Protokoll der Sitzung vom 31.01.2002

Daraus ergibt sich, dass sich trotz finanzieller Aufstockung die prekäre Lage der Familien mit Kindern und insbesondere mit sehr geringem Einkommen und solchen, die von Sozialhilfe abhängig sind, und insbesondere der Alleinerziehenden nicht verbessert, sondern verschlechtert hat.

Das Bundesverfassungsgericht hat für Recht erkannt, dass der Haushaltsfreibetrag als Ausgleich für die Mehrbelastungen der Alleinerziehenden, wenn es eben nur für Alleinerziehende angewendet wird, eine Ungleichbehandlung zu verheirateten Paaren mit Kindern oder Kind darstellt wie auch zu verheirateten Paaren ohne Kindern,

(Karla Staszak, SPD: Das stimmt.)

und die Bundesregierung beauftragt, andere Ausgleichsmaßnahmen zu suchen.

Derzeit wurde – und das kritisiert die CDU zu Recht – lediglich der Haushaltsfreibetrag für die Alleinerziehenden abgeschmolzen mit den bekannten und genannten Regelungen und ab diesem Jahr soll er für einige sogar gänzlich entfallen, ohne eine andere Form des Ausgleichs für die Mehrbelastung, die diese familiale Lebensform hat, zu schaffen.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU: Das hat Frau Gramkow ihr aufgeschrieben.)

Damit enthält das Zweite Gesetz zur Familienförderung eine erhebliche soziale Schieflage. Ein neuer Ansatz, der die kritisierte Ungleichbehandlung aufhebt, aber auch der Situation Alleinerziehender gerecht wird, ist nicht enthalten.

Meine Damen und Herren, der Armutsbericht, der der Bundesregierung vorliegt, wie auch der Kinder- und Jugendbericht machen offensichtlich, wo es klemmt. Es wird daher Zeit, die Ideen, zum Teil sind sie bereits wie gesagt 1994 entwickelt und in der gesellschaftlichen Diskussion, von Familienverbänden, Initiativen zum Schutz der Rechte der Kinder, dem Deutschen Frauenrat aufzunehmen und das System finanzieller Sicherstellung von Familien zu verändern.

Aber welche Vorschläge hat nun die CDU anzubieten und wie hat sich die CDU bei der Gesetzgebung im Bundestag beziehungsweise im Bundesrat verhalten?

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Weder in den Ausschüssen noch im Plenum des Bundestages kam es seitens der CDU zu einem Antrag, der auf die Verschlechterung der Situation Alleinerziehender aufmerksam machte und einen Lösungsvorschlag enthielt. Auch im Bundesrat wurde von CDU-geführten Ländern keine Initiative unternommen, um eine Änderung im Gesetz zu erreichen. Haben Sie die Zeit verpasst

(Nils Albrecht, CDU: Nee, wir brauchen keinen Stundenplan.)

oder wollen Sie jetzt die letzten Chancen eventuell nutzen? Das wäre ja auch eine Variante. Ich denke eher, Sie wollen sich hier als Retter der Enterbten aufspielen,

(Wolfgang Riemann, CDU: Ach!)

und das kauft Ihnen zum Glück keiner ab.

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Welche Vorschläge für einen gerechten, vor allem einen sozial gerechten Familienleistungsausgleich haben Sie

denn? Sehen wir uns Ihre Vorstellungen zur Familienpolitik anhand der Materialien Ihrer Bundesparteitage an, wissen wir, dass Sie nach wie vor Vorstellungen von Familie in tradierten Formen haben, völlig an der Realität der Vielfältigkeit familialer Formen vorbei,

(Wolfgang Riemann, CDU: Dann haben Sie nicht richtig gelesen.)

dass Sie die strukturellen Mängel und Verwerfungen i nnerhalb des steuerlichen Familienleistungsausgleiches, die zu den sozialen Ungerechtigkeiten bei der Entlastung der verschiedenen familialen Lebensformen führen, beibehalten wollen und Sie sogar mit Ihren Vorstellungen zu einem Familiengehalt oder -geld – jeder nennt das anders – die Situation insbesondere für die ärmsten Familien noch verschlechtern wollen. Und das ist völlig inakzeptabel.

(Beifall Barbara Borchardt, PDS, und Angelika Gramkow, PDS)

Immer wieder tönen einzelne Politiker der CDU, Politikerinnen weniger, wie sie sich die Zusammensetzung des Familiengeldes vorstellen. Da wird davon ausgegangen, dass alle Transferleistungen, die familialen Bezug haben, zusammengefasst und als gesonderte Leistungen gestrichen werden. Dabei soll aber das Familiengeld 1.200 DM nicht überschreiten. Sieht man sich an, was als familiale Transferleistung definiert ist, also Regelsatz der Sozialhilfe, Mehrbedarf für Kinder in einem entsprechenden Alter, Unterhaltsvorschuss, im Wohngeld sind Anteile drin, bemessen an der Familiengröße, oder das Kindergeld und weitere Sachen, wird deutlich, dass wir durch diese Variante zu noch mehr sozialen Benachteiligungen und Verwerfungen kommen werden. Auch dies ist abzulehnen.

Meine Damen und Herren, die PDS hat im Bundestag wie auch hier im Landtag schon mehrfach Vorschläge unterbreitet und wird es immer wieder tun, wie man den Familienleistungsausgleich sozial gerecht und den verschiedenen familialen Lebensformen gerecht werdend ausgestalten kann. Die finanzielle Sicherstellung von Familien muss sich nach unserer Auffassung daran ausrichten, dass erstens alle Lebensformen, in denen Kinder betreut und erzogen werden, daran gleichmäßig partizipieren können. Daraus ergibt sich logischerweise, dass die Ehe als Institution keiner finanziellen Unterstützung bedarf. Alle Regularien, die steuerliche Freibeträge für Partnerschaften jeglicher Art oder für Kinder beinhalten, führen nämlich zum Auseinanderdriften der Familien in reiche und arme. Und deshalb brauchen wir eine Aufstockung des Kindergeldes auf das von der EU definierte Existenzminimum, die gerechte Verteilung der Steuerlasten bei Familien durch konsequente Individualbesteuerung. Und da haben wir auch gleich ein bisschen Knete.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Aha.)

Das Ehegattensplitting kostet mal locker 63 Milliarden DM. Ich habe das jetzt nicht in Euro umgerechnet. So viel Knete für eine einzige Familienform kann ja wohl nicht wahr sein!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Angelika Gramkow, PDS: Und es ist egal, ob Kinder da sind oder nicht.)

Bei der Entlastung von der Höhe der Kinderbetreuungskosten bietet auch gerade hier die PISA-Studie mit ihren Aussagen für frühkindliche Bildung und Erziehung die Chance, dass der Bund sich endlich finanziell an der

Absicherung der Kindertageserziehung beteiligt, und ein weiterer Vorschlag richtet sich auch auf den Schutz vor Sozialhilfebedürftigkeit und Armut.

(Harry Glawe, CDU: Also ich bin für die Ehe, Frau Koburger.)

Hier spreche ich ganz explizit noch einmal das Bundeserziehungsurlaubsgesetz an, denn hier wäre die Möglichkeit, durch gesetzliche Veränderung zu verhindern, dass Frauen, insbesondere auch alleinerziehende, in die Sozialhilfe abgedrängt werden. Und ich bitte auch noch einmal eindringlich, dass alle genauestens überlegen oder wahrnehmen, dass wir so viele verschiedene Lebensformen im familialen Bereich haben, und sie sind zum großen Teil selbst bestimmt. Mit welchem Recht sagen wir, die einen sind förderungswürdig, die anderen nicht, wenn wir eine plurale Gesellschaft, auch was die Lebensform anbelangt, haben wollen?!

Den Antrag der CDU lehnen wir aus Gründen,

(Wolfgang Riemann, CDU: Aus taktischen Gründen.)

die ich hier schon benannt habe, ab. Wir halten es einfach für populistisch, mit Ihren alten Kamellen

(Harry Glawe, CDU: Was, Kamele?)

diese Problemsituation aufreiben zu wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Dr. Ulrich Born, CDU: Das war ‘ne schwache Begründung.)

Danke schön, Frau Abgeordnete Koburger.

Jetzt hat das Wort der Abgeordnete Herr Borchert von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als erstes möchte ich mich bedanken. Ich bedanke mich ausdrücklich bei der CDUFraktion für diesen Antrag,

(Barbara Borchardt, PDS: Nun ist es aber genug!)

weil er uns die Möglichkeit gibt, dieses wichtige Thema, nämlich die Situation der Alleinerziehenden in unserem Land, hier im Landtag debattieren zu können.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das hätten Sie mit einem eigenen Antrag auch machen können. – Barbara Borchardt, PDS: Da hättet ihr ja nichts zu tun.)

Das ist allerdings das einzige Positive, was ich Ihrem Antrag entnehmen kann.

(Nils Albrecht, CDU: Mehr als mancher Antrag von Ihnen.)

Und ich finde es allerdings auch kritikwürdig, dass von der antragstellenden Fraktion bei diesem wichtigen Thema nur noch so wenige Abgeordnete anwesend sind. Das finde ich sehr bedauerlich.

(Barbara Borchardt, PDS: Na, gucken Sie mal, wie viel bei Ihnen sitzen! – Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)

Wodurch ist die Situation der Alleinerziehenden in unserem Land gekennzeichnet?

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Glocke des Vizepräsidenten)

Herr Abgeordneter Borchert, einen kleinen Moment.

Also, meine Damen und Herren, diese Querdiskussionen bitte ich doch auf dem Gang zu führen. Ich bitte noch einmal, die Ordnung in diesem Hause einzuhalten und den Rednern hier zuzuhören.