Protokoll der Sitzung vom 18.10.2000

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Kann mittels separater Gesetze das Fehlverhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verhindert werden? Wir sagen eindeutig: Nein! Mit Ihrem Gesetzentwurf suggerieren Sie das aber, wie das in der Begründung deutlich wird. Die Form ist also nicht das Entscheidende, auch wenn sie nicht unwesentlich ist, sondern der Inhalt und selbstverständlich die korrekte Umsetzung gesetzlicher Regelungen in der Praxis.

Mit dem Verweis darauf, dass es in anderen Bundesländern Maßregelvollzugsgesetze gibt, mit denen gute Erfahrungen gemacht wurden, versuchen Sie zu begründen, dass wir zur Erhöhung der Sicherheit der Allgemeinheit ein solches bräuchten. Der Beweis wäre nur dann schlüssig, wenn in den anderen Ländern keinerlei Entweichungen oder Vorkommnisse da wären. Doch die Realität ist eine andere. Auch in diesen Ländern hat es Entweichungen gegeben, versuchte Geiselnahmen et cetera. Und sie sind eben nicht völlig auszuschließen.

Meine Damen und Herren, es ist durchaus möglich, und das gibt auch das Strafvollzugsgesetz her, ein eigenständiges Gesetz zum Maßregelvollzug zu machen. Angesichts der differenzierten rechts- und sozialstaatlichen sowie der therapeutisch-rehabilitativen Anforderungen spricht sogar einiges dafür. Allerdings muss es dann vorrangig die Anerkennung von Grundrechtspositionen des Patienten und die Begrenzung von Grundrechtseingriffen beinhalten, um den Anspruch auf Behandlung und die Grenzen der Behandlungspflicht zu sichern und zu regeln. Ihr Gesetzentwurf, meine Damen und Herren von der CDU, erfüllt diesen Anspruch nicht und ist daher abzulehnen.

(Harry Glawe, CDU: Ah ja.)

Mecklenburg-Vorpommern hat sich nach meinem Dafürhalten richtigerweise dafür entschieden, die Unterbringung psychisch kranker Straftäter und suchtkranker Straftäter im Psychischkrankengesetz zu regeln. Damit finden wir uns auch in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht, das sich im Hinblick auf die spezifischen ärztlichen Aufgaben, die sich mit der Behandlung der Untergebrachten stellen, für deren Einbeziehung in die allgemeine psychiatrische Versorgung entschieden hat. Das sollten wir auch weiterhin so handhaben. Dies stünde auch in keinem Widerspruch zu der durch den Organisationserlass des Ministerpräsidenten veränderten Zuständigkeit. Im Bereich der Forensischen Psychiatrie spielen beide Aspekte, medizinisch-therapeutische Behandlung und Sicherheit der Allgemeinheit, gleichermaßen eine Rolle.

Gemäß Paragraph 136 Strafvollzugsgesetz ist die Behandlung des Untergebrachten nach ärztlichen Gesichtspunkten vorzunehmen. Er soll möglichst geheilt

oder sein Zustand so gebessert werden, dass er keine Gefahr für die Allgemeinheit ist. Darauf sind auch die Aufsicht, Betreuung und Pflege auszurichten. Ja, psychisch kranke Straftäter sind Straftäter. Jedoch sie sind, so sie nach Paragraph 63 StGB beziehungsweise 64 StGB eingewiesen sind, gemäß Paragraph 20 StGB schuldunfähig oder gemäß Paragraph 21 StGB vermindert schuldfähig. Demnach sind die Zuständigkeiten generell zweigeteilt. Sie sind also so oder so zu regeln, unabhängig davon, ob in der von der Opposition gewünschten Form oder in Form des Psychischkrankengesetzes.

Wir sehen die Änderungen des Psychischkrankengesetzes vom März diesen Jahres auch heute noch als richtig, ausreichend und zweckmäßig an. Ergänzt werden müsste jetzt nur noch die klare Kompetenzverteilung zwischen Justiz- und Sozialministerium. Daran wird derzeit gearbeitet, wir haben es gehört. Und ich bin auch erfreut, dass das schon in der Staatssekretärsrunde war. Wir hoffen, dass wir das dann auch in der nächsten Landtagssitzung vorgelegt bekommen.

Wichtiger noch als die notwendigen gesetzlichen Änderungen sind handhabbare Regelungen für die praktische Zusammenarbeit zwischen Justiz- und Sozialministerium. Und ich denke, da wird mir Herr Sellering auch zustimmen.

Der vorwurfsvollen Einschätzung seitens der Opposition, die Änderung des Psychischkrankengesetzes vom März diesen Jahres hätte keinen Erfolg und keine Verbesserungen gebracht, widersprechen wir ausdrücklich.

(Harry Glawe, CDU: Das hilft trotzdem nichts.)

Hinzu kommt, dass eine Fehleinschätzung vorgenommen wurde oder dass Sie eine vornehmen, wenn Sie bei der Bewertung des geänderten Psychischkrankengesetzes als alleiniges Kriterium

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Entweichungen und andere Vorfälle heranziehen. Dieses ist als ein Kriterium für die Bewertung zu nehmen, aber nicht als einziges, wogegen wir auch nichts einzuwenden hätten.

Zusätzlich ist bei der Bewertung zu bedenken, dass Maßnahmen und deren Wirksamkeit, die wir mit der Änderung des Psychischkrankengesetzes eingeleitet haben, nicht innerhalb eines viertel oder halben Jahres vollständig umgesetzt werden können. Bekanntermaßen sind dazu Ausschreibungs- und Auswahlverfahren notwendig, die entsprechender Zeiträume bedürfen. Und es ist dabei mit einzukalkulieren, dass es aus den unterschiedlichsten Gründen zu Verzögerungen im Bauablauf sowie durch eventuell notwendige Nachbesserungen zu Regressforderungen kommen kann. Die eingeleiteten Sofortmaßnahmen dagegen griffen, wie das durch die Sozialministerin während der Sondersitzungen im Sommer deutlich gemacht wurde.

(Harry Glawe, CDU: Das ist ja wohl ein Witz.)

Das Fehlverhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern konnte man jedoch nicht ausschließen und wird man auch in Zukunft nicht ausschließen können, wie ich eingangs schon erwähnte.

Meine Damen und Herren, wie ist nun der berechtigte Anspruch der Allgemeinheit auf Sicherheit zu realisieren?

Erstens. Wir brauchen eine gute Qualität psychiatrischtherapeutischer Behandlungskonzepte, die auf die einzel

ne Person oder von bestimmten Personengruppen der Untergebrachten ausgerichtet ist. Nur so ist das Ziel der Besserung und Heilung der Patienten zu erreichen. Dies wiederum erfordert gut ausgebildetes Fachpersonal, die entsprechende Ausbildungscurricula haben und einer vernünftigen Forschung unterliegen einschließlich einer kontinuierlichen Fortbildung.

Zweitens. Wir brauchen eine gute innere Organisation, um die Aufsicht über die Untergebrachten abzusichern. Dazu ist es erforderlich, Träger und Leitungen solcher Einrichtungen zu schulen und die innere Organisation optimal auf die Erfordernisse der Behandlungskonzepte abzustimmen.

(Harry Glawe, CDU: Da sind wir uns ja einmal einig.)

Drittens. Wir brauchen wirkungsvolle Maßnahmen der Kontrollen, auch unter Einschluss von Grundrechtseinschränkungen zur Sicherung nach innen und außen, die nur mittels technischer Hilfsmittel, wie Video, Durchleuchtung et cetera, zu verwirklichen sind. Und das haben wir ja geregelt.

Viertens. Wir brauchen eine verlässliche, gute Zusammenarbeit zwischen Justiz-, Sozial- und Innenministerium, um die vorangehenden Forderungen realisieren zu können.

Dem allen wird, wie schon erwähnt, der Gesetzentwurf der CDU nicht gerecht und daher ist er abzulehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Born von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Born.

(Heiterkeit bei Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich nicht so doll geschimpft.)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich gerade im Hinblick auf die Beiträge von Herrn Kollegen Dr. Schoenenburg und Frau Koburger dem Justizminister ausdrücklich dafür danken, dass er sich sachlich mit unseren Vorschlägen so auseinander gesetzt hat, wie man das in einer Ersten Lesung eigentlich nur tun kann, nämlich, dass man zunächst mal zu grundsätzlichen Positionen Stellung nimmt und dann darauf hinweist, dass es eine Reihe von Fragen gibt, die man genauer diskutieren muss, bevor man abschließend sagen kann, wie die Änderungen, die ja zu Recht vom Minister hier auch als notwendig dargestellt worden sind, denn konkret ausgestaltet werden sollten.

Und ich muss auch hervorheben, es ist ja durchaus erfreulich, wenn ab und zu auch mal auf Vorschläge der Opposition eingegangen wird. So bedanke ich mich beim Ministerpräsidenten ausdrücklich dafür, dass er den bisherigen Justizminister entlassen hat und jetzt einen neuen Minister ernannt hat, der vom Fach ist und auch die nötigen Voraussetzungen dafür mitbringt, dass mit diesem Gesetz so gearbeitet werden kann, dass die Sicherheit deutlich erhöht wird.

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Dafür erst einmal herzlichen Dank!

Und dann möchte ich allerdings doch hier einmal etwas zum Selbstverständnis dieses Parlamentes kritisch

anmerken dürfen. Ich finde es schon höchst bemerkenswert, dass Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, so genügsam geworden sind, dass Sie zwar einerseits einen umfangreichen Gesetzentwurf hier vorliegen haben, den Sie in Erster Lesung eigentlich beraten sollten, einen Gesetzentwurf, der im Wesentlichen dem folgt, was zehn andere Bundesländer auch machen – übrigens ist es völlig unerheblich, ob sie unions- oder SPD-regiert sind, es sind solche und solche darunter –, aber dass diese ganzen Fragen in einem Gesetzentwurf angesprochen werden und Sie dann auf eine bloße Ankündigung des Ministers hin, dass eine Arbeitsgruppe sich mit der Materie ebenfalls befasst hat und sich die Staatssekretärsrunde nun schon mit einem Entwurf auseinander gesetzt hat,

(Zuruf von Heidemarie Beyer, SPD)

sagen, wenn das alles so ist, dann vertrauen wir darauf, dass der Entwurf gut ist, wir kennen den zwar noch nicht, das ist aber nicht so wichtig, …

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das haben wir überhaupt nicht gesagt, Herr Born!)

Trotzdem, verehrter Herr Dr. Schoenenburg –

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Herr Born, drehen Sie mir doch nicht das Wort im Mund herum!)

Moment, Moment, Sie können auch gern Zwischenfragen stellen –, können Sie mich nicht davon abbringen, diesen Gedanken zu äußern.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das weiß ich ja.)

… und auf eine solche bloße Ankündigung hin sagen, also uns reicht es aus, wenn es entsprechende Änderungen geben sollte, die wir demnächst ja dann irgendwann hier vorgelegt bekommen.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das hätte ich auch ohne die Ankündigung gesagt.)

Denn, Herr Dr. Schoenenburg – und darin unterscheiden sich Ihre Beiträge sehr deutlich von dem, was der Justizminister gesagt hat –, der Herr Justizminister hat hier ganz klar festgestellt, dass Änderungen erforderlich sind. Er hat nur gesagt, über den Weg kann man sehr wohl unterschiedlicher Auffassung sein.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ja.)

Nach seiner Meinung braucht man das nicht in einem eigenen Gesetz zu regeln, so, wie es andere zehn Bundesländer tun, sondern er meint, man sollte das im PsychKG ändern. Das ist letztlich eine Frage des Verf a h r e n s.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Also, Herr Dr. Born, ich denke, der Justiz- minister und wir, wir sind uns ganz einig.)

Aber – und deshalb sage ich, das Selbstverständnis, das Sie zumindest hier aufzeigen als Parlament, finde ich schon sehr bemerkenswert – wenn Sie hier sachliche Entwürfe vorgelegt bekommen, was selbst von der Regierung nicht in Abrede gestellt wird,

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ach wissen Sie, wir haben von Ihnen acht Jahre lang lernen können.)

dass Sie dann sagen, wir wollen das nicht einmal in die Ausschüsse überweisen, sondern uns reicht eine bloße Ankündigung aus.