Protokoll der Sitzung vom 28.01.2004

Wir sind zurzeit in der Kabinettsabstimmung und ich gehe davon aus, wenn wir am nächsten Dienstag entschieden haben, werde ich sagen können, dass meine Vorlage zur Umsetzung des Berichtes weitestgehend angenommen worden ist. Davon gehe ich aus. Ich werde dem Kabinett als wichtigste Punkte vorschlagen:

Erstens. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge erhalten die Kommunen mehr Handlungsfreiräume für eine einfache und zügige Auftragsvergabe. Dazu wird der Wirtschaftsminister einen entsprechenden Vorschlag bis Mitte des Jahres vorlegen.

Zweitens. Wir werden die Vergabe der Fördermittel radikal vereinfachen und vereinheitlichen. Die Kommission hat vorgeschlagen, dass ein neues Gesamtkonzept zur Vereinfachung der Fördermittelvergabe erarbeitet werden muss, unter anderem um als Ziel ins Auge zu fassen, dass es einen Ansprechpartner gibt, der über alles den Überblick hat. Dieses Konzept muss sehr rasch erarbeitet werden. Ich halte es für möglich, dass wir, um zu einem guten Ergebnis zu kommen, auch ganz punktuell externen Sachverstand brauchen werden.

Drittens. Wir werden das Statistikwesen im Land entrümpeln. Bis zum 30.06. werden die Vorschläge der einzelnen Ressorts vorliegen. Das Ziel muss sein, dass die gesetzlich bestehenden Pflichten ab 01.01.2005 da nicht mehr bestehen, wo wir das nicht mehr wollen.

Viertens. Einen konkreten Handlungsbereich, Herr Glawe, betrifft die Beschränkung beim Bauen. Ich bin fest davon überzeugt, dass das genehmigungsfreie Bauen ausgeweitet werden sollte, und zwar insbesondere beim gewerblichen Bauen. Mein Ziel wäre es etwa, dass wir sagen, eingeschossige gewerbliche Lagergebäude oder andere ähnlich handwerklich oder gewerblich genutzte Kleinbauten sollen so weit wie möglich von der Genehmigungspflicht vollständig befreit werden.

Und ein ganz wichtiger, aber sehr schwieriger Punkt ist, wenn eine Baugenehmigung nötig ist und man hat sie endlich, dann muss man auch bauen dürfen und nicht noch zig weitere Genehmigungen brauchen, wie zum Beispiel im Umweltrecht.

(Beifall Rainer Prachtl, CDU)

Das bedeutet, dass wir die Konzentrationswirkung der Baugenehmigung ansteuern müssen. Das ist aber, wie gesagt, sehr schwierig. Es ist ein sehr schwieriger Punkt, weil wir natürlich einen Weg finden müssen, wie die notwendigen spezialrechtlichen Prüfungen dann schnell und effizient durchgeführt und als Teil des Baugenehmigungsverfahrens etabliert werden können.

Fünftens. Viele unserer sehr weitreichenden Regelungen, die wir als Überregulierung empfinden, basieren auf Vorgaben im Europa- und Bundesrecht. Die Kommission hat gesagt, sie befürchtet – und da gebe ich ihr Recht –, auch wenn wir da häufig nur den Vorgaben folgen, gehen wir wahrscheinlich doch in dem einen oder anderen Fall über die Vorgaben hinaus nach dem Motto: Wenn wir schon mal dabei sind. Und das, meine ich, müssen wir eindämmen, so weit wie möglich abspecken. Wir werden folgenden Weg gehen: Ich möchte die Ressorts bitten, eine entsprechende Gegenüberstellung der europarechtlichen Vorgaben zu machen und dann zu sagen, wo halten wir diese nicht ein, wo gehen wir darüber hinaus. In so einer Synopse haben wir dann eine sehr gute Arbeitsgrundlage, um zu sagen, wir müssen künftig da abspecken.

Sechstens. Es ist ein ganz wichtiger Punkt, dass wir bei der Vorgabe von Standards für die kommunale Aufgabenerfüllung zu erheblichen Reduzierungen kommen und dass als Wichtigstes die politische Steuerung durch die Vorgabe von Zielen erfolgt, nicht durch detaillierte Vorgaben. Dazu brauchen wir vor allem den konkreten Dialog mit den Kommunen. Ich habe das schon mehrfach gesagt. Da muss das Schwarze-Peter-Spiel aufhören. Wir alle wollen, dass Standards abgesenkt werden. Es kann nicht sein, dass wir die Kommunen bitten, das zu tun, und umgekehrt bieten uns die Kommunen an, es zu tun, und wir dann sagen, es war jeweils der andere. Wir brauchen dazu eine vernünftige Struktur, damit wir vorankommen.

Eine wichtige Sache ist in diesem Zusammenhang, dass die Normprüfstelle, die beim Justizministerium angesiedelt wird, sehr kritisch alle neuen Standards überprüfen und dafür Sorge tragen wird, dass eine Diskussion erfolgt. Die Ressorts werden alle bisherigen Standards nach einem vorgelegten, von uns entwickelten Prüfraster überprüfen, ob wir da noch zu Verringerungen kommen können, und ich werde dann hoffentlich in Zusammenarbeit mit den einzelnen Ressorts zu weitgehenden Reduzierungen kommen.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Hoffentlich, hoffentlich, Herr Minister!)

Ja, hoffentlich. Natürlich. Herr Riemann, es ist doch ganz klar …

(Wolfgang Riemann, CDU: Nicht die Frösche be- fragen, wenn man einen Teich trockenlegen will!)

Herr Riemann, wir haben hier ein gutes Muster, eine gute Struktur vorgegeben und völlig klar ist, dass es in den Einzelfragen ganz erhebliche und schwierige politische Diskussionen geben wird. Ich hoffe, dass Sie sich dann auch daran beteiligen.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Bei den Standards werde ich natürlich nicht jeden Antrag, der nach dem Standardöffnungsgesetz gestellt wird, zum Anlass nehmen, um zu sagen, diesen Standard,

von dem jetzt eine Kommune ausdrücklich sagt, sie möchte im Einzelfall davon befreit werden, kann man grundsätzlich abschaffen. Das werden wir überprüfen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das ist gut.)

Und ich werde auch – natürlich, Herr Riemann – alles unternehmen, damit Bürgerinnen und Bürger und Betroffene, die sich über Standards ärgern und aufregen, Anregungen geben, und wir werden diese natürlich aufgreifen und berücksichtigen.

So weit, meine Damen und Herren, zu dem, was ich dem Kabinett vorschlagen werde als Selbstverpflichtung und allgemeine Struktur. Ich will sehr hoffen, dass das Interesse dieses Hohen Hauses an einer Deregulierung noch ein klein bisschen lebhafter wird.

(Beifall Klaus Mohr, SPD, Heinz Müller, SPD, Angelika Gramkow, PDS, und Gabriele Schulz, PDS)

Ich möchte dem Kabinett vorschlagen, dass ich laufend über die erzielten Arbeitsergebnisse berichte und dann konkrete Einzelvorschläge zur Deregulierung mache. Das bedeutet im Klartext, dass es natürlich eine Institution im Kabinett geben muss, die auch darauf aufpasst, dass der Prozess kontinuierlich weiterläuft, nicht als derjenige, wie es heute in einer Zeitung heißt, der den Kabinettskollegen auf die Finger schlägt, der aber jedenfalls derjenige ist, der den Prozess am Laufen hält. Deregulierung ist eine Daueraufgabe und ich werde natürlich Vorschläge machen müssen für die Umsetzung der Deregulierung. Also ein erstes, zweites, drittes Deregulierungsgesetz wird kommen, denn es ist klar, es geht jetzt konkret um Einzelheiten. Die Deregulierung als Daueraufgabe bedeutet, dass fortlaufend solche Einzelmaßnahmen umgesetzt werden müssen. Das wird bei mir im Haus von einer neu einzurichtenden Stabsstelle „Deregulierung“ betreut. Das muss ich auch dem Landtag hier deutlich sagen. Das geht nicht aus dem laufenden Geschäft heraus. Darauf müssen sich Leute tatsächlich konzentrieren, genauso wie die Normprüfstelle laufend alle neuen Gesetzesvorhaben prüft. Und dazu brauchen wir …

(Dr. Ulrich Born, CDU: Haben wir Stellen dafür eingestellt im Haushalt?)

Es werden keine Stellen dafür eingestellt, sondern wir sorgen dafür, dass wir Leute dahin bringen können.

(Andreas Petters, CDU: Zwei Richter?)

Es wird einen Richter geben, der das leitet.

(Andreas Petters, CDU: Einen Richter, na gut.)

Die Normprüfstelle ist inzwischen eingerichtet und sie ist Teil der Umsetzung des Zwischenberichtes zur Umsetzung dessen, was der Zwischenbericht uns aufgegeben hat.

Ich will vielleicht noch zwei Sätze zu dem sagen, was wir bisher erreicht haben, das ist von Herrn Dr. Born schon angesprochen worden: Wir sind trotz alledem, was im Bericht steht, bei der Verringerung der Vorschriften gut vorangekommen. Das will ich zunächst für mein Haus sagen. Die Verabredung ist, dass wir bis Ende nächsten Jahres alle insgesamt ein Drittel weniger Vorschriften haben werden. Und da geht es natürlich nicht, Herr D r. Born, dass wir ein Drittel abschaffen und gleichzeitig fleißig draufsatteln, sondern das muss als Saldo gelten, das ist völlig klar. Ich kann für das Justizministerium schon sagen, wir haben unser Drittel erbracht. Im Saldo haben

wir 88 Vorschriften – das ist bei uns ein Drittel – weniger. Vielleicht einen Satz dazu, was wir gestrichen haben. Es geht in erster Linie darum, dass wir überall da, wo wir sehr detaillierte Vorgaben für den nachgeordneten Bereich gemacht haben – etwa für die Haftanstalten –, versucht haben, uns davon zu trennen und wirklich auf die Führung durch Ziele zu kommen.

Aber ich kann sagen, dass auch die anderen Häuser sehr gut vorangekommen sind und dass das, was im Abschlussbericht steht, nicht die Momentaufnahme heute ist, sondern dass wir da deutlich weitergekommen sind. Aber wir dürfen natürlich nicht verkennen, dass es im letzten Jahr auch zahlreiche neue Gesetze gegeben hat. Und neue Gesetze können nur in Kraft gesetzt werden, wenn das hier in diesem Hause geschieht. Ich bitte dann auch hier um die entsprechende Diskussion.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Es waren aber nur sieben Gesetze. Die Verordnungen waren die große Masse. – Angelika Gramkow, PDS: Also?! – Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU, Harry Glawe, CDU, Angelika Gramkow, PDS, und Gabriele Schulz, PDS)

Die übrigen Hausaufgaben, die wir aus dem Zwischenbericht haben, laufen ebenfalls planmäßig. Ich will da nur drei Stichworte sagen: Bei dem Einvernehmen zur Benehmensregelung sind wir bei der Arbeit. Die Überprüfung der Widerspruchsverfahren ist angesprochen worden. Und natürlich brauchen wir auch ein Weiterkommen bei der Fiktion in den Genehmigungsverfahren. Sie haben das angesprochen beim Widerspruchsverfahren. Wir alle wissen, dass der Teufel im Detail lauert. Nehmen Sie ein Beispiel: Ein Gastwirt möchte im Sommer Tische und Stühle rausstellen. Er stellt einen entsprechenden Antrag. In dem Fall würde ich es für völlig unschädlich halten, wenn wir da eine Frist einziehen. Wenn der Antrag nicht innerhalb von vier Wochen, drei Wochen, zwei Wochen beschieden ist, dann darf er das eben. Also zu solchen Fiktionen müssen wir kommen.

Was die Einzelmaßnahmen betrifft, die wir künftig angehen müssen, da spielt natürlich die Modellregion eine sehr wichtige Rolle. Es gibt aus der Praxis heraus sehr viele gute Einzelvorschläge, wie die Wirtschaft durch den Abbau bürokratischer Hindernisse nachhaltig entlastet werden kann, um auch Entwicklungschancen der Wirtschaft zu bekommen. Wir werden diese Einzelvorschläge sehr sorgfältig überprüfen. Vorrangiges Ziel ist dabei natürlich, dass gute Vorschläge für ganz MecklenburgVorpommern in Kraft gesetzt werden. Wo das nicht geht, weil es zum Beispiel um Bundesrecht geht, da werden wir versuchen, befristete Ausnahmeregelungen für die Modellregion zu schaffen. Es sind viele Vorschläge dabei, die sich hören lassen.

Auch Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der CDU, bedient sich dieser gesammelten Vorschläge. Das halte ich für ein gutes Zeichen, denn das schwierige Vorhaben „Deregulierung und Entbürokratisierung“ – ich glaube, das ist uns allen deutlich – hat nur eine Chance, wenn es sehr breit getragen wird. Nach meinem Eindruck ist das derzeit der Fall und ich finde gut, dass auch die Opposition dabei ist. Mir liegt auch sehr daran, im Schulterschluss mit dem Landtag zu bleiben, vor allem natürlich mit dem zuständigen Sonderausschuss.

Ich werde, wenn das hier gewünscht ist, in den Ausschüssen laufend berichten, wie die Regierung mit den

Maßnahmen vorankommt, die sie als Exekutive allein beschließen kann und allein beschließen muss. Und ich sage Ihnen zu, dass diejenigen Einzelmaßnahmen der Deregulierung und Entbürokratisierung, die als Gesetz beschlossen werden müssen, möglichst rasch Stück für Stück hier eingespeist werden.

Meine Damen und Herren, der Deregulierungszug ist mit Volldampf gestartet und befindet sich auf dem richtigen Gleis. Er wird nach dem Fahrplan, den wir am Dienstag beschließen werden, weiterfahren und sein Ziel erreichen. Ich bitte die Damen und Herren von der Opposition: Fahren Sie bei uns mit, versuchen Sie nicht, stattdessen uns mit einer Draisine vorauszufahren. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, und Rainer Prachtl, CDU)

Danke schön, Herr Minister.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der PDS die Abgeordnete Frau Schulz. Bitte schön, Frau Schulz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war wirklich nicht darauf gefasst, dass Herr Dr. Born in der Einbringungsrede so starken Bezug auf die sicher hinten ausgelegte Rede von mir nehmen wird. Umso spannender wird es jetzt für Sie sicher alle sein zuzuhören.

Ja, meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag der Fraktion der CDU erklärt Deregulierung zum Gebot der Stunde. Der Antrag versteht sich als Signal für eine Entbürokratisierungsoffensive.

(Andreas Petters, CDU: Ist er auch. Das hat Herr Born schon vorgelesen.)

Angesichts der Macht dieses Wortes kann einem dabei schon der Atem stocken oder rasch die Luft ausgehen.

Meine Damen und Herren, so wichtig dieses Thema ist, so notwendig scheinen mir zu diesem Thema eben auch einige kritische Bemerkungen:

Erstens. Deregulierung oder zu Deutsch das Aufheben regelnder Maßnahmen ist keinesfalls das Gebot irgendeiner Stunde. Allein die vorläufigen Vorschläge der Testregion Westmecklenburg – und da beziehe ich mich ausdrücklich auf sie und lehne sie nicht einfach so ab –, also 130 Seiten zum Abbau von Bürokratie, würden jedes Stundenmaß sprengen. Vorschriftenabbau und Rechtsvereinfachungen werden sich auch in Mecklenburg-Vorpommern nicht per Knopfdruck realisieren lassen. Ich denke, das hat unser Justizminister eben auch deutlich gemacht. Wir alle werden Deregulierung als fortlaufenden Prozess erkennen müssen, der als Daueraufgabe zu begreifen, zu gestalten und zu lösen ist.

(Rainer Prachtl, CDU: Mit vielen Beraterverträgen?)

Zweitens. Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag fordert eine Offensive, zu Deutsch: einen planmäßig vorbereiten Angriff. Dazu werden dann eher unplanmäßig, wenn ich den Antrag genau lese, tatsächliche oder vermeintliche Problemstellungen aneinander gereiht, um dann etwas hilflos auf die Landesregierung zu schauen. Mit dem Bericht der vom Justizminister eingesetzten Kommission „Deregulierung, Bürokratieabbau

und Verwaltungsvereinfachung“, der gestern der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, meine Damen und Herren,