Die Betroffenen wollen aber arbeiten und wieder Spaß daran haben und sehen, dass es sich lohnt, arbeiten zu gehen, um nicht am Ende auf den Taschenrechner drücken und sagen zu müssen, es lohnt sich nicht.
Und welche sozialpolitischen Folgen das auch hat, Frau Borchardt, wissen Sie. In diesem Bundesland mag das vielleicht noch nicht so das Problem sein. Aber gerade dort, wo kinderreiche Familien keine Arbeit haben, wachsen Kinder in einer Umgebung auf, die ihnen sagt, wozu sollst du arbeiten gehen, es ist doch immer Geld da. Ich halte das für eine fatale Entwicklung und deswegen müssen wir den Familien die Chance geben, rauszukommen aus der Sozialhilfe und rein in die Arbeit, dass es sich wieder lohnt, arbeiten zu gehen. Aber dazu steht nichts in Ihrem Antrag.
Was in Ihrem Antrag auch nicht steht, sind Fragen wie zum Beispiel der sinnlosen Entscheidungen zur Scheinselbständigkeit. Meine Damen und Herren, wir fördern Existenzgründungen hier in diesem Land. Ihr Minister wirbt dafür. Und dann gibt es natürlich auch den einen oder anderen, der sich darüber freut, dass er jetzt einen großen Auftraggeber hat, aber er muss sich anstellen lassen, weil das natürlich unter das Scheinselbständigkeitsgesetz fällt. Welch ein verrücktes Wort, das dem Anspruch derjenigen überhaupt nicht gerecht wird, die sich wirklich mühen und das Risiko gerne eingegangen sind, hier auch den Schritt in die Selbständigkeit zu gehen.
325-Euro-Regelung, Lohnabstandsgebot, Scheinselbständigkeit – davon lese ich überhaupt nichts in Ihrem Antrag. Sie haben hier Stückwerk auf den Tisch gelegt. Ich kann Ihnen nur eins empfehlen: Lassen Sie uns wirklich über die Probleme diskutieren, aber verschonen Sie uns mit solchen Anträgen und rauben Sie uns damit nicht die Zeit! – Vielen Dank.
Herr Albrecht, ich lebte ja in dem Optimismus, dass Sie in meinen Augen noch wachsen können, aber was Sie eben geleistet haben, davon bin ich etwas enttäuscht. Ich weiß gar nicht, womit ich mich jetzt auseinander setzen soll.
(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Setzen Sie sich mal mit den Vergaben auseinander!)
Ich meine, um eine Aussage von Ihnen aufzugreifen, Herr Albrecht, dass sich in zwei, drei Monaten die Politik, die wir umsetzen, auf den Arbeitsmarkt auswirken wird: Da teile ich Ihre Auffassung, das wird positive Effekte bringen. Das werden wir gemeinsam erleben.
Aber das Thema, was jetzt von den beiden Koalitionsfraktionen beantragt war, war ja Job-AQTIV und die darin enthaltene dreijährige Wartezeit nach ABM oder SAM. Deswegen will ich das noch mal kurz ansprechen. Vor
dem Job-AQTIV-Gesetz stand es schon nicht gut und Sie wissen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dann als förderungsbedürftig, förderungsfähig galten, wenn sie langzeitarbeitslos waren und mindestens sechs Monate beim Arbeitsamt als arbeitslos gemeldet waren. Nach dem Job-AQTIV-Gesetz, und das ist gut, reicht es aus, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin jetzt arbeitslos ist und nach der Eingliederungsvereinbarung oder nach anderen Erkenntnissen einer Förderung bedarf. Das ist ein Fortschritt. Und diese gesetzliche Wartezeit besteht bei Eintritt der Arbeitslosigkeit offiziell nicht mehr. Alles hängt nun vom so genannten Profiling ab und der Erstellung individueller Eingliederungspläne.
Die Frage ist, wohin soll eingegliedert werden, und da, glaube ich, brauchen wir sehr wohl – jetzt haben wir ja Wahlkampf – die Debatte, wie soll das aussehen, wie sollen Arbeitsplätze in Mecklenburg-Vorpommern entstehen. Die Verkürzung, wie gehe ich mit dem einzelnen oder der einzelnen Arbeitslosen um, um die Vermittlungschance zu erhöhen, beantwortet noch nicht die Frage, wohin der oder die Einzelne tatsächlich vermittelt werden soll. Das ist eine Frage, die wir diskutieren müssen, und deswegen meine ich, dass dieses Job-AQTIV-Gesetz einen Geburtsfehler hat, nämlich die Spezifika Mecklenburg-Vorpommerns, überhaupt Ostdeutschlands sind nicht berücksichtigt worden.
Man sollte also auch das Kleingedruckte lesen. Ziel dieses Gesetzes, um dort die Textstelle zu nennen, Absatz 1 a des Paragraphen 269, ist es, Förderketten zu verhindern, damit möglichst viele Arbeitslose, die Anspruch auf eine solche Arbeitsbeschaffungsmaßnahme oder Strukturanpassungsmaßnahme haben, dann dies in Anspruch nehmen können. Das ist auch vollkommen in Ordnung. Aber in Mecklenburg-Vorpommern und in anderen strukturschwachen Gegenden ist es meines Erachtens nicht angebracht, diese dreijährige Wartezeit einzuführen.
Ich habe auch noch keinen gehört, der gesagt hat, das ist etwas, was in Mecklenburg-Vorpommern greifen kann. Ich habe dort zumindest noch keinen Dissens erlebt. Deswegen meine ich, selbst wenn das Gesetz vorsieht, dass im Einzelfall Ausnahmen zulässig sind, haben wir doch aber dann in Ostdeutschland einen einzigen Ausnahmetatbestand aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und aufgrund der Strukturschwäche. Das muss also in diesem Job-AQTIV-Gesetz meines Erachtens ganz konkret berücksichtigt werden.
Deswegen meine ich, dass dieses Gesetz aus einer Westsicht geschrieben wurde und die konkreten Realitäten und Bedingungen Ostdeutschlands und auch Mecklenburg-Vorpommerns hier nicht berücksichtigt wurden. Deswegen meine ich, wir können ja gemeinsam, jeder kennt seinen Wahlkreis, in die strukturschwachen Gegenden fahren. Leute in Berlin und anderswo gucken mich
immer mit großen Augen an, wenn ich dann sage, eine Frau in der Friedländer Wiese oder auch anderswo sieht es als ihre einzige Chance, wieder in eine ABM oder SAM zu kommen. Dann sagen viele andere, die aus anderen Gegenden kommen, die strukturstark sind, das kann doch nicht sein. Aber wenn das so ist, dann, glaube ich, müssen wir über die Bedeutung des so genannten zweiten Arbeitsmarktes hier nicht philosophieren, sondern wir müssen darüber reden, wie wir Menschen, die arbeitslos und langzeitarbeitslos geworden sind, eine Chance über diese Beschäftigungsmöglichkeiten bieten.
Deswegen bedarf es einer Korrektur dieses Gesetzes, denn diese drei Jahre Wartefrist sind aus meiner Sicht einfach nicht akzeptabel. Ich habe das mehrfach auf Bundesebene deutlich gemacht. Wir werden auch dort nicht nachlassen, um hier eine Korrektur zu erreichen. Richtig ist, dass wir die Förderketten dann abschaffen können, wenn es ein ausreichendes Angebot an Arbeitsplätzen in Mecklenburg-Vorpommern gibt. Wir wollen durch Arbeitsplätze in Mecklenburg-Vorpommern die Grundlage für die Förderketten entziehen, aber wir wollen nicht den Geförderten die Grundlagen entziehen.
Wir können gemeinsam in die beiden Landkreise Demmin oder Uecker-Randow gehen, das ist jetzt nicht entscheidend, die die höchste Arbeitslosigkeit in Deutschland haben. Hier wird auch sehr deutlich, dass eine wirkliche Form der Arbeitsförderung notwendig ist, um in allen Politikbereichen tatsächlich deutlich zu machen, welche Rahmenbedingungen wir brauchen, damit mehr Beschäftigung entsteht.
Ich meine schon, dass wir als Landesregierung am 10. Juli vergangenen Jahres mit unseren Maßnahmen für Beschäftigungsförderung deutlich gemacht haben, dass es einen komplexen, einen übergreifenden Ansatz für mehr Beschäftigung gibt. Deswegen meine ich: Nach der Reform ist vor der Reform. Wir werden also unsere Einflussmöglichkeiten, das kann ich für die Landesregierung insgesamt sagen, nutzen, um diese unsoziale Wartefrist zumindest für Ostdeutschland und andere strukturschwache Gegenden, Regionen in Mecklenburg-Vorpommern beziehungsweise insgesamt in Deutschland wieder abzuschaffen. Das ist die ganz klare Position.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, eine Position zur aktuellen Reformdiskussion über die Bundesanstalt für Arbeit darzustellen. Morgen will der Bundestag ein Eilgesetz verabschieden, wo es um die Leitungsstrukturen, die Struktur der Bundesanstalt für Arbeit insgesamt geht. Ich meine, das kann jeder nachvollziehen, die gesamte Diskussion über die Bundesanstalt für Arbeit angesichts der fehlerhaften Vermittlungsstatistik hat bisher noch nicht einen Arbeitslosen mehr in Arbeit gebracht. Deswegen meine ich, die Diskussion über die Bundesanstalt für Arbeit muss verbunden werden – das machen wir ja hier mit dem Job-AQTIV-Gesetz – mit einer Reform der Arbeitsmarktförderung in Deutschland insgesamt. Ich meine, es kann nicht angehen, dass Florian Gerster als Manager eines neuen Dienstleistungsunternehmens jetzt Länder und Tarifpartner aus der Arbeitsmarktpolitik heraushalten will, sprich, der Bundesrepublik vom Leib halten will.
Das Eilgesetz, welches jetzt vorliegt, soll die Leitungsstruktur radikal ändern, aus 51 Mitgliedern des Verwal
tungsrates sollen 21 werden. Das geht in Ordnung. Die Verschlankung ist zu begrüßen. Aber die deutschen Bundesländer haben nur noch drei Vertreter und das halte ich für bedenklich, weil hinzu kommt, dass die Rechte des Verwaltungsrates eingeschränkt werden und die Vertreter der Länder, der Gewerkschaften sowie der Unternehmerverbände nur noch Mitspracherecht haben, aber kein Mitbestimmungsrecht. Und das, glaube ich, kann nicht im Interesse der besonderen oder konkreten Bedingungen in den einzelnen Ländern und Regionen sein. Deswegen meine ich, wir brauchen nicht nur Mitsprache, sondern wir brauchen Mitbestimmung, so, wie es bisher war, damit die Spezifika eines Bundeslandes wie Mecklenburg-Vorpommern hier ganz konkret berücksichtigt werden. Ich meine auch, dass die Diskussion über Landesarbeitsämter, wie sie ja zurzeit aktuell geführt wird, dann in die falsche Richtung geht, und zwar in die Richtung, die Landesarbeitsämter abzuschaffen.
Ich habe einfach die Sorge, dass hier etwas zentralisiert wird, wo es doch eigentlich darum geht, zu regionalisieren und zu dezentralisieren, um die konkreten Entscheidungen vor Ort auch treffen zu können. Deswegen bin ich der Meinung, wir müssen dafür sorgen und uns gemeinsam dafür stark machen, dass die Bundesländer und ganz konkret auch die ostdeutschen Länder hier nicht nur sitzen, sondern ganz konkretes Stimmrecht haben, um unsere Bedingungen und unsere Forderungen und Erfordernisse in die Debatte ganz konkret einzubringen.
Es ist also vorgesehen, dass morgen der Bundestag darüber entscheidet und am nächsten Freitag, am 22. März, dann im Bundesrat darüber entschieden wird. Wir sind vorgestern offiziell über dieses Eilgesetz informiert worden. Deswegen nutze ich hier die Gelegenheit, meine Position dazu zu sagen. Wir brauchen die Mitbestimmung. Ich meine, dieses Gesetz muss in erster Linie mit den Ländern besprochen werden, weil es uns betrifft. Es betrifft uns in den Ländern. Wir vor Ort haben Arbeitsmarktpolitik, Arbeitsmarktförderung umzusetzen. Deswegen halte ich die Landesarbeitsämter für unverzichtbar, damit unsere Landesinteressen überhaupt Gehör bekommen. Wie wir zusammenarbeiten, können Sie ja nachvollziehen an dem Programm „55 plus – aktiv in Rente“, welches im Übrigen sehr gut angenommen wird.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Reform der Bundesanstalt für Arbeit darauf begründet wird, hier eine Verschlankung vorzunehmen, ohne dass Länder und Tarifpartner mitgeredet und mitgesprochen haben über die neue Bundesanstalt für Arbeit. Ich meine, wir brauchen eine starke Vertretung der Interessen MecklenburgVorpommerns in der bundesdeutschen Arbeitsmarktpolitik und deswegen würde ich mich dafür einsetzen, dass das Landesarbeitsamt Nord in Kiel erhalten bleibt. – Herzlichen Dank.
Herr Albrecht, natürlich haben Sie Recht, hier geht es um den Paragraphen 269 des SGB III, um nicht mehr und nicht weniger. Und wenn Sie meinen, das wäre unwichtig, dann mag das vielleicht, wenn man sagt, es ist ein Para
graph von vielen, formal richtig sein, aber wenn man sieht, wie viele Menschen in ABM sind, dann ist das nicht ganz so unwichtig
Ich denke, egal ob berechtigt oder unberechtigt, die ABM-Problematik ist ein sehr heißes Diskussionsthema im Lande. Und nicht nur bei den ABM-Beschäftigten, sondern auch bei Trägern, bei Ministerien, bei Abgeordneten, überall begegnet uns dieses Thema. Deswegen, glaube ich, ist es nur recht und billig, auch drei Monate nach InKraft-Treten des Gesetzes – wenn man sich im Vorfeld hat nicht durchsetzen können, wir übrigens auch nicht – über diese Dinge zu reden. Und ich merke, dass die Diskussion, die insbesondere aus dem Osten kommt und insbesondere aus Mecklenburg-Vorpommern, auch in meiner Partei so langsam, aber sicher Früchte trägt. Die ursprüngliche Bundessicht dieses Gesetzes wird ein wenig verändert und ich hoffe, dass es uns gelingt, hier zu besseren Regelungen zu kommen.
Da wir aber nun beim Job-AQTIV-Gesetz sind und vielleicht der Eindruck entsteht, alles, was dort bisher gemacht wurde, ist schlecht fürs Land, möchte ich dem allerdings energisch widersprechen.
Deswegen will ich auch nur mal stichpunktartig einige Punkte anschneiden, worin unsere Chancen bestehen. Wie das immer so ist in Mecklenburg-Vorpommern, wenn es etwas Neues gibt, dann schalten viele erst einmal auf stur, viele werden nervös und die meisten haben sich vielleicht auch noch gar nicht damit beschäftigt.
Die Intensivierung der Arbeitsvermittlung ist natürlich so ein Schlagwort, was sich überall durchzieht, aber wir haben hier mehr Vermittler. Wir haben das Recht auf Vermittlung durch Dritte und, was vor allen Dingen eine große Chance ist, bei diesen Dritten können auch die Träger mitwirken. Bisher sind ja Träger dafür belohnt worden, wenn ihre ABM-Kräfte in Beschäftigungsgesellschaften gehalten wurden. Jetzt werden sie dafür belohnt, dass sie Leute in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln.