Protokoll der Sitzung vom 09.10.2003

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

zum anderen aber auch, weil der diesem Antrag vorausgehende Besuch des Landkreises Uecker-Randow langfristig geplant war. Umso mehr sehen wir die Dringlichkeit unseres Antrages bestätigt, wenn zum Beispiel die „Ostsee-Zeitung“

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Die ist ganz CDU-fern.)

vom 20. September dieses Jahres schreibt: „Vorpommern droht Dörfersterben Experten warnen vor Landflucht in strukturschwachen Regionen.“

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Negativer Höhepunkt der Veröffentlichungen war sicherlich der „Stern“-Artikel vom 2. Oktober 2003 mit dem markanten Titel „Wir sind die armen Schweine der Nation“.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Ute Schildt, SPD: Diese Losung greifen wir auf und dann begreifen die Leute das.)

Im ersten Abschnitt steht: „Wir fahren an die Ostsee. Fahren durch verlorene, verlassene Orte. Von Pasewalk bis Anklam – kein Mensch auf der Straße. … Nur Beton und geschlossene Fenster. Keine Kneipe, kein Geschäft, keine Post und keine Bank. Trostlos.“

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Dass Sie sich diesen niveaulosen Artikel herausgreifen, das ist doch typisch! Ich habe selten einen so niveaulosen Artikel gelesen. – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Und ganz sicher übertrieben, denn in den fast zehn Jahren, die ich jetzt im Uecker-Randow-Kreis wohne, habe ich etwas gefunden, was Presseleute, die einen kurzen Blick auf Land und Leute werfen, nicht sehen können, nämlich eine Heimat.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Heinz Müller, SPD: Gleich brauche ich ein Taschentuch für meine Tränen.)

Aber auch mich treibt die Sorge um unser Gemeinwesen. Und ich bin heute angetreten, um eindringlich für die notwendige Unterstützung bei der Schaffung von Rahmenbedingungen, die langfristig ein eigenständiges Überleben Vorpommerns und des östlichen Mecklenburgs ermöglichen sollen, zu werben.

Anlässlich eines Besuches des Wirtschaftsministers Herrn Ebnet in Pasewalk durfte ich lernen, dass man statt „strukturschwach“ doch das Wort „entwicklungsfähig“ für unsere Region oder für Regionen wie den Uecker-Randow-Kreis verwenden solle.

(Angelika Gramkow, PDS: Recht hat er.)

Zugegeben, dieses Wort hat den Scharm des Positiven. Aber ich befürchte auch, dass es den Ernst der Lage verschleiert, denn die Fähigkeit, sich aus sich selbst heraus zu entwickeln, ist in vielen Regionen unseres Landes nicht mehr gegeben

(Angelika Gramkow, PDS: Aber der Uecker- Randow-Kreis hat hervorragende Ergebnisse.)

und es bedarf großer Anstrengung von außen, damit Entwicklung stattfinden kann.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, damit will ich nicht negieren, dass es Unterstützung von Seiten des Landes gab und gibt.

(Ute Schildt, SPD: Das ist aber schon was wert.)

Verschiedene Projekte wurden angeschoben und ich selbst war sehr überrascht, wie viel Unterstützung ich erfahren habe, wenn ich in verschiedenen Ministerien um Lösungen für Probleme in meinem Landkreis nachgesucht habe.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Torsten Koplin, PDS: Sehen Sie!)

Allerdings vermisse ich, wenn ich die Problematik als Ganzes betrachte, ein schlüssiges Gesamtkonzept. Es fehlt mir – und jetzt möchte ich ein im Parlament viel strapaziertes Wort nutzen – die Nachhaltigkeit.

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS, und Regine Lück, PDS)

Viele langfristig angelegte und vom Land finanzierte Projekte werden durch andere Entscheidungen der Landesregierung – beispielhaft seien hier nur die geplante Absenkung der Infrastrukturpauschale und der Mindestgarantie genannt – bereits im Ansatz wieder in Frage gestellt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Egbert Liskow, CDU: Genau! So ist es.)

Sehr geehrte Abgeordnete, ich will jetzt unseren Antrag nicht erneut generell aufgreifen, sondern an einigen ausgewählten Beispielen aus meinem Landkreis belegen, wie ich zu dieser Einschätzung gelange. Beginnen möchte ich mit den Kürzungen der Finanzzuweisungen an die Kommunen. Die Auswirkungen auf die einheimischen Unternehmen sind bekannt, aber auch der Ansatz der Neuansiedlung von Unternehmen zur Stärkung der Wirtschaftskraft einer Region wird damit ad absurdum geführt. Allein in meinem Wahlkreis gibt es drei Gewerbestandorte, darunter den Großgewerbestandort Pasewalk. Ich habe in der Vergangenheit verschiedene Gespräche mit potentiellen Investoren geführt. Die Aussagen aller, aber insbesondere von am Markt etablierten Unternehmen waren eindeutig: Jeder einigermaßen kapitalkräftige potentielle Investor wird überall, wo er hinkommt, umworben und die Entscheidung für einen Standort, wenn er nicht durch eine besondere Lage prädestiniert ist, fällt über die Art und die Höhe der Förderung der Ansiedlung und über die so genannten weichen Standortfaktoren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Ute Schildt, SPD: Und über die Grundstimmung, die dort herrscht.)

Was also soll ich einem potentiellen Investor zum Thema „Lebensqualität im Uecker-Randow-Kreis“ erzählen, wo ich doch weiß, dass die meisten Städte und Gemeinden in unserem Landkreis nicht wissen, wie sie ihre Pflichtaufgaben finanzieren sollen?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen fallen doch zuerst dem Rotstift zum Opfer. Und das trifft auch auf Pasewalk zu. Was nützt es, für ein Gewerbegebiet mit der Anbindung an die A 20 zu werben, wenn auf dem Weg vom Gewerbegebiet zur Autobahn und zurück jedem Fahrzeug ein Achsenbruch droht? Ich spreche hier konkret vom Autobahnzubringer zum Gewerbegebiet Strasburg,

(Bodo Krumbholz, SPD: Aber so schlimm ist das auch nicht.)

wo mit der Sanierung des in Rede stehenden Straßenteilstückes wahrscheinlich im Jahr 2005 begonnen wird. Diese Aussage ist die Aussage eines Unternehmers, der ständig die Autobahnzubringerstraße nutzt.

Und was kostet in einem wirklich dünn besiedelten Gebiet die Unterhaltung von Straßen, von denen manche über viele Kilometer hinweg von einem Ort mit nur drei Häusern zu einem Ort mit atemberaubenden sieben Häusern führt? Was kostet hier die Müllentsorgung, die Wasserver- und die Abwasserentsorgung?

(Wolfgang Riemann, CDU: So ist es.)

Und wer möchte sich bei diesen Ver- und Entsorgungspreisen ansiedeln, egal, ob privat oder unternehmerisch?

In Anbetracht dieser Fragen erscheint die von uns im Antrag geforderte Änderung des Paragraphen 8 Absatz 3 des Finanzausgleichsgesetzes zugunsten dünn besiedelter Gebiete dringend geboten.

(Beifall Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig.)

Genauso wichtig ist die Standortwahl für staatliche Einrichtungen. Auch hier fällt mir spontan wieder Strasburg ein, wo wir um den Erhalt der Berufsschule kämpfen. Ungeachtet der Tatsache, dass unsere Region stark landwirtschaftlich geprägt ist und sich viele landwirtschaftliche Betriebe stabil entwickeln und hervorragend ausbilden, wird der Standort in Strasburg in Frage gestellt. Wie ernsthaft die Bemühungen der Landesregierung zur Entwicklung von strukturschwachen Regionen sind, wird sich für mich auch an dieser Standortentscheidung ablesen lassen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, was nun die Verbesserung der Lebensqualität und die Stärkung des Ehrenamtes angeht, möchte ich wieder auf mein persönliches Erleben zurückgreifen. Als ich 1994 aus einer Großstadt in meinen jetzigen Heimatort Jatznick zog, hatte ich große Bedenken, wie meine Kinder den Umzug verkraften. Insbesondere um meinen Sohn, der ein großer Einzelgänger war, machte ich mir Sorgen. Völlig umsonst: Nach kurzer Zeit war er im örtlichen Fußballverein integriert und hatte so viele Freunde, dass ich nur schwer den Überblick behalten konnte.

(Wolfgang Riemann, CDU: Bei Freunden geht das ja noch. Bei Freundinnen wäre das schwieriger.)

Dadurch und auch durch die individuelle Betreuung meiner Tochter im Jugendclub habe ich ehrenamtliche Arbeit zutiefst schätzen gelernt und bemühe mich durch eigene ehrenamtliche Tätigkeit, etwas davon zurückzugeben.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Zu meiner Lebensqualität gehört auch das nachbarschaftliche Miteinander in der Gemeinde. Und entgegen der Gerüchte, dass man in Vorpommern auch nach zehn Jahren immer noch der „Dazugezogene“ ist, wurden wir schnell ins Dorfleben integriert. Allerdings kann ich nicht die Augen davor verschließen, dass sich etwas ändert, und nicht zum Guten. Viele Bekannte haben sich resigniert zurückgezogen, man trifft sie einfach nicht mehr. Meine Kinder haben viele Freunde wegziehen sehen, weil deren Eltern hier keine Perspektive mehr sahen. Und mein Sohn, der seinem Hobby Fußball treu geblieben ist, kann

dieses Jahr nicht spielen, weil der Verein trotz vieler Zusammenschlüsse mit Nachbargemeinden keine Mannschaft in seiner Altersklasse zusammenbekommt, denn viele absolvieren bereits ihre Ausbildung in anderen Bundesländern. Ich fürchte den Verlust dessen, was für mich seit 1994 Heimat ist. Damit es nicht so weit kommt, bitte ich um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Frau Schlupp.

Es hat jetzt um das Wort gebeten der Wirtschaftsminister des Landes Herr Dr. Ebnet. Bitte, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der CDU ist merkwürdig. Der CDU ist zu Vorpommern nicht viel eingefallen, sie hat aber trotzdem einen Antrag gestellt. Das ist mutig, aber, ich glaube, Mut allein ist es auch nicht, was hier eine Rolle spielen kann. Ich sage Ihnen, Ihr Antrag kommt auf jeden Fall zu spät. Den hätten Sie stellen müssen, als Sie noch an der Regierung waren bis 1998.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Da wäre die Aufforderung noch richtig gewesen, die Landesregierung aufzufordern.