Protokoll der Sitzung vom 05.04.2001

Der Oppositionsführer hat hier einen Appell an Jugendliche gerichtet, sich selbständig zu machen. Und genau das ist der Hauptansatzpunkt, das ist eine Zielrichtung dieses Programms. Wir wählen einen völlig neuen Ansatz, der sich deutlich vom Ansatz in Programmen für ältere Arbeitslose unterscheidet. Dieses Programm „Jugend, Arbeit, Zukunft“ setzt auf junge Menschen, die im engeren wie im weiteren Sinne etwas unternehmen wollen. Wir haben schon mehrfach darüber gesprochen, dass wir ein Gründerklima im Lande brauchen, dass wir mehr Unternehmergeist und mehr Innovation durch junge Menschen unterstützen wollen. Das sind die Stichworte.

Die Förderung von Jugendbetrieben, das ist der erste Schwerpunkt in diesem Programm. Die zentrale Idee der Jugendbetriebe ist eine Existenzgründung durch mehrere

junge Fachkräfte. Sie sollen sich in diesem Land mit einer Unternehmensbildung eine Chance geben, sich selbst eine Chance geben. Natürlich fehlt es bei diesen jungen Existenzgründern an Erfahrung und sie sollen in Kooperation mit gestandenen Unternehmern, wenn man so will, mit Mutterbetrieben, diese Erfahrung dann auch erhalten, es soll diese Erfahrung eingeholt werden. Angesprochen werden Fachkräfte in zukunftsträchtigen Branchen und Handwerksbereichen, für die ein Ersatzbedarf vorausgesagt wird.

Es gibt neben diesem größeren Baustein zum Thema Existenzgründung und Unternehmergeist noch einen kleineren Programmbaustein im JAZ, also „Jugend, Arbeit, Zukunft“. Dieses wird zusammen mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung bearbeitet. Die Rede ist von dem Programm „Enterprise“. Das hat sich in Brandenburg bewährt. Es hat die Unternehmensbildung durch einzelne junge Menschen im Blick. Sie erhalten neben einer Startförderung eine ehrenamtlich organisierte Fachbegleitung aus der Wirtschaft.

Zu einem zweiten Schwerpunkt: Hier geht es um Zukunftsbranchen. Mit diesem Schwerpunkt wird die Erfahrung aus dem bewährten Landesprogramm „Jugend baut“ aufgegriffen und die Idee weiterentwickelt. Ich weiß, dass das die Opposition anders sieht, aber auch das wird von der Wirtschaft inzwischen unterstützt, dass dieses Programm „Jugend baut“ nämlich nicht nur junge Leute in Arbeit bringt, sondern auch für Aufträge in der Bauwirtschaft selbst sorgt,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

wie man das im Bereich Güstrow ganz konkret nachweisen kann. Wie Sie wissen, bekommen junge Fachkräfte, die eine außerbetriebliche Ausbildung erhalten haben, durch gezielte Investitionszuschüsse des Landes an Kommunen und Träger eine Erstbeschäftigungschance in diesen Betrieben. Warum also nicht auch diese Idee aufgreifen und „Jugend baut“ ausdehnen auf den Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien? In meinem Haus wurde ein entsprechender Erweiterungsvorschlag hinsichtlich der Verbindung von Investitionsförderung mit Arbeitsmarkteffekten zur Erstbeschäftigung junger Menschen ausgearbeitet und bereits mit verschiedenen Unternehmen der Branche diskutiert und ergänzt. Und so wird die Idee aufgegriffen und wir wollen bei dieser Begrifflichkeit bleiben. „Jugend baut in Zukunftsbranchen“ heißt der zweite große Baustein des Programms „Jugend, Arbeit, Zukunft“. Ich bin sicher, dass die Zukunftsbranchen auf junge Leute bauen, regelrecht auf junge Leute warten.

Und als Drittes lassen Sie mich zwei weitere kleinere Bausteine nennen, ohne sie ausführlich zu beschreiben. Wir beginnen noch in diesem Jahr in der Hansestadt Wismar mit einer Jugendbauhütte. Dabei ist auch die Deutsche Stiftung Denkmalpflege mit im Boot. Junge Menschen werden sich berufsorientierend mit denkmalpflegerischer Arbeit vertraut machen und für ein Jahr als Freiwillige tätig werden. Und wir wollen jetzt eine schon hier debattierte und vorgestellte Rückkehragentur ins Leben rufen. Jungen bereits abgewanderten Fachkräften sollen gezielt individuell vorbereitete Rückwanderungsangebote unterbreitet werden. Dabei geht es sowohl um Arbeitsstellen, es geht aber auch um Wohnungs- und Kulturangebote, um also junge Menschen zu reizen, sie ins Land zurückzuholen. Und schließlich werden wir auch

Auslandspraktika junger Fachkräfte fördern und einen Teil der europäischen Freiwilligendienste mitfinanzieren.

Dieses Programm hat etwas Besonderes. Dieses Programm soll nicht in sich abgeschlossen sein, soll nicht nur aus diesen Bausteinen bestehen, sondern soll sich modular entwickeln und aufbauen. Deswegen, meine ich, wird dieses Jugendprogramm nach vorne offen bleiben. Und es wird nicht nur wissenschaftlich begleitet und in regelmäßigen Abständen evaluiert werden, sondern wir wollen die Erfahrungen und vielen Vorschläge, die aus dem politischen Raum und auch aus den Ministerien kommen, in dieses Programm aufnehmen und es somit weiterentwickeln. Und selbstverständlich sind auch die Sozialpartner gebeten, sich einzubringen. Dieses Programm soll und wird also durch eine offene Fortschreibung tatsächlich gewinnen.

Dieses Programm wird verzahnt mit dem neuen Landesprogramm für Arbeitsmarktpolitik, welches ab dem nächsten Jahr das gegenwärtige Programm „Arbeit und Qualifizierung Mecklenburg-Vorpommern 2000“ ersetzen wird. Und genau hier meint Verzahnung, dass es um die Umsteuerung geht, die in der Arbeitsmarktpolitik generell gefordert ist. Nicht zuletzt aufgrund des Operationellen Programms für den Europäischen Sozialfonds wird dieser Schwerpunkt „Existenzgründung“ gerade auch im Bereich der Jugend, der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit dieser Umsteuerung gerecht. Der Umsteuerung der bisherigen, der herkömmlichen Arbeitsmarktpolitik mit ihren bekannten Instrumenten hin zu einer wirtschaftsund unternehmensnahen Politik dient der Baustein Jugendbetriebe und dient der Baustein „Jugend baut in Zukunftsbranchen“.

Finanziell ist dieses Programm auch ausgestattet. Und die Frage ist ja immer: Wie schnell kann man solche neuen Programmpunkte umsetzen? Wie schnell können wir sie realisieren? Und Sie wissen, dass mit dem Haushalt 2001 erstmalig der Zukunftsfonds aufgelegt wurde. 10 Millionen DM sind für dieses Programm vorgesehen. Wir werden dieses Jahr mit 2 Millionen DM einsteigen. Aber das ist der Beginn. Über die Fortsetzung und den Aufbau dieses Programms ist inhaltlich wie finanziell auch weiterhin zu sprechen und zu verhandeln. Ich meine, Tendenz kann nur heißen: steigend in den nächsten Jahresscheiben.

Der Jugendarbeitslosigkeit, meine Damen und Herren, werden wir natürlich nicht mit diesem oder jenem Programm Herr, sondern nur mit einem Mix von Instrumenten, Programmen und Maßnahmen. Ich darf hier nur an das Jugendsofortprogramm der Bundesregierung erinnern. Gefragt im Lande ist nicht nur das Arbeitsministerium – und da sind wir uns in der Regierung einig –, sondern es wird eine gesamte, eine konzertierte Aktion der Landesregierung insgesamt sein müssen, aber nicht nur der Landesregierung, sondern der Sozialpartner, der Arbeitsämter. Und sicherlich ist auch hier der Bund in Größenordnung weiterhin gefragt.

Nun kann man fragen, was ist denn bisher auch im Arbeitsministerium geleistet worden. Ich kann hier berichten, dass knapp 33 Millionen DM für den Jugendbereich aus dem Haushalt meines Ministeriums eingesetzt werden. Faktisch jede vierte Mark aus dem entsprechenden Haushalt wird im Jugendbereich eingesetzt. Ich meine, das kann sich insgesamt sehen lassen.

Und auch angesichts der aktuellen Diskussion über die Situation und Zukunft von Jugendklubs und anderen

Jugendstrukturen müssen wir feststellen – das wird ja übrigens inzwischen auch von der CDU unterstützt –, dass die Landesinitiative „Jugend- und Schulsozialarbeit“ angenommen wird, begrüßt wird, unterstützt wird, und es werden Forderungen laut im ganzen Land, dass diese Initiative ausgebaut werden soll. Gegenwärtig haben wir bereits mehr als 400 Stellen geschaffen. Wir werden unseren Fahrplan einhalten und das gestellte Ziel am Ende der Legislaturperiode auch tatsächlich erreichen.

Meine Damen und Herren, die Zahlen hat Herr Rehberg hier genannt. Sie sprechen für sich. Sie sind nicht zu beschönigen. Ich habe allerdings nicht die Illusion, dass mit dem neuen Programm „Jugend, Arbeit, Zukunft“ alle jungen Arbeitslosen in Lohn und Brot kommen werden. Mir geht es darum, mit diesem Programm Anreize zu schaffen, Rahmenbedingungen, wie wir in der Politik sagen, zu schaffen, damit Zukunftschancen für junge Leute, die im Lande sind, aufgetan werden und Chancen eröffnet werden für diejenigen, die bereits unser Land verlassen haben.

Wir wenden uns also verstärkt denjenigen zu, die gut ausgebildet sind, die unternehmungslustig sind und die sich selbst ausprobieren wollen. Wir wenden uns jenen zu, die an der Spitze der Abwanderungsstatistik stehen. Und das ist die eigentliche Botschaft dieses Programms „Jugend, Arbeit, Zukunft“. Wir wenden uns an junge Leute, die qualifiziert, kreativ, mobil sind, die ihr eigener Chef werden wollen. Und wir wenden uns an sie mit dem Vorschlag, ihr Glück in Mecklenburg-Vorpommern zu versuchen. Dabei haben sie die Unterstützung der Landesregierung. Dafür reicht ihnen das Land die Hand. Sie sind herzlich willkommen, sie sollen hier bleiben. Ich meine, die Chance, die wir hier auftun, sollte beim Schopfe gepackt werden. In der Gemeinsamkeit von jungen Leuten, Sozialpartnern und Regierung wird es gelingen, hier einen Beitrag zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zu leisten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Finanzministerin Frau Keler.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Es stimmt, Herr Rehberg, vor 14 Tagen habe ich auf einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer zu Schwerin die Jugendlichen im Land aufgefordert, dorthin zu gehen, wo sie in ihrem erlernten Beruf arbeiten können, bevor sie hier im Land arbeitslos werden.

(Martin Brick, CDU: Das ist trotzdem nicht in Ordnung.)

Und ich habe dieselben Jugendlichen aufgefordert, unbedingt wiederzukommen, sobald sich ihnen hier in Mecklenburg-Vorpommern Chancen bieten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dass hier Chancen entwickelt werden, haben Sie gerade in dem Beitrag von Herrn Holter gehört.

(Zurufe von einzelnen Abgeordneten der CDU – Lutz Brauer, CDU: Gerade nicht.)

Und da ja heute schon des Öfteren Fakten angemahnt worden sind,

(Harry Glawe, CDU: Die haben Sie doch ganz schön im Stich gelassen, nicht?!)

will ich es Ihnen jetzt nicht ersparen, ein paar Fakten hier mal öffentlich darzulegen.

Mecklenburg-Vorpommern ist das jüngste Bundesland der Bundesrepublik. Das war auch schon früher so. Die Bezirke Rostock, Schwerin, Neubrandenburg waren die jüngsten Bezirke der DDR. Heute sieht das konkret so aus, dass wir 77.000 Jugendliche im Alter zwischen 6 und 19 Jahren mehr als der Durchschnitt der alten Bundesländer haben. 77.000 Jugendliche! Und bezogen auf die neuen Bundesländer sind es 37.000 Jugendliche.

(Barbara Borchardt, PDS: Welch ein Glück für uns!)

Wir haben etwa gleich viel Einwohner wie Hamburg. Wir haben aber dreimal so viel Jugendliche wie Hamburg.

(Barbara Borchardt, PDS, und Angelika Gramkow, PDS: Das ist doch toll! – Harry Glawe, CDU: Ja, schon jahrelang. Das ist doch schon jahrelang so.)

Mecklenburg-Vorpommern ist aber das Bundesland mit dem geringsten Industrie…

(Harry Glawe, CDU: Das ist doch keine neue Erkenntnis.)

Ja, aber Mecklenburg-Vorpommern ist das Bundesland mit dem geringsten Industriebesatz. Wir haben auf 1.000 Einwohner 24 Industriearbeiter. In den alten Bundesländern sind es 87 Industriearbeiter und in den neuen Bundesländern außerhalb Mecklenburg-Vorpommerns sind es 39.

(Martin Brick, CDU: Aber das kann uns doch nicht beruhigen.)

Die Landesregierung sorgt seit Jahren dafür, dass Jugendliche in Mecklenburg-Vorpommern alle einen Ausbildungsplatz bekommen. Wir bilden seit Jahren über Bedarf aus und dafür möchte ich heute hier noch mal der privaten Wirtschaft ganz herzlich danken.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Und, meine Damen und Herren, für diese Überbedarfsausbildung bietet der Landeshaushalt jedes Jahr mindestens 100 Millionen DM.

Der erste Arbeitsmarkt, denke ich, beschränkt sich eben nicht nur auf Mecklenburg-Vorpommern, sondern er umfasst alle Bundesländer und im geringen Umfang auch das Ausland. Ich denke, das ist nicht nur gut, wenn die Jugendlichen mit einer qualifizierten Ausbildung für ein paar Jahre Erfahrungen außerhalb unserer Landesgrenzen sammeln. Bekanntlich können nach dem Ende ihrer Ausbildung noch nicht alle einen Arbeitsplatz im Land finden. Und, meine Damen und Herren, ich höre ja immer wieder, dass die Beweglichsten und Besten weggehen. Ich warne vor dieser Pauschalierung und ich frage mich: Wie müssen eigentlich die jungen Leute, die hier bleiben und die sehr gut sind, wie müssen die das auffassen?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir sollten vor allen Dingen auch den jungen Leuten den Rücken stärken, die hier ihren Mann stehen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das ist zwar richtig, aber die Statistik sagt was anderes aus.)

Und noch etwas: Die Behauptung, Mecklenburg-Vorpommern vergreise, wenn die Jugendlichen das Land verlassen, hält einer Überprüfung nicht stand. Trotz Abwanderung nimmt die Zahl der Jugendlichen zwischen 18 und 25 Jahren noch zu, sagt das Statistische Landesamt.

(Dr. Christian Beckmann, CDU: Das ist nicht zu fassen! Das ist nicht zu fassen, was Sie hier zum Besten geben! – Harry Glawe, CDU: Wer hat Ihnen denn das alles aufgeschrieben?)

Das Statistische Landesamt, das glaube ich schon …

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)