Protokoll der Sitzung vom 20.04.2005

ganz andere Fakten als heute? Ist das so richtig?

Wir haben vor zwei Jahren die Hochschulkommission noch gar nicht eingesetzt. Wir haben offensichtlich die Zahnmedizin in einem separaten Verfahren über viele Jahre betrachtet. Aber ich glaube, wir kommen nicht umhin, die offen auf dem Tisch liegenden Fakten auch wahrzunehmen, Herr Thomas. Anderes wird uns da wohl nicht viel helfen.

Und die waren vor zwei Jahren noch nicht bekannt?

Die Kommission Wilms, Niethammer, Albrecht hat uns noch keine Empfehlung gegeben. Nein, das war vor zwei Jahren noch anders. Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass wir schon vor zwei Jahren gesagt haben, dass wir nach der Vertragslage die Krankenversorgung und die akademische Seite trennen und wenn wir über die Frage sprechen, wie denn in Zukunft die Klinikumsstruktur, der Krankenversorgungsteil des gesamten Universitätsklinikums in Rostock gefasst werden soll, damit solche Aufgaben wie D-Advice gelöst werden können. Es war schon vor zwei Jahren klar, dass wir immer eine Trennung der akademischen Seite, Lehre und Forschung, und der Krankenversorgungsseite vornehmen müssen, und deshalb ist der Vertrag an dieser Stelle schon vor meiner Zeit sehr sorgfältig formuliert worden.

(Beifall Angelika Peters, SPD)

Vielen Dank, Herr Minister.

Herr Abgeordneter, ich mache Sie darauf aufmerksam, wenn Sie weitere Nachfragen stellen wollen, müssen Sie das zunächst hier vorn signalisieren, und nicht einfach nachfragen.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Brodkorb von der Fraktion der SPD.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Mir war durch die Fraktion der SPD signalisiert worden, dass die Rednerliste verändert werden sollte, aber offensichtlich nun doch nicht. Dann bleibt es bei der ursprünglichen Redneranmeldung.

Herr Heydorn, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Herr Glawe, Herr Thomas, ich will noch mal versuchen, Bertolt Brecht zu bemühen, der gesagt haben soll: „Wer A sagt, der muß nicht B sagen. Er kann auch erkennen, daß A falsch war.“

(Beifall und Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen aussieht. Wenn man sich Ihren Antrag zum Thema Zahnmedizin ansieht, dann kann man den auf zwei Ebenen diskutieren, also auf der einen Seite eine inhaltliche Ebene und auf der anderen Seite eine formale Ebene. Lassen Sie mich zunächst mit der formalen Ebene beginnen. Im Prinzip wollen Sie, dass wir beschließen, dass sich auch weiterhin die Erde um die Sonne dreht, denn in beiden Punkten Ihres Antrages rufen Sie entweder die Landesregierung oder den Landtag dazu auf, die derzeitigen gültigen Gesetze weiterhin einzuhalten und zu akzeptieren.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Genau.)

Und Sie wollen außerdem darauf hinweisen, dass ein Gutachten ein Gutachten und kein Gesetz ist. Da haben Sie Recht, das wissen wir und das ist auch einer der Gründe, warum wir Ihren Antrag ablehnen werden. Ich kann von dieser Stelle eigentlich nur noch das, was der Minister gerade vorgetragen hat, wiederholen. Ich will das gern tun, weil ich die Hoffnung habe, dass die Durchdringungstiefe dann erneut steigt.

Zum Inhalt: Wie Sie wissen, wird im Land derzeit intensiv über eine Konzentration von Hochschulstrukturen diskutiert. In vielen Bereichen erreichen wir nicht eine kritische Mindestgröße und wenn das Geld knapp ist, muss man folglich darüber nachdenken, wie das wenige Geld so ausgegeben werden kann, dass man am Ende doch zukunftsfähige und wettbewerbsfähige Strukturen hat. Dies gilt für den genannten Hochschulsektor und damit auch für die Hochschulmedizin.

Im Jahr 2005 hat der Wissenschaftsrat ein Gutachten zur Zukunft der Zahnmedizin in Deutschland vorgelegt. Darin heißt es: „Die meisten Standorte wiesen im Durchschnitt der Jahre 1996 bis 2001 jährlich zwischen 40 und 80 Studienanfänger auf und erreichten damit eine Größenordnung, die der Wissenschaftsrat zuletzt 1996 in seiner Stellungnahme zur weiteren Entwicklung der Hochschulmedizin in Mecklenburg-Vorpommern als Optimum angesehen hatte. Hintergrund der Überlegungen war, dass eine angemessene Raum- und Geräteausstattung sowie eine ausreichende Personalausstattung, die auch genügend Stellen im wissenschaftlichen Mittelbau bereitstellt, eine kritische Mindestgröße für eine universitätszahnmedizinische Einrichtung voraussetzt. Kleinere Standorte können weder den Aufbau einer breiteren wissenschaftlichen Struktur noch ein differenziertes fachliches Spektrum leisten. Bei zu hohen Studierendenzahlen in einem begrenzten Einzugsgebiet besteht hingegen die Gefahr nicht ausreichender Patientenzahlen für die Ausbildung. Obergrößen von Standorten werden so indirekt die Bevölkerungsstrukturen der umgebenden Region bestimmt.“ So weit also der Wissenschaftsrat.

Auf der Grundlage dieses Urteils des Wissenschaftsrates hat die vom hiesigen Bildungsminister eingesetzte unabhängige Kommission zur Reform der Hochschulmedizin die Schließung der Zahnmedizin in Rostock vorgeschlagen. Ich zitiere aus dem Gutachten: „Die Kommission empfiehlt vor dem Hintergrund notwendiger Einsparungen die Schließung einer Zahnmedizin in Mecklenburg-Vorpommern. Dies würde auch der kürzlich verabschiedeten Stellungnahme des Wissenschaftsrates zur Weiterentwicklung der Zahnmedizin an den Universitäten in Deutschland entsprechen, in der eine Konzentration der Ausbildung von

zurzeit 31 auf maximal 25 Standorte empfohlen wird. Der Wissenschaftsrat sieht Standorte mit 40 Studienanfängern pro Jahr unter Berücksichtigung eines differenzierten Fächerspektrums, einer angemessenen Raum- und Geräteausstattung und einer für die Forschung ausreichenden Personalkapazität als Mindestgröße an.“

Da diese Mindestgröße in Rostock deutlich unterschritten wird und derzeit drei der vier Professuren der Zahnheilkunde in Rostock nicht besetzt sind, sollte der zahnmedizinische Standort in Rostock als Lehr- und Forschungseinrichtung geschlossen werden. Auch die Kommission bekräftigt damit die Empfehlung, die der Wissenschaftsrat dem Land bereits im Jahr 1996 gegeben hat.

Meine Damen und Herren, diese Voten mögen uns nicht gefallen, aber wir müssen uns mit ihnen dennoch auseinander setzen. Vor wenigen Monaten, Frau LochnerBorst, haben Sie noch zustimmend aus dem Gutachten des Wissenschaftsrates zitiert. Wir können uns aber nicht nur Gutachten ansehen, die uns gefallen, sondern wir müssen auch mit denen umgehen, die Dinge zum Ausdruck bringen, die uns Schwierigkeiten bereiten. Der Wissenschaftsrat ist nicht irgendwer, das ist gerade schon gesagt worden, sondern versammelt die anerkanntesten Wissenschaftler der einzelnen Fachdisziplinen in der Bundesrepublik, und deren Urteil sollte uns gerade auch für die Hochschulen des Landes zu denken geben. Gerade weil wir uns im Rahmen der Hochschulautonomie befinden, müssen hier auch andere Fragen gestellt werden: Was sagen die beiden Universitäten des Landes zu den Gutachten und den Einschätzungen des Wissenschaftsrates? Und was sagen vor allem die beiden medizinischen Fakultäten dazu? Die Beantwortung dieser Fragen ist auch für die Entwicklung unserer Universitäten von großer Bedeutung.

Wie Sie wissen, ist der Neubau und der Ausbau von Hochschulen eine Gemeinschaftsaufgabe, die über das Hochschulbauförderungsgesetz geregelt wird. In Paragraph 9 des entsprechenden Gesetzes sind die Mitwirkungsrechte des Wissenschaftsrates festgelegt. Mit anderen Worten, wir können uns bei unseren Strukturentscheidungen nicht ständig gegen die Voten des Wissenschaftsrates stellen, ohne selbst Nachteile bei der Finanzierung von Investitionen im Hochschulbereich, insbesondere der Medizin, befürchten zu müssen. Auch dieser Tatsache müssen wir uns alle im Land bewusst werden.

Ich nehme an, auch dies waren die Gründe dafür, warum die CDU in der 2. Wahlperiode gemeinsam mit der SPD der Empfehlung des Wissenschaftsrates gefolgt ist und die Schließung der Zahnmedizin in Rostock beschlossen hat. Wir wissen alle, dass diese Entscheidung revidiert worden ist. Es zeigt aber, dass sich dieses Thema denkbar schlecht …

(Zurufe von Angelika Peters, SPD, Harry Glawe, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)

Ja, aber es ist doch revidiert worden und daran wird deutlich, dass sich dieses Thema denkbar schlecht für parteipolitische Ränkespielchen eignet. Hier sind also sachliche Entscheidungen gefragt. Es geht um wettbewerbs- und zukunftsfähige Hochschulstrukturen. Lassen Sie uns hierüber sachlich diskutieren, und zwar auch und gerade mit Hochschulen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Heydorn.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete der PDS-Fraktion, der Vizepräsident Herr Bluhm.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussion um den Studiengang Zahnmedizin an der Universität Rostock hat eine lange Geschichte und, so scheint es mir, dieser lange Zeitraum, in dem sie sich abgespielt hat, hat bei einigen Vertretern der CDU zu einem gewissen Gedächtnisverlust geführt. Darum zum Beginn meiner Rede ein paar Worte zur Geschichte der Diskussion um die Zahnmedizin in Mecklenburg-Vorpommern.

Sie begann mit dem Antrag der CDU-Fraktion in der 1. Legislaturperiode, in der der Landtag mit der Mehrheit von CDU und F.D.P. beschloss, dass die „Zahn-, Mundund Kieferheilkunde unverzichtbarer Bestandteil der Medizinischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität … (bleibt)“, nachzulesen auf einer der ersten Drucksachen des Landtages Mecklenburg-Vorpommern, nämlich auf der Drucksache 1/813. Schon damals, 1991, hatte der Wissenschaftsrat darauf hingewiesen, dass ein Standort für den Studiengang Zahnmedizin in MecklenburgVorpommern ausreichend sei, und empfahl, den Studiengang in Greifswald zu schließen. Mit dem Antrag sprachen sich CDU- und F.D.P.-Fraktion gegen diese Empfehlung aus und positionierten sich damals für Greifswald.

(Wolfgang Riemann, CDU: Für beide Standorte. Gucken Sie sich die Redebeiträge doch an! Wir sitzen doch beide seit 14 Jahren im Landtag.)

Wissen Sie noch, Herr Riemann, wer damals Ministerpräsident in diesem Lande war?

Im Jahr 1997 hatte sich dann die Empfehlung des Wissenschaftsrates hinsichtlich der Anzahl nicht geändert. Er hielt nach wie vor einen Standort für ausreichend. Nur der zu schließende hatte sich ja geändert. Es war nicht mehr Greifswald, sondern Rostock, und es gab in den Folgejahren eine sehr intensive Diskussion, die schließlich mit dem Beschluss der damaligen CDU-SPD-Landesregierung endete, die Zahnmedizin in Rostock zu schließen. Im Jahre 1997 hatte dann die erste Volksinitiative zur Erhaltung der Zahnmedizin großes Aufsehen auch über die Landesgrenzen hinweg erregt. Es wurden 40.000 Unterschriften gegen die schon beschlossene Schließung des Studienganges gesammelt, die allerdings wegen formaler Mängel nicht zu einer Anerkennung als Volksinitiative führte. Die Initiatoren der Volksinitiative gingen erneut auf die Straße und innerhalb kürzester Zeit erreichten sie die entsprechenden Unterschriften und Formalkriterien. Sie erzwangen damals die Behandlung des Themas vor diesem Hohen Haus. Das Anliegen der Volksinitiative wurde gegen die Stimmen meiner Fraktion und einem Teil der Rostocker Abgeordneten aus den anderen Fraktionen abgelehnt.

1999 kam es erneut zu einer Volksinitiative, diesmal mit dem Ziel der Wiedereinrichtung des Studienganges. Im Gegensatz zu 1997 war jetzt die CDU für die Volksinitiative. Wen wundert es, denn sie war ja jetzt Opposition. Das Votum der CDU von damals wandelte sich in eine kämpferischere Haltung für die Wiedereinrichtung. Im Gegensatz zu dieser hat sich die Fraktion der PDS in unserem Landtag über die Jahre hinweg konsequent und konstant

für den Erhalt des Studienganges auch in Rostock eingesetzt.

(Egbert Liskow, CDU: Bleibt es dabei?)

Wir haben zuletzt auch der Lösung, eine Wiedereinrichtung im Rahmen der Novellierung des Landeshochschulgesetzes zu regeln, zugestimmt. Grundlage dafür war ein Vertrag zwischen der Medizinischen Fakultät und der Universität Rostock sowie dem Land, der durch die neuen Möglichkeiten der autonomen Entscheidungen der Hochschulen umgesetzt wurde. Für das Land bedeutete dies, Herr Minister hat darauf verwiesen, im Bereich der Krankenbetreuung keine Mehrkosten, aber eben auch keine Einsparungen. Der Studiengang wurde wieder eingerichtet und nun liegt im Rahmen des Gutachtens zu den Medizinischen Fakultäten erneut eine Empfehlung vor, den Studiengang Zahnmedizin an der medizinischen Fakultät der Universität Rostock zu schließen. Ich möchte es mit Blick auf die Intention des vorliegenden Antrages der CDU-Fraktion nochmals ausdrücklich betonen: Es handelt sich in dem Gutachten um eine Empfehlung zur Schließung, nicht um einen Schließbeschluss.

(Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

Was hier manchmal suggeriert wird, ist, den Eindruck zu erwecken, die Entscheidung wäre längst gefallen.

(Dr. Martina Bunge, PDS: Ja.)

Das ist sie nicht und das kann sie auch nicht, denn in einem haben Sie Recht: Sie ist nach der geltenden Rechtslage mit dem Landeshochschulgesetz eine Entscheidung im Rahmen der Autonomie der Hochschulen in Mecklenburg Vorpommern. Deshalb möchte ich für meine Fraktion nochmals ausdrücklich betonen, dass das auch so bleiben soll. Es ist eine Entscheidung, zumindest auf der gegenwärtig geltenden Rechtslage der Universität Rostock. Es gibt einen Vertrag. Dieser Vertrag wird erfüllt und sollte man von diesem Vertrag abweichen wollen, muss eine Seite ihn kündigen.

Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, nicht so ganz klar wird mir, was Sie mit dem Antrag bezwecken. Sie wollen feststellen lassen, was ohnehin geregelt ist. Sie beziehen sich auf gesetzliche Regelungen, die geltendes Recht sind, und Sie erheben die empfehlenden Aussagen eines Gutachtens zu einer augenscheinlich verbindlichen Regelung. Was allerdings fragwürdig ist, ist die Tatsache, dass Sie mit Ihren Forderungen nach Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen durch die Landesregierung unterstellen, sie würde es nicht tun. Sie suggerieren damit den Verdacht, die Landesregierung würde sich nicht an Recht und Gesetz halten. Stimmten wir nun Ihrem Antrag zu, würde das auch einen Eingriff in die Autonomie der Hochschule darstellen. Autonomie kann man doch nicht in eine positive und in eine negative Autonomie aufteilen. Noch viel weniger kann es eine Autonomie nach dem Gusto der Opposition geben. Insoweit stellt Ihr Antrag leider nichts weiter dar als die Beschreibung eines ohnehin vorhandenen Zustandes und eines festgelegten Verfahrens. Er hat aus meiner Sicht deklaratorischen Charakter und wird deshalb von meiner Fraktion abgelehnt.

Ich gehe nach wie vor davon aus, dass die Hochschulen im Rahmen ihrer Entscheidungen auf der Grundlage des geltenden Hochschulgesetzes in der Diskussion mit dem zuständigen Fachministerium, in der Diskussion in der Öffentlichkeit die Strukturen erhalten werden, die sie für zukunftsfähig, innovativ und wettbewerbsfähig halten.

Deswegen lassen Sie mich abschließend noch kurz auf das Gutachten der Strukturkommission Hochschulmedizin eingehen, weil ich davon ausgehe, dass wir die ganzen Fragen der Entwicklung der Hochschulstrukturen morgen in einem anderen Tagesordnungspunkt weitaus umfänglicher diskutieren können und wollen, als dies hier an diesem konkreten Gegenstand heute der Fall sein kann. Aber lassen Sie mich kurz auf das Gutachten der Strukturkommission Hochschulmedizin eingehen. Die suggerierte Reduzierung auf die Empfehlung zur Schließung der Zahnmedizin in Rostock ist diesbezüglich allerdings sehr einseitig, denn in den wesentlichen Aussagen kommen die Gutachter zu folgenden Einschätzungen:

1. Die Medizinischen Fakultäten beider Universitäten sind für die Zukunftsfähigkeit des Landes unverzichtbar.

2. Es wird an beiden Standorten eine beeindruckende wissenschaftliche Arbeit geleistet.

3. Sie sind für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes von erheblicher Bedeutung. Das betrifft insbesondere die innovativen Gebiete Gesundheitsland Mecklenburg-Vorpommern und Biomedizin.

4. Es gibt noch eine Reihe von Reserven, die erschlossen und genutzt werden müssen, um die insgesamt guten Ergebnisse weiter zu verbessern.