Protokoll der Sitzung vom 25.05.2000

Die Situation von Angehörigen, die Menschen mit psychischen Störungen betreuen, ist besonders schwierig.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Sehr wahr.)

Und die Zahlen der Familien, in denen solche pflegebedürftigen Menschen leben, ist gestiegen und wird weiter steigen. Deshalb wurde durch das Institut für Sozialforschung und berufliche Weiterbildung in Neustrelitz unter Mitwirkung der Fachhochschule Neubrandenburg ein Modellvorhaben entwickelt,

(Torsten Koplin, PDS: Sehr gut.)

das Erkenntnisse bringen soll, wie Angehörige bei der Pflege und Betreuung zu Hause lebender Pflegebedürftiger mit psychischen Störungen unterstützt werden können. Dieses Vorhaben wird wissenschaftlich begleitet und im Modellprogramm des Bundes „Altenhilfestrukturen der Zukunft“ sowie ergänzend aus Landesmitteln gefördert. Außerdem – darauf lassen Sie mich noch hinweisen – wirkt die AOK an diesem Vorhaben in erheblichem Maße mit. Ich gehe davon aus, dass durch dieses Modell Wege aufgezeigt werden, damit die bisher nur zögerlich angenommenen Kurse für häusliche Krankenpflege und für die Unterstützung von Angehörigen von Pflegebedürftigen, die Leistungen der Pflegekasse sind, gerade auf diesem Feld einen Schub erfahren.

Ich darf an dieser Stelle an die vorangegangene Diskussion zur häuslichen Krankenpflege erinnern. Für die Stärkung der Pflegekompetenz der Angehörigen wurde mit der jüngst erlassenen Richtlinie endlich die Voraussetzung geschaffen. Die Förderung der Tagespflege ist aber nur der erste Schritt für eine Verbesserung der Versorgung demenzkranker Bürgerinnen und Bürger.

Ihnen ist das entsprechende Eckpunktepapier des Bundesgesundheitsministeriums bekannt. Ich möchte auch nur ein Detail herausgreifen, und zwar gerade das Detail, was Herr König wieder ein Stück klein geredet hat. Ich begrüße das Vorhaben, dass Pflegebedürftigen einmal wöchentlich die Inanspruchnahme einer Tages- oder Nachtpflege ohne Verrechnung mit der häuslichen Pflegeleistung ermöglicht wird, denn bisher ist es bereits möglich, Geld- und Sachleistungen zu mischen, um differen

zierten Ansprüchen zu genügen. Aber eben diesen Ausnahmefall zu gestalten, ohne gleich die jeweiligen Pflegeleistungen komplex in Anspruch nehmen zu müssen, ist, meine ich, ein wesentlicher Schritt, der auch sehr flexibel wirken kann.

Auf die im CDU-Antrag angesprochene Verbesserung der Einstufung in Pflegestufen hat das Land unmittelbar keinen Einfluss. Diese Einstufung wird von den Pflegekassen auf der Grundlage von Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen vorgenommen. Seit In-KraftTreten des Pflegeversicherungsgesetzes laufen bundesweit Bemühungen, Verbesserungen gerade auch bei der Einstufung und Bewertung psychischer Störungen zu erreichen. Eine Reihe von Verbesserungen konnte in den letzten Jahren in entsprechenden Richtlinien auf Bundesebene eingebracht werden. Trotzdem bin ich – ebenso wie viele Betroffene und viele, die in diesem Bereich fachlich tätig sind – mit dem bisher Erreichten nicht zufrieden. Ich muss allerdings darauf hinweisen, dass alle bisher konkret vorgelegten Vorschläge für eine Änderung des Gesetzes in diese Richtung keine Mehrheit gefunden haben. Die Vorschläge führen zu einem erheblichen Mehraufwand bei den Pflegekassen und waren somit immer eingebunden in die generelle Diskussion über die Stabilität der Finanzierung dieses sozialen Sicherungssystems. Welche Schwierigkeiten diese Frage macht, haben wir in den letzten Monaten und Jahren oft genug erfahren. Wir werden jedoch unsere Bemühungen um Verbesserungen gemeinsam mit anderen Ländern fortsetzen und ich hoffe, dass wir eines Tages hier auch den Durchbruch erzielen.

Sie sehen also, sehr geehrte Damen und Herren der CDU, dass Sie mit Ihrem Antrag etwas fordern, was die Landesregierung gemeinsam mit Ärztinnen und Ärzten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Leistungserbringern und Kostenträgern längst verfolgt. Deshalb hoffe ich, dass Sie dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zustimmen werden, der diese Bemühungen unterstützt und den politischen Willen erklärt, auf dem erfolgreichen Weg weiterzugehen. – Danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Rißmann von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Herr Dr. Rißmann.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion! Ihr Antrag ist aus sozialmedizinischer Sicht absolut zu begrüßen und zu unterstützen. Wir möchten uns erlauben, ihn in zwei, drei, vier Punkten zu ergänzen, um ihm dann zustimmen und ihn im Landtag verabschieden zu können.

Es ist richtig, dass mit zunehmender Lebenserwartung der relative Anteil von Demenzkranken zunehmen wird. Demenz ist ein Syndrom, dem verschiedene Erkrankungen zugrunde liegen. Häufigste Ursache ist die Arteriosklerose im Bereich der Hirngefäße, die durch viele kleine Schlaganfälle die Auswirkung Demenz dann zur Folge hat. Eine andere Ursache ist der Morbus Alzheimer, dabei handelt es sich um eine letztendlich genetisch bedingte Krankheit mit vorzeitigem Absterbeprozess von Nervenzellen speziell im Bereich der Hirnrinde.

Zur Tagespflege ist die Bundesregierung schon initiativ geworden und – wie die Ministerin hier eben ausführte –

auch im Blick des Landes sind Aktivitäten bereits auf einem guten Weg.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Die Tagespflege sieht vor, dass Demenzkranke künftig einmal wöchentlich Tagespflege in Anspruch nehmen können, ohne dass die dadurch entstehenden Aufwendungen mit den häuslichen Pflegeleistungen verrechnet werden müssen. Mit dieser Leistungsverbesserung werden drei wesentliche Ziele angestrebt:

Erstens. Den pflegenden Angehörigen soll die Möglichkeit zur dringend notwendigen Entlastung von der physisch und psychisch sehr beanspruchenden Pflege dementer Familienangehöriger geboten werden.

Zweitens. Gleichzeitig soll etwas für die Pflegebedürftigen getan werden. Mit der Tagespflege steht ein Leistungsangebot zur Verfügung, das auf Aktivierung des Pflegebedürftigen ausgerichtet ist. Durch diese Betreuungsangebote können in der Tagespflege körperliche und geistige Fähigkeiten erhalten oder teilweise wiederhergestellt oder verbessert werden. Einfache Verrichtungen können wieder möglich werden, die durch mangelnde Geduld und auch mangelnde Fachlichkeit der entlastenden und pflegenden Angehörigen nicht selten zu kurz gekommen sind. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Kontakt zu Menschen in ähnlichen Lebenssituationen eine Verhinderung einer Isolation, das heißt, Tagespflege bedeutet für den Pflegebedürftigen auch ein Mehr an Lebensqualität.

(Torsten Koplin, PDS: Sehr richtig.)

Drittens sichert die Tagespflege als notwendige Ergänzung der häuslichen Pflege den gewünschten längeren Verbleib des Pflegebedürftigen in seiner häuslichen Umgebung. Ein überzeugendes Angebot im teilstationären Bereich hilft also frühzeitige Inanspruchnahme von vollstationärer Pflege zu vermeiden.

Neben speziellen gerontopsychiatrischen Tagespflegeeinrichtungen sind nach den Modellergebnissen auch die normalen Tagespflegestätten durchaus in der Lage, durch eine inhaltliche und konzeptionelle Weiterentwicklung eine der Demenz gerecht werdende Betreuung durchzuführen. Dabei müssen jedoch wichtige Qualitätskriterien beachtet werden, besondere Anforderungen an die Milieugestaltung, spezielle Betreuungsansätze, die enge Zusammenarbeit mit neurologischen und psychiatrischen Fachärzten oder mit Geriatern und Ähnliches.

Ich bin überzeugt, dass die beabsichtigte Leistungsverbesserung geeignet ist, hier Veränderungen herbeizuführen, und dass längerfristig auch wohnortnahe geeignete Tagespflegekonzepte entwickelt werden können sowie Pflegebedürftige und ihre Angehörigen, die bisher fremde Hilfe nicht gerne annehmen wollten, nach und nach diese Hemmschwelle gegenüber Einrichtungen abbauen werden. Möglicherweise wird das sogar dazu führen, dass viele Pflegebedürftige dann nicht nur einen Tag, sondern weitere Tage in der Tagespflege in Anspruch nehmen werden.

Im stationären Bereich setzen notwendige Verbesserungen in der Betreuung dementer Heimbewohner Leistungsverbesserungen der Pflegeversicherung nicht voraus. Die in stationären Einrichtungen entstehenden Aufwendungen für den besonderen Hilfebedarf können bereits jetzt in den Heimentgelten Berücksichtung finden.

Die Aufwendungen der sozialen Betreuung sind pflegesatzfähig.

Die Initiative der Bundesregierung bietet gleichzeitig diese drei entscheidenden Vorteile:

Entlastung der Angehörigen,

aktivierende Betreuung

und im Hinblick auf die demographische Entwicklung die wichtige Förderung der Tagespflege.

Man muss ein Stück über den jetzigen, heutigen Horizont hinausdenken.

Alte Menschen zu betreuen, die von Demenz betroffen sind, stellt an ihre Helfer täglich neue Fragen, neue Ängste, neue Probleme, die zu bewältigen sind, und verlangt, dass wir in der Gesellschaft insgesamt diesem Problem stärkere Aufmerksamkeit zuwenden. Nach meiner Meinung muss auch der Aspekt stärker berücksichtigt werden, dass in den Tageskliniken multidisziplinär zusammengearbeitet werden muss – Psychiater, Psychologen, Neurologen, Geriater nebeneinander, aufeinander abgestimmt mit dem Patienten und mit der Familie.

Es ist ein Irrtum zu glauben, man könne das Pflegepersonal in anderen Einrichtungen dazu befähigen, eine spezifische Demenztherapie durchzuführen. Das ist abgesehen von dem inhaltlichen Fehler auch bei der knappen Gestaltung der Kapazitäten des Pflegepersonals in Altenheimen oder in Krankenhäusern nicht möglich. Außerdem bin ich der Auffassung, dass für Patienten, die aufgrund einer häufig zusätzlichen körperlichen Behinderung durch Schlaganfall mit Auswirkungen, also Halbseitenlähmungen oder dergleichen, häufig nicht in der Lage sind, transportiert werden zu können, es deswegen ein sinnvoller Ansatz ist zu überlegen, ein konsiliarisch tätiges Therapeutenteam zu formieren, welches diese Patienten zu Hause oder in der Altenpflegeheimsituation aufsucht.

Wir unterstützen Ihre Initiative, meine Damen und Herren von der CDU, inhaltlich voll in der Absicht. Wir bitten darum, dass Sie unserem Änderungsantrag zustimmen, denn er modifiziert, spezifiziert und macht Ihren Antrag etwas genauer und griffiger sowie trägt letztlich in der Einleitung auch dem Rechnung, dass man nicht unterstellen sollte, im Land würde nichts für diese Patientengruppe getan. Und vielleicht kommen wir ja auch alle irgendwann einmal in die Verlegenheit, uns dann für bereits stattgefundene, für stattgehabte Betreuungskonzepte bedanken zu müssen. Ich hoffe das für alle von Ihnen natürlich nicht.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. Wir stimmen dann dem gemeinsamen Antrag seitens unserer Fraktion zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke, Herr Dr. Rißmann.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Glawe von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! „Bessere Hilfe für die Demenzkranken in Mecklenburg-Vorpommern“ ist das Thema – durch die CDU beantragt – und ich denke, dieses Thema ist zeitgemäß, denn der Blick auf die demographische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, auch in Meck

lenburg-Vorpommern zwingt dazu, darüber nachzudenken, wie chronische Verwirrtheit, so heißt ja letztendlich Demenz, auch in Mecklenburg-Vorpommern für die Bürgerinnen und Bürger durch den Staat, durch die Pflegeversicherung, aber durch alle Beteiligten mit Blick auf die Zukunft gesichert werden kann.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Auf Bundesebene hätte schon längst was gemacht werden müssen.)

Die Grundvoraussetzungen, Frau Seemann, hat die Regierung Seite seit 1990 getan.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU – Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Ich will daran erinnern, dass 12.800 Alten- und Pflegeheimplätze in Mecklenburg-Vorpommern vorhanden sind. Davon sind jetzt über 7.500 saniert beziehungsweise neu gebaut und da ist es heute auch mal an der Zeit, dem Ministerpräsidenten a. D. dafür Dank zu sagen.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU – Torsten Koplin, PDS: Keinen Personenkult. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber der Herr Seite war doch 1990 gar nicht im Landtag.)

Meine Damen und Herren, natürlich ist es richtig, dass wir neue Modelle und neue Denkideen haben müssen. Dazu gehören immer auch Kooperationen. Dazu gehört aber auch, dass die Landesregierung ihre Verantwortung wahrnimmt,

(Torsten Koplin, PDS: Das hat Frau Ministerin gesagt, wie sie sie wahrnimmt.)

und sie hat Verantwortung. Sie hat den Landeskrankenhausplan in der Hand, sie hat den Altenplan in der Hand, sie hat die Aufsicht über die Krankenkassen. Also, Frau Bunge, dass Sie nun überhaupt nichts zu tun haben, das sehe ich gar nicht so.

(Torsten Koplin, PDS: Das hat sie auch gar nicht behauptet. Sie haben leider nicht zugehört.)

Ich meine schon, dass Ihre Verantwortung da gegeben ist und Sie sind ja keine unwichtige Person, denn Sie können einiges dafür tun,

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber, Herr Glawe, was denken Sie, was Frau Bunge alles in der Hand hat. – Glocke der Vizepräsidentin)