Protokoll der Sitzung vom 25.05.2000

Damit möchte ich Sie jetzt aber nicht beleidigen, denn Sie erklärten uns, was Presse ist. Dann haben Sie uns erklärt, wie die Zeitungen zu arbeiten haben. Da werden sich natürlich alle Verlage und Zeitungsredakteure bedanken. Anschließend haben Sie erklärt, wie wirtschaftlich Presse sein muss, dann sagten Sie etwas zu den Tarifen, zu den Aktivitäten. Lieber Herr Kollege, ich mache Ihnen einen Vorschlag: Ziehen Sie den Antrag zurück, melden Sie sich bei der „Ostsee-Zeitung“, beim „Nordkurier“, bei der SVZ oder bei NNN und werden Sie dort Mitarbeiter, wenn Sie diese Dinge, die Sie hier am Anfang erklärt haben, uns vorgeführt haben.

(Torsten Koplin, PDS: Das ist doch unsachlich.)

Ich denke, das war nicht nur ein freudscher Versprecher, als Sie vom Berichtsunwesen gesprochen haben, was es ja nicht sein soll. Mir tut diese arme Landesregierung leid, wenn sie zu diesen Dingen Stellung nehmen soll.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Wir haben viele zehnjährige Jubiläen gehabt. Auch der Deutsche Journalistenverband wird demnächst sein zehnjähriges Jubiläum feiern. Die Landespressekonferenz hat es gefeiert. Wir haben in den zehn Jahren, lieber Kollege Friese, sicherlich gelernt, wie dringend notwendig die Pressefreiheit für ein demokratisches Staatswesen ist. Die Presse ist die vierte Gewalt im Staate und muss natürlich von Politikern kontrolliert und inspiriert werden.

(Siegfried Friese, SPD: Eben nicht, eben nicht! Genau das ist der Irrtum. – Minister Dr. Gottfried Timm: Das ist das Missverständnis. – Siegfried Friese, SPD: Genau das ist das Missverständnis!)

Auch uns Politiker, Entschuldigung, kontrollieren und inspirieren.

(Siegfried Friese, SPD: Ja, ja, das ist aber ganz was anderes.)

Nein, ich habe das jetzt noch mal deutlich gesagt.

(Heiterkeit und Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD und CDU – Minister Dr. Gottfried Timm: Freudscher Versprecher! – Siegfried Friese, SPD: Das war der freudsche Versprecher, Herr Kollege, ja, ja!)

Nein, ich habe mich korrigiert.

Ich möchte heute nicht der Versuchung unterliegen, den Antrag zum Anlass zu nehmen, in Lobhudeleien über die Journalisten im Allgemeinen und die Kolleginnen und Kollegen unserer Landespressekonferenz insbesondere zu verfallen. Wir wissen, Politiker und Journalisten stehen in einem besonderen Spannungsverhältnis, das seitens der Politik oder, genauer gesagt, der Politiker immer dann sehr gut wird, wenn wir eine gute Berichterstattung haben. Ist sie negativer, äußern wir uns gewöhnlich auch negativer. Ich meine aber, bei uns im Land funktioniert das, was zwischen Politik und Journalisten da sein soll, im Wesentlichen sehr gut. Es gibt Politiker, denen man sicher Verhaltensauffälligkeiten nachsagen kann.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

So wird es auch Journalisten geben, denen man Gleiches nachsagen kann.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Torsten Koplin, PDS: Nennen Sie Namen!)

Das gibt es sicherlich auf beiden Seiten.

Natürlich gibt es hier und da inhaltliche Kontroversen, die ebenfalls im parlamentarischen Regierungssystem einer Demokratie nachvollziehbar sind. Ich nenne hier nur das Stichwort des Einsatzes elektronischer Mittel zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, bei deren Regelung es einen Dissens zwischen den Journalisten und der damaligen Landtagsmehrheit darüber gab, ob auch Journalistengespräche im Einzelfall abgehört werden dürfen. Hier herrscht nun Klarheit dadurch, dass die dritte Gewalt entschieden hat. Das zeigt, dass das System funktioniert, und dass es funktioniert, daran sind wir alle miteinander beteiligt. Es ist deshalb gut und richtig, die Freiheit der Presse zu verteidigen.

Inwieweit nun allerdings der vorliegende Antrag einer solchen Zielsetzung gerecht wird, wage ich zu hinterfragen. Zumindest muss ich zugeben, dass es mir schon ein wenig gegen den Strich geht, eben aufgrund der Pressefreiheit von der Landesregierung einen Bericht zur Lage des Pressewesens zu verlangen. Ich möchte nicht sagen, dass hier die Grenze zwischen Staat und Presse überschritten wird, aber emotional widerstrebt es mir, einem solchen Ansinnen von vornherein zuzustimmen, dieses dann zweitens umso mehr vor dem Hintergrund der wenig konkreten Aufgabenstellung, in der es nur darum geht, „die Entwicklung des Pressewesens“ darzulegen. Da interessiert mich schon, unter welchen Kriterien diese Entwicklung betrachtet werden soll. Einiges haben Sie ja genannt, aber ich denke, das ist völlig daneben. Soll es um Verlagsstrukturen gehen, um Auflagenzahlen, um Leserstrukturen, um Anzeigenstrukturen, um Zeitungen, die es auf dem Markt gab oder nicht mehr gibt, um Verbreitungsgebiete, um die Bezahlung der Journalisten oder um die Zahl der Arbeitsplätze? Vieles davon haben Sie aufgeführt. Ich denke, darüber sollte die Regierung nicht berichten.

Dann wüsste ich gern, ob diese Entwicklung auf Sekundärquellen beschrieben werden soll oder im Kontakt mit den Verlagen und den Journalisten und wie gegebenenfalls die recherchierten Aufgaben überprüft werden sollen, durch einen Fragebogen bei den Verlagen oder bei den Lesern, bei uns Politikern oder bei den Journalisten? Vielleicht ist der Fragebogen schon vorbereitet? Ich weiß es schlicht nicht und hätte hierauf gerne eine Antwort.

Drittens ist mir die Motivlage im Moment nicht ganz klar. Ich wüsste sehr gern, ob es einen konkreten Anlass, einen konkreten Verdacht gibt, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist, dass etwas im Raum steht, dass wir darüber diskutieren müssen. Das, denke ich, ist auch nicht vorhanden. Ich selbst, das muss ich zugestehen, kann ein solches Problem nicht erkennen. Die drei großen Zeitungen im Land haben ihre Einzugsgebiete geklärt.

(Minister Dr. Gottfried Timm: Leider, leider.)

Mit ist nicht ersichtlich, dass es hier größere wirtschaftliche Schwierigkeiten oder Konzentrationsbestrebungen gibt. Sicherlich, die Auflagen gehen zurück. Dies hat zum

einen sicherlich mit der demographischen Entwicklung, zum anderen mit der wirtschaftlichen Situation der Haushalte zu tun, vielleicht auch mit den von Ihnen initiierten Benzinpreiserhöhungen. Da wird mancher, der sich früher noch am Kiosk eine Zeitung gekauft hat oder an der Tankstelle, sagen: Danke schön, eine Zeitung kaufe ich nicht mehr, denn die Rechnung für das Benzin war ja hoch genug.

Hier könnte meines Erachtens eine Aufgabe für die Politik bestehen, einen Beitrag zu leisten, die Jugendlichen wieder zum Medium Zeitung zurückzuführen. Dabei könnte man auch diskutieren, wie die Situation der überregionalen Zeitungen, die in Mecklenburg-Vorpommern vertrieben werden, ist. Lesen die Menschen nur unsere Lokalblätter oder auch regelmäßig überregionale Publikationen? Sicherlich sind das interessante Fragen, die aus meiner Sicht jedoch zunächst von den Herausgebern der Zeitung hier im Land diskutiert werden sollten, wenn sie denn ein Problem grundsätzlicher Art darstellen.

Zu mir sind Äußerungen dahin gehend, dass von irgendeiner Seite die Pressefreiheit gefährdet sein könnte, noch nicht vorgedrungen. Deshalb frage ich mich ebenfalls nach der Motivation zum vorliegenden Antrag. Die Begründung, die im Antrag angegeben werden kann, kann nicht überzeugen, denn hier wird erklärt, ein solcher „Bericht (soll) auch als Grundlage für eine Überprüfung des im Jahre 1993 verabschiedeten Landespressegesetzes dienen“. Nur, die Regierungsparteien haben doch längst beschlossen, eine Überarbeitung vorzunehmen. Das geht aus dem Koalitionsvertrag – konkret der Ziffer 170, die Sie ja auch erwähnt haben – eindeutig hervor.

Deshalb gibt es nun zwei Möglichkeiten: Entweder der Koalitionsvertrag wurde abgeschlossen, ohne dass die Koalitionspartner eine Ahnung von der Materie hatten, oder aber dieser Bericht soll als Feigenblatt dafür dienen, längst beschlossene Veränderungen öffentlich zu begründen. Und Letzteres scheint mir der Fall. Wenn man nämlich die Ziffer 170 des Koalitionsvertrages heranzieht und sie ergänzt durch Äußerungen der Kolleginnen und Kollegen von SPD und PDS, dann geht es doch bei der angekündigten Novellierung des Pressegesetzes insbesondere um das Redakteurstatut. Das ist schlicht eine politische Entscheidung, für die Sie keinen Bericht über die Lage im Pressewesen brauchen.

Ein weiteres Indiz für die Feigenblattaktion eines solchen Berichtes ist aus meiner Sicht der Zeitpunkt. Wir können doch nicht im Dissens vor ein paar Wochen das neue Rundfunkgesetz verabschieden, das in Bezug auf die Förderung des regionalen Hörfunks auch massive Einflüsse auf die Presselandschaft haben könnte, und hinterher einen Bericht verlangen, der diese Querverbindung dann auch noch berücksichtigen möchte. Auch hier wieder zwei Möglichkeiten: Entweder mit der Verabschiedung des Rundfunkgesetzes wusste die Regierungsmehrheit nicht, was sie inhaltlich tat, was ich mir nicht vorstellen kann, weil es in der Anhörung sehr deutlich wurde, oder aber auch diese ist wiederum eine weitere Bestätigung für die Feigenblattfunktion dieses Berichtes.

Wie immer ich das drehe und wende, dieser Berichtsantrag macht in der hier vorgelegten Form schlicht und einfach, lieber Herr Kollege Friese, keinen Sinn. Nun könnten wir als CDU-Fraktion ja sagen: Okay, so ein Bericht schadet ja nichts. Die Landesregierung bekommt etwas zu tun, sie macht ja sonst nur wenig – formuliere ich mal – ,

also lasst es gut sein. Übrigens: Wer soll diesen Bericht denn machen? Das Innenministerium, das Kultusministerium, die Staatskanzlei oder vielleicht sogar der Landwirtschaftsminister? Aber gerade bei diesem Bericht habe ich, auch wenn das Ganze nur ein Bericht ist, zu große Bauchschmerzen, dem Ganzen zuzustimmen. Entweder es wird ein sehr oberflächlicher, mehr oder weniger statistischer Bericht, den wir auch dem Statistischen Jahrbuch entnehmen könnten, oder aber es wird ein Bericht, zu dessen Erstellung in den Verlagen sehr viel rumgeschnüffelt werden müsste, was sich die Verlage nicht gefallen lassen müssen und auch nicht werden. Das können auch Sie nicht wollen. Schließlich erklären Sie selbst die überragende Bedeutung der Presse für das freiheitlich-demokratische Staatswesen.

Ich würde mich deshalb freuen, wenn Sie erwägen könnten, den Berichtsantrag noch einmal zurückzustellen, um vielleicht in veränderter, ich würde sagen, verbesserter Form, neu zu stellen. Falls Sie das nicht können, werden wir von der CDU-Fraktion ihn ablehnen. Deshalb bitte ich Sie, Herr Kollege Friese, ihn zurückzunehmen und dass wir wieder zur ordentlichen Arbeit zurückkehren,

(Torsten Koplin, PDS: Unsere Arbeit ist ordentlich.)

sonst können wir uns hier im Landtag über Haarausfall unterhalten, aber das ist doch keine Art und Weise, so was hier zu machen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege.

Das Wort hat jetzt für die PDS-Fraktion der Abgeordnete Herr Böttger.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Herr Prachtl, es wundert mich schon sehr, Sie wissen überhaupt nicht, was in dem Bericht drinsteht, aber Sie bewerten ihn jetzt schon und lehnen ihn ab. Sie sind der Meinung, über dieses Thema müsste man hier nicht diskutieren.

(Rainer Prachtl, CDU: Genau.)

Ich frage Sie: Wann haben wir denn überhaupt das letzte Mal im Landtag über die Printmedien diskutiert?

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ist denn das unser Thema?)

Ich bin der Meinung, dieses Thema ist unterbelichtet in der politischen Diskussion.

(Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, und Rainer Prachtl, CDU)

Wenn ich überlege, zu welchen anderen Themen wir hier sehr oft reden, dann bin ich schon der Meinung, wir sollten natürlich über das Pressewesen...

(Rainer Prachtl, CDU: Aber qualifizierter, doch nicht so. – Dr. Armin Jäger, CDU: Herr Böttger möchte nur wieder in die Zeitung.)

Dann machen Sie es doch! Was Sie hier gesagt haben, war doch wenig qualifiziert. Insofern hat doch keiner etwas dagegen, wenn Sie das qualifiziert hier diskutieren.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Aber ich bin schon der Meinung, wir sollten darüber diskutieren. Es geht um die Rahmenbedingungen. Es geht nicht um die Kontrolle der Politik gegenüber den Medien – ich hoffe, das war kein Wunsch von Ihnen, den Sie hier fälschlicherweise artikuliert haben –,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Na, na!)

sondern es geht um Rahmenbedingungen, die wir mit dem Landespressegesetz schaffen, und die gibt es. Ich bin schon der Meinung, wir sollten natürlich einen solchen Bericht hier im Landtag entgegennehmen. Wenn er dann vorliegt, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, dann lasst uns doch über das streiten, was drinsteht, aber doch nicht jetzt schon erklären, der Bericht taugt nichts. Wir wissen doch noch gar nicht, was drinsteht.

Über die Bedeutung der Presse, da bin ich auch Ihrer Meinung, wie der Medien überhaupt müssen gerade wir Politiker nicht streiten. Sie ist allgemein anerkannt und ich kenne viele von uns, die, wenn sie ins Haus kommen, zuerst in den „Medienspiegel“ gucken. Das ist sozusagen ihre erste Aufgabe, um zu sehen, wie die Person oder die Partei widergespiegelt wird.

(Dr. Arthur König, CDU: Und ob Herr Böttger drinsteht.)