Protokoll der Sitzung vom 07.03.2001

Um aber wirklich erfolgreich sein zu können, meine sehr verehrten Damen und Herren, bedarf es eines grundlegenden Wandels in der Militär- und Sicherheitspolitik. Lese ich aber die Leitsätze für eine deutsche und europäische Außen- und Sicherheitspolitik des CDU-Bundesvorstandes vom 15. Januar diesen Jahres, habe ich so meine Zweifel, ob wirklich alle an einer Umorientierung ernsthaft interessiert sind. Die CDU fordert in diesem Beschluss, dass die „EU durch den Aufbau von Krisenreaktionskräften zu einem relevanteren und gleichwertigeren Partner der USA werden (muss)“. Weiter wird gefordert, dass „Europa das Angebot des amerikanischen Präsidenten Bush zur Schaffung eines über nationale Raketenabwehr … hinausgehenden umfassenden Abwehrsystems aktiv aufgreifen (sollte)“. Stellt sich die Frage, wie sollen wir das finanzieren, und es stellt sich die Frage, wozu, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Angelika Gramkow, PDS, und Annegrit Koburger, PDS: Wozu?)

Aus Sicht der PDS ist dagegen Folgendes dringend notwendig: Der Einsatz militärischer Gewalt als Mittel deutscher Außenpolitik gehört grundlegend auf den Prüfstand.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Was soll damit erreicht werden? Welcher Zweck kann und soll solche Mensch und Umwelt bedrohende oder gar zerstörende Methode rechtfertigen? Welche Alternativen gibt es? Wie könnte eine Außenpolitik aussehen, die auf friedliche Mittel der Krisenbewältigung setzt? Neben der Lösung der aktuellen Probleme in unserem Land, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollten wir uns einer solchen Diskussion nicht verschließen, gerade jetzt im Vorfeld des zweiten Jahrestages des Kosovo-Krieges. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Herr Ritter.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Grams von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Heute haben wir erneut

auf Antrag meiner Fraktion das Thema „Strukturreform der Bundeswehr“ auf der Tagesordnung.

Herr Ministerpräsident, vielleicht zu Ihren Ausführungen ein paar Worte. Sie können gerne im Protokoll der Landtagssitzungen von 1995 nachlesen, da haben wir keine andere Meinung zur Strukturreform und zu den strukturschwachen Regionen bezüglich der Reduzierung von Truppen gehabt als heute. Sicherlich ist auch bekannt gewesen, dass vor 1989 nicht jeder freiwillig nach Eggesin gegangen ist, weil da immer der Begriff war, Wald, Sand und dann nichts mehr. Und desto trauriger ist es, dass es diesen Standort besonders hart trifft.

Aber ich möchte nicht auf die ganzen Probleme, die mit der Strukturreform heute hier schon von meinen Vorrednern genannt worden sind, weiter eingehen. Ich möchte deshalb auch versuchen, in meinen Ausführungen Wiederholungen zu vermeiden, und einige Vorstellungen zur Abminderung der Folgen der Standortschließungen in Eggesin und Basepohl, in den Landkreisen Uecker-Randow sowie Demmin und anderen Standorten ansprechen, die sicherlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben können, die der Abstimmung, dem Dialog sowie der Prüfung der Realisierbarkeit mit den Beteiligten bedürfen.

Bereits am 29. Januar 2001 wurde die Bekanntgabe der Streichung von Dienstposten bei der Bundeswehr durch den Verteidigungsminister Herrn Scharping, die Schließung der Standorte Eggesin und Basepohl, vom größten Teil der Bürger der Landkreise Uecker-Randow und Demmin und anderen Standorten mit großer Bestürzung und Enttäuschung aufgenommen. MecklenburgVorpommern soll nach den im Bundestag am 9. Februar 2001 beschlossenen Strukturplänen zur Bundeswehr in den nächsten Jahren bis zu 4.000 Bundeswehrstellen verlieren, allein davon circa 50 Prozent am Großstandort Eggesin, in der Garnisonsstadt Eggesin fast 100 Prozent. Rechnen wir Basepohl dazu, sind es in Vorpommern 75 Prozent.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ja, Basepohl ist nicht Vorpommern!)

(Wolfgang Riemann, CDU: Ist ein Mischkreis!)

Ist egal, gehört zum Landkreis Demmin

(Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Das wissen Sie doch genau, dass das ein Mischkreis ist.)

und der Landkreis Demmin ist Vorpommern, Herr Dr. Schoenenburg.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Man muss aber trotzdem bei der Sache bleiben.)

Dies kann ernsthaft nicht als solidarisch und ausgewogen bezeichnet werden. Die strukturschwächsten Regionen Deutschlands und Mecklenburg-Vorpommerns wurden zur Ader gelassen und festgelegte Kriterien über Bord geworfen. Aber andererseits erhielten – und ich hatte es hier schon einmal gesagt – Oberzentren und Landkreise mit geringeren Arbeitslosenquoten Zuwächse. Deshalb, auch wenn es nicht gefällt, muss immer wieder die Frage gestellt werden, ob diese Entscheidungen politisch und nicht sachlich motiviert sind, denn die Bundeswehr als Wirtschaftsfaktor, die Arbeitslosenquote und die internationale Einbindung in Verteidigungsbündnisse spielten

anscheinend keine Rolle. Politikern, die um das Überleben einer ganzen Region kämpfen, wird Unsachlichkeit und Populismus vorgeworfen. Selbst die Statistik wird bemüht, um zu beweisen, wie gut wir doch mit der Reduzierung weggekommen sind, denn Mecklenburg-Vorpommern hat noch die zweithöchste Dichte pro Einwohner. Alles nicht so schlimm!

Wir alle kennen das Sprichwort „De Graben wier blot föftig Zentimeter deip, un liekers is de Kauh versapen.“ So geht es auch den Regionen um Eggesin und Basepohl. Mit der Schließung der Standorte wurde diesen Regionen die entscheidende wirtschaftliche Basis entzogen und damit wurden die Menschen ins soziale, kulturelle und wirtschaftliche Abseits gestellt.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Eine wirtschaftliche Basis ist das aber nicht.)

Es ist ein Punkt der wirtschaftlichen Basis, Herr Schoenenburg.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Denn dort wird nichts produziert.)

Die Bürger hatten jedoch noch Hoffnung, denn bis zum 15. Februar 2001 sollten noch Gespräche des Verteidigungsministers mit dem Ministerpräsidenten erfolgen. Gemeinsam haben Kommunalpolitiker, die politischen Parteien der Regionen, die Verbände, die Vereine, die Wirtschaft und die Mehrzahl der Bürger darum gerungen und gehofft, dass die Rücknahme der Streichpläne am 15. Februar 2001 vom Verteidigungsminister verkündet wird, aber leider vergebens. Für Mecklenburg-Vorpommern gab es keine Korrektur. Es herrschte Fassungslosigkeit, ja, teilweise fehlten den Bürgern die Worte. Eine Region, eine Stadt steht vor dem Aus, vor einem Scherbenhaufen, so Bürger aus Eggesin.

Immer wieder werden die Fragen, wir haben sie heute hier teilweise gehört, gestellt: Herr Scharping, was ist mit Ihrem Versprechen „Der Standort Eggesin ist sicher.“? Herr Schröder, was ist Ihr Wort als Kanzler wert? Welchen Politikern kann man noch glauben?

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

In einem Schreiben vom 15. Februar aus dem Bundeskanzleramt heißt es: „Ihre Sorgen und Einwände gegen die geplante Reduzierung der Bundeswehr in Eggesin in diesem gravierenden Umfang wurden mit großer Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen, nicht zuletzt auch, weil dem Bundeskanzler die Lage vor Ort durch seinen Besuch im Sommer letzten Jahres gut bekannt ist. Gegenwärtig werden auf vielen unterschiedlichen politischen Ebenen noch intensive Überlegungen und Gespräche angestellt, um die Auswirkungen der Stationierungsplanung zu bewerten und gegebenenfalls Alternativen zu ermöglichen. Inwieweit dies jedoch für Eggesin noch zu einer Änderung von der bislang bekannten Prüfung führen wird, kann derzeit von hier aus noch nicht abschließend beurteilt werden. Von wesentlichem Einfluss werden hier die Gespräche des Ministerpräsidenten mit dem Bundesminister der Verteidigung sein.“ So weit aus dem Schreiben des Bundeskanzleramtes.

Bedeutet dies, dass es bis zum 15. Februar 2001 keine Gespräche zwischen dem Bundesverteidigungsminister Herrn Scharping und dem Ministerpräsidenten unseres Landes gegeben hat beziehungsweise aufgrund von Gesprächen Korrekturen auch noch heute möglich sind?

Die Bundeswehr ist und bleibt ein fester Bestandteil des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens – soweit sie noch vorhanden ist – in den Regionen. Deshalb lehnen wir auch die Entscheidung zur Schließung und Kürzung der Bundeswehrstandorte in Mecklenburg-Vorpommern ab.

Die Armee ist in Eggesin in den mehr als 50 Jahren zur Tradition geworden. Betriebe und Einrichtungen, darunter auch Jungunternehmer, haben umfangreiche Investitionen getätigt, um über einen längeren Zeitraum Leistungen für die Bundeswehr realisieren zu können. Die Entwicklung der Infrastruktur wurde auf die Bundeswehr in allen Standorten ausgerichtet. Die Bundeswehr ist an vielen Standorten der größte Arbeit- und Auftraggeber. Erste Aufträge sollen bereits storniert worden sein. Zeigt der Anstieg der Arbeitslosenquote am 28. Februar dieses Jahres auf 25,5 Prozent im Landkreis Uecker-Randow und im Arbeitsamt Ueckermünde auf 26,8 Prozent, ohne ABM, bereits erste Auswirkungen in Richtung 50 Prozent Arbeitslosenquote? Und wir alle wissen, dass damit auch eine Abwanderung besonders junger Menschen verbunden ist.

Der Landkreis Uecker-Randow hat bereits mit 2.644 Per

sonen den höchsten Stand an Sozialhilfeempfängern. Die Auswirkungen tragen dazu bei, dass die kommunalen Körperschaften, besonders auch der Städte und der betroffenen Regionen, zahlungsunfähig werden. Hier nenne ich besonders die Stadt Eggesin. Den Regionen um Eggesin und Basepohl wurde mit der Entscheidung zur Standortschließung die Perspektive genommen und den kleinen Pflänzchen der wirtschaftlichen Entwicklung der Nährboden entzogen. Die Bürger werden ins soziale, kulturelle und wirtschaftliche Abseits gestellt. Meine Damen und Herren Abgeordnete, bitte überdenken Sie das bei Ihrer Entscheidung für unseren Antrag, den wir hier vorgelegt haben!

Wie sagt ein Unternehmer: Ich habe mehrere hunderttausend Mark in mein Unternehmen investiert. Deshalb will ich nicht nur hier leben, sondern ich muss hier leben.

Nach dem Grundgesetz hat der Staat eine Verantwortung und dieser muss er sich auch stellen. Wir brauchen einerseits finanzielle Unterstützung zur Abfederung der Auswirkungen und andererseits wirksame Maßnahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Dazu gehört auch die Ansiedlung von Landes- und Bundesbehörden.

In der Planungsregion Vorpommern sind rund 3.867 Lan

desbedienstete weniger als in Westmecklenburg und im mittleren Mecklenburg. In diesem Maßnahmenpaket ist auch die Osterweiterung durch ein so genanntes Programm zur Grenzlandförderung zu gewährleisten. Der Landrat Herr Wack hat bereits ein zweites Expertengespräch mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft zur massiven Truppenreduzierung im Landkreis Uecker-Randow durchgeführt. In Auswertung des ersten Expertengespräches fand ein Gespräch beim Ministerpräsidenten statt. Der Ministerpräsident ist darauf eingegangen.

Und eine Bitte hier noch: Ich denke, dass auch in die interministerielle Arbeitsgruppe beim Innenminister die betroffenen Landkreise mit einbezogen werden, um ihre Vorstellungen einzubringen. Der Umfang der Auswirkungen, die daraus für die Region resultieren, lassen sich aufgrund der mannigfaltigen Verflechtungen der Bundeswehr mit der regionalen Wirtschaft ohne gründliche Analyse nicht erfassen. In den betroffenen Bereichen im Landkreis

zählen neben den unmittelbar verlorenen Arbeitsplätzen und dem damit verbundenen Kaufkraftverlust unter anderem die Wohnungswirtschaft, der Schul- und Freizeitbereich, die Gebäudeunterhaltung, die Kraftfahrzeuginstandsetzung, die Wärme- und Energieversorgung, die Wasserver- und -entsorgung, die Abfallwirtschaft, Zulieferer, Essenversorgung, der Einzelhandel und die kommunalen Haushalte dazu.

Daraus ergibt sich, dass für die Region ein Sonderprogramm aufgelegt werden muss. Forderungen gegenüber der Bundesregierung, der Landesregierung und der Europäischen Union müssen darin enthalten sein. Deshalb ist es notwendig, kurzfristig eine von Bund und Land finanzierte Studie zu den Folgen des Truppenabzuges für die Region und insbesondere auch für die Stadt Eggesin mit Lösungsvorschlägen zu erarbeiten. Für das erforderliche Krisenmanagement soll im Landkreis Ueckermünde zum Beispiel eine Lenkungsgruppe gebildet werden. In der Kreistagssitzung am 19. März 2001 soll dazu ein gemeinsamer Antrag aller dem Kreistag angehörenden Fraktionen diskutiert und beschlossen werden.

Die acht Punkte unseres Antrages tragen diesen Zielstellungen Rechnung und sollten deshalb, verehrte Abgeordnete, auch Ihre Zustimmung finden. Es sind viele kleine Schritte notwendig, um den Menschen eine Perspektive zu geben. Die Förderbedingungen sind der Strukturschwäche der Region anzupassen und auf die wirtschaftliche Entwicklung auszurichten. Heute hier konkrete Vorschläge zu unterbreiten ist nicht möglich. Erst muss die Analyse auf dem Tisch liegen. Ich wiederhole: Zielstellungen und Gedanken müssen mit den Betroffenen vor Ort beraten und abgestimmt werden.

Es gibt sicherlich eine Reihe von Landes- und Bundesbehörden, die nicht unbedingt, wie zum Beispiel auch das Landesamt für Statistik, in Oberzentren angesiedelt werden müssen. An erster Stelle muss, ich wiederhole mich hier, die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen stehen. Die Bestandspflege von schulischen, kulturellen und sportlichen Einrichtungen ist eine Voraussetzung dafür, der Abwanderung junger Menschen entgegenzuwirken. Darin eingeschlossen sind auch der Erhalt der Berufsschulstandorte, zum Beispiel im Uecker-Randow-Kreis, und die Erhöhung, wie bereits hier angesprochen von meinen Vorrednern, der Aus- und Fortbildung, auch mit neuen Berufsfeldern. Eine weitere Aufgabe ist die finanzielle Unterstützung durch Bund und Land zur Anpassung der Wohnungswirtschaft an die zu erwartende Bevölkerungsstruktur, eingeschlossen Mittel für den Abriss und die Wohnumfeldgestaltung.

In das zu erarbeitende Maßnahmenpaket gehört auch der weitere Ausbau der Infrastruktur, wie zum Beispiel der Bau/Ausbau von Landesstraßen. Ich denke hier besonders an einige Beispiele aus dem Kreis, die L 32, die L 28 sowie an die Aufrechterhaltung des Schienenverkehrs durch den Kreis. Fragen der Förderung des Tourismus, eingeschlossen der Radwanderwegebau, und eines breiten Freizeitangebotes könnten ebenfalls zur weiteren Attraktivität der Region bei der Überdenkung eine Rolle spielen. Und letztendlich denke ich auch, dass endlich die seit 1992 angestrebte Öffnung des Grenzübergangs Hintersee mit einfließen muss, um auch hier bestimmte Rahm e n b e d i n g u n g e n für die Wirtschaft – sicherlich im Pro und Kontra – zu schaffen.

In der Region können wir von einer schnellen negativen Entwicklung der Kaufkraft aufgrund der Reduzierung der

Bundeswehr ausgehen. Diese negative Kaufkraftentwicklung wird sich in allen Bereichen der Dienstleistung, des Gewerbes, der Industrie, des Handels zusammen mit weiteren Faktoren – Grenznähe, Reduzierung des zweiten Arbeitsmarktes, zum Beispiel im Arbeitsmarkt Neubrandenburg, auf 43 Prozent, Abwanderung von circa 87 Prozent der jugendlichen Ausgebildeten – auswirken. Deshalb sind für die Wirtschaftsförderung einmalige und sich vom übrigen Bundesgebiet unterscheidende Förderbedingungen mindestens zeitlich befristet zu schaffen. Dazu gehören zum Beispiel:

a) territorial begrenzte erneute Einführung der Investitionszulage für Versorger in Höhe von mindestens 10 Prozent,

b) Erhöhung der Möglichkeit der Investitionszulagenvergünstigung für Wohnungsbauunternehmen für die Sanierung von Gebäuden von gegenwärtig 15 auf 25 Prozent, insbesondere für den gegenwärtigen Zeitraum bis 2004,

c) erneute Einrichtung einer Sonderabschreibungsmöglichkeit von 50 Prozent,

d) Senkung der Körperschaftssteuer für Unternehmen in dieser Region von gegenwärtig 25 auf mindestens 15 Prozent.