Protokoll der Sitzung vom 09.03.2005

Ein Letztes. Wirtschaft, meine Damen und Herren, und jeder kleine Handwerker, der Aufträge bekommt, weiß das, Wirtschaft heißt natürlich in erster Linie Privatwirtschaft, Wirtschaft heißt aber auch Stadtwerke, Wirtschaft heißt auch kommunale Unternehmen. Auch kommunale Unternehmen müssen zukünftig ihren Platz in unserem Wirtschaftsleben haben. Wir werden ihre Bedingungen nicht kaputtmachen, sondern wir werden an den Punkten, an denen es notwendig ist, die Bedingungen für kommunale Wirtschaft erhalten und verbessern.

Lassen Sie mich auf einige Einzelpunkte des Gesetzentwurfes eingehen, ohne dass ich hier in die Tiefe gehen will. Wir haben uns bei einigen Punkten, und das entspricht der politischen Linie aller Fraktionen, um Deregu

lierung bemüht. Wir haben also bestimmte Dinge hier schlicht und ergreifend einfacher gemacht. Wir haben insbesondere dafür gesorgt, dass kleine Kalkulationsfehler, die in der Praxis immer wieder vorkommen, nicht zur Nichtigkeit ganzer Satzungen führen, sondern dass es hier Nachbesserungsmöglichkeiten gibt.

Zum Thema Jagdsteuer haben meine Vorredner schon etwas gesagt, dazu sage ich jetzt gar nichts mehr.

(Minister Dr. Till Backhaus: Dazu sage ich dann noch was.)

Das Thema Fremdenverkehrsabgabe erscheint mir allerdings noch erwähnenswert. Wir haben die Einsatzmöglichkeiten der Mittel aus der Fremdenverkehrsabgabe erweitert, auch das ist ein Stück Erweiterung kommunaler Selbstverwaltung. Bei den Kleingärten hat Dr. Jäger schon auf das Thema Zweitwohnsitzsteuer hingewiesen. Ich bin ein Anhänger der Zweitwohnsitzsteuer. Wenn jemand in Berlin sein Geld verdient und in Berlin seinen Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer in die Kasse der Gemeinde Berlin zahlt, dann ist das okay, aber wenn der an der Müritz dann seinen Zweitwohnsitz hat und dort drei Tage in der Woche lebt, dann möge er bitte für die Gemeinde an der Müritz auch etwas für deren öffentliche Kasse tun. Das ist Sinn der Zweitwohnsitzsteuer! Aber es ist nicht im Sinne der Zweitwohnsitzsteuer, demjenigen, der dort eine Hütte und ein paar Quadratmeter Land hat, auf dem er ein paar Blumen und ein paar Kartoffeln anbaut, noch mehr Geld aus der Tasche zu ziehen. Deswegen für Kleingärten Nein.

(Angelika Peters, SPD: Sehr richtig, Herr Müller.)

Darüber hinaus möchte ich auch noch das Thema Beiträge für Kleingärten ansprechen. Wir haben auch hier unsere Wertschätzung für das Kleingartenwesen durchaus zum Ausdruck gebracht, indem wir gesagt haben, auf diese Beiträge kann verzichtet werden, die werden gestundet. Wir haben außerdem, auch das ist aus meiner Sicht ein wesentlicher Aspekt, weil es in den ländlichen Räumen eine große Rolle spielt, Regelungen für so genannte übergroße Grundstücke ermöglicht, um zu verhindern, dass Leute, die aus welchen Gründen auch immer in den Besitz eines solchen übergroßen Grundstücks gekommen sind, durch Gebühren und Beiträge stranguliert werden. Hier vermeiden wir soziale Ungerechtigkeit.

Im Bereich der Gebühren ist auf das Thema degressive Bemessung schon hingewiesen worden, das ist für mich ein klassisches Stück, wo wir ein wirtschaftsförderndes, ein wirtschaftsfreundliches Abgabenrecht schaffen. Wir haben festgelegt, und das führt tendenziell zur Senkung von Gebühren oder zumindest zur Begrenzung von Gebührenanstieg, dass beitragsfinanzierte Anlagenteile nicht mehr in die Berechnung der Abschreibungen mit einbezogen werden. Wir haben bei zuschussfinanzierten Anlageteilen und bei der Eigenkapitalverzinsung eine Wahlmöglichkeit der entsorgungspflichtigen Körperschaft. Auch das stärkt kommunale Selbstverwaltung.

Wir haben uns – und das ist ein Problem, das in Teilen unseres Landes zu sehr heftigen Eruptionen geführt hat – mit dem Thema der so genannten Altanschließer auseinander gesetzt. Ich glaube, wir alle sind zu dem Ergebnis gekommen, dass man in dieser Frage keine Lösung parat hat, die einerseits die Betroffenen zufrieden stellt und andererseits in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht,

insbesondere dem Verfassungsrecht steht. Das, was wir hier empfehlen, eine Verlängerung der Verjährungszeit – sie setzt dann erst 2008 ein –, wird in einigen Fällen zu einer Entkrampfung führen. Sie wird aber nicht in allen Fällen für alle Beteiligten Beruhigung und Befriedigung schaffen. Dieses, so war unsere Auffassung, ist aber bei der derzeitigen Rechtssituation vermutlich auch gar nicht möglich. Bis hierher, meine Damen und Herren, haben wir im Innenausschuss über alle drei Fraktionen hinweg Einigkeit gehabt. Das war sehr erfreulich.

Nun haben wir das Thema Beiträge. Was soll bei Beiträgen geschehen? Das bisherige Recht sagt, Beiträge müssen erhoben werden, der Regierungsentwurf sagt, kann erhoben werden, die Mehrheit des Innenausschusses sagt, soll erhoben werden.

(Angelika Gramkow, PDS: Schön!)

Zunächst einmal habe ich den Eindruck, dass die Diskussionslinie in dieser Frage nicht zwischen den Parteien und Fraktionen verläuft, sondern quer durch. Das ist eine Diskussion, die natürlich auch unter sozialdemokratischen Kommunalpolitikern geführt wird, ich vermute, auch unter sozialistischen und unter christdemokratischen Kommunalpolitikern und Landespolitikern. Und deswegen, anders als bei anderen Anlässen, kann ich hier nicht sagen, das, was die CDU uns vorschlägt, ist unsinnig, das lehnen wir ab, das taugt nichts! Nein, Herr Dr. Jäger, ich sage Ihnen ausdrücklich, das, was die CDU uns vorschlägt, ist etwas, dafür sprechen Argumente. Und ich will dies auch ausdrücklich berücksichtigen. Und, meine Damen und Herren, gucken wir uns das mal an. Von der parteipolitischen Situation her haben wir so etwas, glaube ich, hier selten erlebt. Die Landesregierung bringt einen Gesetzentwurf ein, die Fraktionen, die die Landesregierung tragen, wollen diesen Gesetzentwurf an einer bestimmten Stelle ändern und die Opposition will genau an dieser Stelle den Regierungstext behalten.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Sicher!)

Ich glaube, diese Situation können wir alle im Kalender schwarz anstreichen oder rot oder rotschwarz gestreift. Sie ist sehr außergewöhnlich und zeigt, dass es hier tatsächlich eine Sachdiskussion ist.

Aus dieser Sachdiskussion möchte ich Ihnen einige Argumente bringen, die aus meinen Erfahrungen und aus den vielen Diskussionen stammen, die ich geführt habe. Sie haben – nein, Herr Friese war das – richtig gesagt, zunächst einmal hat der Städte- und Gemeindetag sich für eine Kann-Regelung ausgesprochen, aber dann die Soll-Regelung akzeptiert. Wenn wir mit kommunalen Vertretern sprechen, dann sind sie zum Teil sehr dankbar und sehr glücklich, wenn wir ihnen in solchen komplizierten Situationen klare Vorgaben machen. Und manchmal ist es für Kommunalpolitik recht angenehm, eben nicht die Entscheidungskompetenz zu haben, sondern eine klare Vorgabe des Gesetzgebers. Nun mögen Sie mir vorwerfen, Herr Dr. Jäger,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja?)

dass wir ja inkonsequent seien, wenn wir ihnen diese Vorgabe machen, aber ich glaube, es muss für unseren Entscheidungsprozess schon ein Aspekt sein, den wir mit berücksichtigen, und das ist nicht der einzige.

Der zweite Gedanke: Eine Kann-Regelung spiegelt etwas vor, was meines Erachtens in der Praxis kaum rea

lisiert werden wird. Denn dass wir jetzt eine Gemeinde oder das Gebiet eines Zweckverbandes völlig neu erschließen und sagen, so, dann haben wir jetzt die freie Wahl, ob wir Beiträge erheben oder nicht, diese Situation, meine Damen und Herren, haben wir fast nicht mehr. Wir haben fast überall Erschließung und wir haben in der ganz, ganz großen Mehrzahl der Fälle auch Beitragssatzungen. Wenn wir diese Beitragssatzungen nun verändern und sagen würden, wir verzichten auf Beiträge, dann müssten wir aus Gründen der Gleichbehandlung denen, die bereits Beiträge geleistet haben, diese zurückerstatten. Das kann kaum ein Entsorgungspflichtiger und deswegen würde sich diese Möglichkeit gar nicht verwirklichen.

Wir haben aber auch eine grundsätzliche Überlegung, die uns dazu führt, Beiträge erheben zu wollen. Wir haben uns – diesmal nicht der Ausschuss, sondern wir über unsere Stiftung – auch fachlich sehr tiefgründig mit dem Thema auseinander gesetzt, unter anderem mit dem Beitragspapst Professor Driehaus vom Bundesverwaltungsgericht, der uns sehr nachdrücklich gesagt hat, diese traditionelle Finanzierung öffentlicher Ausgaben und Aufgaben, nämlich die Beiträge für die Investition und die Gebühr für die Dienstleistung, ist sinnvoll und muss erhalten bleiben. Ich glaube, auch aus fachlicher Sicht spricht hierfür sehr viel.

Nach all dem, was ich jetzt gesagt habe, müssten wir eigentlich konsequent sein und sagen, dann machen wir nicht „Soll“, dann machen wir „Muss“, das heißt, dann bleiben wir bei der derzeitigen Regelung. Nun habe ich schon gesagt, auch das, was Sie vorgetragen haben, Herr Dr. Jäger, hat einen erheblichen argumentativen Untergrund, auf dem es steht, und deswegen muss man suchen, ob es Varianten gibt, wie man aus diesem Dilemma herauskommt.

Mit dem Soll-Begriff formulieren wir hier, und das scheint uns der richtige Weg zu sein, ein Regelausnahmeverhältnis. Das heißt, wir sagen mit dem Begriff „Soll“: In der Regel sind Beiträge zu erheben, aber wenn die besondere Situation es erfordert, dann kann darauf verzichtet werden. Und dieses, meine Damen und Herren, scheint mir der richtige Ausweg aus dieser Situation zu sein.

Nun kommt die Frage: Was können denn solche Ausnahmesituationen sein? Eine solche Frage kann man nicht abschließend für alle Situationen beantworten, sondern man kann einige Dinge nennen, bei denen es eine solche Ausnahmesituation gibt, aber eine solche Liste ist niemals abschließend. Ich hielte es zum Beispiel für sinnvoll, dass wir auf Beitragserhebungen verzichten, wenn mit der Erstellung einer Beitragssatzung und der Erhebung von Beiträgen ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand verbunden wäre, bei dem Verwaltungsaufwand und erzielte Beitragssumme nicht in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Ich hielte es auch für einen vernünftigen Grund, auf Beitragserhebungen zu verzichten, wenn das bisherige Verfahren – wir leben ja nicht im luftleeren Raum, sondern in einer Wirklichkeit – eine Beitragssatzung als nicht durchsetzbar erscheinen lässt, wenn wir beispielsweise, und diesen Fall gibt es ja im Land, eine Situation haben, wo einst Beiträge erhoben worden sind, die inzwischen zurückgezahlt worden sind, wo man auf eine reine Gebührenfinanzierung umgestiegen ist. Wenn wir jetzt in einer solchen Situation sagen würden, nein, wir gehen jetzt wieder zurück auf die Beiträge, ich glaube, dann würden wir uns öffentlich zum Affen

machen. In einem solchen Fall sollte diese Ausnahmeregelung greifen.

Ich glaube auch, dass es Situationen gibt, aufgrund der besonderen Spezifika unseres Gebietes, in denen wir Beiträge erheben wollen, wo eine vernünftige, eine halbwegs sichere Planung nicht zu machen ist und von daher keine genaue Prognose über die tatsächlichen Investitionsaufwände möglich ist. Auch dann, bin ich der Meinung, darf man von der Beitragserhebungspflicht abweichen und eine reine Gebührenfinanzierung vornehmen.

Sie sehen also, dieses Modell mit einem Grundsatz, der heißt Beiträge, und mit der Möglichkeit der Ausnahme, die da heißt Verzicht auf Beiträge, ist sinnvoll, und deshalb haben wir uns für diese Variante entschieden und werden deshalb, Herr Dr. Jäger, konsequenterweise Ihren Änderungsantrag ablehnen.

Wir stärken mit diesem Gesetzentwurf die kommunale Selbstverwaltung. Wir stärken unsere Wettbewerbsbedingungen als Wirtschaftsstandort und wir tun deshalb etwas sehr Gutes und etwas sehr Vernünftiges. Dass Sie, auch wenn wir in einer Frage uneins sind, dieses mittragen, begrüße ich hier ausdrücklich und finde es sehr, sehr gut.

Ich möchte ebenfalls am Ende meiner Ausführungen all denen danken, die hieran mitgewirkt haben. Das waren auch die Experten, die uns im Innenausschuss zur Verfügung gestanden haben. Ich möchte meinen Dank aber auch ganz ausdrücklich auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Innenministeriums beziehen, die hier, glaube ich, sehr gute Arbeit geleistet haben. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, der Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu folgen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Herr Müller.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der PDS die Abgeordnete Frau Schulz. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Landtag insgesamt, seine Ausschüsse und auch die Fraktionen haben es sich, wie schon meine Vorredner gesagt haben, mit der Novellierung des Kommunalabgabengesetzes nicht leicht gemacht. Hierbei schließe ich aber auch ausdrücklich die Landesregierung, insbesondere das federführende Innenministerium, mit ein.

Die wesentlichen Neuerungen des Kommunalabgabengesetzes, die mit der Novelle vorgesehen sind, wurden bereits vorgetragen. Lassen Sie mich daher mit vier Anmerkungen übergreifender Art versuchen, die Zustimmung der PDS-Fraktion zum Entwurf der Landesregierung darzustellen:

Erstens. Der Innenausschuss hat bekanntlich zur beabsichtigten Novelle eine umfassende Anhörung durchgeführt. Die PDS-Fraktion hat dies durch eine zusätzliche eigene Veranstaltung untersetzt. Dennoch wage auch ich die Prognose, dass kaum einer der Angehörten dem nun vorliegenden Gesetzentwurf durchgängig beziehungsweise uneingeschränkt zustimmen würde. Gleichzeitig aber, meine Damen und Herren, darf ich mir rein theoretisch kurz folgenden alternativen Werdegang vorstellen: Wir hätten die Anzuhörenden nicht gehört und sie stattdessen bei freier Kost und Logis und ausreichend Papier für einen

Gesetzentwurf unter sich gelassen. Ich bin mir sicher, auch im Interesse der Beteiligten, die letztendliche Verantwortung liegt beim Landtag in den richtigen Händen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Zweitens, meine Damen und Herren, hat die Verantwortung des Landesgesetzgebers den Grundsatz kommunaler Selbstverwaltung weitgehend zu achten und hierbei wird es immer dann spannend, wenn es konkret wird. Der Gesetzgeber will mit der Novelle des Kommunalabgabengesetzes die Rahmenbedingungen abstecken beziehungsweise einheitliche Mindestanforderungen definieren, die die kommunalen Satzungsgeber auszufüllen beziehungsweise einzuhalten haben. Die Betroffenheitsebene soll dabei nämlich so weit wie möglich auch die Entscheidungsebene sein können. Erst auf diesem Weg wird kommunalpolitisches Engagement interessant, das heißt zugänglich auch für das Einbringen eigener Interessen.

Meine Damen und Herren, kommunale Selbstverwaltung ist in unserem Land sehr lebendig, aber auch immer ein wenig unberechenbar. Da meldet sich beispielsweise die kommunale Jagdsteuer ohne Aufforderung und völlig freiwillig zum landespolitischen Abschuss. Das Land kommt nach einigem Zögern diesem letzten Wunsch nach und handelt sich prompt Warnschüsse des Landesrechnungshofes ein.

Drittens, meine Damen und Herren, um im Bilde zu bleiben, konnte der Landtag diese für ihn nicht immer gefahrlosen Situationen dennoch relativ unbeschadet überstehen, weil die traditionelle Koalitions-Oppositions-Feuerlinie im Prinzip nicht eröffnet werden musste. Meine Vorredner haben davon gesprochen. Bei genauerem Hinsehen ist nämlich das Kommunalabgabenrecht als parteipolitischer Zankapfel völlig ungeeignet. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich die CDU-Kollegen bei der Gesamtabstimmung im Innenausschuss enthielten. Und da dies sachlich begründet wurde, ich komme darauf zurück, hat es sich hierbei nicht lediglich um einen möglichen Blindgänger gehandelt. Aber, meine Damen und Herren, die Koalitionsfraktionen haben dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zuletzt auch deshalb zustimmen können, weil nur so die Empfehlungen beispielsweise des Landwirtschafts- oder auch des Tourismusausschusses umzusetzen waren, zumal diese auf einstimmige Beschlussfassungen verweisen konnten. Was hätten die dort jagenden oder wandernden CDU-Kollegen von uns halten sollen?

Viertens, meine Damen und Herren, kann es selbst bei einem im Grunde recht irdischen, zum Teil sogar unterirdischen Gegenstand, wie ihn das Kommunalabgabengesetz mit der Anschließerproblematik regelt, höchst rechtsphilosophisch zugehen. Dies ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn rechtsbildende Faktoren – in unserem Beispiel Rechtsprechung und Gesetzgebung – sich begegnen oder gar aneinander geraten. Im Rahmen der Anhörung des Innenausschusses kam es gewissermaßen zum unmittelbaren Dialog zwischen Oberverwaltungsgericht, also Rechtsprechung, und Landtag, also Gesetzgebung. Hierbei geht es dann nicht etwa lauthals zur Sache, nein, hier wird das Schwergewicht auf Zwischentöne gelegt. In diesem Punkt ist es letztlich zu unterschiedlichen Wahrnehmungen, Auffassungen und Entscheidungen zwischen Koalition und Opposition gekommen. Die CDU-Fraktion, das verdeutlicht auch der vorliegende Antrag auf Drucksache 4/1230, ist der Auffassung, die so

genannte Altanschließerproblematik gäbe es nicht, wenn die Verpflichtung zur Erhebung von Beiträgen in das Ermessen des jeweiligen Satzungsgebers gestellt würde.

Meine Damen und Herren, der ursprüngliche Entwurf der Landesregierung hatte genau dies vorgesehen, nämlich in Paragraph 9: „Zur Deckung des Aufwandes... können Anschlussbeiträge erhoben werden.“ Insbesondere aber in Auswertung der Anhörung haben sich die Koalitionspartner entschlossen, stattdessen eine Soll-Regelung einzusetzen. Meine Vorredner haben auch dazu gesprochen. Ich will trotzdem einige Aspekte aus meiner Sicht zu dieser Regelung sagen:

a) Die Wahlmöglichkeit hinsichtlich einer Nichterhebung von Beiträgen macht bestenfalls für städtische Ballungsregionen Sinn, etwa für Schwerin oder Rostock. Die jetzt getroffene Regelung entspricht aus meiner Sicht besser den faktischen Bedingungen ländlich geprägter Regionen. Ein Verzicht auf Anschlussbeiträge könnte gerade hier zu einer Gebührenexplosion führen.

b) Die jetzt getroffene Regelung entspricht bis auf wenige Ausnahmen der bisher geübten Praxis pflichtiger Körperschaften, zur Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung Beiträge zu erheben. Auf mögliche, aber erhebliche Folgeprobleme, beispielsweise einer Rückabwicklung bereits erfolgter Beitragszahlungen, hat die Anhörung überdeutlich verwiesen. Herr Müller hat eben auch dazu gesprochen.

c) Die jetzt gefundene Regelung soll einen Beitrag zu Rechtssicherheit und Rechtsfrieden leisten. Atypischen Fällen städtischer Ballungsregionen eröffnet die jetzige Regelung hinreichend Raum.

Meine Damen und Herren, der Gesetzgeber tut gut daran, Argumente der Rechtsprechung zu prüfen. Ich werde hier sogar einige sinngemäß wiederholen, damit das Oberverwaltungsgericht Greifswald am Ende im Zweifel weiß, was wir beschlossen haben, nämlich: Es sind nur solche Kosten beitragsfähig, die nach 1990 durch Sanierung alter Anlagen oder durch Anlagenneubau entstanden sind. Einer Stichtagsregelung bedürfte es in Mecklenburg-Vorpommern nicht, da nach der Rechtsprechung des OVG in die Beitragsermittlung nur Kosten für Nachwendeinvestitionen einbezogen werden dürfen. Das heißt für mich aber auch, dass Fragen möglicherweise ungerechter Beitragserhebungen dann aber anhand zugrunde gelegter Kalkulationen zu klären sind, und zwar vor Ort. Gegebenenfalls sind sie der oben genannten Oberverwaltungsgerichtsrechtsprechung folgend korrekturbedürftig.

Meine Damen und Herren, da auch diese Klärungen möglicherweise Zeit beanspruchen, darf ich abschließend auf die vom Innenausschuss wiederum einstimmig beschlossene Neufassung von Paragraph 12 Absatz 2 verweisen: „... bei der Erhebung eines Anschlussbeitrages nach § 9 Abs. 1 Satz 1 endet die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2008.“ Das heißt, Beiträge müssen jetzt nicht nur deshalb erhoben werden, weil anderenfalls eine Verjährung drohen würde, auch auf individuelle Situationen kann damit flexibel reagiert werden.

Was das Dankeschön betrifft, kann ich mich allen meinen Vorrednern anschließen, möchte aber noch einmal besonders auch das Engagement der Anzuhörenden hervorheben, die sich aus den Bürgerinitiativen in den Prozess der Diskussion eingebracht haben. Ich glaube, wir können heute abstimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)