Protokoll der Sitzung vom 01.02.2001

mit denen Sie Mitte der 90er Jahre vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert sind.

(Reinhardt Thomas, CDU: Das Grund- gesetz ist jetzt schon fragwürdig?! – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Sie können gar nicht mehr zuhören,

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

so borniert und eng sind Sie!

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU, und Reinhardt Thomas, CDU)

Ich habe Ihrer Argumentation zugehört, Herr Thomas.

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Und Sie haben ganz klar gesagt, dass Sie das Kommunalwahlrecht lediglich auf Deutsche im Sinne des Grundgesetzes zurückführen wollen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das stimmt doch gar nicht.)

Und dieser Standpunkt ist überholt, zumal es jetzt für EU-Ausländer gilt.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das steht doch im Grundgesetz. Lesen Sie doch mal nach!)

Aber die Interpretation, Herr Jäger,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Er hat es zitiert. Gucken Sie mal nach! – Karsten Neumann, PDS: Aber den Artikel 1 hat er vergessen.)

das haben Sie Anfang der 90er Jahre auch gesagt.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wir haben es beschlossen.)

Seitdem sind Sie vom Bundesverfassungsgericht eines Besseren belehrt worden.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wir haben es beschlossen.)

Und wenn Sie jetzt nur noch schreien und nicht mehr zuhören können, dann habe ich das Gefühl,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Sie haben keine Ahnung.)

Sie sind gar nicht mehr offen für sachliche Argumentationen.

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist unsinnig. Kommen Sie mal zur Sache! – Reinhardt Thomas, CDU: Mein Gott! Mein Gott! Was sind das bloß für Leute hier?! Das ist nicht zu fassen!)

Ich bitte, dass wir die gegenseitige Achtung und Meinungsunterschiede nicht so bewerten, dass da kein Niveau drin ist.

(Unruhe bei Reinhardt Thomas, CDU)

Herr Thomas, ich bitte Sie, diese Zwischenrufe zu lassen!

Herr Ministerpräsident, es ist nicht Sache, von der Regierungsbank zu reden! Bitte sehr!

Die Argumente …

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Ich gehe weiter im Fortschritt meiner Rede,

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

weil ich das Gefühl habe, dass eine sachliche Auseinandersetzung hier von einigen Anwesenden überhaupt nicht gewünscht wird.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Ich möchte nicht die altbekannten Argumente immer wiederholen, ich möchte aber bemerken, dass wir auch im Zuge der europäischen Integration, auch im Zuge von Globalisierung, für die Sie ja als vermeintlich wirtschaftskennende Partei immer eintreten wollen, hier für kommunale Belange – und dass es eine andere Interessenlage für in Deutschland dauerhaft lebende Ausländer gibt als für Deutsche, das können Sie ja nun wahrlich nicht bezweifeln –, wenn Sie auf der einen Seite der Globalisierung das Wort reden, dann ist es meines Erachtens auch sinnvoll und naheliegend, hier zumindest für eine Öffnung zu plädieren. Wie sie denn aussehen wird, das wird ja dann durch Länderrecht zu gestalten sein. Aber eine generelle Abwehrhaltung nach wie vor an den Tag zu legen heißt, sich einer europäischen Entwicklung, einer weltweiten Entwicklung entgegenzustellen. Ohne Ihre Unterstützung ist eine Grundgesetzänderung nicht möglich.

(Reinhardt Thomas, CDU: Gott sei Dank!)

Vielleicht muss es erst wieder ein Gerichtsurteil geben, welches Sie belehrt, dass Wege gangbar und denkbar sind, von denen Sie heute überhaupt noch nicht bereit sind, sie auch nur ansatzweise zu denken.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Schädel von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Herr Schädel.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesratsinitiative, die wir hier mit unterstützen wollen, ist ja nicht von uns entwickelt worden.

(Angelika Gramkow, PDS: Schade!)

Sie liegt seit einigen Jahren im Bundesrat und wartet auf ihre Erfüllung.

(Minister Dr. Gottfried Timm: Mehrere Initiativen sogar!)

Mehrere Initiativen – danke schön, Herr Innenminister.

Ein kommunales Wahlrecht für hier Lebende, auch Nicht-EU-Bürgerinnen und Nicht-EU-Bürger, ist ein Teil der Integration in unsere Gesellschaft. Gegenwärtig kommen pro Jahr etwa 700.000 Menschen ins Land als Flüchtlinge, MigrantInnen, AussiedlerInnen und Familienangehörige, sicherlich oftmals unter Nutzung des Asylrechtes, denn eine andere Einwanderungsregelung gibt es in der Bundesrepublik ja nicht. Genauso viele wandern wieder aus oder werden gegen ihren Willen wieder abgeschoben. Das ergibt zusammen eine Nettozuwanderung von Null. UN-ExpertInnen haben erklärt, Industriestaaten wie die Bundesrepublik Deutschland brauchen allein aus demographischen Gründen in den nächsten Jahren eine jährliche Nettozuwanderung von 500.000 Menschen. Und das wird ja mittlerweile von allen Parteien anerkannt.

Auch deshalb, aber vor allem aus menschenrechtlicher, aus völkerrechtlicher Sicht erinnere ich daran, dass offene Grenzen für Menschen in Not eine alte demokratische Forderung sind. Aus diesem Grund ist es selbstverständlich zu begrüßen, dass – wenn auch über Umwege, zum Beispiel über die Greencard – eine Versachlichung der Debatte über die Frage von Asyl und Migration möglich scheint, allerdings nicht auf die Art und Weise, wie das Herr Thomas gerade vorgeführt hat, oder mit der unseligen Parole „Kinder statt Inder“ der CDU/CSU und auch nicht in Form einer Sortierung von Menschen über Diskussionen über gute und schlechte Einwanderung, über nützliche und unnütze Ausländer. Beides bedient rassistische Hetze und gießt Wasser auf die Mühlen von RechtsextremistInnen und Neonazis.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Vor allem die Industrie strebt eine Neuauflage von Wanderarbeit an, um sich mit billigen Arbeitskräften aus dem Ausland eindecken zu können à la Gastarbeiterpolitik der 60er Jahre. Wer zu einer vermeintlichen Elite gehört, wer jung und billig ist und wer der Wirtschaft nützt, soll leichter als bisher kommen können. Wer dagegen politischer Verfolgung oder sozialer Not ausgesetzt ist und zu uns

kommt, wird diskriminiert und, wenn es irgend geht, wieder abgeschoben, leider auch aus Mecklenburg-Vorpommern.

In den letzten Wochen wurden Ergebnisse von Recherchen der Antirassistischen Initiative Berlin bekannt gegeben. Danach sind von Anfang 1993, dem Jahr des so genannten Asylkompromisses, bis Ende 2000 infolge der Flüchtlings- und Abschiebepolitik der Bundesrepublik 2 3 9 Menschen ums Leben gekommen, bei denen es direkt nachgewiesen werden kann. Das heißt, der staatlichen Asylpraxis fielen mehr Menschen zum Opfer als rassistischen Übergriffen von Rechtsextremisten. Aufgrund deren Gewalttaten starben im gleichen Zeitraum 6 4 Flüchtlinge. Es wird davon ausgegangen, dass die Dunkelziffer sehr viel höher ist. 199 Flüchtlinge starben in den letzten acht Jahren auf dem Weg nach Deutschland oder an dessen Grenze, 89 allein an den Ostgrenzen. 9 2 Menschen begingen aus Furcht vor Abschiebung Selbstmord oder kamen bei dem Versuch ums Leben, sich dieser Praxis zu entziehen, 45 davon in Abschiebehaft. 310 Flüchtlinge überlebten solche Versuche mit Verletzungen, 5 Flüchtlinge wurden bei der Abschiebung getötet, 13 in ihrem Herkunftsland, in das sie abgeschoben worden waren. 10 Menschen starben nach Angaben in Deutschland durch Polizeigewalt,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Was?)