In der ersten Debatte zu diesem Thema habe ich zwar ausgeführt, dass man doch nur das Konzept des Interventionsmodells CORA landesweit ausdehnen müsse und von daher ein Landesaktionsplan überflüssig sei, aber zwischenzeitlich wurde deutlich,
Frau Koburger! Meine Damen und Herren! Herr Scheringer hat heute so schön ausgeführt, dass man in vielen Dingen auch seinen Horizont erweitern muss. Ich denke, das haben wir hier auch getan, und deshalb sage ich jetzt, um Gewalt gegen Frauen wirkungsvoll bekämpfen zu können, bedarf es in diesem Land schon eines Gesamtkonzeptes. Dies ist deshalb notwendig, damit gut gemeinte Einzelaktionen wie CORA nicht wirkungslos bleiben. Und hier sehe ich uns einem gewissen Zeitdruck gegenüber.
Die CDU/CSU-Fraktion des Bundestages hat mit dem Antrag vom 15.02.2001 die Bundesregierung aufgefordert, das seit März 2000 als Referentenentwurf vorliegende Gesetz zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und über die vereinfachte Zuweisung der Ehewohnung vorzulegen. Am heutigen Tage berät der Bundestag in Erster Lesung über diesen Gesetzentwurf.
Der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern kündigt an, im April dem Landtag einen Entwurf zur Novellierung des SOG vorzulegen. In diesem soll ein Wegweisungsrecht der Polizei bei Vorliegen von häuslicher Gewalt verankert werden. Das Wegweisungsrecht soll dann angewendet werden, wenn Streitigkeiten in Familien, bei Paaren oder in Wohngemeinschaften zu einer Gefahr für eine Person führen. Opfer häuslicher Gewalt sind überwiegend Frauen und Kinder. In diesen Fällen soll der gewalttätige Mitbewohner für maximal sieben Tage bis zum Erreichen zivilrechtlicher Schutzmöglichkeiten aus der eigenen Wohnung gewiesen werden können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Damit diese wesentlichen rechtlichen Rahmenbedingungen ihre Wirkung entfalten können, bedarf es der Einbettung in das geforderte Gesamtkonzept. Sinn des Landesaktionsplanes sollte es unter anderem sein, für die Opfer häuslicher Gewalt ein flächendeckendes Netz von Kriseninterventi
onsstellen zu schaffen. Diese sollten das Bindeglied zwischen der Wegweisung und den zivilrechtlichen Schutzmöglichkeiten für die Opfer häuslicher Gewalt sein. Nach dem polizeilichen Eingriff sollen sie direkt Kontakt mit den misshandelten Frauen aufnehmen und Unterstützung anbieten.
Meine Damen und Herren, woran liegt es, dass der Plan dem Parlament bis heute nicht vorliegt? Ich vermute, es sind die Gründe, die ich schon in meiner Rede vom 20. April 2000 befürchtet habe. Ein Plan ist schnell geschrieben. Er liegt nach meiner Information sogar schon vor seit August des letzten Jahres. Aber der Plan enthält ein Bekenntnis dazu, dass man die dort enthaltenen Maßnahmen langfristig finanziell sicherstellen muss.
Die Umsetzung der Maßnahmen des Landesaktionsplanes kostet Geld. Auch deshalb ist es notwendig, dass sowohl die beabsichtigten Maßnahmen als auch entsprechende Kostenfolgeabschätzungen schnellstmöglich vorgelegt werden. Ohne genaue Kenntnis der zu erwartenden Kosten können diese nicht in dem nächsten Haushaltsentwurf berücksichtigt werden. Es genügt nicht, ohne verbindliches Konzept erst mal provisorisch zu beginnen und später weiterzusehen. Zwar muss ich sagen, Provisorien sind manchmal langlebiger als eine Dauerlösung, es besteht aber immer die Gefahr, dass man daraus keine Ansprüche auf einen größeren Umfang der Projekte herleiten kann. Und das ist wichtig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meines Erachtens kann angesichts der Haushaltslage des Landes die Finanzierung nur über eine Umverteilung der Haushaltsmittel erreicht werden. Die Schwierigkeit wird darin bestehen, dass in der Landesregierung kein Ressort auf eigene Mittel verzichten will.
Hier ist es notwendig, den Aspekt der Gewalt gegen Frauen in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Die Bereitschaft, Gewalt als Mittel der Konfliktlösung einzusetzen, nimmt gerade in Alltagssituationen zu. Gewalt ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Mangelnde Toleranz und Rücksichtnahme und daraus resultierende Gewalt begegnen Kindern aber zuerst in der Familie. Erst danach werden sie durch außerfamiliäre Umstände geprägt. Ich zitiere aus dem Programm der Landesregierung zur Kriminalprävention und zum Kampf gegen das Verbrechen und seine Ursachen: „Es ist unbestritten, dass Kinder, die mit Gewalt des Vaters gegen die Mutter beziehungsweise häuslicher Gewalt im Allgemeinen aufwachsen,“
„eine größere Tendenz aufweisen, als Erwachsene oder schon als Jugendliche selbst gewalttätig beziehungsweise Opfer zu werden, als dies bei Kindern der Fall ist, die gewaltfrei aufwachsen. Außerdem ist es eine Botschaft für Kinder, die ihr Leben prägt, wenn sie sehen, wie es immer wieder zu skandalösen Gewalttätigkeiten unter ihren Eltern kommt.“
Meine Damen und Herren, wenn eine gewaltfreie Erziehung in der Familie beginnt, dann ist dem Schutz der Familie vor häuslicher Gewalt Priorität vor anderen Maßnahmen der Landesregierung zur Prävention von Gewalttaten einzuräumen. Und damit meine ich auch finanzielle Priorität.
Im Übrigen zahlen sich meines Erachtens die finanziellen Mittel, die für diesen Bereich eingesetzt werden, langfristig durch Einsparungen in anderen Bereichen aus. Ich fordere die Landesregierung daher auf zu prüfen, welche Folgekosten auch hinsichtlich anderer Präventionsmaßnahmen gegen Gewalt langfristig eingespart werden, wenn die häusliche Gewalt wirksam bekämpft wird. Die von derartigen Einsparungen begünstigten Ressorts sind dann auch für die Finanzierung der Präventionsmaßnahmen verantwortlich zu machen. Sicherlich ein schwieriges Feld, aber man sollte hier wirklich konkret darüber nachdenken.
Meine Damen und Herren, wir sehen den Sinn unseres heutigen Antrages ganz konstruktiv darin, die Landesregierung zu einer Einigung über Finanzfragen zu bewegen und dadurch die Sache an sich zu befördern.
mit dem Argument, es seien noch Detailfragen zu regeln. Es kann nicht Aufgabe eines Landesaktionsplans sein, alle Detailfragen zu regeln. Die Landesregierung will damit nur Zeit gewinnen, denke ich, bis es dann in dieser Legislaturperiode vielleicht ein Zuspät gibt, und das wollten wir verhindern.
Der Landesaktionsplan enthält ein Bekenntnis zu der Einrichtung von flächendeckenden Kriseninterventionsstellen. Wenn dieses Bekenntnis durch die Landesregierung nicht schnell erfolgt, dann gibt es keine zwingenden Argumente für mehr Mittel in den Haushaltsberatungen 2002 und 2003. Ich denke, das ist ein sehr wichtiger Aspekt, und deswegen haben wir unseren Antrag hier heute eingebracht. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Staszak von der SPD-Fraktion, nein, erst Frau Seemann. Bitte sehr, Frau Seemann von der SPD-Fraktion hat das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! In der Sitzung am 13. April haben die Koalitionsfraktionen die Landesregierung beauftragt, einen Landesaktionsplan gegen Gewalt zu erarbeiten, und zwar gemeinsam mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Frauenhäuser, der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten, dem Interventionsprojekt CORA und den verantwortlichen Abgeordneten in den Fraktionen. Lassen Sie mich aus einer Rede zitieren, die in diesem Zusammenhang von einer der drei frauenpolitischen Sprecherinnen der Fraktionen gehalten worden ist: „Im Übrigen stellt sich die Frage, ob wir einen derartigen Aktionsplan eigentlich brauchen.“ Und einige Zeilen weiter heißt es: „Damit“, gemeint ist das Projekt CORA, „haben wir eigentlich schon einen Aktionsplan. … Ihren Antrag werden wir aber
ablehnen, weil er dem Ziel meiner Meinung nach und der Meinung der Fraktion der CDU nach nicht gerecht wird.“
Und nun zum heutigen Antrag der CDU, ich zitiere noch einmal: „Die Landesregierung wird aufgefordert, gemäß Beschluss des Landtages vom 13. April 2000 einen Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen bis zum 30. April 2001 vorzulegen“, so im Antragstext der CDU nachzulesen. In der Begründung heißt es: „Um Gewalt gegen Frauen wirkungsvoll bekämpfen zu können, bedarf es eines umfassenden Gesamtkonzeptes,“
„welches sich nicht mit kurzfristig angelegten Verbesserungen in einzelnen Bereichen begnügen darf.“ Das kommt mir sehr bekannt vor, das haben nämlich schon sehr viele vorher gesagt. Das ist richtig. Welch ein Meinungswandel! Von der totalen Ablehnung, überhaupt einen Landesaktionsplan zu erarbeiten, nun zur Eilpartie!
(Dr. Ulrich Born, CDU: Denken Sie doch mal an die Frauen und machen Sie nicht rein parteipolitische Polemik!)
Was ist denn in der Zwischenzeit passiert, meine Damen und Herren von der CDU, was diesen Meinungswandel herbeigeführt hat? Ist Ihnen kein anderes Thema, wo Sie nach der Methode „Nicht hilfreich, aber populistisch“ verfahren können, mehr eingefallen?
Denn obwohl die frauenpolitischen Sprecherinnen aller drei Landtagsfraktionen ausdrücklich zu den vielen von der Landesgleichstellungsbeauftragten Karla Staszak und ihren Mitarbeiterinnen gründlich vorbereiteten und ebenso gründlich ausgewerteten Sitzungen zur Erarbeitung des Landesaktionsplanes eingeladen waren, erschien grundsätzlich keine Abgeordnete aus der CDU-Landtagsfraktion.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Sylvia Bretschneider, SPD: Hört, hört! – Dr. Ulrich Born, CDU: Was heißt „grundsätzlich“?)
Nicht einmal – nicht einmal! – waren Sie, Frau Kollegin Holznagel, bei den zahlreichen Sitzungen anwesend. Auch wenn Sie, wie Sie mir vorhin mitgeteilt haben, wegen Krankheit verhindert waren – wir haben übrigens mindestens vier- oder sogar fünfmal getagt in einem längeren Abstand –, so war keiner Ihrer Kollegen Abgeordneten wenigstens als Vertretung da.
An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich der Frauenund Gleichstellungsbeauftragten der Landesregierung
Frau Staszak und ihren Mitarbeiterinnen für die zügige, engagierte und verantwortungsvolle Arbeit danken.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Dr. Ulrich Born, CDU, und Dr. Armin Jäger, CDU: Die ist ja auch gut.)