Ich setze die unterbrochene Sitzung fort. Ich bitte die anwesenden Abgeordneten, Platz zu nehmen, und die nicht anwesenden, vielleicht mal herzukommen.
Ich rufe noch einmal auf den Tagesordnungspunkt 17: Beratung des Antrages der Fraktionen der PDS und SPD – Wartefrist nach ABM, auf Drucksache 3/2738.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon etwas ungewöhnlich, dass so früh am Morgen schon ein Antrag zurückgezogen wird und wir deshalb etwas in die Bredouille gekommen sind. Dafür möchte ich mich jetzt aber ausdrücklich nicht entschuldigen, denn es gibt auch bestimmte Sachen, die muss man halt erledigen.
Arbeitsmarktpolitik, Arbeitsverwaltung, Manipulation der Vermittlungsergebnisse durch die Bundesanstalt für Arbeit, Rückgang von ABM und anderen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten, Erhöhung der Effizienz der Arbeitsvermittlung durch weitere Privatisierung der Arbeitsvermittlung, Kürzung des Bezuges von Arbeitslosengeld für Jugendliche und Zusammenführung der Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe, kurz gesagt, Abschaffung der Arbeitslosenhilfe – mit dieser Aufzählung von Themen der
letzten Wochen könnte ich fortfahren. Man kann also nicht sagen, dass Fragen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nicht in der öffentlichen Debatte waren, das sicherlich nicht. Aber ob die Diskussion dieser Themen geeignet ist, die Massenarbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen, das wage ich dann doch zu bezweifeln.
Auf der anderen Seite nehmen die sozialen Probleme zu, insbesondere die Anzahl der Langzeitarbeitslosen in den neuen Bundesländern. Gleichzeitig wächst der Druck auf diejenigen, die noch im Besitz eines Arbeitsplatzes sind. Nach wie vor gilt: Durch Erwerbsarbeit erwerben sich die Menschen Anerkennung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Dass die Regierung in unserem Land sich dieser Verantwortung bewusst ist, ist für mich unstrittig, auch wenn die Ergebnisse im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit noch lange kein Grund sind, sich zurückzulehnen. Nein, wir haben unsere Zielstellung in Bezug auf die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit noch nicht erreicht.
Die Ursachen sind vielfältig und teilweise bekannt: zu schwache Wirtschaftskraft, zu geringe Kaufkraft, der Rückgang an öffentlichen Aufträgen und damit verbunden der Wegfall von vielen Arbeitsplätzen in der Baubranche und, auch das will ich nicht verschweigen, der Rückgang an Arbeitsplätzen, die über arbeitsmarktpolitische Instrumente gefördert wurden. Und hier meine ich nicht nur ABM, sondern auch die Strukturanpassungsmaßnahmen für ostdeutsche Unternehmen und andere Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Die daraus entstandenen Probleme sind uns alle bekannt, sie begegnen uns in allen Bereichen.
Um diese Probleme zu lösen, müssen wir gemeinsam Lösungsansätze diskutieren. Diese Zielstellung haben wir mit dem heutigen Antrag aber nicht verfolgt. Nein, wir wollen auf ein Problem aufmerksam machen, das mit dem Job-AQTIV-Gesetz in der öffentlichen Diskussion eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Dieses Gesetz ist nach wie vor sowohl bei den Sozialpolitikerinnen als auch bei den Arbeitsmarktpolitikerinnen sehr umstritten. Auch wir haben im Landtag darüber debattiert. Sicher ist, aus heutiger Sicht können wir die Wirksamkeit dieses Gesetzes in Bezug auf die Schaffung von Arbeitsplätzen noch nicht abschätzen. Dennoch haben wir uns dazu verständigt, eine in diesem Gesetz festgeschriebene Regelung ernsthaft in Frage zu stellen. Es geht um die Wartefrist bei ABM. Hier sollten wir gemeinsam für eine Veränderung streiten. Worum geht es dabei? Der Gesetzgeber hat festgeschrieben, dass künftig Erwerbslose, die in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme waren, nun drei Jahre warten müssen, bis sie wiederum in eine ABM kommen können.
Nun mag der eine oder andere von Ihnen meinen, das ist richtig so oder warten wir ab, vielleicht wird es bald wieder geändert. Nein, wir wollen nicht abwarten. Wir wollen so schnell wie möglich aktiv werden, und dies mit folgender Begründung: Nach wie vor haben wir in den neuen Bundesländern ein Arbeitsplatzdefizit. Viele Erwerbslose hatten und haben kaum eine Chance, auf dem so genannten ersten Arbeitsmarkt eine Arbeit zu finden. Für viele – und das gilt insbesondere für die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – ist eine ABM oft die einzige Alternative, und das nicht, weil sie zu faul sind oder weil man in ABM mehr verdient, nein, weil sie hier die einzige Alternative haben.
Wir befürchten, dass, wenn diese Regelung festgeschrieben wird und auf Dauer erhalten bleibt, dann Altersarmut vorprogrammiert ist, weil sie diese drei Jahre einhalten müssen.
Unstrittig ist wohl auch, dass wir noch einige Jahre auf die aktive Arbeitsmarktpolitik angewiesen sind. Es ist auch müßig, sich über Sinn und Unsinn einiger dieser Maßnahmen auseinander zu setzen, dies auch und vor allen Dingen mit dem Blick auf die Wahl-ABM im Jahre 1998. Unstrittig ist aber auch aus unserer Sicht, dass ABM auf die Dauer nicht die Lösung sein können und das Grundproblem nicht lösen werden. Aber insbesondere in den neuen Bundesländern können wir mittelfristig noch nicht auf dieses Instrument verzichten. Dabei müssen wir auch berücksichtigen, dass insbesondere bei uns viele Projekte auf den Weg gebracht wurden, auf die wir auch in Zukunft nicht verzichten können, die wir aber andererseits aufgrund der Finanzschwäche der Kommunen nicht anders finanzieren können. Gleichzeitig müssen wir aber auch zur Kenntnis nehmen, dass wir für diese Projekte qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigen. Hier denken wir insbesondere an Projekte im sozialen und kulturellen Bereich sowie in der Kinder- und Jugendarbeit.
An dieser Stelle eine Bemerkung: Es ist, glaube ich, an der Zeit, anzuerkennen, dass über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in den zurückliegenden Jahren durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den oben genannten Projekten viel geleistet wurde. Wer persönlich solche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennt, der weiß, wovon ich rede. Bei Beibehaltung der Wartefrist werden wir die erreichte Qualität nicht gewährleisten können. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen qualifiziert werden. Diejenigen, die mit Geld der Arbeitsverwaltung bereits qualifiziert worden sind, bleiben außen vor – ökonomisch völlig unverständlich.
Unter Berücksichtigung der von mir genannten Probleme möchte ich Sie bitten, die Regierung unseres Landes und insbesondere den Minister für Arbeit und Bau zu bestärken, sich weiterhin für die Aufhebung dieser Regelung einzusetzen, aber auch weitere Möglichkeiten zu suchen. Dabei denken wir zum Beispiel an Bundesratsinitiativen mit anderen neuen Bundesländern. Dafür bitte ich Sie im Interesse der Betroffenen unseres Landes um Unterstützung. – Danke schön.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Wiederspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hoffe nicht, dass wir die 45 Minuten wirklich brauchen werden, denn dieses Thema – und das haben Sie gesagt – ist nur ein ganz kleiner Teil von den Problemen, die Sie haben.
Und ich frage mich, warum haben Sie diesen Antrag gestellt als einen Punkt aus einer Fülle von Problemen, die gelöst werden müssen.
Ich kann letztlich nichts anderes dazu sagen, als dass es Stückwerk ist. Zu dem, was die CDU will, werde ich natürlich auch etwas sagen, liebe Frau Borchardt. Aber die Frage ist also: Warum stellen Sie diesen Antrag, vor welchem Hintergrund?
Sie wissen, dass am 01.01.2003 diese Dinge wirken sollen und bis dorthin vielleicht sogar noch zweimal eine Novellierung des Sozialgesetzbuches und damit auch der Regelung für den Arbeitsmarkt stattfinden soll.
Wissen Sie, worauf Sie warten, ist natürlich, dass Ihr Arbeitsminister tätig wird, sonst hätten Sie den Antrag nicht gestellt. Sie haben zwar gesagt, Sie sind sich dessen bewusst, dass Sie Verantwortung übernehmen, aber da frage ich mich: Warum müssen Sie hier den Jäger zum Jagen treiben, mit so einem Antrag?
Wenn Sie das wirklich wollen, dann packen Sie da was rein, was auch wirklich auf dem Arbeitsmarkt greift, und nicht eine solche kleine Krücke.
Was fehlt denn in Ihrem Antrag? Wollen Sie nächstes Mal noch den Antrag stellen, die Finanzierung der Weiterbildungsangebote nicht durch die Kommunen oder auf die Länder zu übertragen? Das ist ja auch ein Problem, was Sie haben. Was ist mit der Verschärfung der Sperrzeiten? Dazu steht nichts in Ihrem Antrag. Was ist mit der Problematik, die Sie darin erkennen, dass die Beweisumkehrlast mit einem Mal jetzt verschärft wird?
Ich kann mir sogar bei Ihren Stückwerken vorstellen, dass Sie noch einen Antrag stellen wollen, die arbeitsmarktpolitischen Verkrustungen zu erhalten. Aber Sie lenken damit natürlich auch ganz konkret ab von den derzeitigen Aufgaben, die durch die Landesregierung, durch Sie und den Minister zu lösen sind. Das ist nämlich das arbeitsmarktpolitische Instrument, was das Land im Augenblick in der Hand hält, um hier vor Ort zu wirken.
Seit November, liebe Kollegin, werden wir mit dem Hinweis vertröstet, die neuen Richtlinien, die hier das Arbeitsmarktstrukturentwicklungsprogramm in den nächsten Jahren begleiten werden, sind demnächst auf dem Tisch. Heute haben wir fast April. Wir haben gerade mal vier Richtlinien beschlossen, der Rest schmort noch immer irgendwo. Das führt dazu, dass natürlich auf kommunaler Ebene die Dinge auf einer ganz falschen Ebene beantragt werden. Sie wissen, dass mittlerweile auf kommunaler Ebene die Dinge immer noch nach dem ASP gestellt werden. Im Ausschuss hören wir: Nein, es laufen noch die alten Richtlinien des AQMV. Das führt zu einem Chaos, das wissen wir. Mitte des Jahres, ich prognostiziere Juni oder Juli, wird sich das gravierend auf dem Arbeitsmarkt durchschlagen, und das ist das Stückchen Verantwortung, was Sie wahrzunehmen haben. Und da tut sich, wie gesagt, nichts.
Was ist mit dem Ideenwettbewerb? Der Landesbeirat hat es nun geschafft, einen Ideenwettbewerb auszuloben, und auf die Frage, was das an Geld kostet, haben wir keine Antwort bekommen. Aber viel wichtiger ist für mich noch die Frage, was es wirklich an neuen Perspektiven schafft. Was schafft es an Arbeitsplätzen? Auch hier die ganz klare Antwort: Es geht nicht allein um die Schaffung von Arbeitsplätzen. Das ist die Antwort, die uns im Ausschuss gegeben wird, nach dem Motto, wie schön, dass wir darüber gesprochen und dass wir diskutiert haben.
Es ist Zeit, dass wir ganz konkret werden und wirklich den Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, eine Perspektive bieten.
Und das tun Sie mit diesem Antrag nun bei weitem nicht. Das ist ein Antrag, der sich überflüssig macht, weil die Diskussion auf Bundesebene läuft. Dass Ihr Arbeitsminister hier natürlich Einfluss nehmen will, das hat er im letzten Jahr im November gesagt, als er bei der Diskussion mit den Senatoren und Arbeitsministern darüber gesprochen hat. Das ist bekannt.
Aber ich sage Ihnen vielleicht auch noch einen Satz dazu, weil das immer wieder von Ihnen abgestritten wird. Wir brauchen auch den Beschäftigungssektor im zweiten Arbeitsmarkt, solange es nicht gelingt, dass der Wirtschaftsminister Unterstützung in diesem Haus bekommt, nämlich dahin gehend, dass es ihm gelingt, große Investitionen in dieses Land zu holen, die nachhaltig wirken, wie auch kleinere Dienstleistungen.
Das war ein gutes Beispiel, Herr Kollege. Den Transrapid haben Sie eingeworfen, vielen Dank dafür. Aber wir haben auch andere Großprojekte, auf die wir lange, lange warten müssen, weil hier viele Dinge fehlen. Sie haben auch gehört, dass die Frage der Bildung ein entscheidender Faktor ist für die Schaffung von Arbeit und Voraussetzung dafür, dass Sie hier Arbeitskräfte haben, die dann auch zur Verfügung stehen.
Meine Damen und Herren, ich hätte mich gefreut, wenn die Koalitionspartner es geschafft hätten, die wirklichen Probleme zu beschreiben und den Arbeitsminister aufzufordern, hier zu wirken und dafür zu sorgen, dass beispielsweise diese sinnlose 325-Euro-Regelung – 630Mark-Jobs – abgeschafft oder geändert wird, so dass die Menschen wieder Lust haben, einfache Arbeiten aufzunehmen.
Ich hätte mich gefreut, wenn Sie dafür gesorgt hätten, dass in Ihrem Antrag steht: Herr Minister, setzen Sie sich dafür ein, dass endlich das Lohnabstandsgebot eingehalten wird und es sich lohnt, arbeiten zu gehen!