(Dr. Armin Jäger, CDU: Vielleicht könnte der Ministerpräsident mal anders im Bundestag tätig werden.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, dass wir genügend Stoff haben für die Diskussion im Innenausschuss
und in den anderen Ausschüssen. Dennoch möchte ich zum Schluss noch einmal sagen, das, was wir hier vorliegen haben, ist zeitgemäß und sehr vernünftig. Beide Koalitionspartner haben sicherlich alle ihre Wünsche, die sie hatten, jedenfalls sage ich das für uns, hier nicht wiederfinden können. Aber so ist das nun mal, wenn man ein Gesetz machen will, wenn man sich völlig wiederfindet, muss man die absolute Mehrheit haben.
Ich wünsche mir eine solche absolute Mehrheit nicht. Wer weiß, was da für Quatsch herauskommt. Ich finde, es ist ein gelungener Kompromiss. Auf dem Wege sollten wir weitermachen. – Danke schön.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben ja schon sehr häufig über häusliche Gewalt geredet. Sie werden sich erinnern. Deshalb will ich Sie auch heute nicht noch einmal mit den Zahlen – ich denke, die sind jetzt in den Köpfen aller – behelligen, sondern auf das Thema kommen, und zwar auf den Punkt „Häusliche Gewalt im SOG“.
Ich danke Herrn Körner, meinem Fraktionskollegen, dass er den Damen den Vortritt lässt, obwohl ich es für sehr wichtig halte, dass die Männer dieses Anliegen auch unterstützen. Es gibt inzwischen so viele hier, die das tun, und denen möchte ich ausdrücklich danken.
Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Entwurf zur Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes wird eine Eingriffsermächtigung gegeben, die es der Polizei ermöglicht, in Fällen häuslicher Gewalt den Täter bis zu sieben Tagen – das sagte der Innenminister – der Wohnung zu verweisen oder ein Vertretungsverbot auszusprechen. Dieses hört sich einfach an und klingt für die meisten sicher auch folgerichtig. Der Täter geht, das Opfer bleibt. Doch das bedeutet einen entscheidenden Paradigmenwechsel im Umgang mit häuslicher Gewalt.
Bisher war es so, dass die Opfer, zu 95 Prozent Frauen und ihre Kinder, nur eine Möglichkeit hatten, nämlich zu fliehen, zu fliehen zu Verwandten, zu Freunden oder in das Frauenhaus. Sie mussten weg aus der gewohnten Umgebung, eventuell sogar aus der Stadt, in der die Arbeitsstätte, die Schule oder der Kindergarten waren. Die neue Regelung im Gesetz geht über den Schutz der Frauen hinaus. Hier wird nicht nur den Frauen und Kindern geholfen, in ihrer Wohnung zu bleiben, sondern es entsteht eine neue Bewertung von häuslicher Gewalt in der Öffentlichkeit.
Häusliche Gewalt ist keine private, sondern eine öffentliche Angelegenheit. Häusliche Gewalt wird von Seiten des Staates sanktioniert, auch wenn sie sich in der Privatsphäre abspielt oder ereignet. Das Einschreiten der Polizei macht deutlich, dass der Staat den Gewalttäter für die von ihm ausgehende Gewalt verantwortlich macht. Der Staat sanktioniert die Gewalttätigkeit von Männern in ihrer eigenen Wohnung. Es macht schon einen großen Unterschied, ob die Polizei zur Beruhigung der Situation nahe legt, sich in Sicherheit zu bringen, oder ob sie dem Mann auferlegt, zur Sicherheit der Frau die Wohnung, die oft genug seine eigene ist, zu verlassen. Das macht ja die ganze Problematik auch so schwierig.
Diese Symbolik kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Erfahrungen in Österreich machen deutlich, dass es kaum Überschreitungen von diesen Platzverweisen gibt. Herr Körner, man kann auch Platzverweise sagen.
Mecklenburg-Vorpommern ist das erste Bundesland, das eine solche Eingriffsbefugnis der Polizei in einem Gesetz verankert. Dies ist möglich geworden, weil der Wille zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in unserem Land auf einen breiten politischen Konsens gestoßen ist.
Zurzeit wird auf Bundesebene das Gewaltschutzgesetz im Parlament diskutiert. Herr Dr. Jäger, das wissen Sie auch.
Wir warten alle darauf. Durch dieses Gesetz wird der zivilrechtliche Schutz der Opfer häuslicher Gewalt verbessert werden. So begründet das Gesetz für die Opfer häuslicher Gewalt die Möglichkeit, einen Anspruch auf Überlassung der gemeinsam genutzten Wohnung zu verlangen. Dieser Anspruch entsteht bei schweren körperlichen und psychischen Misshandlungen der Familienmitglieder oder bei schweren Störungen des Familienlebens wegen Alkohol- oder Drogenmissbrauchs. Darüber hinaus werden künftig auch Schutzanordnungen außerhalb eines Scheidungs- und Eheverfahrens nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung möglich sein. Schutzanordnungen sind zum Beispiel Misshandlungs-, Belästigungs-, Kontakt- und Näherungsverbote und richten sich an den Täter.
Durch das Gesetz werden die Zivilgerichte ermächtigt, bei Verletzung des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit eines anderen diese Schutzanordnungen zu treffen. Ich bin jedoch der Meinung, dass diese zivilrechtlichen Schutzmöglichkeiten nur wenig bewirken werden, wenn die Polizei im akuten Gefahrenfall den Täter nicht aus der Wohnung verweisen kann. Deshalb stellen für mich die beiden Gesetzesänderungen eine Einheit dar. Ich bin sehr froh, dass wir mit der Novellierung des Sicherheits- und
Ordnungsgesetzes in unserem Bundesland auch diese Rechtsgrundlage für die Polizei schaffen. Es wurde schon gesagt, wir sind das erste Land und darauf, denke ich, können wir stolz sein. Ich danke allen, die daran mitgewirkt haben, und auch ausdrücklich dem Innenminister für sein großes Verständnis. So wird natürlich zur Schaffung eines gesamtgesellschaftlichen Klimas beigetragen, in dem Gewalt in jeglicher Form, insbesondere auch gegen Frauen und Kinder, geächtet wird.
Ich möchte auch ausdrücklich den Frauen danken, die an der Basis, wie man so sagt, mitgewirkt haben und die heute auch hier sind. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, sie haben draußen im Rondell eine Ausstellung aufgebaut. Ich würde mir sehr wünschen, dass Sie sich dort alle informieren und auch mit den Frauen ins Gespräch kommen. Sie kennen Frau Herold ja bereits, die das Modellprojekt erfolgreich leitet und bei Ihnen allen schon für Unterstützung geworben hat.
Wir brauchen allerdings, das möchte ich nicht verhehlen, auch in Zukunft noch Ihre Unterstützung, weil wir natürlich Interventionsstellen brauchen und die sind nicht umsonst. Das ist heute nicht unser Thema, aber ich möchte Sie immer wieder darauf aufmerksam machen, dass dieses noch aussteht und dass wir auf alle Abgeordneten noch zukommen würden, auch auf die zuständigen Ausschüsse und Fraktionen, weil wir Ihre Unterstützung brauchen.
Ansonsten betrachte ich es erst einmal als Erfolg, dass wir so weit gekommen sind. Das ist wirklich ein Novum in unserer Gesellschaft, dass häusliche Gewalt unser aller Sache ist und dass wir dagegen etwas tun müssen. Ganz besonders wichtig, das muss ich noch einmal sagen, finde ich auch, dass wir Männer gewinnen konnten in dieser Vielzahl, die dieser Gewalt von Männern auch begegnen, denn nur so werden wir es schaffen, sie auszumerzen. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin! Es mag ungewöhnlich erscheinen, dass zwei Frauen ganz explizit zu einem Absatz eines Paragraphen reden,
aber es ist hier schon deutlich gemacht worden, wir haben hier mit diesem einen Absatz in einem Paragraphen ein Problem angepackt, das von immenser gesellschaftspolitischer Bedeutung gerade im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder ist, und ich denke, hier auch angemessen reagieren zu müssen.
Zum Inhalt und zum Ziel der Gesetzesänderung ist hier auch schon einiges gesagt worden. Das möchte ich nicht noch einmal wiederholen. Ich möchte einfach nur meine Freude dahin gehend zum Ausdruck bringen, dass wir mit dieser Gesetzesänderung zeigen können und Zeichen setzen können gegenüber den Tätern, dass der Verursacher zu gehen hat und nicht diejenigen, die Opfer sind, sprich Frauen und Kinder.
Ich denke, damit kann ein Schritt zu einem Paradigmenwechsel eingeleitet werden hinsichtlich des Verständnisses zu den Ursachen und Mechanismen der häuslichen Gewalt und der angemessenen staatlichen Reaktion auf diese Gewalt. Wie gesagt, es ist ein Schritt, denn noch längst ist der erforderliche Paradigmenwechsel in der BRD nicht vollzogen. Auch in anderen Ländern im internationalen Vergleich ist es ja mit der Gesetzesänderung noch nicht getan, sondern das sind Schritte dahin. Allerdings – und darüber bin ich ebenfalls sehr froh – sind in den letzten zweieinhalb Jahren wesentliche Schritte und Voraussetzungen dafür geschaffen worden. Ich denke hier an den Bundesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder, der sich auch schon in der Umsetzung befindet. Ich denke auch an das im parlamentarischen Verfahren befindliche Gesetz zur gewaltfreien Erziehung sowie auch Gewaltschutzgesetz, um hier zivilschutzrechtliche Schutzmöglichkeiten einzubringen.
Und noch eins, Herr Jäger: Wir haben ausgemacht nach dem Expertengespräch – und da war nach meinem Kenntnisstand und meiner Wahrnehmung auch die CDU in Opposition für diesen Weg mit einverstanden –, dass wir uns bemühen,
Und das passiert auch. Das Gewaltschutzgesetz auf Bundesebene ist im parlamentarischen Verfahren und wird voraussichtlich im Herbst beschlossen.
Wir haben jetzt die SOG-Änderung und nach allen zeitlichen Möglichkeiten, die wir sehen, wird auch dieses Gesetz die Zweite Lesung im Herbst erfahren. Also haben wir so halbwegs einen gleichen Schritt.
In einigen Bundesländern wie Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern sind Landesaktionspläne zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und Kinder erarbeitet worden. Und ich darf das, zumindest für unser Bundesland, festhalten – wenn auch noch nicht vom Kabinett verabschiedet, in einzelnen Teilen in Umsetzung, denn CORA arbeitet weiter, also das Projekt, nicht als Person –, wir haben mit der Gesetzesänderung, die wir hier anschieben, auch einen Schritt in der Umsetzung des Landesaktionsplanes getan.
Das alles, meine Damen und Herren, wird also nach meiner Einschätzung, nach unserer Einschätzung den Paradigmenwechsel voranbringen. Das weitere Tempo wird wesentlich davon abhängen, wie intensiv die Vorbereitungen für die einzelnen Bestandteile gestaltet werden, wie konsequent an der Umsetzung der neuen beziehungsweise geänderten Gesetze gearbeitet wird und wie gut und kontinuierlich die Kooperation und Vernetzung der einzelnen Ebenen gelingt. Ich möchte deshalb noch einmal auf die drei Komponenten des Paradigmenwechsels hinweisen, die der Leiter der Rechtsabteilung im österreichischen Innenministerium, Herr Albin Dearing,
auf einer Fachtagung im November 1999 sowie in dem ExpertInnengespräch des Innen-, Rechts- und Sozialausschusses Ende Februar 2000 dargelegt hat:
Erstens. Es muss eine Veränderung in der Öffentlichkeit signalisiert werden, die klarstellt, Gewalttaten sind auch dann, wenn sie in der häuslichen Atmosphäre verübt werden, nicht mehr als Privat- oder als Familienangelegenheit zu definieren und zu behandeln. Diese Gewalttaten sind als öffentliche Angelegenheit oder, genauer gesagt, als Angelegenheit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zu erklären und zu ahnden.
Zweitens. Es muss eine fundamentale Änderung in der Art und Weise des polizeilichen Einschreitens festgelegt und in die Öffentlichkeit transportiert werden. Die bisherige Herangehensweise der Begrenzung des von einer Gewalttat unmittelbar drohenden Schadens und der ausschließlichen Befassung nur mit der aktuellen Gewalttat ist untauglich und belegt, dass bisher die an sich klare gesetzliche Aufgabe der Sicherheitsbehörde, nämlich angesichts der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Straftat den bedrohten Rechtsgutobjekten einen vorbeugenden Schutz zu gewähren, nicht oder zumindest nicht ausreichend wahrgenommen wurde, wenn es eine Gewaltbeziehung, die diese Gefährlichkeitsprognose begründet, gibt.