Protokoll der Sitzung vom 16.05.2001

Das Gefährdungspotential der Küsten- und Meeresgebiete hat – und das ist offenkundig für jedermann – in jüngster Zeit dramatisch zugenommen. Dennoch werden von Entscheidungsträgern Empfehlungen nur allzu gern vernachlässigt. Der Wunsch bleibt also in der Novelle weiterhin der Vater des Gedankens. Ich denke – und das habe ich an dieser Stelle schon öfter gesagt –, das Küstenland Mecklenburg-Vorpommern mit dem Erwerbsträger Küstenzone sollte aus der Defensive in eine vorsorgende offensive Verantwortung gehen. Das betrifft auch andere relevante Abschnitte dieses Gesetzes.

(Heiterkeit bei Lutz Brauer, CDU: Dann brauchen Sie nur der CDU zuzustimmen.)

Ich möchte es Ihnen ersparen, noch auf weitere Details einzugehen. Dem Anspruch, ein bereits vorhandenes modernes Landesnaturschutzgesetz verbessernd auszugestalten, wurde mit dieser Novellierung in Teilen nachgekommen. Im Übrigen haben ja Ausschüsse auch noch ein wenig Mitspracherecht. Ich denke, diese Novellierung dürfte trotzdem nicht die letzte bleiben. – Ich danke fürs Zuhören.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Klostermann.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Seidel von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will zu diesem Gesetz nur wenige Minuten noch ein paar Bemerkungen aus wirtschaftspolitischer Sicht machen. Und da, wissen Sie, verehrte Kollegen von der Koalition, kann ich mich eines Eindrucks nicht erwehren: Ich verstehe einfach nicht – und vielleicht können Sie mir das noch mal ein bisschen erklären –, ich verstehe es wirklich nicht, wie man angesichts von doch wirklich deutlich hervortretenden Problemen im Lande so reagieren kann. Und jetzt sagen Sie bitte nicht, ich rede etwas schlecht. Wir haben ein Wirtschaftswachstum von 0,6 Prozent, wir liegen damit am Ende in der Bundesrepublik Deutschland. Wir haben eine steigende Arbeitslosigkeit. Wir haben sinkende Beschäftigung. Wir haben sinkende Kaufkraft im Lande. Wir haben eine Bauwirtschaft, die vor dem Absturz steht.

(Peter Ritter, PDS: Und das alles ohne Verbandsklage, Herr Seidel.)

Und wie antworten Sie? Sie antworteten erst kürzlich mit einem Bildungsfreistellungsgesetz, das eine Belastung für die Wirtschaft darstellt, das haben Sie selbst erklärt. Sie antworten mit einer Verbandsklage, was auch nicht förderlich für die wirtschaftliche Entwicklung ist. Machen Sie doch mal eine gesetzliche Regelung, die sich wirtschaftsfördernd für dieses Land Mecklenburg-Vorpommern darstellt!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das verstehe ich nicht, wenn ich mir die Situation des Landes …

(Dr. Klaus-Michael Körner, SPD: Steuerreform! – Zuruf von Dr. Henning Klostermann, SPD)

Na ja, an der Steuerreform hat das Land MecklenburgVorpommern ja nun keinen gewaltigen Anteil gehabt.

(Zuruf von Claus Gerloff, SPD)

Also das wollen wir ja nun mal nicht überbetonen.

Ich meine im Gegensatz dazu, dass gerade die naturschutzrechtlichen Regelungen auf Landesebene einen Ausgleich zwischen Naturschutz- und Umweltinteressen auf der einen Seite und infrastrukturellen und wirtschaftlichen Interessen auf der anderen Seite möglich machen sollen. Wissen Sie, ich will schon noch mal den ersten Satz des Paragraphen 65 a hervorheben, indem ich ihn zitiere. Da heißt es dann: „Ein nach § 29 des Bundesnaturschutzgesetzes anerkannter Landesverband kann, ohne eine Verletzung eigener Rechte darlegen zu müssen, Rechtsbehelf … einlegen“, ich sage das mal einfach, kann klagen.

(Caterina Muth, PDS: Ja.)

Jaja, Frau Muth, das hört sich ja alles ganz nett an. Wäre es nicht vielleicht angebracht gewesen, hier wenigstens noch mal das Wort „Mecklenburg-Vorpommern“ reinzusetzen? Wissen Sie, was ich nicht möchte? Dass irgendein Landesverband aus Baden-Württemberg mir hier sagt, wie wir mit der Umwelt in Mecklenburg-Vorpommern umzugehen haben. Das möchte ich nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich traue mir und ich traue Ihnen allen schon zu, dass wir die Dinge im eigenen Lande einigermaßen selbst richten können.

Und ich will auch wirklich mal eine Bemerkung machen, vielleicht sei es mir gestattet: Sie wissen, dass ich gerne Landrat werden möchte, und das Meinige habe ich jetzt dazu getan.

(Beifall und Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Wissen Sie, wenn man das etwas böswillig sieht, dann könnte man natürlich aus dieser Geschichte auch ableiten: Na ja, so ein bisschen Misstrauen gegenüber der Verwaltung in den Kreisen, die machen das alles nicht so richtig und die gucken da nicht so genau drauf. Wissen Sie, wenn ich mal vom Müritzkreis ausgehe, dann sage ich Ihnen – übrigens, das bestätigt der Minister mit seinen Zahlen ja auch immer und die Frau Ministerin Bunge hat es jetzt auch gesagt –, die Wasserqualität ist besser geworden, die Luft ist reiner geworden, wir haben mehr Störche im Kreis,

(Lutz Brauer, CDU: Nur keine Kinder.)

wir haben mehr Seeadler. Ja, sagen Sie mal, warum brauchen wir da eine Verbandsklage! Ich verstehe es wirklich nicht.

(Peter Ritter, PDS: Damit es so bleibt. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ach, Kinders!

Und vorsorglich, weil wir Sorge haben, führen wir schon mal Regelungen ein.

Und jetzt komme ich zu dem Argument, wo Sie sagen: Haben andere Länder ja auch. Das war ja auch das Argument beim Bildungsfreistellungsgesetz.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Warum müssen wir denn das nachmachen, was andere Länder auch haben?

(Gesine Skrzepski, CDU: Genau.)

Ist denn unsere Situation so wie in anderen Ländern? Ich habe da eher Zweifel.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Barbara Borchardt, PDS)

Und aus dieser Sicht heraus, meine Damen und Herren, und weil ich eben nicht will, dass bei uns Verhältnisse eintreten wie ein bisschen westlich geschaut auf die A 20. Ich hoffe nicht, dass sich das Thema noch auswächst, dass wir eben nicht in 2005 den Anschluss an die A 1 vielleicht haben werden. Ich will ja nicht unken, Herr Minister, um Gottes willen, aber was ich dort lese und höre, das stimmt mich nicht gerade erfreut. Also dort gibt es ja nach wie vor die Dinge und da spielt auch die Verbandsklage eine Rolle.

Noch einmal: Ich glaube, mit dieser gesetzlichen Regelung helfen Sie dem Land Mecklenburg-Vorpommern nicht. Wir sind ganz klar dagegen, eine solche Regelung zur jetzigen Zeit in Mecklenburg-Vorpommern einzuführen.

(Caterina Muth, PDS: Es wird nie eine Zeit geben, in der Sie eine Verbandsklage akzep- tieren. – Zuruf von Barbara Borchardt, PDS)

Wir werden trotzdem in der Anhörung schauen, was dort kommt. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Seidel.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Muth von der PDSFraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zehn Jahre Debatte um die Verankerung der Verbandsklage in Mecklenburg-Vorpommern. Diese zehn Jahre zeigen unter anderem, dass es niemals einen Zeitpunkt geben wird – Herr Seidel, im Gegensatz zu dem, was Sie jetzt hier gesagt haben, dass der jetzige Zeitpunkt nur nicht glücklich ist –, es wird nie einen Zeitpunkt für Sie geben, wo eine Verbandsklage wirklich gebraucht wird aus Ihrer Sicht.

(Beifall Peter Ritter, PDS)

Sie sprechen ganz klar gegen die Verankerung weiterer Beteiligungs- und Klagerechte.

(Unruhe bei Jürgen Seidel, CDU)

Zehn Jahre Diskussion in diesem Landtag ist verbunden mit der Diskussion um die Landesverfassung. Schon damals haben wir diskutiert und Sie hatten durch Ihre Sprecher ja gesagt, in den nachgeordneten Gesetzen werden wir sie verankern. Zehn Jahre Anträge, zum Beispiel auch durch die PDS-Fraktion, und Novellierungsvorschläge im Rahmen der Debatte zum Landesnaturschutzgesetz! Heute nun endlich haben wir den Novellierungsvorschlag für das Landesnaturschutzgesetz auf dem Tisch, der unter anderem die Klagemöglichkeit für anerkannte Umweltverbände festschreiben soll. Sie können sich natürlich vorstellen, dass mich das sehr freut, und darum möchte ich hier vor allen Dingen auf die Verbandsklageformulierungen eingehen, auch wenn es, so, wie der Minister schon gesagt hat, viele andere erklärungswürdige Formulierungen und Novellierungsvorschläge im Gesetz gibt.

Meine Damen und Herren, bekanntermaßen ist das Rechtssystem in der Bundesrepublik so aufgebaut, dass Rechtsschutz nur begehren kann, wer eine besondere eigene Rechtsbetroffenheit im Unterschied zur Allgemeinheit nachweisen kann. So kommt es eben zum Dilemma, dass Verstöße gegen Naturschutzrecht zwar die Allgemeinheit, also sehr viele Menschen betreffen – schließlich geht es beim Naturschutz in erster Linie um die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen –, doch niemand diese Verstöße geltend machen kann für die Allgemeinheit. Das heißt, Rechtsschutz wird umso unwahrscheinlicher, je nachhaltiger die kollektive natürliche Lebensgrundlage betroffen ist. Diese Lücke können die Verbände schließen. Ziel ist es, dass mit Hilfe der Verbände sachgerechtere Lösungen bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Eingriffen in die Natur möglich werden. Darüber hinaus sind zu Unrecht ergangene Genehmigungen mit der Anfechtungs- und Verbandsklage angreifbar, und, ich meine, zu Recht.

Meine Damen und Herren, in der letzten Landtagssitzung, übrigens auch heute, konnten wir von der CDU hören, dass die Verbände schon genügend Rechte hätten. Richtig ist, dass die Rechte der Verbände zum einen unter dem Stichwort „Mitwirkung von Verbänden“ in Bundes- und in Landesgesetzen geregelt sind. Das heißt, dass ein rechtsfähiger Verein Gelegenheit zur Äußerung hat zum Beispiel bei der Vorbereitung von Rechtsvorschriften, bei der Vorbereitung von Programmen und Plänen wie Landschaftsprogrammen, bei der Befreiung von Verboten und Geboten, die zum Schutz von Naturschutzgebieten und Nationalparken erlassen werden, oder bei Planfeststellungsverfahren, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden sind. Verbände können somit am Willensbildungsprozess teilhaben, sie wirken mit bei der Entstehung einer Entscheidung über eine mögliche naturbelastende Maßnahme. Dabei kommt dieser Mitwirkung vor allen Dingen eine präventive Funktion zu.

Darüber hinaus haben wir jedoch auch andere Möglichkeiten und darüber sprechen wir heute ebenfalls und wir bringen diesen politischen Willen zum Ausdruck. Wir haben die Möglichkeit, aufgrund der Erfahrung der vergangenen Jahre – die wir übrigens nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern haben –, dass Ermessens- und Abwägungsspielräume immer wieder, Herr Seidel, und Sie wissen es auch ganz genau, in eine ganz bestimmte Richtung strapaziert werden, diesem entgegenzuwirken. Natur als Verfügungsmasse steht immer wieder hinten an und Sie

werden mir kein Beispiel bringen können, dass es in diesem Land anders läuft als in den anderen Ländern.