Der Zweck heiligt die Mittel, mag in einigen Fällen ja Berechtigung haben, in der Politik darf dieser Satz keine Anwendung finden.
(Beifall Rainer Prachtl, CDU – Heike Lorenz, PDS: Ihre Argumentation ist völlig abwegig, wenn man den Antrag liest.)
Und, meine Damen und Herren, noch etwas beiseite gesprochen: Es kann ja sein, dass Ihnen dieses nicht gefällt, was ich sage.
Aber im Interesse eines Verständnisses und einer gemeinsamen Politikverantwortung halte ich es für notwendig, dass wir uns über solche Grundsätze unterhalten.
(Heike Lorenz, PDS: Aber nicht so tun, als wenn wir eine Rechtsverletzung einfordern, denn die fordern wir nicht ein. Und das wissen Sie.)
Und verehrte Kollegin, gestatten Sie ein Letztes, ebenfalls wieder beiseite gesprochen: Vielleicht hat der Abgang des Kapitäns und des Steuermanns von der Brücke eines alten Schiffes in der vergangenen Woche auch damit zu tun, dass beide nach zehn Jahren müde waren, der Mannschaft immer wieder das Einmaleins des Segelns beibringen zu müssen,
dass sie sahen, wie ihr Schiff nicht aus dem Hafen herauskam, während ein anderes, ihnen verwandtes Schiff, das noch älter und größer ist als das ihre und das dem Jahrhundert seinen Namen gegeben hat, dass dieses Schiff auf großer Fahrt ist,
ein Schiff, auf dem schon die von ihnen, den beiden Steuermännern, geschätzten Lassalle und Marx, Engels, Bebel, Liebknecht und Luxemburg wie auch Willy Brandt als Steuermänner und Kapitäne gefahren sind.
Herr Friese, Sie haben jetzt Ihre Ausführungen gemacht. Haben Sie denn, da Sie rechtliche Gründe angeführt haben, dem Antrag nicht entnommen, dass es hier nicht um Asyl geht, sondern dass es um lediglich die sechs Monate geht, die der Innenminister erlassen kann, dass es hierbei noch nicht darum geht, ob wir wirklich eine Bundeseinheitlichkeit erhalten, sondern dass es um sechs Monate Zeitaufschub dafür geht, dass wir Bundeseinheitlichkeit vielleicht erreichen können, und dass wir bis dahin niemanden abschieben? Haben Sie das nicht herausgelesen? Ich habe das jetzt nicht ganz verstanden. Sie sind davon ausgegangen, dass wir Asyl wollen. Jedenfalls habe ich die Rede so verstanden.
Dieses ist Ihrem Antrag zu entnehmen, dass Sie das Asylrecht aufweichen wollen. Und dieses geht nicht.
(Heike Lorenz, PDS: Wir wollen das Asylrecht nutzen, für die Menschen nutzen und es nicht aufweichen.)
Nur Sie werden mit diesem Antrag diesem einen Menschen vielleicht einen Gefallen tun, aber Sie werden allen Asylbewerbern, die wirklich auf Asyl angewiesen sind, mit diesem Antrag einen Bärendienst erweisen,
denn damit zerstören Sie die Akzeptanz des Asylrechts in der Bevölkerung. Und vor allen Dingen gibt es keine rechtliche Grundlage dafür.
(Heike Lorenz, PDS: Das steht doch hier drin, das steht doch hier drin. Das ist einfach sachlich daneben.)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dem Antrag der Fraktion der PDS heißt es im letzten Abschnitt: „Die Landesregierung wird aufgefordert, die Abschiebung Minderjähriger und ihrer Erziehungsberechtigten nach § 54 AuslG zunächst auszusetzen und dem Landtag bis zum 31.10.2000 über die Aktivitäten zur Herstellung einer Bundeseinheitlichkeit detailliert zu berichten.“ So weit zum Antrag, Herr Friese.
Paragraph 54 des Ausländergesetzes sagt unter der Überschrift „Aussetzung von Abschiebungen“ aus: „Die
oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, daß die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für die Dauer von längstens sechs Monaten ausgesetzt wird.“ Und alles Weitere, was da noch kommt, hat in Abstimmung und Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Inneren zu erfolgen. So weit zu den rechtlichen Grundlagen, wo wir denken, hier hat das Land Handlungsspielraum.
Als ich am Dienstag den Kommentar im „Nordkurier“ las, ist es mir frostig den Rücken heruntergelaufen. Ein Antrag, der sich für den Schutz von Minderjährigen vor Abschiebung einsetzt, wird als „tränendrüsenpopulistisch“ bezeichnet. Solcherlei Umgang mit diesem sensiblen Thema in den Medien unseres Landes glaubte ich eigentlich, auch vor dem Hintergrund der Prozesse gegen die Eggesiner Schläger, überwunden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, am gleichen Tag war vom „Säbelrasseln“ der PDS zu lesen. Wer dies so sieht, kann oder will nicht zur Kenntnis nehmen, das für die PDS der Umgang mit Ausländerinnen und Ausländern seit dem ersten Tag der Existenz der PDS ein Politikfeld von höchster Priorität ist, auch und vor allem als Ergebnis der Auseinandersetzung mit dem Umgang mit Ausländerinnen und Ausländern in der DDR und durch die SED.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will aber an dieser Stelle auch betonen, ich bin froh, dass es in diesem Land seit Existenz dieses Landes zum ersten Mal eine Koalitionsvereinbarung und eine Koalition gibt, die sich einen anderen Umgang mit Flüchtlingen auf die Fahnen geschrieben hat. Mit dem bisher Erreichten allerdings bin ich trotz einiger weniger positiver Schritte bei weitem nicht zufrieden. Das betrifft auch und in erster Linie den Umgang mit den Schwächsten der Schwachen, den Kindern von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern.
Dies zu ändern, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist Anliegen unseres Antrages. Es geht uns darum, aus humanitären Gründen Zeichen zu setzen, aus humanitären Gründen Kindern Schutz vor Abschiebung in eine unsichere Zukunft zu geben. Welche, frage ich Sie, wenn nicht humanitäre Gründe, sollten denn gelten, um ein zehn Monate altes Kind nicht in die Krisenregion Bosnien-Herzegowina abzuschieben? Ach ja, die Bundesgesetze sind so. Punkt! Was aber hat die Landesregierung unternommen, um zu versuchen, diese Gesetze im Sinne der Betroffenen zu ändern? Ach ja, Herr Friese, die Mehrheitsverhältnisse im Bund sind so, dass solche Aktivitäten keine Aussicht auf Erfolg haben. Punkt! Nein, meine Damen und Herren, die PDS wird sich mit diesen banalen Feststellungen nicht zufrieden geben.
Wir werden auch künftig nicht mit dem Säbel rasseln, aber wir werden weiter an den Ketten des Asylunrechts rütteln.
In Auseinandersetzung mit den Standpunkten um Einwanderung und Greencard schrieb Heribert Prantl am 03.04. in der „Süddeutschen Zeitung“: „Asylgewährung ist ein Akt der Humanität; Einwanderung dagegen ist angewandter nationaler Egoismus. Einwanderer kann man sich aussuchen, Flüchtlinge nicht. Verfolgte Flüchtlinge haben ein Recht auf Aufnahme. Ein Einwanderer hat ein solches Recht nicht.“ Heribert Prantl stellt in Bezug auf die deutsche Asylpolitik weiter fest: „Die deutsche Politik war nicht konstruktiv, sondern destruktiv.“
Diese Feststellung, meine sehr verehrten Damen und Herren, bewahrheitet sich fast täglich in der Bundesrepublik. Im letzten Jahr gewann die CDU in Hessen mit einer ausländerfeindlichen Kampagne die Landtagswahlen.