Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einmal mit dem Bekenntnis beginnen, dass wir mit unserem Antrag nicht die Absicht verfolgen, das Fahrrad ein zweites Mal zu erfinden. Uns ist schon klar, Herr Brauer, dass wir seit einigen Jahren über ein Klimaschutzkonzept im Lande verfügen. Das allerdings ist unserer Meinung nach angesichts der schnelllebigen Entwicklungen unserer Zeit schon etwas in die Jahre gekommen. Auch deshalb, aber eben nicht nur deshalb, meinen wir, dass das vorliegende Konzept einer dringenden Überarbeitung bedarf. Und nicht hinter jedem Einzelantrag, Herr Brauer, aus den Koalitionsfraktionen steckt Verrat am Minister oder an der Koalition.
Neben der Einbeziehung neuer rechtlicher Rahmenbedingungen, die ganz erhebliche Potentiale für eine klimaverträgliche Wirtschaftsweise offenbaren, denken wir nur an das EEG, gibt es einige Gesichtspunkte, die im gegenwärtigen Konzept nur unzureichend berücksichtigt sind und infolge der nationalen und internationalen Entwicklung gar nicht berücksichtigt sein können. Auch deshalb der Antrag, Herr Brauer.
Da ist beispielsweise die dringende Forderung nach der Erarbeitung von Nachhaltigkeitsindikatoren zur Bewertung von Strukturfördervorhaben im Land.
Die Diskussion im Vorfeld der Debatte zu diesem Thema zeigt denn auch, dass es hierbei eine Reihe von Irritationen, Unsicherheiten und Missverständnissen gibt. Im Besonderen wittern Vertreter der Wirtschaft bei dem bloßen Wort „Nachhaltigkeitsindikator“ Verrat und befürchten, dass dieses Instrument wieder nur dazu verwendet wird, wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land zu be-, wenn nicht gar zu verhindern. Um Ihnen zunächst jedoch die Illusion zu nehmen, dass es sich hierbei um eine fixe Idee der PDS-Abgeordneten Caterina Muth und Peter Ritter handelt, gestatten Sie mir einen kleinen Ausflug in die jüngere Geschichte:
Im Ergebnis der Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro 1992 hat sich der heute weitverbreitete Begriff der nachhaltigen Entwicklung sowohl als ein neues Leitbild in der Umweltpolitik als auch in der allgemeinen Entwicklungspolitik durchgesetzt. Dieses Leitbild zeichnet sich dadurch aus, dass es versucht, sowohl ökologische als auch ökonomische und soziale Entwicklungen gleichwertig zu berücksichtigen. In Kapitel 40 der Agenda 21 wird explizit die Entwicklung und Anwendung von Messgrößen oder Beurteilungskriterien g e f ordert, mit deren Hilfe national und international Entwicklungsprozesse überprüft werden sollen, ob sie dem Anspruch einer nachhaltigen Entwicklung gerecht werden. Auf nationaler Ebene geht es jetzt darum, dass mittels Nachhaltigkeitsindikatoren die Entwicklungstrends in zentralen Problembereichen eines Landes quantitativ und qualitativ beschrieben werden können, um daraus Handlungsbedarfe für Politik und Wirtschaft abzuleiten.
Zur Umsetzung der Ideen der Agenda 21 hat die UNKommission für nachhaltige Entwicklung auf ihrer Tagung im Jahr 1995 ein mehrjähriges internationales Arbeitsprogramm zur Entwicklung von Nachhaltigkeitsindikatoren verabschiedet. Hauptbestandteil dieses Programms ist eine so genannte „Arbeitsliste“ mit 134 Einzelindikatoren für alle Themenbereiche der Agenda 21. Diese Themenbereiche sind in die vier Kategorien Ökonomie, Soziales, Ökologie und Institutionen unterteilt. Die ihnen zugeordneten Kriterien sind dabei in Antriebs-, Zuständigkeitsund Maßnahmeindikator gegliedert.
Um die Theorie anschaulicher zu machen, möchte ich Ihnen drei Indikatoren aus dem Bereich Soziales am Beispiel des siebenten Kapitels der Agenda 21 benennen. Kapitel 7 beschreibt unter anderem die Förderung einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung. Indikatoren für diesen Bereich sind dabei das Wachstum der städtischen Bevölkerung, die Wohnpreise im Verhältnis zum Einkommen oder die Infrastrukturausgaben pro Kopf.
Meine Damen und Herren, ich möchte es noch einmal betonen: Die Befürchtungen zu diesem Instrumentarium sind vollkommen unbegründet. In einer Testphase bis Ende des Jahres 1999 haben sich eine Reihe von Pilotländern dazu bereit erklärt, diese so genannten CSD-Indikatoren auf freiwilliger Basis zu erproben. Neben Frankreich, Finnland, Brasilien, China und anderen Ländern war auch Deutschland bereit, an der Testphase teilzunehmen. Zu diesem Zweck wurde ein interministerieller Arbeitskreis innerhalb der Bundesregierung gebildet.
Um eine möglichst große Akzeptanz für die Nachhaltigkeitsindikatoren zu erreichen, ist die Einbindung verschie
dener gesellschaftlicher Gruppen in einen nationalen Begleitkreis von großer Bedeutung. Neben Vertretern der Wirtschaft, der Kirchen, von Gewerkschaften, wissenschaftlichen Beiräten und der Enquetekommission des Deutschen Bundestages waren insgesamt 22 gesellschaftlich relevante Gruppen in diesem Arbeitskreis „Schutz des Menschen und der Umwelt“ vertreten. Schließlich wurde zur wissenschaftlichen Beratung auch noch ein Expertenkreis von rund 20 Wissenschaftlern aus den unterschiedlichsten Disziplinen gebildet.
Meine Damen und Herren! Ich hoffe, schon bei dieser kurzen Darstellung wurde ausreichend deutlich, dass es sich bei den geforderten Nachhaltigkeitsindikatoren nicht um Teufelszeug handelt und an ihrer Erarbeitung neben der Wirtschaft eine repräsentative Vertretung der Gesellschaft beteiligt ist. Ziel aller dieser Bemühungen ist es letzten Endes, ein System von Bewertungskriterien zu schaffen, das es uns möglich macht, zum Beispiel ganz konkrete Investitionsvorhaben hinsichtlich ihrer langfristigen Vernünftigkeit und damit nämlich ihrer Nachhaltigkeit in den Bereichen Ökonomie, Ökologie und Soziales beurteilen zu können. Das bedeutet nicht Verhinderung wirtschaftlicher Entwicklung, nicht die Entgegensetzung von Ökonomie und Ökologie und nicht die größere Bedeutung der Ökologie gegenüber der Ökonomie.
Nein, es bedeutet an dieser Stelle nur in erster Linie Wahrnehmung politischer Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung.
Meine Damen und Herren! Bei allen unterschiedlichen Auffassungen darüber, was in einem ausgereiften Klimaschutzkonzept stehen sollte, wichtig ist aber auch die Tatsache, dass wir im Bewusstsein um die Notwendigkeit darüber überhaupt streiten, um einen gesellschaftlichen Konsens zu erhalten. Dass auch die jetzt verabredete Novellierung unseres Konzeptes nicht die letzte ist, scheint angesichts der schnelllebigen Entwicklung der Gesellschaft schon irgendwie logisch. Und bei der nächsten Novellierung sind dann auch Ihre inhaltlichen Vorschläge, meine Damen und Herren, Ihre inhaltlichen Vorschläge aus der Opposition gefragt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die 6. Weltklimakonferenz in Den Haag ist vorbei und sie war kein Erfolg. Es lag jedoch nicht an den Europäern und nicht an der Bundesrepublik Deutschland. Im Vorfeld dieser Konferenz hatte die Bundesregierung bereits am 18. Oktober ihr Klimaschutzprogramm beschlossen. Und ich denke, dieser Weg ist ziemlich erfolgversprechend, nicht zuletzt weil die Wirtschaft ihre 1996 abgegebene Selbstverpflichtung zur Kohlendioxidminderung weiterentwickelt hat, freiwillig und ohne staatlichen Zwang.
Aufgrund der bereits bestehenden Maßnahmen wie Ökosteuer, Erneuerbare-Energien-Gesetz, 200-MillionenDM-Programm für erneuerbare Energien und 100.000Dächer-Solarstrom-Programm werden nach Einschätzung der Bundesregierung bis 2005 die jährlichen CO2
Emissionen im Vergleich mit dem Basisjahr 1990 insgesamt um 18 bis 20 Prozent sinken. Hierbei hat die Bundesregierung bereits mit eingerechnet, dass vor allem durch den Zusammenbruch der alten Industrien im Osten der Kohlendioxidausstoß von 1990 bis 1999 um 15 Prozent gesunken ist.
Aus dem Klimaschutzprogramm der Bundesregierung können wir für die Fortschreibung unseres Klimaschutzkonzeptes Lehren ziehen. Das Klimaschutzprogramm des Bundes gibt für die einzelnen Sektoren konkrete Minderungsbeiträge vor. Dabei wurde eine Gleichverteilung der Sektorenbeiträge Industrie und Energiewirtschaft, Privathaushalte und Gebäudebereich angestrebt. Es ist unsinnig, weil nicht leistbar, die Hauptlast der CO2-Einsparung einseitig der Energiewirtschaft aufbürden zu wollen. Und es ist völlig unsinnig, den Löwenanteil der Hauptlast auf einen Teilbereich der Energiewirtschaft, nämlich der Stromerzeugung, abzuwälzen. Alle Sektoren müssen entsprechend ihrem Energieverbrauch belastet werden, damit wir eine realistische Zielerreichungschance haben. Insbesondere in der Wohnungswirtschaft liegen bekanntermaßen die größten Einsparpotentiale und hier vor allem im Altbau.
Darüber hinaus muss man sich vor Augen halten, dass der Energieeinsatz noch nicht einmal für die Hälfte der gesamten Treibhausemissionen im Land verantwortlich ist. Deshalb begrüße ich die Einbeziehung des Moorschutzkonzeptes und die Einbeziehung nachwachsender Rohstoffe ausdrücklich, weil damit die Belastungen gleichmäßiger verteilt werden.
Meine Damen und Herren! Ich denke, auch die Fortsetzung der Strategie der verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien ist unstrittig. Dabei dürfen allerdings einzelne erneuerbare Energieträger nicht ausgeblendet werden, weil der Naturschutz das Ende der Fahnenstange erreicht sieht. Die Errichtung von Offshorewindparks muss möglich sein, weil in unseren Breitengraden mittelfristig von dort die höchsten Beiträge zur CO2-Einsparung zu erwarten sind. Insofern kann ich mir dies durchaus als Maßnahme in einem neuen Klimaschutzkonzept vorstellen.
Für die umweltfreundliche Energieerzeugung mit Hilfe von Brennstoffzellen stellt die Bundesregierung von 2001 bis 2003 jährlich 100 Millionen DM zur Verfügung – eine Maßnahme, die sich gut mit unseren Vorstellungen zur Wasserstofftechnologie verbindet und die ich mir ebenfalls gut als Maßnahme für ein fortgeschriebenes Klimaschutzkonzept vorstellen kann.
Abgesehen davon, dass das Wirtschaftsministerium des Landes zwischen 1991 und 1999 mit knapp 60 Millionen DM über 1.200 Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien und im Rahmen der Technologie- und Innovationsförderung 52 Projekte auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien mit 6,2 Millionen DM gefördert hat, fand die durchschlagene CO2-Einsparung im Rahmen der Förderung der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur statt. In der Regel ist jede gewerbliche und industrielle Neuinvestition mit einer deutlichen Reduzierung des Energieverbrauchs verbunden. Die Erneuerung des Produktionsapparates sowie der Stromerzeugungs- und vorwiegend Heizungsanlagen hat zu einer deutlichen Senkung der Energieintensität geführt und damit generell dem Klimaschutz gedient.
Die weitere Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Energieverbrauch, unter anderem durch verbesserte
Auslastung der Produktionskapazitäten, ist ebenso wie verstärkte Energieeinsparung im Gebäudebereich ein wichtiger Baustein für eine konzeptionelle Energiepolitik des Landes, die dem Klimaschutz dient. Ich denke, wenn wir den wirtschaftlichen Nachholbedarf des Landes und die damit verbundene CO2-Belastung angemessen berücksichtigen und wenn wir im Sinne der Nachhaltigkeit auch die sozialen und ökonomischen Komponenten, also sozial verträgliche und wettbewerbsfähige Energiepreise nicht aus den Augen verlieren, dann müsste uns die Fortschreibung des Klimaschutzkonzeptes unserem gemeinsamen Ziel, einen deutlichen Beitrag zur CO 2-Einsparung zu leisten, näher bringen. In diesem Sinne stimme ich dem gemeinsamen Änderungsantrag der SPD und PDS zum Klimaschutzkonzept zu. – Vielen Dank.
Da geht es zunächst um den Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 3/1726. Wer also diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen bitte. – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Danke. Damit ist der Änderungsantrag mit den Stimmen der Kollegen der SPD-Fraktion und der PDSFraktion bei zwei Stimmenthaltungen in den Reihen der PDS-Fraktion sowie Gegenstimmen der CDU-Fraktion angenommen.
Wer dem Antrag der Abgeordneten Caterina Muth und Peter Ritter auf Drucksache 3/1639 mit der soeben beschlossenen Veränderung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke sehr. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Danke sehr.
(Beifall Angelika Gramkow, PDS – Gerd Böttger, PDS: Das ist ja dann einstimmig. Das ist ja einstimmig.)
Damit ist der Antrag der Abgeordneten Caterina Muth und Peter Ritter, Fraktion der PDS, einschließlich der soeben beschlossenen Änderung angenommen mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS bei Stimmenthaltung der Kollegen der CDU-Fraktion.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Entschließung zu Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern, auf Drucksache 3/1645.
Antrag der Fraktion der CDU: Entschließung zu Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 3/1645 –
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Zeit drängt. In der Haushaltsdebatte klang es gestern bereits an, die Internationalisierung der Hochschullandschaft und die Internationalisierung von Forschung und Lehre schreiten voran und sie werden auch Mecklenburg-Vorpommern nicht umgehen. Mit
Internationalisierung verbindet sich natürlich die Globalisierung von wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Prozessen.
Für den Wissenschaftsbereich ist das allerdings nichts Neues. Wissenschaft lebt immer schon von dem Begriff der Internationalität. Traurig ist nur, dass die deutschen Nobelpreisträger ihre Internationalität überwiegend an Hochschulen der Vereinigten Staaten praktizieren.
Meine Damen und Herren! Es geht darum, welches Modell der Steuerung und Lenkung von Forschung und Lehre die Gewähr dafür bietet, flexibel auf neue Herausforderungen und Entwicklungen in Wissenschaft, Technik und Gesellschaft zu reagieren beziehungsweise Entwicklungen richtungsweisend für die Grundlagenforschung zu beeinflussen. Wie nie zuvor zeigt sich heute, dass Hochschulen dem Wettbewerb ausgesetzt werden müssen, denn nur der Wettbewerb der Ideen bringt Entwicklungen voran. Den Wettbewerb um Köpfe und Ideen, wenn wir uns nicht enorm anstrengen, gewinnen nicht wir, den gewinnen dann möglicherweise andere.
Meine Damen und Herren! Die gegenwärtige Struktur der Hochschulen erlaubt kaum Wettbewerb. Alles ist aufeinander abgestimmt. Bereiche sind abgegrenzt, Doppelungen vermieden und Hochschullehrer sind lebenslang verbeamtet. Wettbewerbsanreize sind kaum zu erblicken. Sie existieren nur im Bereich der Drittmitteleinwerbung. Dieser Zustand der flächendeckenden Stagnation war 1998 Antrieb für die damalige Bundesregierung, die Novelle des Hochschulrahmengesetzes auf den Weg zu bringen, die im kommenden Jahr dann zwangsläufig zu einer Novelle des Landeshochschulgesetzes führen muss.
Die leistungsbezogene Zuweisung von staatlichen Mitteln an Institute einer Hochschule ist ein erster Schritt, um einen Ansatz von Wettbewerb in die Hochschulen zu bringen. Das ist aber nur Wettbewerb innerhalb der Hochschulen und nicht zwischen den Hochschulen.
Meine Damen und Herren! Die Zahl privater Hochschuleinrichtungen steigt in Deutschland und sie finden trotz zum Teil hoher Studiengebühren zahlreiche Studenten, die sich dort ausbilden lassen. Über Studentenmangel können diese Einrichtungen nicht klagen.
Der Antrag meiner Fraktion soll Bewegung in die Diskussion um die Neugestaltung der Hochschullandschaft in Mecklenburg-Vorpommern bringen. Der Bildungsminister vertröstet Bildungsausschuss und Hochschulen seit geraumer Zeit mit der Ankündigung hinsichtlich der Vorlage eines Entwurfes für ein neues Landeshochschulgesetz. Die CDU-Fraktion war ihm dabei behilflich,