Protokoll der Sitzung vom 28.01.2004

und Verwaltungsvereinfachung“, der gestern der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, meine Damen und Herren,

(Wolfgang Riemann, CDU: Es sind Absichts- vereinbarungen auf den Tisch gelegt worden.)

wurde ein positives Beispiel einer Reformoffensive auf den Tisch gelegt. Und damit befindet sich der vorliegende Antrag unversehens in der Defensive. Inhaltlich und formal ist er also eher weniger notwendig. Die Größe des Reformvorhabens sollte sich aber auch darin zeigen, oppositionelle Anregungen aufnehmen zu können. Das sage ich auch sehr deutlich. Insgesamt aber, meine Damen und Herren, sollten wir Deregulierung nicht doppelseitig regulieren wollen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Oder noch deutlicher ausgedrückt: Wir müssen uns davor hüten, die laufende Reform zur Entbürokratisierung mit Reformbürokratie zu ersticken.

Drittens. Meine Damen und Herren, der Ruf nach Abbau staatlicher Regelungen und Verbesserungen von Rechtsvorschriften ist in der öffentlichen Diskussion nicht zu überhören. Die Notwendigkeit von Änderungen wird unisono eingeräumt. Inzwischen scheinen einzelne Bundesländer in eine Art sportlichen Wettkampf eintreten zu wollen, wer wohl in welcher Zeit die meisten Regelungen aufhebt und wer die Standards am weitesten absenkt. Meine Damen und Herren, an einem derartigen Wettlauf sollten wir uns eher nicht beteiligen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Doch.)

Hinter der Ziellinie würde uns möglicherweise kein gestärkter, sondern ein schwächelnder Staat erwarten, nicht weniger Bürokratie, sondern lediglich eine neue.

(Wolfgang Riemann, CDU: Nee!)

Regelungen, die beispielsweise dem Datenschutz, der Gleichstellung oder auch demokratischer Mitwirkung dienen,

(Wolfgang Riemann, CDU: Wie vorhin beim Schulgesetz, Frau Schulz?)

könnten flugs als Tempo mindernder Ballast an den Streckenrand geworfen werden.

(Wolfgang Riemann, CDU: Wie vorhin beim Schulgesetz?)

Bleiben Sie ruhig, Herr Riemann!

(Wolfgang Riemann, CDU: Wie vorhin beim Schulgesetz? Einheit von Wort und Tat! – Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Und bei der Siegerehrung würde schon manche Trainingsjacke vergeblich gesucht.

Viertens. Meine Damen und Herren, wenn ich im Zusammenhang mit der von der CDU geforderten Entbürokratisierungsoffensive von der Macht des Wortes gesprochen habe, dann lassen Sie mich jetzt, um im Bilde zu bleiben, ein Wort zur Macht sagen, denn, meine Damen und Herren, der schillernde Begriff der Deregulierung ist nicht ambitioniert, also ehrgeizig, nein, Deregulierung ist durchaus ambivalent, also widersprüchlich beziehungsweise zwiespältig. Wer weniger Bürokratie verlangt, der muss sich primär auf die Optimierung von Arbeits- und Entscheidungsabläufen, auf Rationalitätsgewinn und Leistungssteigerung konzentrieren und hemmende Regelun

gen beseitigen. Wer hingegen Sozialdumping meint oder wem demokratische Entscheidungsabläufe hinderlich sind, der muss das auch so deutlich sagen und es nicht als Deregulierung verklausulieren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Genau in diesem Zusammenhang wird sich zeigen, dass Entbürokratisierung, Deregulierung, Vorschriftenabbau nicht allein abstrakte, formelle, technokratische oder rationalisierende Aspekte berühren, sondern durchaus konkrete inhaltliche und zutiefst politische Fragen aufwerfen.

Meine Damen und Herren, dieses Spannungsverhältnis der Entbürokratisierung versucht der vorliegende CDUAntrag etwas zu kaschieren, umrahmt von solchen Sympathieträgern wie schneller, freundlicher, einfacher, lockerer, aktueller wird unvermittelt Klartext gesprochen, der da heißt: Abschaffung des Bildungsfreistellungsgesetzes, der Verbandsklage des Naturschutzgesetzes, Verzicht auf das Tariftreuegesetz. Meine Damen und Herren von der Opposition, die Ablehnung dieser drei Gesetze will und kann ich Ihnen nicht vorwerfen. Das ist eine Positionierung der Opposition und Ihr gutes Recht als CDU, dies umso mehr, da es hierzu durchaus konträre Diskussionen und Standpunkte in unserem Bundesland gab und sicher auch weiter gibt. Diese Fragen wurden beziehungsweise werden politisch entschieden und politisch verantwortet, und zwar vor unseren Wählern. Diese drei Gesetze aber nun unter der Flagge der Entbürokratisierung schleifen zu wollen, ist daher aus unserer Sicht politisch nicht sehr mutig.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Tariftreue hat mit Bürokratie ebenso wenig zu tun wie der Amtsschimmel etwas mit Pferden zu tun hat.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Meine Damen und Herren, der vorliegende CDU-Antrag fordert unter anderem, die von der Projektgruppe „Testregion für Bürokratieabbau Westmecklenburg“ – und im Übrigen erinnere ich daran, dass das bereits eine Ausschussdrucksache im Sonderausschuss ist –,

(Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig!)

regionaler Projektträger ist die Industrie- und Handelskammer zu Schwerin, gemachten Vorschläge zügig zu verwirklichen. Die Zeit zur Prüfung der Vorschläge sollten wir uns aber wirklich nehmen. Bei einzelnen Vorschlägen, zum Beispiel Einsatz so genannter Behördenlotsen oder Einführung eines umfassenden Qualitätsmanagementkonzepts, sollten Kosten und bürokratischer Aufwand zumindest hinterfragt werden. Und im Zusammenhang mit überzogenen statistischen Berichtspflichten

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

sollten sich die beteiligten Akteure kritisch befragen, und zwar mit den Kammern und der öffentlichen Hand gleichermaßen. Der Streichung aller Personalstandards für die kommunale Ebene haben die hier im Landtag vertretenen Parteien, auch Sie, mit der Novellierung der Kommunalverfassung eine klare Absage erteilt. Bei anderen Vorschlägen der Projektgruppe Testregion werden weitere fachliche Abwägungen notwendig sein.

Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit dem Zwischenbericht zur Deregulierung titelte die SVZ am 2. September 2003 – und jetzt kommen wir zu den Frö

schen, auf die Sie gewartet haben – „Die Frösche und der Verwaltungssumpf“ und führte dazu Folgendes aus: „,Wenn man die Frösche befragt, wie man den Sumpf trockenlegen soll, kann man nicht allzuviel erwarten‘“. Und wenn nun Entbürokratisierung in Zusammenhang gebracht wird mit Wirtschaftsfreundlichkeit, dann ist das richtig. Eine ausschließliche beziehungsweise einseitige Definition von Entbürokratisierung als Wirtschaftsnähe käme letztlich aber dem Versuch gleich, den Storch mit der Zählung der Frösche zu beauftragen.

(Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Entbürokratisierung ja, zügig und mit Augenmaß. Ihren Antrag, liebe Kollegen von der CDU, lehnen wir ab.

(Harry Glawe, CDU: Nicht doch!)

Wohl aber wird sich der Sonderausschuss den Fragen der Deregulierung mittels Abschlussbericht konkret zuwenden und sich damit befassen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und Heinz Müller, SPD)

Danke schön, Frau Schulz.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Petters. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Herr Minister Sellering, ich möchte Ihnen erst einmal …

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU)

Ich möchte um ein bisschen Disziplin in der CDU-Fraktion bitten, damit ich meine Ausführungen hier schnell vortragen kann. Herr Ritter hat ja schon darum gebeten, dass wir das zügig machen. Leider kann man Redebeiträge nicht zu Protokoll geben, Herr Ritter, damit Sie schneller nach Hause kommen.

Ich wollte erst einmal Herrn Sellering dazu gratulieren, dass er überhaupt ein Ergebnis präsentieren konnte: die Deregulierungskommission.

(Wolfgang Riemann, CDU: Absichtserklärung.)

Ich weiß, wie schwer das ist, und Sie machten heute auch einen müden Eindruck, Herr Minister.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ach nö! Ach nö! – Heike Polzin, SPD: Ganz frisch sehen Sie auch nicht mehr aus. – Gabriele Schulz, PDS: Auweia! – Zuruf von Peter Ritter, PDS – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

Ich muss ganz klar sagen, umso mehr wird unser Antrag Sie darin bestärken, diese wichtige Aufgabe auch weiter anzupacken, denn es ist noch niemals der erste Schritt bei diesem Thema gemacht worden. Und wenn ich zur Kenntnis nehmen muss, dass Sie eine Stabsstelle einrichten im Justizministerium und – wie wir das ja wissen, und ich weiß, dass Juristen im Allgemeinen alles können – dass dort ein Richter diese Stelle führt, dann möchte ich eigentlich nur auf die Reformbestrebungen anderer Bundesländer hinweisen. Dort setzt man zum Beispiel eine Stabsstelle in eine Staatskanzlei

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU: Richtig. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

und besetzt diese mit einem Exmanager von BASF. Das sind Leute, die ganz klar und unbefangen einmal schauen können, was hier zu tun ist und was nicht zu tun ist. Deswegen bitte ich Sie, das noch einmal zu überlegen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Dann lassen wir es lieber beim Justizminister!)

Frau Schulz, ich möchte auch noch ein Wort zu Ihnen sagen. Ihr Redebeitrag, den wir vorher lesen konnten, Sie haben ihn ja wortwörtlich vorgelesen, zeigt aus meiner Sicht, dass Sie vielleicht sehr häufig einen Besuch in einer Kommune, in einem Landratsamt gemacht haben, der aber nicht lange gedauert hat.