Protokoll der Sitzung vom 08.03.2001

Ich auch.

Und das Kanzlerwort von den Agrarfabriken hat die Verbraucher auch nicht gerade zum Jubeln gebracht, eher verwirrt. Und da bin ich schon ganz dankbar, dass vor zwei Tagen der Bundeslandwirtschaftsminister a. D. Funke dies einmal korrigiert oder kommentiert hat in der Weise, indem er sagte, der Kanzler hat die Richtlinienkompetenz für die Politik, er hat nicht die Richtlinienkompetenz für die Vernunft. Da will ich nichts anfügen.

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU)

Verehrte Koalitionäre, Ihr Antrag greift zu kurz, ist in Teilen ganz einfach unsachlich und begründet durchaus gewünschte Wege zu Veränderungen falsch. Und das zwingt uns zur Ablehnung. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Scheringer von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Herr Scheringer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Rede von meinem Freund Martin Brick war sehr angenehm zu hören, weil wir ja heute gewissermaßen die Aktuelle Stunde von gestern fortsetzen, indem wir den Verbraucherschutz als eine erstrangige Aufgabe der Landwirtschaft behandeln. Und ich fand in seiner Rede richtig einige Passagen, die ich gestern schon vorgetragen habe.

(Martin Brick, CDU: Ich habe aber nicht abgeschrieben.)

Das ist recht hübsch, wobei auf den eigentlichen Antrag in der Rede so gut wie nicht eingegangen worden ist

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Martin Brick, CDU: Darauf kann man auch nicht eingehen.)

mit Ausnahme der letzten Bemerkung, wir lehnen das ab. Aber diese Haltung kann man ja auch akzeptieren. Sie ist wenigstens ein Standpunkt.

Meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass die apokalyptische Beschreibung einer katastrophalen Situation in der Landwirtschaft zu undifferenziert ist, denn bei undifferenzierter Darstellung bleibt es nicht aus, dass die Landwirtschaft als Wirtschaftszweig und damit auch die Beteiligten, nämlich die Landwirte und die in der Landwirtschaft Beschäftigten, in ein Licht gerückt werden, in das sie nicht gehören. Was wir brauchen, ist eine sachliche, unabhängige und angemessene kritische Analyse der heutigen Verhältnisse, die auch die Verantwortlichkeiten für diese so genannte Krise beschreibt. Derartige Versuche hat es in den vergangenen Tagen und Wochen von vielen Seiten gegeben und da, denke ich, ist es deutlich geworden, dass es sich nicht nur um Probleme handelt, die in Produktionsstrukturen begründet sind, sondern dass wir es mit einem tief verwurzelten gesellschaftlichen Problem überhaupt zu tun haben.

Trotz zum Teil erheblicher staatlicher Beeinflussungen, die Regulierungsmechanismen sind bekannt, zeigt sich, dass die Produktion und schließlich der Verkauf von Nahrungsmitteln als eine Kette von Kapital- und Geldverwertungsinteressen dargestellt werden muss, an deren unterem Ende die Landwirte eigentlich dem Preisdiktat des Marktes ausgesetzt sind. Neben der Macht riesiger Chemiekonzerne sind es vor allem die dominierenden Handelsketten, lieber Martin, und da gebe ich dir Recht, die den Preis für landwirtschaftliche Erzeugnisse bestimmen und in unverantwortlicher Weise nach unten drücken. Und da sich auch auf einem liberalisierten EU-Binnenmarkt nicht alles mit staatlichen Sanktionen regulieren lässt, sind die Landwirte von heute ebenfalls einem internationalen Wettbewerb ausgesetzt. Die zunehmende Liberalisierung und Globalisierung betrifft selbstverständlich die Landwirtschaft zuallererst. Die Produkte sollen oder müssen billiger werden. Der Staat war auch daran interessiert, denn er hat ja gewissermaßen die landwirtschaftlichen Produkte in ihrem Preis und ihrem Preisgefüge als Inflationsbremse, als künstliche Inflationsbremse benutzt und kann natürlich von der anderen Seite nicht das einfach nur auf die Landwirtschaft abladen.

Die Ergebnisse in diesem Druck, die Preise zu senken – und die Preise wurden zum Teil auch politisch ganz bewusst gesenkt –, waren natürlich, dass zum Beispiel Wachstumsbeschleuniger und antibiotische Futtermittelzusätze eingesetzt wurden oder dass der genmanipulierte Mais und die genmanipulierte Sojabohne inzwischen auf den Markt gebracht worden und inzwischen ziemlich salonfähig sind. Wenn dazu dann noch kommt, dass die Politik in ihrer Sorgfaltspflicht versagt hat und es versäumt hat, Kontrollmechanismen zu schaffen oder diese durchzusetzen, wenn die Kapitalinteressen der Konzerne vor den Schutzinteressen der Verbraucher stehen, muss es zwangsläufig zu dem kommen, was wir gegenwärtig haben.

Es stellt sich die Frage, welchen Ausweg es gibt. Ich denke, dass das Ziel darin besteht: die Gestaltung einer gesundheits- und umweltgerechten, verbraucherorientierten und wirtschaftlich effizienten Landwirtschaft, die eigentlich ein ganz wichtiges Ziel ganz vornan stellen muss, und dieses Ziel heißt Vertrauen schaffen. Die landwirtschaftlichen Betriebe sind auf das Vertrauen der Verbraucher angewiesen, das ist ihre Existenz.

Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung – ich will nicht viel wiederholen, was da heute schon gesagt worden ist oder gestern – hat mit diesem Anspruch, in zehn Jahren den Anteil des ökologischen Landbaus auf 20 Prozent zu erhöhen, sicherlich keinen falschen Weg beschritten. Aber viel wichtiger ist es nach unserer Ansicht, dass man sich auch sehr intensiv um die konventionelle Produktion kümmern muss. Es bleiben ja 80 oder mehr Prozent. Und wenn in Eile an einer Neugestaltung gezimmert wird, muss in diesem Prozess auf die konventionelle Landwirtschaft auf alle Fälle Rücksicht genommen werden, denn die bisherigen Betriebskonzepte waren ja auch die Grundlage für Investitionen, die zum großen Teil staatlich gefördert worden sind, und für die bisherigen Betriebskonzepte waren die Grundlagen die bisherigen Rahmenbedingungen.

Wir sehen aber trotzdem eine Reihe von Ansatzpunkten, die die Chance für eine wirkliche Wende bieten. Diese möchte ich jetzt noch einmal nennen:

Wir sehen also erstens die Notwendigkeit, dass die Bundesregierung sich national und auch international im Rahmen der kommenden WTO-Verhandlungen für die Durchsetzung hoher sozialer Umwelt-, Tierschutz- und natürlich auch von Qualitätsstandards einsetzt. Das ist die erste Bedingung, damit das Preisdumping infolge von niedrigen Sozial- und Umweltstandards ausgeschaltet wird und nicht direkt zurückschlägt auf die Ergebnisse der Landwirtschaft.

Zweitens denke ich, dass die Forderung der PDS nach Umgestaltung der Agrarsubventionen richtig ist. Wir unterstützen zum Beispiel die Bindung der Tierprämien an den Flächenbesatz und befürworten auch ein Maß von maximal zwei Großvieheinheiten je Hektar.

Drittens vertreten wir die Auffassung, dass die Einhaltung von Umwelt- und Tierschutzstandards nicht zwangsläufig von der Größe der Betriebe oder der Bestände abhängig ist. Wir wenden uns ganz entschieden gegen die Einführung von betriebsbezogenen Tierobergrenzen, die eine erhebliche Benachteiligung der Strukturen in den neuen Bundesländern zur Folge hätte.

Und viertens erwarten wir die Durchsetzung eines effektiven Kontrollsystems über alle Stufen der Nahrungsgüterproduktion bis hin zum Handel. Wir unterstützen die offene Deklaration und die Einführung einer Positivliste beispielsweise bei der Futtermittelproduktion.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Ein fünfter, ein zentraler Anspruch unserer Wirtschaftspolitik ist die Stärkung der regionalen Strukturen bis zur Schaffung regionaler Wirtschaftskreisläufe. Das sagen wir hier jetzt schon seit zehn Jahren. Aber gerade für unser Bundesland, für Mecklenburg-Vorpommern, ist dies für die Entwicklung seiner ländlichen Räume von allergrößter Bedeutung.

Meine Damen und Herren, sechstens wird die Ausweitung der Anteile des ökologischen Landbaus an der Nah

rungsmittelproduktion von der PDS unterstützt. Uns ist in diesem Zusammenhang jedoch klar, dass hochwertige und damit teure Bioprodukte neben den effektiven Vertriebswegen vor allem auch einer großen Anzahl von kaufkräftigen Verbrauchern bedürfen. Und die sehen wir in unserem Bundesland natürlich in erster Linie nicht.

(Martin Brick, CDU: Sehr richtig.)

Der Gang in den Aldi-Laden ist immer noch häufiger als der Gang in den Bioladen und das wird sicher auch so bleiben.

Meine Damen und Herren! In der Stärkung der regionalen Wirtschaftsstruktur sehen wir eine vernünftige Möglichkeit für unsere Landwirte und auch eine Chance, sich der gewaltigen Marktmacht von multinationalen Nahrungsmittel- und Chemiekonzernen teilweise zu entziehen. In diesem Zusammenhang befürworten wir alle Methoden, alle Formen der Vertragslandwirtschaft, die den Bauern auf der einen Seite verlässliche Rahmenbedingungen und auch verlässliche Preise bieten können und auf der anderen Seite eigentlich jede Form der Kontrolle am allerleichtesten ermöglicht. Die Vertragslandwirtschaft ist also eine der besten Methoden, um Vertrauen bei den Verbrauchern und gleichzeitigen Verbraucherschutz zu erreichen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Martin Brick, CDU: Das hast du vor sechs Jahren aber anders formuliert.)

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, bitte ich Sie um die Zustimmung zu dem Antrag auf Drucksache 3/1936. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

Ja, man kann öfters mal, Martin Brick, von der einen Seite oder von der anderen Seite reinleuchten in die Dunkelheit.

(Martin Brick, CDU: Das ehrt ja auch einen Politiker, Hans.)

Das verbessert auf alle Fälle das Denkvermögen und erweitert den Horizont. – Schönen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Das Wort hat der Landwirtschaftsminister Herr Backhaus. Bitte sehr, Herr Minister Backhaus.

Sehr geehrter Herr Präsident!

Vielleicht ist es mir gestattet, Herr Präsident, dass ich den Frauen und damit den Verbraucherinnen zum Frauentag gratuliere, und ich verspreche Ihnen, ich unternehme alles, um von Lebensmitteln wirklich keine Gefahren ausgehen zu lassen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Das können Sie mit nach Hause nehmen, das können Sie auch im Lande weitersagen.

Ich glaube, um gleich mal anzufangen mit dem, was Herr Brick gesagt hat, wenn es denn so weit ist, dass hier in der Kantine mittlerweile Kängurufleisch angeboten wird, dann hoffe ich, dass wir nicht die ganz großen Sprünge in der Zukunft machen

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

und im Rahmen der weiteren Entwicklung insbesondere in der Landwirtschaft auch die Brötchen backen

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

und die Produkte anpreisen, die in unserem Land heranwachsen, und nicht diesen Wahnsinn weiterbetreiben.

(Dr. Henning Klostermann, SPD: Ab wann gilt das?)

Es heißt so schön: Das Rettende wächst, wo Gefahr ist. Das hat ja mal ein kluger Kopf entwickelt. Und wenn es um die Entwicklung der Landwirtschaft zu mehr Verbraucherschutz geht, so hat der letzte November – mit dem 24. November – in Mecklenburg-Vorpommern natürlich auch neue Erkenntnisse gebracht. Wir sind darauf angewiesen, diesen gesellschaftlichen Prozess zu begleiten und, ich betone an dieser Stelle ausdrücklich, alle gesellschaftlichen Kräfte mit einzubeziehen, insbesondere die kritischen und intelligenten Geister in die Entscheidungsprozesse stärker einzubeziehen und dieses zu berücksichtigen.

Dazu gibt es natürlich eine Reihe von Möglichkeiten. Ein runder Tisch ist eine davon. Insofern begrüße ich diesen Antrag. Gerade beim Thema BSE ist es besonders wichtig, Entscheidungen auf eine fundierte Grundlage zu stellen. Nicht Aktionismus und Hysterie dürfen hier das Handeln bestimmen, sondern aktuelle Sachkenntnis, und zwar möglichst auf breiter Ebene,

(Beifall Dr. Henning Klostermann, SPD, und Ute Schildt, SPD)

denn zu viele Fragen aus diesem Bereich, das haben wir hier mehrfach diskutiert, liegen noch im Nebel der Ungewissheit. Wie kommt BSE wirklich in das Tier? Bei der ganzen Hysterie wird natürlich auch immer wieder verheimlicht, wie hoch eigentlich real das Risiko ist. Relationen helfen dabei auch leider wenig. Allein in den USA, meine Damen und Herren, sind beispielsweise im letzten Jahr 900 Menschen an Listeriose gestorben. Welche Maßnahmen der Risikominimierung sind deshalb vertretbar und sinnvoll? Wissenschaft und Forschung sind hier ganz besonders gefragt. Und die besten Kapazitäten können in diesem Bereich nicht gut genug sein.

Um diesen Fragen weiter auf den Grund zu gehen, habe ich am 22. Januar mit Wissenschaftlern zu Fragen des Verbraucherschutzes und BSE beraten. Nur einen Tag später tagte in unserem Hause eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Wirtschaftsvertretern und Verwaltungsfachleuten, zu diesem Thema. Da von der nächsten Tagung des Agrarrates, nämlich am 19. März, wesentliche Beschlüsse zur Bewältigung der BSE-Problematik und hieraus resultierende Auswirkungen auf den Fleischmarkt zu erwarten sind, werde ich im Nachgang zu diesem Termin einen runden Tisch mit umfassender Beteiligung organisieren, angefangen von den wissenschaftlichen Kapazitäten der Insel Riems. Ich bin hier stolz und froh darüber, dass der Ausschuss ja gerade in der letzten Woche dort war und dass der Standort Riems als nationales Referenzlabor ausgebaut wird. Ich glaube, das ist auch ein gutes Signal für unser Bundesland, dass dort über 200 Millionen DM investiert werden. Das ist Zukunft.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)