Protokoll der Sitzung vom 20.04.2005

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Gabriele Schulz, PDS: Genau!)

Für uns gehört ein kostenfreier Zugang zu Kindertagesstätten, zu den Schulen, aber auch zu den Hochschulen in dieses gesamte Paket.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das haben Sie schon vor der letzten Wahl versprochen!)

Visionen soll man in diesem Zusammenhang auch haben. Wie wäre es denn, wenn wir uns wie in anderen europäischen Ländern einmal dafür engagieren, dass zumindest Kindern ein freier Zugang gewährt wird zu öffentlich geförderten Einrichtungen wie Schwimmhallen oder den Kulturzentren?

Zweitens, ich hatte es beim Familienbegriff angedeutet, gehört zur Förderung von Familie auch, die zu fördern, die Menschen in ihrem Haushalt pflegen. Dazu gehört, dass sie, wenn sie sich für Pflege entscheiden, eine leichtere Rückkehr in den Beruf haben, dass dieses gefördert wird, und dass wir endlich sagen, häusliche Pflege ist eigentlich Arbeit und sie ist so wie Arbeit anzuerkennen.

(Beifall Birgit Schwebs, PDS)

Drittens. Viele haben hier von Vereinbarkeit von Beruf und Familie gesprochen, von Elterngeld hin und her. Wir haben einen Vorschlag: Wer erwerbstätig ist, soll bis zum 14. Jahr des Kindes die Möglichkeit haben, ein so genanntes Zeitkonto zu nutzen, zwölf Monate. Diese zwölf Monate sind nach Lohnersatzleistungen zu realisieren. Zusätzlich, wenn man sich dafür entscheidet, könnte man ein zweites Ersatzzeitkonto von sechs Monaten, so dass eine Betreuungszeit, eine Erziehungszeit von 18 Monaten zustande kommt, nutzen, um dieses am Ende für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu benutzen. Flexible Öffnungszeiten von Kindertagesstätten, Teilzeitangebote und flexible Arbeitszeiten – wir reden immer darüber,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

machen wir es im öffentlichen Dienst! In diesem Land wird dieses angeboten.

Natürlich weiß ich, dass das bundespolitische Entscheidungen sind, dass wir eine konzertierte Aktion brau

chen, um lokale Bündnisse, Entscheidungen in den Städten, Dörfern und in diesem Land zu befördern.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Aber ich finde, wir haben in diesem Land vielfältige Maßnahmen, die sich eigentlich sehen lassen können, zur Entwicklung von Familien, zur Unterstützung. Das beginnt bei den Maßnahmen des Arbeitsmarktes, unterstützt durch die Gleichstellungsbeauftragte, bei den Modellprojekten, Unternehmerfreundlichkeit in Familie oder familienfreundliches Unternehmen. Das sind tolle Angebote. 3.200 Menschen nutzen Qualifizierung in Erziehungszeiten. Ja, wir haben ein flächendeckendes, hoch anerkanntes Netz an Kindertagesstätten, aber dies sichert eben nicht eine hohe Geburtenrate, sondern dazu gehört, die Bildung und Erziehung auszubauen,

(Wolfgang Riemann, CDU: Auszubauen, Frau Gramkow?! Sie kürzen doch laufend!)

längerer gemeinsamer Unterricht und Ganztagsschule, damit ich gesichert in Arbeit sein kann und darauf rechnen kann, dass die Kinder zum Beispiel Hausaufgaben auch gemeinsam in der Schule machen können. Wir haben ein stabiles Beratungsangebot und ich denke, dieses ist zu erhalten.

Lassen Sie mich zum Abschluss zwei Fragen stellen,

(Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

die mir am Herzen liegen:

Warum ist es in der DDR, obwohl wirtschaftlich massiv angeschlagen, dennoch gelungen, dass das Klima für Kinder und Familien so war, dass wir uns Kinder geleistet haben, dass wir sie gewollt haben?

(Torsten Koplin, PDS: Schöne Frage!)

Warum, meine Damen und Herren, kann das die reiche Bundesrepublik nicht?

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Gabriele Schulz, PDS: Da müssen wir mal drüber nachdenken!)

Vielen Dank, Frau Gramkow.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin Frau Dr. Seemann.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Herr Renz,

(Torsten Renz, CDU: Ja?)

die SPD hat die Familienpolitik nicht entdeckt, sondern die SPD hat in den vergangenen Jahren gerade auf Bundesebene dafür gesorgt, dass Familienpolitik weg vom Privatvergnügen, wie die CDU das jahrzehntelang gesehen hat, hin zu einem insgesamt gesellschaftlich relevanten Thema wieder geworden ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Und bei allen Problemen, die wir in der Familienpolitik haben, ich glaube, dass stellt niemand in Abrede, sollte man zumindest zur Kenntnis nehmen, dass in den letzten Jahren das Kindergeld massiv erhöht worden ist,

(Beate Mahr, SPD: Richtig.)

und zwar für das erste und zweite Kind ab 2002 auf 154 Euro. Familien wurden steuerlich entlastet. Erwerbsbedingte Betreuungskosten werden steuerlich berücksichtigt und wir haben einen Familienleistungsausgleich, mit dem versucht werden soll, die relative Einkommensarmut von Alleinerziehenden zu reduzieren. Außerdem – und das sage ich hier genauso wie Frau Gramkow – haben wir dafür gesorgt, dass eine Initiative zum Ausbau der Kinderbetreuung und zum Ausbau der Ganztagsschulen gestartet wurde.

(Torsten Renz, CDU: Sie kündigen an, aber tun nichts.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier wurde über die Definition von Familie schon gesprochen. Als Familie kann man nach meiner Ansicht bezeichnen, wo nicht nur Mutter, Vater und Kind zusammenleben, sondern auch der oder die Alleinerziehende mit Kindern und auch die verschiedenen Generationen.

Aber ich möchte mich an dieser Stelle auf Familien mit Kindern konzentrieren, egal in welcher Lebensform, also ob verheiratet oder in einer Lebensgemeinschaft lebend, weil gerade da die Auswirkungen zu spüren sind auf unsere sozialen Sicherungssysteme, auf das wirtschaftliche Überleben. Denn wenn wir keine Kinder mehr haben, machen wir uns nichts vor, dann fehlen uns auch Konsumenten und wir haben auf Sicht weniger Fachkräfte, weniger Innovationsfähigkeit und damit wird letztendlich – und darauf hat Renate Schmidt auch hingewiesen – auch unser Wohlstand gefährdet.

Aber, Herr Renz, da gebe ich Ihnen Recht, Kinder bedeuten auch Lebensqualität. Und Sie sind hier leider nicht so ein Unikat.

(Torsten Renz, CDU: Sie auch! – Karin Schmidt, PDS: Sie sind auch was ganz Besonderes!)

Auch ich habe zum Beispiel ein Kind vor der Wende und ein Kind nach der Wende bekommen. Aber wir brauchen dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren, eine entsprechende Priorität im Bereich Bildung und Erziehung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die häufigste Begründung, warum wir uns mit Familienpolitik beschäftigen, Herr Prachtl,

(Heinz Müller, SPD: Er beschäftigt sich mit was anderem!)

ist die demographische Entwicklung. Wir haben in der Tat in Deutschland eine wesentlich geringere Geburtenrate als in der Europäischen Union. Der Durchschnitt in der Europäischen Union beträgt 1,6 Geburten je Frau, wir sind im Moment bei 1,29 Geburten je Frau gelandet. Hinzu kommt gerade in den neuen Bundesländern der Pillenknick in den 70er Jahren. Machen wir uns nichts vor, dadurch haben wir auch absolut gesehen weniger Frauen im gebärfähigen Alter.

(Vincent Kokert, CDU: Da hat der Papst ja doch Recht gehabt.)

Die Abwanderung wegen fehlender Ausbildungs- und Arbeitsplätze, vor allen Dingen von weiblichen Personen im Alter zwischen 20 und 25 Jahren, spielt ebenfalls eine Rolle. Das heißt, wir haben im gebärfähigen Alter die höchsten Wanderungsverluste.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was besonders erschreckend ist,

(Heinz Müller, SPD: Der Lärm bei der CDU. – Zuruf von Volker Schlotmann, SPD)

dass in Deutschland insgesamt circa 30 Prozent der Frauen kinderlos bleiben. Bei den Akademikerinnen sieht es noch schlimmer aus, dort sind es 42 Prozent. Bei Frauen in Führungspositionen sind es sogar 60 Prozent.

(Torsten Renz, CDU: Was wollen Sie tun?)

Damit einher geht letztendlich auch eine Gefährdung des Bildungsniveaus.

(Torsten Renz, CDU: Was wollen Sie tun? Das würde mich mal interessieren!)

Im Gegensatz dazu ist der Kinderwunsch groß. Zwischen 80 und 90 Prozent der jungen Menschen wünschen sich eine Familie mit Kindern. Das wurde auch bei der Shell-Studie deutlich.

Gucken wir uns jetzt einmal andere Länder an wie Finnland, Frankreich, Schweden und auch die USA. Dort haben wir eine hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen und gleichzeitig viele Kinder. Wir haben dort also die Situation, dass gerade auch hochgebildete Frauen viele Kinder bekommen. Wo liegt aus meiner Sicht das Problem in Deutschland? Das Problem liegt in dem Spagat zwischen Beruf und Familie, vor allem der Mütter, da das tradierte Rollenbild in der Gesellschaft und auch privat nach wie vor vorherrscht.