Protokoll der Sitzung vom 04.04.2001

ist, wenn die Geldgier übermächtig wird, dann gehört dazu auch die unter Medienrechtlern und Medienexperten heftig debattierte Position von Kirch, um auch noch zusätzlich Hörfunkrechte zu vermarkten. Das ist doch der Versuch einer einmaligen Abzockerei der Gebührenzahler über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch ein Privatunternehmen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Nun, mit dem vorliegenden Antrag soll eine mögliche Änderung des Rundfunkstaatsvertrages geprüft werden. Und ich komme hier noch einmal auf das Interview mit Herrn Pleitgen zurück, der in Bezug auf die englische Regelung formulierte: „Dort wird die Fußballweltmeisterschaft als gesamtgesellschaftliches Ereignis bezeichnet, das überhaupt nicht dem Pay-TV vorbehalten sein darf. Vielmehr müssen dort alle Spiele im Free-TV gezeigt werden. Ich nehme an,“ – so Pleitgen –“dass es auch für Deutschland noch eine solche Debatte geben wird.“

Nun, da Mediengesetzgebung Sache der Länder ist, gehört also auch in diesen Landtag genau diese Diskussion. Andere europäische Länder haben auf der Grundlage der EU-Fernsehrichtlinie viel weitergehende Listen von Großereignissen. Die Frage allerdings, die berechtigte Frage muss man schon stellen, wie weit man denn diese Listen treiben will.

Es ist aus unserer Sicht als PDS-Fraktion legitim, eine entsprechende Prüfung der Erweiterung vorzunehmen. So weit, so gut. Aber ganz so einfach will ich es mir denn doch nicht machen, wenn es hier um die Betrachtung der Rechteverwertung geht, um die Kostenentwicklung. Ich will hier zuspitzen: Bei all den Verhandlungen wurden über die Interessen derjenigen Fernsehgebührenzahler, die sich für Fußball nicht oder überhaupt nicht interessieren, gar nicht erst gesprochen. Warum aber sollten diese wie auch Teile der Fußballfans es akzeptieren, dass Fernsehgebühren steigen und diese in die Geldsäcke eines Medienmoguls gestopft werden, dass die Programme der öffentlich-rechtlichen Anstalten abgespeckt werden, dass, um für einige Stunden Fußball in den Morgenstunden zu zeigen, 250 Millionen DM Gebührengelder zu bezahlen sind, zumal mit dieser Summe noch kein einziger Kameramann, kein hochbezahlter Reporter bezahlt und die technische Übertragung gesichert ist? Was wäre eigentlich passiert, wenn ARD und ZDF die Kirch-Gruppe auf ihren Fernsehrechten hätte sitzen lassen und sich deutlich geweigert hätten, über diese horrenden Preise überhaupt zu verhandeln? Die britischen Kollegen von der BBC haben genau das getan und dafür breite Unterstützung in der Gesellschaft gefunden.

Und noch einen Aspekt will ich anführen: Mit der oben genannten Regelung zu der Rechteverwertung sind Auswirkungen auf die Entwicklung der Rundfunkgebühren wohl vorprogrammiert, auf den Prozess ihrer Ermittlung und Verteilung, ebenso wie die Debatte um die Qualität und Quantität der Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Und es bleibt doch die Frage zu beantworten: Warum lässt sich die Gesellschaft das eigentlich gefallen, dass solche Sportereignisse überhaupt auf dem freien Markt von Übertragungsrechten gehandelt werden können? Ist denn Sport in solchen Dimensionen nur noch bloße Ware für Unterhaltungsangebote von großen Medienkonzernen? Ist es nicht tatsächlich doch gesellschaftliches Interesse aller?

(Beifall bei der PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Müller von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Herr Müller.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn es in diesem Antrag um ein medienpolitisches Thema geht, gestatten Sie mir als erster Vorsitzender eines Kreisfußballverbandes mit immerhin 6.000 Mitgliedern und als Fußballfan insbesondere einige Anmerkungen zu diesem Antrag,

(Beifall Gesine Skrzepski, CDU)

denn das, was ich auf den Veranstaltungen mit meinen Sportfreunden und auf den Sportplätzen in meinem Landkreis erfahre über die schönste Nebensache der Welt, nämlich den Fußballsport, klingt nicht besonders gut.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Immer mehr wird über die Macht des Geldes bei Fernsehübertragungen diskutiert und diese Diskussionen, meine sehr verehrten Damen und Herren, das können Sie sich sicherlich vorstellen, sind häufig sehr emotional. Und wie das in der Praxis so funktioniert, davon konnten wir uns gestern Abend ja überzeugen, meine Vorredner sind schon darauf eingegangen. 2,4 Millionen Decoderbesitzer konnten das Spiel Leeds gegen Bayern direkt und life verfolgen, die anderen mussten im wahrsten Sinne des Wortes in die Röhre schauen. Darum glaube ich, dass dieser Antrag auch im Sinne vieler Tausender Fußballfans in unserem Lande ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Siegfried Friese, SPD: Richtig.)

Und wenn es auch keine hundertprozentige Torchance, Herr Rehberg, gibt, den Rundfunkstaatsvertrag noch kurzfristig zu ändern, sollten wir dennoch versuchen, den Ball flach zu halten, die Offensive und den Sturm noch einmal zu verstärken, denn immerhin läuft ein Spiel bis zum Abpfiff. Darum kann ich nur dem Mainzer Medienrechtler Dieter Dörr zustimmen, der sich in diesem Zusammenhang mit der Änderung des Rundfunkstaatsvertrags wie folgt äußerte: „Das ist durchaus möglich und in erster Linie eine Frage des politischen Willens.“

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Siegfried Friese, SPD: Richtig.)

Und dass es geht, meine sehr verehrten Damen und Herren, zeigt ja Großbritannien. Auch darauf sind meine Vorredner schon eingegangen. Hier werden alle WMSpiele im Free-TV gesendet. Darum, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Abgeordnete, lassen Sie uns noch einmal gemeinsam gegen den Ball treten in der Hoffnung, ihn in die richtige Richtung zu bekommen und vielleicht doch noch ein Traumtor zu erzielen. – Ich bedanke mich ganz herzlich und bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Herr Müller.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 3/1991. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Danke. Stimmenthaltungen? – Danke.

(Angelika Gramkow, PDS: Das ist ja wieder konsequent. Sie dürfen nicht gucken!)

Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 3/1991 mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und der PDS bei einer Gegenstimme und einer Stimmenthaltung der PDS sowie bei Stimmenthaltung der Fraktion der CDU angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15.

Bevor wir in die Beratungen eintreten, gestatten Sie mir noch einen Hinweis. Ein Abgeordneter hat seine Unterschrift unter dem Antrag auf Drucksache 3/1988(neu) zurückgezogen. Deswegen hat der ansonsten inhaltsgleiche Antrag nunmehr die Drucksachennummer 3/2023. Es liegt diesbezüglich eine amtliche Mitteilung Nummer 3/30 vor.

Wir kommen nun zur Beratung des Antrages der Abgeordneten Georg Nolte, Lorenz Caffier, Renate Holznagel, Wolfgang Riemann, Gesine Skrzepski, Jörg Vierkant, Rainer Prachtl, Harry Glawe, Friedbert Grams, Dieter Markhoff, Lutz Brauer, Thomas Nitz, Eckhardt Rehberg und Jürgen Seidel, Fraktion der CDU, Barbara Borchardt und Monty Schädel, Fraktion der PDS, Klaus Schier, Dr. KlausMichael Körner und Rudolf Borchert, Fraktion der SPD, Karsten Neumann, Fraktion der PDS, Herbert Helmrich, Fraktion der CDU, Kerstin Kassner, Torsten Koplin und Peter Ritter, Fraktion der PDS, Martin Brick, Fraktion der CDU, und Caterina Muth, Fraktion der PDS – Ansiedlung des Archäologischen Landesmuseums und des Landesamtes für Bodendenkmalpflege, Drucksache 3/2023.

Antrag der Abgeordneten Georg Nolte, Lorenz Caffier, Renate Holznagel, Wolfgang Riemann, Gesine Skrzepski, Jörg Vierkant, Rainer Prachtl, Harry Glawe, Friedbert Grams, Dieter Markhoff, Lutz Brauer, Thomas Nitz, Eckhardt Rehberg und Jürgen Seidel, Fraktion der CDU, Barbara Borchardt und Monty Schädel, Fraktion der PDS, Klaus Schier, Dr. Klaus-Michael Körner und Rudolf Borchert, Fraktion der SPD, Karsten Neumann, Fraktion der PDS, Herbert Helmrich, Fraktion der CDU, Kerstin Kassner, Torsten Koplin und Peter Ritter, Fraktion der PDS, Martin Brick, Fraktion der CDU, und Caterina Muth, Fraktion der PDS: Ansiedlung des Archäologischen Landesmuseums und des Landesamtes für Bodendenkmalpflege – Drucksache 3/2023 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Nolte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie sich das große Wappen unseres Bundeslandes ansehen, dann sehen Sie auf dem viergeteilten Schild die zwei Stierköpfe für Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz sowie den Pommerschen Greif und den Brandenburger Adler. Dieses Wappen nimmt die in der Vergangenheit maßgebliche Bemühung einer ausgewogenen dezentralen regionalen Strukturentwicklung des Landes auf, die auch den historischen Wurzeln entspricht. Diesem Gedanken verpflichtet, erfolgte nach Artikel 70 Absatz 3 die Ansiedlung von Behörden und Ämtern der Landesverwaltung. Diesem Bestreben folgten auch die Landkreisneuordnung und nicht zuletzt die regionalen Raumord

nungsprogramme. Mitunter hörbare Äußerungen, die auf eine weitere Zentralisierung von Verwaltungsstrukturen in Schwerin hinzielen, können auf Dauer nicht dem beschriebenen Ziel der ausgewogenen Strukturentwicklung im Land dienen, besonders deshalb nicht, weil sich neue Akzente ergeben.

Mit der EU-Osterweiterung wird besonders der vorpommersche Raum eine deutlich neue Dimension im Hinblick auf den Stettiner Raum erhalten. Mit der Verlagerung des Hauptstadtsitzes des Bundes nach Berlin erhält der südöstliche Teil Mecklenburgs bis hin nach Usedom eine deutlichere Gewichtung

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Wir schlagen vor, dass Neubrandenburg Landeshauptstadt wird. – Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS)

als infrastrukturelles Einflussgebiet der Bundeshauptstadt. Dem müssen auch politische Entscheidungen folgen.

(Volker Schlotmann, SPD: Find’ ich nicht in Ordnung.)

Mecklenburg-Strelitz hat in der Geschichte mehrfach ungute Erfahrungen mit Vorherrschaftsbestrebungen aus dem Schweriner Raum gemacht.

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD und PDS – Claus Gerloff, SPD: Ungeheuerlich!)

1934, nach der Vereinigung beider Landesteile Mecklenburgs, gab es aufgrund von Entscheidungen in Schwerin sowohl bei den bürgerlichen Parteien als auch bei den Sozialdemokraten die Sorge einer künftigen Vernachlässigung des Strelitzer Raumes und spezifischen Interessen der Menschen. In einem Memorandum des Staatsministers Michael hieß es damals, es würde bei der hiesigen Bevölkerung der Eindruck hervorgerufen, dass sie fortab verraten und verkauft wäre und auch die Stadt Neustrelitz, die von den vorhandenen Behörden lebt, ins Elend führen und zum Dorf machen würde.

(Wolfgang Riemann, CDU: So geht es Vorpommern unter dieser Regierung.)

So gleichen sich interessanterweise historische Ansichten und Argumente.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ostvorpom- mern unter Kautz. – Wolfgang Riemann, CDU: Sie haben so oft den Wahlkreis gewechselt, Sie wissen gar nicht, was Ostvorpommern ist. – Glocke der Vizepräsidentin)

Nach dem Zweiten Weltkrieg

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Sie haben keine Ahnung! Seit ‘90 mach’ ich das.)

wurden deutliche Maßnahmen zu Lasten von Neustrelitz wirksam, die einer Entwertung des kulturellen und Behördenstandortes gleichkommen.

(Unruhe bei Dr. Arnold Schoenenburg, PDS)

Ich will hier nicht die Zentralisierung der Verwaltungsstruktur ansprechen mit der neuen Bezirksgliederung, sondern besonders im Zusammenhang mit dem Antragsgegenstand darauf verweisen, dass das Landesmuseum einschließlich der Landesbibliothek des Großherzogtums Mecklenburg-Strelitz zerstreut wurde. Die Landesbibliothek, die aus rund 200.000 Bänden bestand, wurde 1950

aufgelöst und verteilt auf die Standorte Landesbibliothek Schwerin, die Universitätsbibliotheken Rostock und Greifswald sowie die Staatsbibliothek Berlin.

(Angelika Gramkow, PDS: Wollen Sie die Bibliothek nun auch noch haben? – Wolfgang Riemann, CDU: Klar.)

Das 1885 gegründete Hauptarchiv in Neustrelitz wurde im Hauptarchiv Schwerin eingegliedert.

(Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

Das in den Jahren 1920/21 gegründete Landesmuseum Mecklenburg-Strelitz mit der regional wichtigen archäologischen Sammlung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in den 60er Jahren aufgelöst und auf Museen in der Region und die archäologische Sammlung in Schwerin verteilt.

(Dr. Manfred Rißmann, SPD: Da bleibt sie auch. – Zuruf von Gerd Böttger, PDS)