Vor fast 60 Jahren wurde Deutschland von der Herrschaft der Nationalsozialisten befreit. Leider wurde nationalsozialistisches Gedankengut aber nicht ein für alle Mal beseitigt. Schlimmer noch, rechtsextremistisches Gedankengut scheint wieder mehr und mehr gesellschaftsfähig zu werden. Das haben zuletzt die Wahlen in Sachsen und Brandenburg deutlich gemacht. Und das ist vielleicht nur die Spitze eines Eisberges. Zwar ist auf der einen Seite das Problembewusstsein in der Gesellschaft, gerade auch in Ostdeutschland, deutlich gewachsen. Die Landesregierung mit der Landeszentrale für politische Bildung unterstützt vielfältige Projekte zur Aufklärung über Rechts, zur Vermittlung politischer und historischer Kenntnisse und zur Stärkung der demokratischen Kultur. Im Programm zur „Kriminalprävention“, im Handlungsrahmen „Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken“ oder im Sonderprogramm „Pro Zivilcourage – gegen Extremismus“ hat die Landesregierung zahlreiche Handlungsansätze gegen Rechtsextremismus entwickelt und gezielte Maßnahmen ergriffen.
Die Polizei des Landes hat sich unter anderem durch die Einrichtung eines Analysen- und Beraterteams sowie die mobilen Einsatzgruppen MAEX auf die Bekämpfung rechtsextremistisch motivierter Straftaten eingestellt. Viele hundert Bürgerinnen und Bürger bei uns in Mecklenburg-Vorpommern engagieren sich in Initiativen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt. Ich glaube, sie können etwas bewirken. Das zeigt zum Beispiel die Hansestadt Rostock, denn dort sind die offenkundigen Aktivitäten der Rechten weiter rückläufig.
Auf der anderen Seite – und das ist es, was mich in der letzten Zeit vor allem beunruhigt – bewegen sich rechtsextreme Parteien und so genannte Kameradschaften schleichend in die Mitte der Gesellschaft. Ein Grund ist wohl in der neuen Taktik der Rechten zu suchen. Sie wollen gesellschaftsfähig werden und – so bitter es ist – sie haben damit Erfolg. Sie veranstalten Kinderfeste, Liederabende in Altenheimen und gestalten Schülerzeitungen. Neonazis in Nadelstreifen versprechen Arbeitsplätze und starten Unterschriftenaktionen mit scheinbar unverfänglichen Titeln, wie zum Beispiel die Bürgerinitiative „Schö
ner und sicherer wohnen in Ueckermünde“. Dass es in Wahrheit um eine Aktion gegen ein Asylbewerberwohnheim ging, offenbart die versteckte Gefährlichkeit der Extremisten. Durch ihr populistisches Auftreten verändert die Rechte ihr Gesicht, ihr Wesen, meine Damen und Herren, ändert sie nicht.
Deshalb warne ich dringend davor, dass rechtsextremistisches Gedankengut verharmlost wird, dass es Neonazis gelingt, gesellschaftliche und kommunale Themen zu bestimmen. Es ist auch kein gutes Zeichen, wenn dem Auftreten rechter Gruppierungen zunehmend gleichgültig begegnet wird. Es ist auch erschreckend, dass rechte Politiker bei Abstimmungen Unterstützung von anderen Parteien erhalten. Wer derlei als Politiker oder als Wähler in Kauf nimmt, öffnet Brandstiftern Tür und Tor! Demokraten müssen gegen Rechtsextremisten zusammenhalten!
Rechtsextremisten sind eine Gefahr für die Demokratie. Die Erfolge der Rechtsextremen sind selten das Ergebnis von brillanten Strategen. Sie sind in erster Linie Indikatoren für gesellschaftliche Defizite.
Seit einiger Zeit beobachten wir zunehmend, dass der Vertrauensverlust in die Mechanismen und Institutionen der Demokratie immer breitere Schichten erfasst. Dass diejenigen mit der kürzesten Demokratieerfahrung dafür anfälliger sind, verwundert nicht. Anders als im Westen der Wirtschaftswunderjahre erscheint für viele Ostdeutsche die Demokratie als Zuschussgeschäft. Sie haben das Gefühl, mehr zu verlieren als zu gewinnen, und das wird schnell der Demokratie und ihren Institutionen angelastet. Welchen Wert die Demokratie darstellt, dass sie Teilhabe an politischer Macht, ein friedliches und respektvolles Miteinander, Interessenausgleich, Chancengleichheit und ein Leben in Freiheit ermöglicht, und das alles auch in ökonomisch schwierigen Zeiten, das ist vielen immer noch nicht bewusst genug. Doch wer den Sinn, die Regeln und Zusammenhänge einer demokratisch verfassten Gesellschaft nicht kennt, der wird leichter anfällig für populistische Vereinfacher, die – wenn auch ziemlich abstruse – Erklärungszusammenhänge bieten, für all die Dinge, die so schwer zu verstehen sind von der Globalisierung bis Hartz IV.
Deshalb müssen wir die Inhalte und Werte der Demokratie immer wieder neu ins Bewusstsein der Menschen rücken und unsere Politik erklären! Wieder und wieder, wenn es sein muss! Die etablierten Parteien dürfen das Feld nicht den Radikalen überlassen. Natürlich hängt die Wertschätzung der Demokratie in der Bevölkerung zu einem guten Teil auch von der Glaubwürdigkeit der politisch Handelnden ab. Glaubwürdig ist, wer sagt, was er tut, und tut, was er sagt. Das sollten wir im politischen Alltag beherzigen!
Meine Damen und Herren, Rechtsextremisten sind eine Gefahr für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Sie säen Neid, Hass, Verachtung und rassistischen Dünkel. Sie instrumentalisieren und schüren Ängste vor realer oder vermeintlicher Ausgrenzung von der Gesellschaft und ihrem Wohlstand. Das Gefühl, zu kurz zu kommen, verbunden mit einer Rückwendung hin zur vermeintlich heilen DDR-Idylle, verstärkt die Abwendung von der Gesellschaft. Statt in Ostalgie zu schwelgen, ist eine ehrliche Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit notwendig.
Und die Wahrheit ist: Die DDR war eine Diktatur! Der Staat traute seien eigenen Bürgern nicht, errichtete Mauer und Stacheldraht. Und zuletzt war das DDR-System völlig marode und am Ende.
Meine Damen und Herren, im politischen Alltag und Handeln müssen wir alle darauf achten, dass Maßnahmen, die Vorurteile bestätigen, vermieden werden! Gesellschaftliche Auseinandersetzungen dürfen nicht ausgrenzend, sondern müssen sachlich und zivil geführt werden! Aktionen wie Unterschriftenlisten gegen den EU-Beitritt der Türkei sind, glaube ich, eine Steilvorlage für rechte Rattenfänger,
aber auch Montagsdemonstrationen, die militante Neonazikameradschaften und NPD-Funktionäre mitlaufen lassen mit dem Argument: Wir wollen niemanden ausschließen, solange er gegen Hartz IV und nicht verboten ist.
Hier ist mehr Verantwortungsbewusstsein aller politischen Akteure dringend notwendig. Soziale Probleme verstärken die Anfälligkeit für rechte Propaganda. Aber wir wissen alle, Populisten haben auf alles eine Antwort, aber für nichts eine Lösung. Deshalb setzen wir alles daran, Arbeit, Perspektiven und Wohlstand für die Menschen in unserem Land zu schaffen. Internationale Zusammenarbeit spielt dabei eine Schlüsselrolle. Wir werben um internationale Investoren, die hier Arbeitsplätze schaffen. Wir fördern die internationale Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung und wir profitieren davon, zum Beispiel in der Biotechnologie. Wir freuen uns über ausländische Studenten und Wissenschaftler an unseren Hochschulen und wir wollen, dass sich ausländische Urlaubsgäste bei uns wohl und sicher fühlen. Und das, meine Damen und Herren, lassen wir uns durch Rassismus und Ausländerfeindlichkeit nicht zerstören!
Rechtsextremisten schaden der Wirtschaft, schaden dem Ansehen des Landes und schaden den Menschen, die gerne in Mecklenburg-Vorpommern leben. Und das werden wir nicht zulassen!
Weltoffenheit und Toleranz entscheiden heute mehr denn je über die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Und deshalb werden wir allen Formen von Rechtsextremismus, Rassismus und Aggression entschieden entgegentreten. Dazu brauchen wir ein breites gesellschaftliches Engagement. Denn nur gemeinsam werden wir ein Klima der Toleranz, des Respekts und der Offenheit erzeugen können, in dem menschenverachtender Ideologie der Nährboden entzogen wird.
Deshalb rufe ich alle gesellschaftlichen Kräfte, alle Bürgerinnen und Bürger unseres Landes auf, sich gemeinsam an der Vorbereitung und würdigen Feier des 60. Jahrestages der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Be
endigung des Zweiten Weltkriegs zu beteiligen! Die Würdigung dieses Anlasses ist der Schwerpunkt der Arbeit in der Landeszentrale für politische Bildung im kommenden Jahr. Geplant sind unter anderem ein großer Schülerwettbewerb und eine Dokumentation mit Erlebnisberichten in Zusammenarbeit mit dem NDR. Darüber hinaus ist die Landeszentrale dabei, Ideen und Projekte unterschiedlichster Träger zu sammeln und zu sondieren. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete, Ihre Kontakte und Möglichkeiten zu nutzen, um die Vorbereitung dieses Gedenktages zu unterstützen! Gedenktage sind wichtig. Ebenso wichtig aber ist, dass jeder Einzelne von uns immer wieder deutlich macht: Wir werden weder Rassismus noch Ausgrenzung hinnehmen, sondern überall und immer mit all unseren Möglichkeiten bekämpfen! Gemeinsam wollen wir ein Zeichen setzen gegen Gleichgültigkeit sowie für ein respektvolles und tolerantes Zusammenleben! – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Der vorliegende Antrag zeigt, dass das Ende des Zweiten Weltkrieges, mit dem Europa und Deutschland von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft befreit wurden, ein dauerhaftes Thema für uns Deutsche im Umgang mit unserer Geschichte und der sich daraus ergebenden Verantwortung ist.
Fraglos: Auch der 60. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges wird für uns alle Anlass sein, innezuhalten, innezuhalten im Gedenken an einen Tag, der die tragischste und fragwürdigste Paradoxie unserer Geschichte darstellt. „Weil wir erlöst und vernichtet in einem gewesen sind“. So brachte es Theodor Heuss, der ehemalige Bundespräsident, einst auf den Punkt. Wir halten inne im Gedenken an die Opfer in unseren eigenen Familien und den Familien unserer Landsleute, an die unendlichen Opfer, die vor allem das jüdische und russische Volk bringen mussten, im Gedenken an die Opfer in den von Krieg und Gewaltherrschaft überzogenen Staaten und Völkern. Wir gedenken aber ebenso der unzähligen Opfer und des unsagbaren Leids, das für viele erst mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges begann und, meine Damen und Herren, für die der 8. Mai kein Tag der Befreiung war. Wir gedenken den aus ihrer Heimat Vertriebenen, den auf Flüchtlingstrecks verhungerten, erfrorenen und den zerbombten Kindern, Frauen und Männern, die nicht nur ihre Heimat verloren haben.
Meine Damen und Herren, an dieser Stelle ein sehr persönliches Wort. Man Vater stammt aus Ostpreußen und meine Mutter aus dem Sudetenland. Mir haben sie erzählt, dass meine Mutter als 15-Jährige im August 1945 raus musste und mein Vater sich als 15-Jähriger alleine von Ostpreußen bis nach Berlin durchschlagen musste. Sie haben mir einmal eins gesagt: Dies darfst du in der Schule aber nicht erzählen. Das war nicht erwünscht bis 1989, nicht nur nicht erwünscht, sondern das konnte einem Kopf und Kragen kosten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kopf und Kragen in der Schule, ich meine das bildlich, sinnbildlich gesprochen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir gedenken all denen, die nach dem Ende des Krieges in Gefangenschaft und in Konzentrationslager gezwungen wurden, all denen, die als Opfer von Gewalt und Vergewaltigung mit Leib und Seele Buße tun mussten, und zwar für ein faschistisches System und dessen Verbrechen, die sie nicht zu verantworten hatten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mir hat hier, wenn wir über Gedenkstätten reden, Fünfeichen gefehlt,
mir hat hier Buchenwald gefehlt, und zwar nach 1945, und mir haben hier auch Bautzen und Waldeck gefehlt. Dieses alles hat mir gefehlt, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Übrigens, Herr Kollege Ritter, all dieses fehlt auch im Antrag, der im Bundestag verabschiedet worden ist. Und wenn Sie sich die Debatten zu diesem Antrag mit Blick auf den 60. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges angucken, dann sage ich Ihnen, die Union hat sich bemüht, dies mit hineinzubringen.
Dies ist nicht gewollt gewesen. Und insoweit, denke ich, sollte sie, wenn sie sich auf den Antrag des Deutschen Bundestages bezieht, das insgesamt so sehen.
Meine Damen und Herren, mit der bedingungslosen Kapitulation endete am 8. Mai 1945 das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte. Die damals und auch heute noch gestellten Fragen nach dem wie konntet ihr das zulassen, warum habt ihr nichts getan, und das nach dem Ende des Krieges von vielen reklamierte Nichtwissenkönnen über die Dimension des Schreckens und der Gewalt, trotz der warnenden Stimmen oder zumindest kursierenden Informationen und Gerüchte,
sind genauso wie die Trauer um die Opfer Bestandteil der schmerzhaften Auseinandersetzung, die wir zu führen haben und führen. Wir führen diese Auseinandersetzung genauso, wie wir darauf verweisen müssen, dass für einen Teil des deutschen Volkes 1945 die Zeit der Diktatur noch nicht vorbei war und weitere 40 Jahre totalitärer Herrschaft erduldet werden mussten.
Herr Ministerpräsident, weite Teile Ihrer, ich will sagen, Regierungserklärung hatten mit dem Antrag nicht viel oder gar nichts zu tun. Ich darf Ihnen aber an dieser Stelle die Frage stellen: Warum hat die Landeszentrale für politische Bildung im Jahr 2003, als sich zum 50. Mal der Tag der Wiederkehr des 17. Juni 1953 jährte, nicht das gleiche Engagement an den Tag gelegt, was Sie für das kommende Jahr, für die kommenden Monate mit Blick auf den 8. Mai 2005 hier eben angekündigt haben?
Ich finde das positiv, was Sie angekündigt haben. Aber die Frage muss gestattet sein, wenn ich Geschichte nicht nur einseitig sehen will, dann hätte auch der 17. Juni 1953
in gleicher Art und Weise in den Blickwinkel der Aktivitäten der Landeszentrale für politische Bildung gehört.
Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Frage stelle ich an die Sozialdemokratische Partei Deutschlands: Warum haben Sie nicht am 17. Juni 2003 wie die CDU dieses Tages gedacht in einer offiziellen Veranstaltung?
(Siegfried Friese, SPD: Haben wir doch. – Hans-Heinrich Jarchow, SPD: Wir waren im Theater. – Bodo Krumbholz, SPD: Ich bin sogar extra hierher gefahren.)