Protokoll der Sitzung vom 16.05.2001

Erstens. Anders als die Opposition behauptet, schafft die Verbandsklage kein Veto für Naturschutzverbände.

Zweitens. Anders als die Opposition behauptet, wird es keine Klageflut geben.

Drittens. Anders als die Opposition behauptet, werden Verfahrensverzögerungen nur in ganz wenigen Ausnahmefällen eintreten, die im Verhältnis zu den anderen Ursachen – und das wissen Sie ganz genau, dass es meistens private Klagen sind, die im Vordergrund stehen – vergleichsweise zu vernachlässigen sind, wenngleich sie für die Vorhabensträger selbstverständlich ärgerlich sind.

Das sind die Erfahrungen in den anderen Bundesländern, deren überwiegende Mehrzahl – insgesamt 13, wir sind also das 14. Land von 16 Ländern, was die Verbandsklage einführt – bereits die Verbandsklage eingeführt hat und man hat jahre- oder jahrzehntelange Erfahrungen. Es sind übrigens auch die Erfahrungen, die in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gesammelt wurden. Dort geht man mit dieser Frage möglicher Verbandsklagen übrigens längst nicht so ideologisch um wie bei uns in Deutschland oder wenigstens in Mecklenburg-Vorpommern. In diesen Ländern betrachtet man die Verbandsklage als ein mögliches Mittel zur Absicherung gesetzgeberischer Entscheidungen. Für eine Diskussion, wie sie hierzulande geführt wird, hat man dort kaum Verständnis.

Die Verbandsklage taugt nicht dazu, als ein Instrument der Polarisierung zwischen Naturschutzverbänden und berechtigten Ansprüchen an die Natur verwendet zu werden, denn ihre wichtigste und herausragende Funktion besteht darin, das geradezu sprichwörtliche und den Interessierten durchaus bekannte Vollzugsdefizit im Naturschutzrecht zu bekämpfen und zu beseitigen. Wir alle wissen, dass eine Anzahl naturschutzrechtlicher Vorschriften in der täglichen Anwendungspraxis der Behörden nicht leicht durchzusetzen ist, dass es schwer ist, dieses zutreffend anzuwenden. Das hat – und eine Vielzahl von wissenschaftlichen Studien belegt das – damit zu tun, dass ihre Einhaltung nicht kontrolliert wird. Naturschutzbelange haben zurzeit niemanden, der ihnen für eine gerichtliche Durchsetzung zur Seite steht. Wer diesen Befund leugnet, weigert sich, die Realitäten anzuerkennen. Das sollte gerade Sie als Abgeordnete und damit als Gesetzgeber nicht kalt lassen, denn die Vorschriften,

deren Durchsetzung defizitär ist, sind die von Ihnen verabschiedeten Gesetze. Die Nichtbefolgung naturschutzrechtlicher Vorschriften steht damit im Widerspruch zum Willen der Abgeordneten dieses Parlamentes.

(Beifall Barbara Borchardt, PDS, und Caterina Muth, PDS)

Wenn wir jetzt also mit der Verbandsklage ein Instrument schaffen, das genau dazu dient, die Einhaltung und Befolgung des Naturschutzrechts zu verbessern, tun wir vor allem eins: Wir sichern die Befolgung gesetzgeberischer Entscheidungen in der Verwaltung ab. Das ist im Grunde genommen eine Selbstverständlichkeit. Insofern kann man sich nur wundern, warum dieses Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, solche Schwierigkeiten macht. Wenn Sie nicht wollen, dass die Gesetze eingehalten werden, sollten Sie Farbe bekennen und am besten klipp und klar sagen, was Sie denn dort nicht einhalten wollen, oder vielleicht einen Gesetzentwurf vorlegen, der formuliert, was gestrichen werden soll, denn es geht wie gesagt nur um die Einhaltung der Rechtsvorschriften. Und dieses soll von Gerichten erforderlichenfalls entschieden werden.

Sehr geehrte Frau Holznagel, Sie haben in der letzten Debatte zu diesem Thema Anfang April hier im Landtag erklärt, dass Sie das geltende Landesnaturschutzgesetz für eine gute Regelung halten, die gleichermaßen den Interessen des Naturschutzes wie denen berechtigter Interessen an der Nutzung der Natur Rechnung trägt. Ich stimme Ihnen – übrigens nicht zum ersten Mal, darüber sind wir uns ja im Klaren – darin ausdrücklich zu. Und deswegen kann ich auch nicht nachvollziehen, warum Sie Einwände dagegen haben, dass Gerichte auf Antrag von anerkannten Naturschutzverbänden die Anwendung des geltenden Naturschutzrechtes überprüfen. Ich fordere Sie deshalb auf: Bekennen Sie sich zu dem geltenden Naturschutzgesetz, das schließlich von Ihnen in der letzten Legislaturperiode verabschiedet worden ist, indem Sie die Verbandsklage unterstützen.

(Beifall Caterina Muth, PDS, und Peter Ritter, PDS)

Die Verbandsklagemöglichkeit wird Vorhabensträger und Behörden dazu veranlassen, so zu handeln, dass Verbände keinen Grund haben zu klagen. Und ich möchte das wiederholen: Das ist die wichtigste Zielfunktion dieser Verbandsklage, dass Verbände keinen Grund haben zu klagen. Die Verbandsklage ist ein Präventionsinstrument. Aber auch zu den anderen Punkten des vorgelegten Gesetzentwurfes sollte die Opposition noch einmal grundlegend ihre Haltung überdenken. Er enthält eine Reihe von Verbesserungen unseres Landesnaturschutzgesetzes, die für den Vollzug und für den Bürger Erleichterungen und mehr Klarheit bringen. Das wird letztlich dem gesamten Lande zugute kommen und dem sollte sich auch, darum bitte ich sehr herzlich, die Opposition nicht verschließen.

Im Einzelnen geht es um folgende Punkte:

Erstens. Mit dem Gesetz soll auf Landesebene ein Kompensationsflächenkataster aufgebaut werden, das Flächen und Maßnahmen nachweist, die für den Vollzug der Eingriffsregelung Bedeutung haben. Wir schaffen dabei keine gesetzgeberische Maximalforderung, sondern eine mit Augenmaß, indem wir uns auf Flächen überörtlicher Bedeutung beschränken. Für die Lösung der

praktischen Probleme in unserem Lande reicht das völlig aus. Damit wird es wesentlich leichter, für größere Planungen in kurzer Zeit die zur Erfüllung der gesetzlichen Vorschriften erforderlichen Flächen zur Kompensation zur Verfügung zu stellen und auch einen Überblick zu bewahren, welche Flächen denn als solche zur Verfügung gestellt wurden, damit sie nicht mehrfach vereinnahmt werden. Zukünftig wird hier landesweite Transparenz hergestellt, so dass Verfahrensverzögerungen vermieden werden können. Das ist für mich ein Beispiel, wie gleichermaßen Naturschutzinteressen bedient werden können, als auch die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass wichtige Industrie- und Infrastrukturprojekte so zügig wie nur irgend möglich verwirklicht werden können. Wie wichtig dies im bundesweiten Wettbewerb um potente Investoren ist, hat sich deutlich bei den Anstrengungen zur BMW-Ansiedlung gezeigt. Dort war es außerordentlich wichtig, solche Flächen nachweisen zu können. Auf solchen Flächen kann darüber hinaus auch viel mehr für die Natur getan werden als auf Splitterflächen, die in der Vergangenheit mit dem Vorwurf – und dieses nicht immer zu Unrecht – beladen waren, dass es sich eigentlich um Alibinaturschutzmaßnahmen handelt, die dort durchgeführt worden sind.

Zweitens. Durch die Änderungen in Paragraph 13 des Landesnaturschutzgesetzes werden zukünftig die Möglichkeiten für die Gemeinden erweitert, in Bebauungsplänen auch naturschutzrechtliche Festsetzungen zu treffen. Wir erweitern damit in Ausnutzung bundesrechtlicher Regelungsspielräume den Handlungsspielraum der Gemeinden. Auf diese Art und Weise wird es den Kommunen vor Ort zukünftig leichter möglich sein, Interessen des Naturschutzes mit denen der Bauleitplanung zu verbinden.

Drittens. Es sind ferner in den Vorschriften zum Eingriff und in der Regelung über Wildgehege Änderungen vorgesehen, die die Landwirte von bürokratischen Hürden befreien, die zum Teil – nicht zuletzt in Folge der Krise der letzten Monate – ein neues Standbein unter anderem auch im Bereich der landwirtschaftlichen Wildtierhaltung aufbauen wollen. Der dabei gefundene Weg sichert einerseits, dass das Landschaftsbild, dessen Schönheit eine wesentliche Voraussetzung für die touristische Entwicklung des Landes ist, nicht beeinträchtigt wird. Andererseits werden Entwicklungsmöglichkeiten in der Landwirtschaft verbessert.

Viertens. Bei der Verwaltung und Verwendung der Ausgleichszahlung aus der Eingriffsregelung soll das Verfahren gestrafft und transparenter gemacht werden. Zudem werden den Kommunen als regelmäßige Träger von Maßnahmen wesentliche Mitspracherechte bei der Vergabe der Mittel eingeräumt, ohne die Letztverantwortung des Umweltministeriums dafür anzutasten.

Und schließlich ein fünfter Punkt. Er betrifft die Nutzung des Strandes mit Booten. Hier wird zukünftig durch einen Rückgriff auf die allen Bootsbesitzern bekannten verkehrsrechtlichen Vorschriften sowohl für Behörden als auch für Betroffene Klarheit geschaffen. Das wird nicht nur dem Vollzug im Sinne einer Erleichterung dienen, sondern wird es auch für Bürger wesentlich einfacher machen, das geltende Naturschutzrecht einzuhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, wenn ich Sie jetzt um Unterstützung für den Gesetzentwurf bitte, so möchte ich noch auf Folgendes hinweisen,

was mir in diesem Zusammenhang ebenfalls sehr wichtig ist: Die Ihnen vorliegende Fassung des Gesetzentwurfes ist das Ergebnis einer umfassenden Öffentlichkeitsbeteiligung, die wir von November des letzten Jahres bis Februar diesen Jahres durchgeführt und ausgewertet haben. In dieser Anhörung haben wir viel Zustimmung, teilweise auch Kritik erfahren. Das hat dazu geführt, dass der Gesetzentwurf an vielen Stellen nicht unerheblich geändert worden ist. Ich betone das deshalb, weil nach meiner Beobachtung vielfach in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wird, die Landesregierung würde solche Anhörungen nicht ernst nehmen und sie wären nur pro forma da. Der Ihnen jetzt vorliegende Gesetzentwurf ist der handfeste Beweis dafür, dass wir uns mit Änderungs- und Kritikwünschen sehr ernsthaft auseinander setzen. Wer den ursprünglichen Entwurf und den jetzt Ihnen vorliegenden Entwurf zur Hand nimmt und vergleicht, wird dieses unschwer feststellen können. Und ich denke, das ist auch ein Beweis für gelebte Demokratie.

Zum Abschluss meiner Rede ist es mir wichtig, meine sehr geehrten Damen und Herren, meinen Fachleuten, den Fachleuten im Umweltministerium, insbesondere den Juristen der Naturschutzabteilung, meinen Dank auszusprechen. Mit ihrem Fleiß und ihrer Geduld, die auch sehr notwendig war, ist es gelungen, dass ich heute diesen Gesetzentwurf einbringen konnte. Sie werden mir auch in Zukunft mit ihrem Sachverstand in den Ausschussberatungen zur Seite stehen und Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, in den Beratungen in Einzelfragen zur Verfügung stehen. Ich möchte mich aber auch bedanken bei den Mitarbeitern der anderen Häuser, die an den zum Teil schwierigen Ressortabstimmungen beteiligt gewesen sind und nach Kompromissen gesucht haben.

Ich wünsche mir und Ihnen abschließend eine kritische, eine konstruktive Beratung des Gesetzentwurfes in den Ausschüssen und ich würde mir wünschen, dass ein zügiges Verfahren dazu führen wird, dass wir das Gesetz bald verabschieden können. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Dazu gibt es offensichtlich keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Holznagel von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Ja, Herr Minister, Sie haben Recht, ich muss es wieder sagen, vor nicht ganz drei Jahren haben wir eines der modernsten Landesnaturschutzgesetze der Bundesrepublik Deutschland verabschiedet.

(Peter Ritter, PDS: Fast! Fast modernsten.)

Dieses Gesetz hat sich in den zurückliegenden Jahren in der Praxis bewährt, so dass eine Novellierung zu diesem Zeitpunkt nicht erforderlicht ist.

(Peter Ritter, PDS: Oh doch.)

Aus diesem Grunde ist es unverständlich für die Opposition, dass die Landesregierung sich aus rein dogmati

schen Gründen mit der Novelle des Ersten Landesnaturschutzgesetzes selbst blockiert

(Barbara Borchardt, PDS: Oje, oje!)

und wichtige notwendige andere Rechtssetzungsverfahren verzögert.

(Caterina Muth, PDS: Das habe ich Ihnen letztes Mal schon gesagt.)

Darüber haben wir letztes Mal schon geredet, über die Wasserrahmenrichtlinie. Ich denke, da gibt es einen ganz wichtigen Handlungsbedarf.

Im Rahmen der letzten Landtagssitzung debattierten wir zudem über die anstehende Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes. Diesen Antrag meiner Fraktion haben Sie, meine Damen und Herren der Koalition, mit Verweis auf Ihre Koalitionsvereinbarung abgelehnt.

(Caterina Muth, PDS: Nein, mit dem Verweis darauf, dass die Klage notwendig ist.)

Aber dass die Koalitionsvereinbarung kein Dogma ist, das konnten Sie am vergangenen Freitag erfahren. Aus diesem Grunde sollten Sie auch die Einführung der Verbandsklage,

(Peter Ritter, PDS: Aus diesem Grunde werden wir die Verbandsklage trotzdem einführen, Frau Holznagel.)

denn das ist der Kern bei dem vorliegenden Gesetzentwurf, nicht zum Dogma erheben.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, äußerst kontraproduktiv ist es zudem in der Phase der Erarbeitung eines Bundesgesetzes, das muss ich auch immer wieder sagen, das entsprechende Landesgesetz zu novellieren,

(Caterina Muth, PDS: Das haben Sie aber als Regierungspartei ganz anders gesehen.)

stellt doch das Bundesnaturschutzgesetz gemäß Artikel 72 des Grundgesetzes eine Rahmenvorschrift dar, die durch die Länder umzusetzen ist. Aus diesem Grunde ist es sinnvoller, sich umfassend in das Gesetzgebungsverfahren des Bundesnaturschutzgesetzes einzubringen,

(Minister Dr. Wolfgang Methling: Das machen wir.)

um so zusätzlichen Verwaltungsaufwand zu umgehen. Danach können wir gern über eine Novelle des Landesnaturschutzgesetzes diskutieren.

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, allein die Regelungen des Verbandsklagerechtes im vorliegenden Gesetzentwurf verdeutlichen doch, dass Sie die Zweifel der Wirtschaft, der kommunalen Spitzenverbände und einiger Naturschutzverbände auch teilen. Das ist auch der Opposition aufgefallen, Herr Minister.

(Caterina Muth, PDS: Immerhin.)