Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Fraktion der CDU – Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 3/293, hierzu Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses auf Drucksache 3/1156.
Gesetzentwurf der Fraktion der CDU: Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 3/293 –
Nach der Abstimmung zu diesem Thema und der vorherigen Diskussion machen wir eine kurze Mittagspause von 30 Minuten. Das zur Vorankündigung.
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Herr Kreuzer von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Herr Kreuzer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sechs Jahre nach In-Kraft-Treten der Landesverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern liegt Ihnen auf Drucksache 3/1156 die Beschlussempfehlung zum Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung dieser Landesverfassung vor. Zum ersten Mal also seit Bestehen dieses Parlaments haben Sie, meine Damen und Herren, hiermit über eine Änderung der Verfassung zu bestimmen. Und ich, das will ich ganz am Anfang sagen, halte es für ein gutes Omen, dass sich diese Änderung zum einen auf die kommunale Selbstverwaltung bezieht und zum anderen einstimmig von den Fraktionen im federführenden Rechtsausschuss wie auch im mitberatenden Innenausschuss befürwortet worden ist.
Mit ihr wird das strikte Konnexitätsprinzip in unsere Landesverfassung aufgenommen. Dieses besagt, dass gleichzeitig eine Bestimmung über die Deckung der Kosten getroffen werden muss, wenn die Gemeinden oder Landkreise durch das Land zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichtet werden. Das Land hat dann in diesem Fall einen entsprechenden finanziellen Ausgleich für die Gebietskörperschaften zu schaffen.
Über Sinn, Wesen und Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung ist ja unendlich viel geschrieben und geredet worden. Die einen sehen die kommunale Selbst
verwaltung als einen ganz wesentlichen Eckstein unseres Staatswesens an und die anderen sehen in ihr vielleicht nichts anderes als eine überholte Romantik. Die Wahrheit, denke ich, wird sich wie üblich in der Mitte dieser Meinungen bewegen. Der Wert der Selbstverwaltung liegt auf alle Fälle darin, selbständig örtlich entscheiden zu können, kontrolliert nur durch die Rechtsaufsicht des Staates, also in der administrativen Dezentralisation, in der Aufgabengliederung der sonst unübersichtlichen und von Überregelung bedrohten Verwaltung. In diesem Rahmen spielen die selbständige Verfügung über öffentliche Mittel im eigenen Haushalt und die selbständige Führung der öffentlichen Einrichtungen eine gewichtige Rolle. Dem Schutze dieser Elemente, das heißt dem Schutze der kommunalen Selbstverwaltung insgesamt, dient daher auch diese Verfassungsänderung.
Im Gegensatz zur bis jetzt noch bestehenden Verfassungslage wird mit dieser Verfassungsänderung zugunsten der Kommunen der erhebliche Spielraum eingeschränkt, der bezüglich des Umfanges der Kostenerstattungspflicht noch besteht, wenn von der Landesebene Aufgaben an die Kommunen übertragen werden. Hierdurch erfolgt auf der Landesebene eine Zusammenführung von Aufgabendelegierung und Finanzverantwortung. Das heißt, wenn Gemeinden und Kreise für das Land Aufgaben wahrzunehmen haben, ist damit gleichzeitig eine finanzielle Entlastung der Kommunen sicherzustellen. Oder einfacher gesagt: Wer für sich arbeiten lässt, soll das auch bezahlen.
Im Gegensatz zur jetzt noch bestehenden Verfassungslage sieht die Verfassungsänderung vor, dass künftige Aufgabenübertragungen nicht nur durch Gesetz, sondern auch durch Rechtsverordnung möglich werden. In Zukunft wird es möglich sein, Kommunen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Landesverordnung zu verpflichten, um beispielsweise flexibler auf bundes- oder europarechtliche Vorgaben reagieren zu können.
Durch die vorgeschlagene Verfassungsänderung reiht sich unser Bundesland in die Reihe der neuen Bundesländer ein, die neben Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg alle das strikte Konnexprinzip in ihren Verfassungen verankert haben.
Mit dieser Verfassungsänderung wird eine fast ein Jahr lang dauernde Diskussion im Landtag zu einem Ergebnis geführt, das zwar von allen Fraktionen gewollt und getragen wird, das aber auch gleichzeitig zeigt, wie langwierig solche Prozesse sind, obwohl von Anfang an zwischen den Fraktionen Einmütigkeit zum Anlass und grundsätzlichen Inhalt der Verfassungsänderung bestand. Ich selbst begrüße es also, dass sich im Interesse der Kommunen schließlich alle Fraktionen auch zur Aufnahme des strikten Konnexprinzips in die Landesverfassung durchgerungen haben und nicht nur in die Kommunalverfassung,
die ja nur ein einfaches Gesetz ist und demzufolge mit einfacher Mehrheit geändert werden kann – eine im Übrigen sehr umfangreiche und spannende Diskussion in der Vergangenheit.
Die Aufnahme des Prinzips in die Landesverfassung ist aus meiner Sicht unverzichtbar, wenn in dieser Frage Vertrauen zwischen Kommunen und Land in die Tragfähigkeit des Konsensprinzips gesetzt werden soll. Denn nur die Landesverfassung, die ja ausschließlich mit qualifizierter Zweidrittelmehrheit geändert werden kann, kann letztlich
den Gesetzgeber, also uns selbst, zur Einhaltung der Spielregeln zwingen, und wenn es dann über das Landesverfassungsgericht sein müsste.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vorausgegangenen Diskussionsprozesse in den Fraktionen und Gremien hatten ihren Grund. Formulierungen und deren Inhalt mussten immer wieder beleuchtet und auf ihre Tragfähigkeit hin geprüft werden. Ich bin der Überzeugung, dass wir Ihnen mit der vorliegenden Beschlussempfehlung die beste Formulierung anbieten können, die an diesem Punkt in die Verfassung aufgenommen werden kann.
Der Rechts- und der Innenausschuss haben im September des vergangenen Jahres eine gemeinsame Anhörung durchgeführt, an der neben Vertretern der hiesigen kommunalen Spitzenverbände und Kommunen Vertreter aus den Innenministerien der Länder Brandenburg und Schleswig-Holstein sowie Vertreter des Städteverbandes Schleswig-Holstein teilgenommen haben. An dieser Stelle möchte ich mich im Namen des Rechtsausschusses nochmals bei diesen Experten für deren Hilfestellung und Unterstützung in der Findung der richtigen Wahl des neuen Verfassungstextes bedanken. Aber nicht nur diesem externen Sachverstand, sondern auch den Fachleuten in den Fraktionen und Arbeitskreisen sowie den Vertretern der Landesregierung und der kommunalen Spitzenverbände möchte ich für deren Unterstützung, manchmal mal auch ein bisschen Geduld danken.
Ich hoffe, dass die Aufnahme der neuen Verfassungsbestimmung, die eine Änderung der Kommunalverfassung nach sich ziehen wird, die Kommunen im Lande dann tatsächlich weiter stärken wird. Insofern erwartet der Rechtsausschuss, dass die in der heutigen Landtagssitzung einzubringende Novellierung der Kommunalverfassung ebenso gründlich wie zügig erfolgt. Unterschiedliche Gesichtspunkte in Einzelfragen dieser Novellierung der Kommunalverfassung, die sich in den letzten Tagen in Diskussionen bereits gezeigt haben, sollten jetzt nicht als Vorbehalte in die Beschlussfassung zur Veränderung der Landesverfassung hineingetragen werden. Beide, Landesverfassung und Kommunalverfassung, berühren zu unterschiedliche Ebenen und letztlich auch Inhalte.
An uns, also den Gesetzgeber, und die Landesregierung richtet der Rechtsausschuss letztlich die Erwartung, bei der Umsetzung der dann beschlossenen neuen Regelungen – sei es bei der Gestaltung der Vertragsbeziehungen zwischen den Partnern, sei es bei der Folgekostenabschätzung für übertragene Landesaufgaben – sich sowohl der uns offerierten Erfahrungen, die es auf diesem Gebiet in der Bundesrepublik schon gibt, zu bedienen als auch einmal mutig Neuland zu betreten. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Landesverfassung geht unser Land einen großen Schritt hin zu mehr Rechtssicherheit für die Kommunen. Der Schritt ist weitaus größer, als er im Koalitionsvertrag im Jahre 1998 verankert worden war. Daran zeigt sich erstens, die Koalition ist handlungsfähig,
bei dem die PDS, die CDU und die SPD in einer wichtigen Angelegenheit gemeinsam die Hand heben können. Auch das kommt nicht jeden Tag vor und ich freue mich darüber, dass dies an dieser Stelle möglich geworden ist.
Mit der vorgesehenen Ergänzung der Rechtslage in unserem Land wird eine politische Zusage gegenüber den Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern erfüllt. Dies vollzieht sich nach noch nicht einmal eineinhalbjähriger Tätigkeit dieser Koalition. Es geht dabei um die rechtliche Verankerung der allgemeinen Lebensregel, dass derjenige, der die Musik bestellt, diese auch bezahlen muss. Wir haben diese Lebensregel zum ersten Mal im Koalitionsvertrag von SPD und PDS vereinbart. Den kommunalen Vorstellungen wird dadurch Rechnung getragen, dass die Verankerung dieser Regel nun in der Landesverfassung erfolgt. Die Abgeordneten der CDU haben diesen Vorschlag der Verbände in Form eines Antrages in den Landtag eingebracht.
Meine Damen und Herren! Die Änderung der Landesverfassung ergeht im Einvernehmen aller Fraktionen. Die Gesetzesinitiative der Opposition vom März des letzten Jahres zur Änderung der Landesverfassung war für die Ausschüsse Anlass, Expertenanhörungen durchzuführen.
Für die Landesregierung will ich deutlich sagen, dass wir den erzielten Konsens in dieser Thematik vor allem unter drei Gesichtspunkten begrüßen:
Erstens war es möglich, ein gemeinsames politisches Ziel in der Landesverfassung zu verankern, ohne eine Verfassungsdiskussion auch an anderen Stellen zu provozieren und damit dieses konkrete Ziel ins Gegenteil zu verkehren. Es zeigt sich, welche Früchte es trägt, wenn eine ehemalige Regierungsfraktion, nämlich die der CDU, beginnt, sich in der Opposition zu erneuern, meine Damen und Herren.
Zweitens wird es zukünftig möglich sein, Aufgabenübertragungen zeitlich flexibel und aufwendungsarm nicht nur durch Gesetz, sondern nun auch aufgrund eines Gesetzes durch Verordnungen vorzunehmen. Dies erweitert unsere Landesverfassung im Sinne der Rechtstraditionen westdeutscher Bundesländer, denn bislang, meine Damen und Herren, war der Parlamentsvorbehalt unserer Landesverfassung bei der Aufgabenübertragung ein gewisser Schutz für die Kommunen zu deren Gunsten. Gleichwohl beinhaltet die neue Regelung eine Verfahrensverschlankung, die auch für die Kommunen ohne Risiko ist, denn, wie wir wissen, wer die Musik bestellt, wird zukünftig bezahlen. Das heißt, das Verfahren zu dieser Aufgabenübertragung wird noch geregelt. Die Änderung
Drittens begrüßt die Landesregierung den gefundenen Konsens als einen Beitrag, das Kostenbewusstsein bei politischen Entscheidungen, die auf Seiten der Kommunen zu neuen Aufgaben oder zu neuen Standards führen, anzuheben, denn, meine Damen und Herren, wir arbeiten zwischen Land und den kommunalen Ebenen in einer verbundenen Haushaltswirtschaft, die überwiegend im Finanzausgleichsgesetz erfolgt. Weder das Land noch die Kommunen haben durch diese Regelung, das heißt durch die Verankerung des Konnexitätsprinzips in der Landesverfassung, nur eine einzige Mark mehr in ihrem Haushalt. Jetzt ist es so, dass dann, wenn der Gesetzgeber oder der Verordnungsgeber, das heißt Sie, die Landtagsabgeordneten, oder wir, die Minister der Landesregierung, eine Aufgabenübertragung vornehmen, sehr genau durchgerechnet werden muss, ob diese Aufgabe bezahlt werden kann oder nicht, und im Zweifel, wenn das nicht geschehen kann, muss diese noch so gute Idee letztlich fallen gelassen werden. Mit anderen Worten, dieses Instrument ist nun auch eines zur Selbstdisziplinierung der Politik.
Meine Damen und Herren! Mit dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf wird Mecklenburg-Vorpommern zu den deutschen Bundesländern gehören, die den Empfehlungen des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas aus dem Jahr 1999 folgen und die Übertragung staatlicher Aufgaben auf kommunale Körperschaften von einer Kostenabgeltung abhängig machen. Der Kongress der Gemeinden und Regionen Europas hat ausdrücklich angeregt, das Konnexitätsprinzip entsprechend dem Vorbild der Länder Schleswig-Holstein, Brandenburg, Baden-Württemberg und Thüringen in den Landesverfassungen zu verankern. Und wie wir wissen, ist ja die Formulierung ursprünglich sehr stark angelehnt gewesen an dem, was in Schleswig-Holstein geregelt worden ist. Unser Land folgt dieser Anregung. Gleichzeitig trägt es dazu bei, die Kritik dieses Kongresses an der bisherigen Landesregelung gegenstandslos werden zu lassen.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir alle, vor allem die, die daran mitgewirkt haben – und denen, Sie wissen, wen ich meine, sei auch herzlich gedankt –, können auf diese Entwicklung stolz sein. Dass sie von uns allen – auch von der Opposition, die es ja, ich will es ausdrücklich sagen, eingebracht hat – nun auch mitgetragen wird, das ist ein gutes Beispiel für den von mir schon bezeichneten übergreifenden demokratischen Konsens im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Ich glaube und hoffe, dass wir in dieser Frage und anderen wichtigen Fragen in Zukunft diesen übergreifenden Konsens bewahren, wenn es um die Entwicklung unseres Gemeinwesens geht. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal ganz herzlich denjenigen Kollegen aus den Koalitionsfraktionen danken, die sich auf einen CDU-Antrag hin zu – wie soll ich sagen? – einer Kommunalfraktion mit uns zusammengeschlossen haben. Denn ich glaube, es ehrt den verfassungsgebenden Landesgesetzgeber, wenn die erste Änderung unserer Landesverfassung in einer Regelung
Allerdings – und das hat der Vorsitzende des Rechtsausschusses sehr vornehm ausgedrückt, aber er hat es ausgedrückt – war das Verfahren...
(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Er ist ein vornehmer Mann. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS)
... nicht gerade rekordverdächtig. Es zeigt nämlich, dass es doch unendlich mühsam war, bis Sie als Koalitionsfraktion endlich einig wurden.