Protokoll der Sitzung vom 16.11.2000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am gestrigen Vormittag ist durch die Aufsetzung des Dringlichkeitsantrages der CDU-Fraktion „Erhalt der Coca-Cola AG am Standort Stralsund“ ein deutliches Signal aus diesem Hohen Hause ausgesandt und in Vorpommern vernommen worden.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr gut. – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Und dabei lehnen wir doch Ihre Anträge angeblich immer ab.)

Dafür, dass dieses Signal einstimmig war, danke ich allen Abgeordneten sehr herzlich.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU, und Detlef Müller, SPD)

Ich möchte an dieser Stelle nachdrücklich unterstreichen, dass es uns nicht um Vorwürfe an das Wirtschaftsministerium ging, sondern um die Sache, also gegen die Schließung.

Meine Damen und Herren, das wissen Sie alle, wie übrigens auch die Belegschaft der Coca-Cola AG, der Betriebsrat und die Gewerkschaft NGG, es ging um die klare Positionierung von Land und Kommune zum Erhalt einer der wenigen produzierenden Niederlassungen in Vorpommern überhaupt.

Herr Minister Eggert, dabei ist mir völlig klar, dass sowohl Sie als auch der Oberbürgermeister von Stralsund der Coca-Cola AG mehr als auskömmliche Angebote gemacht haben, was die großzügige Landesförderung

anbelangt, die infrastrukturellen Rahmensetzungen, sehr entgegenkommende Offerten im Rahmen gewünschter Grundstückserweiterungen und Versorgungsleistungen, leider ohne ernst zu nehmendes Echo seitens des Vorstandes. Noch am Dienstagabend fanden in Berlin Vorstandsgespräche statt, in deren Ausgang aber auch keine gegenläufige Tendenz zur Alternative Schließung der Unternehmenseinschau TGS sichtbar wurde. Doch nur weil das Gros des Vorstandes unter Erfolgsdruck gegenüber den CC-AG-Anteilseignern steht, darf das aus meiner Sicht ein weltbekanntes Unternehmen nicht berechtigen, sich seiner sozialen Verantwortung zu entledigen und mit einem spektakulären Knall per Stilllegung seine Aktionäre zu beruhigen.

(Beifall Reinhard Dankert, SPD)

Eine so geartete, strategische Initiative des Vorstandes ist weder aus arbeitsmarktpolitischer noch aus sozialer Sicht für den Landtag und die betreffende Kommunalvertretung hinnehmbar.

Sehr geehrte Abgeordnete, ich möchte mich nicht zuletzt durch meine sehr gestraffte Einbringung nochmals bei Ihnen bedanken. Meine Fraktion wird dem vorliegenden Änderungsantrag zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, einzelnen Abgeordneten der CDU, und Dr. Arnold Schoenenburg, PDS)

Danke schön, Herr Vierkant.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Klostermann von der Fraktion der SPD.

(Zurufe von Dr. Klaus-Michael Körner, SPD, und Dr. Arnold Schoenenburg, PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Auch zu vorgerückter Stunde ein wichtiges Thema.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Ich denke, dass der Erhalt des Standortes Coca-Cola in Stralsund – und das sage ich als Stralsunder ganz bewusst – mit derzeit circa 100 Mitarbeitern auch für die Region Vorpommern von großer wirtschaftlicher Bedeutung ist. Das muss nicht extra betont werden, wir alle wissen das. Und daher sollte nichts unterlassen bleiben, den Standort zu erhalten.

(Präsident Hinrich Kuessner übernimmt den Vorsitz.)

Der vorliegende Antrag der CDU-Fraktion samt Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen ist daher in der Tat auch ein Signal, wie es Herr Vierkant hervorgehoben hat, aber auch ein Signal an die Coca-Cola AG. Dieses besagt, der Landtag, dieses Hohe Haus unterstreicht die bestehenden Angebote der Landesregierung an die Coca-Cola AG, um diesen Standort Stralsund zu erhalten.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Der Landtag selbst ist bereit, alle notwendigen Maßnahmen hierzu kurzfristig zu flankieren. Notwendig ist

allerdings auch, dass das Unternehmen seinerseits bereit ist, den Standort zu erhalten.

Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Schaffung neuer und die Sicherung bestehender Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt ist die vorrangige Aufgabe für die weitere Entwicklung unseres Landes, neue internationale Investoren zu akquirieren sowie bestehende Unternehmen im Land zu halten und deren Weiterbildung zu fördern. Da sind wir uns einig, das ist elementarer Bestandteil dieser Aufgabe. Und dazu zählt auch, dass die bestehenden Rahmenbedingungen, die gerade solche Standortentscheidungen von Unternehmen ermöglichen, ausgebaut werden.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Hand aufs Herz: Trinken Sie Cola, Herr Dr. Klostermann? – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Da muss ich leider passen, Herr Abgeordneter Born. Aber Sie wissen auch, weshalb.

Wie wir alle wissen, ist eigentlich diesbezüglich in der Vergangenheit bereits einiges geschehen. Und da ist nur das Wirtschaftsförderungsprogramm des Landes, die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, zu erwähnen. Da sind seit Beginn der neunziger Jahre weit über 8 Milliarden DM in den Aufbau der wirtschaftlichen Infrastruktur und in die Ansiedlung von Unternehmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen geflossen. Auch die Ansiedlung von Coca-Cola an mehreren Standorten in Mecklenburg-Vorpommern konnte gleich zu Beginn, nämlich 1991 und 1992, von diesem Programm profitieren. Und neben Stralsund waren dieses die Standorte Ziesendorf/Karow und Boltenhagen.

Natürlich – und dessen bin ich mir bewusst – ist letztlich die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für Standortentscheidungen eines Unternehmens maßgeblich. Aus eben solchen Gründen der Wirtschaftlichkeit hat Coca-Cola bereits Ende 1994 den Standort Boltenhagen aufgegeben. Schon damals hat die Landesregierung die CocaCola-Gespräche zum Erhalt dieses Standortes geführt, bedauerlicherweise ohne Erfolg, wie wir wissen. Und selbst der Umstand, mehrere Millionen D-Mark an Fördermitteln zurückzahlen zu müssen, hat Coca-Cola nicht von der Standortaufgabe abhalten können.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Diese Imperialisten. – Peter Ritter, PDS: Die haben genug Knete.)

Das macht unmissverständlich deutlich, dass die Rahmenbedingungen der Wirtschaftsförderung eben nur ein Angebot darstellen, die Entscheidung trifft das Unternehmen selbst.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber unsere Knete nehmen sie.)

Letztlich sind es die Marktverhältnisse, die ausschlaggebend sind.

Meine Damen und Herren! Ich weiß, dass die Landesregierung zum Erhalt des Standortes Stralsund alle rechtlich möglichen Angebote der Wirtschaftsförderung an die Coca-Cola AG herangetragen hat. Auf allen Gesprächsebenen sind diese Angebote wiederholt vorgetragen worden. Die Angebote zielten insbesondere auf eine Förderung einer möglichen Erweiterungsinvestition mit Höchstfördersätzen ab. Letztlich wird jedoch auch bei der

anstehenden Entscheidung von Coca-Cola über den Standort Stralsund die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund stehen.

Coca-Cola teilte hierzu mit, dass neben rückläufigen Produktionsmengen und bestehenden Überkapazitäten – das ist wieder der Einwurf, dass zu wenige hier trinken – in eigenen Abfüllanlagen auch die in Ostdeutschland steigende Nachfrage nach Einwegflaschen den Standort Stralsund, an dem Mehrwegflaschen abgefüllt werden, unrentabel machte.

(Reinhard Dankert, SPD: Schade eigentlich!)

Meine Damen und Herren! Die Tarifpartner konnten immerhin erreichen, dass für 14 von 18 ostdeutschen Coca-Cola-Betrieben eine Standortgarantie bis zum Jahre 2003 besteht.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Aber mit den Einwegflaschen ist das so eine Sache.)

Leider gehört Stralsund nicht dazu. Für diesen Standort wurde eine Überprüfung hinsichtlich einer möglichen Verlagerung oder Schließung vereinbart. Das Unternehmen teilt nun mit, dass nach dieser gutachterlichen Überprüfung neben der Schließung des Standortes die Verlagerung von Abfüllmengen anderer Standorte nach Stralsund oder die Errichtung einer Einweganlage realistische Alternativen darstellten. Auch diese Alternativen bieten nach Angaben des Unternehmens bereits Einsparpotentiale. Und, meine Damen und Herren Abgeordnete, ich frage Coca-Cola: Reicht diese Einsparung nicht? Wo bleibt die unternehmerische Verantwortung, Arbeitsplätze nach Möglichkeit zu erhalten? Ich sage es ganz deutlich, diese Pflicht endet nicht mit Ablauf der Zweckbindungsfristen aus den Förderbescheiden. Wir fordern Coca-Cola auf, diese Alternativen zu beschreiten.

Vor diesem Hintergrund wiederhole ich die Gesprächsbereitschaft der Landesregierung und appelliere insbesondere als Stralsunder an das Unternehmen, dass es nochmals auf die Landesregierung zugehen möge, um zu prüfen, ob insbesondere und mit Blick auf die Unterstützung der Alternative zusätzliche Investitionen eine für das Unternehmen tragfähige Wirtschaftlichkeit erreichen könnten, denn – und das wiederhole ich nochmals – im Interesse des Erhalts des Standortes zur Sicherung der bestehenden Arbeitsplätze sollte nichts unversucht bleiben.

Hierzu möchte ich dann noch diesen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen auf Drucksache 3/1608 einbringen. Insgesamt bitte ich namens meiner Fraktion um Zustimmung. – Danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und CDU)

Das Wort hat Frau Kassner von der PDS-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine beiden Vorredner haben schon sehr deutlich die Lage geschildert. Ich kann mir das an dieser Stelle sparen.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU)

Wir alle wirken auch gar nicht mehr so frisch.

(Reinhard Dankert, SPD: Wir haben doch keine Coca-Cola getrunken. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Sie haben ja so Recht, Frau Kassner.)

Ich glaube, jeder ist interessiert daran, dass es nicht mehr allzu lange in den Abend hineingeht. Das Thema ist allerdings wirklich sehr, sehr ernst. Jeder BWL-Student lernt es schon im ersten halben Jahr, der Markt regelt die Nachfrage. Deswegen ist tatsächlich durch die fehlende Nachfrage

(Dr. Ulrich Born, CDU: Also mehr trinken!)