreas Dressel)

die keine Ahnung hat, die wir blenden würden, obwohl sie in einem monatelangen Verfahren verschiedenste Unterlagen vorgelegt bekommen hat, Nachfragen gestellt hat, ehrlicherweise sich auch getraut hat, große Fusionen der letzten Zeit zwischen Siemens und Alstom zu unterbinden. Glauben Sie denn, dass diese Truppe sich von der Hamburger Senatsverwaltung hinters Licht führen lassen würde? Was Sie zu dem Thema gesagt haben, macht mich fast sprachlos, wenn ich ehrlich bin.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Die EU-Kommission hat uns erstens attestiert, dass die Rechnung von LBD seriös ist, und sie hat uns zweitens attestiert, dass das keine erlaubte Beihilfe ist, sondern sie hat uns attestiert, dass dieser Preis marktgerecht ist, weil ein privater Investor diesen Preis auch zahlen würde. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen, und genau deswegen ist das, was Sie hier vorhin gesagt haben, schlicht falsch, und Sie müssten eigentlich hierherkommen, um sich dafür zu entschuldigen.