Protokoll der Sitzung vom 15.09.2004

Die CDU-Fraktion hat sich die Freiheit erlaubt, nach einem Jahr einen Antrag in den Landtag einzubringen und zu fragen: Was ist denn mit der Richtlinie? Wenn Sie sich einmal an die Dinge erinnern wollen, die in besonderer Weise auch durch die Koalitionäre diskutiert worden sind, da ist die Frage nach der Beschäftigungsförderung 1:25.000 oder 1:30.000, also eine Stelle auf 30.000 oder auf 25.000 Einwohner. Die wurde in besonderer Weise durch die Koalitionäre in die Debatte eingespielt.

Das Entscheidende, und zwar das, was Sie hier sozusagen als Erfolg feiern, konnten Sie beim letzten Mal im Ausschuss noch nicht beantworten. Da habe ich Sie nämlich gefragt, wie es aussieht und warum zurzeit in Ihrem Ministerium die Abteilung allgemeine Beratungsabteilung und Fachabteilungen zusammengelegt werden. Hat es einen Grund? Da haben Sie gesagt, darauf antworte ich nicht.

(Ministerin Dr. Marianne Linke: Was?)

Das war also der klare Hinweis. Eine neue Richtlinie müssen Sie auch in den Landkreisen und kreisfreien Städten abstimmen und sicherlich auch mit den Schuldnerberatungsstellen. Es gibt sehr viele Trägerschaften. Sie sprachen von 32 anerkannten Stellen. Das ist korrekt und davon sind, glaube ich, die Hälfte beim Arbeitslosenverband angesiedelt.

Jetzt sind wir beim Problem, nämlich bei der Frage: Wie gestalte ich die Förderrichtlinie aus? Nach dem alten Modell zahlt das Land 45 Prozent der Anteile, zahlen die Landkreise 45 Prozent der Anteile und dann sind wir auf der Suche, wer bezahlt den Rest, also die restlichen 10 Prozent. Das sind immerhin Sach- und Personalkosten. Da kommen auch erhebliche Mittel zusammen.

Es gibt ein Beispiel, das möchte ich Ihnen anonymisiert vortragen. Die Schuldnerberatungsstellen in zwei Städten im Kreis Nordvorpommern haben Finanzprobleme. Insbesondere der Flächenfaktor ist schon immer durch den Landkreis Nordvorpommern zusätzlich finanziert worden, also die besonderen Aufwendungen mit etwa fünf Prozent zusätzlich zu den vereinbarten Kosten. Mittlerweile fallen aber Kosten bis zu 15.000 Euro zusätzlich an.

Wenn das jetzt die Fragen sind, die Sie intern in Ihrer Richtlinie regeln wollen, dann sage ich, machen Sie das. Dann hätten wir eine Soll-Aufgabe und damit eine MussAufgabe, dann wäre das klar. Das, was zurzeit abläuft unter der Decke in den Landkreisen, ist, dass man aus freiwilligen Leistungen für andere allgemeine Beratungsstellen und andere Sozialverbände und -vereine Gelder herausnimmt, um die Schuldnerberatung am Leben zu erhalten. Das ist die praktische Wahrheit. Deswegen wäre es ganz gut, wenn Sie in dieser Frage dann vielleicht zum 01.01. nächsten Jahres zu einer Lösung kommen. Insofern, denke ich, ist das schon ganz in Ordnung.

Aber das, was Sie nicht gebracht haben, war eben, rechtzeitig den Landtag zu informieren, wie es aussieht mit Ihrer Entscheidung, wie weit die Landesregierung mit den Dingen ist. Deswegen haben wir weiterhin darauf bestanden, dass es eine Missbilligung geben muss, denn der Herr des Verfahrens ist der Gesetzgeber, der Landtag. Und wenn der Gesetzgeber in den Haushalt hineinschreibt, was er von Ihnen erwartet, dann erwarten wir auch, dass Sie dazu Position beziehen. Sie können es uns nicht übel nehmen, Frau Ministerin, dass die CDU der Sache nachgeht, während die Regierungsparteien das für nicht so wichtig erachten. Aber die praktischen Wirkungen im Land, die erleben Sie jeden Tag, die erleben Sie in Ihrem Ministerium. Sie kennen die Probleme und Sie kennen auch die Finanzprobleme des Arbeitslosenverbandes in dieser Frage. Deswegen noch einmal an Sie gewandt: Es geht im Prinzip nicht gegen Sie, es geht darum, dass man die Dinge hier im Hohen Hause auch beleuchten darf. Deswegen haben wir auch die ganze Thematik im Sozialausschuss noch einmal hochkant gestellt.

Die Fragen, die insgesamt noch weiter zu betrachten sind, sind in der allgemeinen Beratung. Da geht es um Drogen und Sucht und andere Probleme. All die Dinge muss man sich anschauen. Nur, wenn Sie das so machen, wie Sie es zurzeit handhaben, die Opposition immer so ein bisschen für fachlich inkompetent hinstellen oder störend, da werden wir uns weiter melden, da können Sie ganz sicher sein und dafür stehe ich auch mit all meinem Gewicht.

(Gabriele Schulz, PDS: Hört, hört!)

Das verspreche ich Ihnen, Frau Ministerin, dass wir da am Thema dranbleiben. Unseren Antrag halten wir natürlich aufrecht.

(Torsten Koplin, PDS: Wer hat denn gesagt, dass Sie fachlich inkompetent sind?)

Leider sind wir im Sozialausschuss überstimmt worden.

(Torsten Koplin, PDS: Wir sind nur unterschiedlicher Auffassung, das heißt doch nicht, dass Sie inkompetent sind.)

Ja, Herr Kollege Koplin, leider sind wir überstimmt worden, weil es einfach nicht sein kann, dass die Regierung sich sozusagen vor der Arbeit drückt

(Torsten Koplin, PDS: Hat sie doch nicht.)

und vor Auskünften drückt.

(Torsten Koplin, PDS: Hat sie doch nicht. – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Und das geht nicht. – Danke schön.

(Beifall Renate Holznagel, CDU, und Andreas Petters, CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Glawe.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Heydorn von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, aber hier in dem Fall sind wir erst mal für aufschieben, da gehen wir pragmatisch ran. Für uns ist wichtig, dass die Schuldnerberatungsstellen des Landes Mecklenburg-Vorpommern jetzt zunächst einmal an ihr Geld kommen. Und an ihr Geld kommen heißt, man braucht eine gültige Förderrichtlinie.

Und wir brauchen grünes Licht für diese Förderrichtlinie, das heißt also, dass wir auf der einen Seite erst mal den CDU-Antrag ablehnen müssen und auf der anderen Seite von unserem Beschluss, den wir hier mal gefasst haben, ein Stück zurücktreten. Die Annahmen, die wir damals getroffen haben, die sind ja nach wie vor nicht so falsch, wie damals schon vermutet. Das heißt, wenn ich also bei der Frage, wie viel Schuldnerberater brauche ich, mich allein auf die Bevölkerungszahl kapriziere, dann ist es schon ein Unterschied, ob ich einen Schuldnerberater auf 25.000 Einwohner in Schwerin habe, ob ich den in Rostock habe oder ich gehe damit in die Fläche. Was ich damit sagen will, ist, wenn ich damit in die Fläche gehe, sind die Wege, die die Leute zurückzulegen haben, ungleich größer.

Das Gleiche gilt für unsere Annahme, dass da, wo die Verhältnisse eher sozial schlechter sind in unserem Land,

der Bedarf an Schuldnerberatung größer ist als in den Bereichen, wo es wirtschaftlich und sozial stabiler ist, also eher im Bereich von Westmecklenburg. Das Problem für uns ist nur, wir konnten diese Annahmen nicht verifizieren, sie waren für uns nicht verifizierbar. Wir haben im Rahmen unseres Arbeitskreises dazu Befragungen und Anhörungen durchgeführt und es konnte nicht so bestätigt werden, es gab dafür keine signifikanten Hinweise. An dem Thema muss man weiter dranbleiben.

Auch das Thema zehnprozentige Eigenbeteiligung der Schuldnerberatungsstellen ist natürlich ein schwieriger Aspekt. Wenn man sich ansieht, was für ein Klientel diese Beratungsstellen teilweise aufsucht, da wird es problematisch, wenn man sagt, jetzt verlange ich von denen noch in irgendeiner Form eine Eigenbeteiligung, damit der Träger der Einrichtung die zehn Prozent aufbringen kann.

Aber hier ging ja die Diskussion so ein Stück weit ins Grundsätzliche. Ich denke, Herr Glawe, wir sind uns alle darüber einig, dass für das Thema Beratung im weitesten Sinne nur in einem bestimmten Umfang Mittel zur Verfügung stehen. Es stehen nur im bestimmten Umfang Mittel zur Verfügung und wir werden mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht sämtliche Beratungsangebote ausfinanzieren können. Das heißt, wenn wir uns in irgendeiner Form dazu verständigen, dann muss man zu Abwägungsprozessen kommen. Man muss letztendlich sich die Fragen stellen: Was will ich? Was halte ich für besonders wichtig? Von welchem Beratungsangebot geht der größte soziale und/oder wirtschaftliche Nutzen aus? Und das muss im Ergebnis letztendlich zur Entscheidung führen.

(Harry Glawe, CDU: Das ist geregelt. Das sind Soll-Aufgaben. Das muss ich erfüllen.)

Das Thema ist einfach, dass die Mittel nicht beliebig vermehrbar sind. Wir haben nur ein gewisses Finanzbudget zur Verfügung und im Rahmen dieses Budgets müssen wir uns bewegen.

Ich kann Ihnen sagen, dass für die SPD-Fraktion das Thema Schuldnerberatung schon ein Schwerpunktthema ist. Wenn man sich die Verschuldungssituation, dazu hat der Kollege Koplin ein paar Sätze gesagt, wenn man sich die Verschuldungssituation in Mecklenburg-Vorpommern ansieht, dann sind wir schon bei einer erheblichen ProKopf-Verschuldung. Und man muss sich mal die Frage stellen, was passiert denn, wenn man das Thema Schuldnerberatung lässt. Es gibt ja Bundesländer, die das machen. Das Bundesland Hessen beispielsweise fördert keine Schuldnerberatungsstellen mehr. Da laufen die Leute gleich zu den Rechtsanwälten, die holen ihre Prozesskostenhilfeanträge aus der Schublade und dann tobt sich die ganze Geschichte in einem Justizhaushalt aus. Das wollen wir nicht. Deswegen sind wir schon der Meinung, das Thema Schuldnerberatung ist ein Schwerpunkt. Wir wollen jetzt zu einer verbindlichen Richtlinie kommen, um einfach schnell die Situation herzustellen, dass die Beratungsstellen an ihr Geld kommen.

(Harry Glawe, CDU: Es gibt ja einige Richtlinien.)

Und da muss man im weiteren Verfahren sehen, wo man hier qualifizierend etwas verbessern kann.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Und ansonsten würde ich Sie bitten, der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses zu folgen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Vielen Dank, Herr Heydorn.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete der PDS-Fraktion Herr Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte die Position der PDSFraktion hier noch einmal darlegen. Ich schließe nahtlos an an die Ausführungen von Herrn Kollegen Heydorn, dem ich also uneingeschränkt zustimmen möchte. Ich möchte aber doch noch mal darauf verweisen, dass die Arbeit der Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung einer Sisyphusarbeit gleicht, denn Schulden gehören so untrennbar zum Leben in der Gesellschaft wie die Nässe zum Regen. Und insofern ist es uns schon seitens der PDS-Fraktion ein Bedürfnis zu sagen, danke für die Arbeit, die in den Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatungsstellen geleistet wird, danke, dass die Menschen, die dort tätig sind, wiederum Menschen, die in Not gekommen sind, tagtäglich auffangen.

Der Hauptgegenstand der Arbeit dieser Beratungsstellen besteht in der Überschuldung und für die Überschuldungssituation gibt es zwei Kriterien. Das eine Kriterium ist, wenn nach Abzug der notwendigen Lebenshaltungskosten der verbleibende Einkommensrest nicht mehr ausreicht, um die eingegangenen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können, und wenn der oder die Überschuldete sowohl ökonomisch als auch psychosozial destabilisiert ist.

Nach Einschätzung der LAG-Schuldnerberatung sind in Mecklenburg-Vorpommern mehr als 110.000 Haushalte von Überschuldung betroffen. Die Beratungsstellen betreuen zurzeit knapp 17.000 Fälle. Markant an der gegenwärtigen Entwicklung ist, dass das normale Leben mehr und mehr zur Schuldenfalle wird. Verteuerung von Tarifen für Bus und Bahnen, Erhöhung von Kraft- und Heizstoffen führen zunehmend zur Vernachlässigung von laufenden Zahlungsverpflichtungen. Die so genannte Gesundheitsreform beschleunigt diesen Trend, denn im ersten Halbjahr 2004 haben die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes...

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Herr Glawe, Sie waren bei der Veranstaltung mit dabei, als vor dem Serrahner Workshop der Apothekerverband die Zahlen für das erste Halbjahr 2004 dargestellt hat. Dort hat Herr Dr. Weiß gesagt, 15,1 Millionen Euro haben die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes mehr zahlen müssen als im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres bei der Zuzahlung für Rezepte. Die durchschnittliche Zuzahlung in Mecklenburg-Vorpommern ist von 2,57 Euro auf 6 Euro pro Rezept gestiegen. 17 Millionen Euro sind mehr ausgegeben worden für rezeptfreie Arzneimittel, die vordem im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung enthalten waren, und 16 Millionen Euro für die Praxisgebühr. All das, obwohl die betroffenen Personen für die GKV in nahezu unveränderter Höhe einzahlen, und all das neben den bestehenden Zahlungsverpflichtungen.

Aus einer solchen Situation entwickelt sich eine Schwerpunktverlagerung der Arbeit der Beratungsstellen. Aus meiner Sicht wird es zukünftig weniger um Insolvenzberatung in diesen Beratungsstellen gehen, dafür jedoch mehr um Budgetberatung und Präventionsarbeit. Unter

Budgetberatung ist aus meiner Sicht Beratung zu verstehen, wie denn Menschen mit nur 331 Euro klarkommen sollen.

Ich habe Herrn Mohr heute sehr wohl verstanden. Ich schätze Sie sehr, auch in Ihrer Argumentation, nur ich teile sie nicht. Einige halten eine solche Betrachtung für unredlich und Angstmacherei, denn es gebe mehr als 331 Euro für die Betroffenen, gilt es doch, Miet- und Heizkostenzuschüsse zu betrachten und die so genannte Mehraufwandsentschädigung von 1 Euro pro Stunde, so dass man rasch, so sagt es der Bundesminister, auf 1.000 Euro kommen würde. Es ist jedoch festzustellen, dass Miet- und Heizkosten zweckgebunden sind, das heißt, sie sind nicht frei disponibel im Sinne der Haushaltsführung, und dass, wer auf 1.000 Euro insgesamt kommen will – ich habe das mal nachgerechnet, weil es da einige Verrechnungsfragen zu berücksichtigen gibt –, wöchentlich 91 Stunden auf der 1-Euro-Basis arbeiten müsste. Und es bleiben insofern 331 Euro plus gegebenenfalls 165 Euro Mehraufwand für Essen, Trinken, Gesundheitskosten, Kraftstoffe, Reparaturen, Kino, Literatur, Versicherungskosten, Fahrkosten und zu allem auch noch Rücklagen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Präventionsarbeit ist zukünftig nicht nur sozialpolitisch durch Beratungsleistungen zu erbringen, sondern auch wirtschaftspolitisch. Ich fordere die Kreditwirtschaft auf, mit einem Prozent der Zinserträge aus ausgelegten Krediten die Schuldnerprävention im Land Mecklenburg-Vorpommern zu bezuschussen. Dies ist letztlich im Interesse der Kreditinstitute selbst. Des Weiteren bedarf es bildungs- und ordnungspolitischer aber auch medienpolitischer Prävention.

Sehr geehrte Damen und Herren, die PDS-Fraktion stimmt der Empfehlung des Sozialausschusses zu. Wir wollen grünes Licht für die Förderung der Schuldnerberatung in Mecklenburg-Vorpommern. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Herr Koplin.

Ums Wort hat jetzt noch einmal gebeten der Abgeordnete Herr Glawe von der CDU-Fraktion.