Ähnliche Debatten haben sich auch in anderen Bundesländern vollzogen und haben zu Umstrukturierungen, zu gesetzlichen Veränderungen, zu dem Charakter von einzelnen Hochschulen geführt. Und andere Länder sind wie wir jetzt auch mittendrin in diesem Prozess. Das heißt, dieses gilt ohne Frage völlig unabhängig von einer Regierungskonstellation in einem Land. Für uns heißt das, Mecklenburg-Vorpommern kann sich nicht aus diesem Prozess ausschließen, will es nicht den bisher erreichten Stand aufs Spiel setzen und ins Hintertreffen geraten.
Es fällt allen Beteiligten schwer, künftige Rahmenbedingungen zu definieren und zu akzeptieren. Manchmal fällt es sogar schon schwer, sie überhaupt wahrzunehmen. Deshalb möchte ich mich im ersten Teil meiner Rede noch einmal auf eine Auswahl von Rahmenbedingungen beziehen.
Unsere zwei Universitäten und die drei Fachhochschulen sowie die Hochschule für Musik und Theater agieren in einem immer schärfer werdenden Wettbewerb von circa 4.000 Hochschulen in der Europäischen Union. Es geht um Exzellenzen, um Spezialisierung und Zusammenarbeit in wachsenden internationalen Netzwerken, und zwar in Lehre, Wissenschaft und Forschung. Dies ist verbunden mit einer Zunahme der arbeits- und wissenschaftsteiligen Kooperation unter stetig wachsender Nutzung modernster Informationstechnik und Informationstechnologien sowie einem rasanten, kaum noch zu überblickenden Wissenszuwachs.
Die Hochschulen des Landes sind gegenwärtig dabei, die Diplomstudiengänge in gestufte Studiengänge von Bachelor- und Masterausbildung umzuwandeln. Dieser Prozess vollzieht sich nicht ohne Probleme, weil auch damit althergebrachte und teilweise sehr bewährte Studienformen und Abschlüsse verändert werden müssen. Die zunehmende Internationalisierung, der Bologna-Prozess und die internationalen Entwicklungen erfordern aber diese Anpassung. Zu diesen Fragen gibt es derzeit bundesweit und auch bei uns im Land teilweise kontroverse Diskussionen, wenn ich mir alleine mal die Lehrerausbildung herauspicke.
Die Geburtenentwicklung im Land und im Bund steht fest. Sie ist überall – mit geringfügigen Unterschieden – gleichwohl problematisch. Hier sind die Hochschulen in
derselben Situation wie die Schulen in unserem Land, die Krankenhäuser oder die Jugendeinrichtungen. Bei optimistischster Betrachtung von Geburtenraten, Hochschulzugangsberechtigungen, Weiterbildungskapazitäten und Zugang durch Studierende aus anderen Bundesländern sowie ausländische Studierende werden aus unserer Sicht langfristig circa nur 25.000 personalbezogene Studienplätze ausreichend sein.
Und wenn Sie, Herr Dr. Bartels, den „Medienspiegel“ des Landtages gelesen haben – scheinbar ja nicht –,
dann will ich Ihnen gerne einen Artikel „,Schlimmer als der 30-jährige Krieg‘“ in der „Welt“, und zwar das Interview mit dem Bevölkerungsforscher Herwig Birg, anheim stellen. Dieser antwortet auf die Frage des Redakteurs „Weltweit ohne Vergleich ist doch wohl auch das Tempo, mit dem sich die Umwälzungen in Ostdeutschland vollziehen?“: „In Ostdeutschland sind wir Zeugen einer demographischen Katastrophe. Ich zweifle, ob das jemals wieder ins Lot kommen kann. Da taugt nicht einmal der Dreißigjährige Krieg als Vergleich. Der endete nach drei Jahrzehnten mit einem Frieden und alles ging wieder nach oben. In Ostdeutschland haben wir eine längere Durststrecke vor uns. Das hat gravierende Auswirkungen auf die Wirtschaft.“
(Unruhe bei den Abgeordneten – Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Jetzt reg dich doch nicht grundlos auf! – Regine Lück, Die Linkspartei.PDS: Andreas, ruhig bleiben! – Zuruf von Dr. Gerhard Bartels, fraktionslos – Eckhardt Rehberg, CDU: Jetzt fetzen sich einige!)
Von daher haben die Demografie und die Betrachtung von demokratischen Gremien natürlich eine Rolle zu spielen. Und ich gehe mal davon aus, dass Wissenschaftlichkeit nach Karl Jaspers heißt, Zitat: „Wissenschaftlichkeit: Das heißt zu wissen, was man weiß... Unwissenschaftlich ist alles totale Wissen, als ob man im Ganzen Bescheid wüsste.“
Und wenn man das Max-Planck-Institut, die Demografen, die Demoskopen in diesem Land Bundesrepublik ernst nimmt, dann ist das demografische Problem in Deutschland ein viel größeres, als es im „MethusalemKomplott“ von Schirrmacher überhaupt fixiert ist.
Unser Land ist bei der Finanzierung seiner Aufgaben in einem hohen Maße – nicht allein, aber auch – von Finanz
zuweisungen des Bundes abhängig. Mit dem neuen Finanzausgleichsgesetz werden die Einnahmen aus Steuern, aus Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen schrittweise und erheblich zurückgehen und hinter den vergleichbaren westlichen Flächenländern zurückbleiben. Allein der Einwohnerrückgang sowie die Neuordnung der Sonderbedarfszuweisungen des Bundes führen in den nächsten 15 Jahren zu einem saldierten Verlust von 1,1 Milliarden Euro. Und ich höre immer die Worte wohl, dass man Schwerpunkte setzen müsse, Alternativvorschläge höre ich allerdings nicht.
5. Die Planungsaufgaben und Entwicklungslinien eines der zentralen Probleme liegt in der Sichtweise der am Prozess Beteiligten, oder anders gesagt, in der Dialektik von Innen- und Außensicht.
Die einzelne Hochschule erstellt einen Hochschuleinzelplan und legt damit eigene Ziele und Entwicklungsrichtungen fest. Dazu ist sie nach Paragraph 15 Absatz 1 LHG auch verpflichtet. Damit dokumentiert sie ihre Sicht auf ihre künftige Entwicklung. Das Land ist nach Paragraph 15 Absatz 2 verpflichtet, einen Hochschulgesamtplan zu erstellen und diesem Hohen Hause zur Beschlussfassung vorzulegen. Dieser Hochschulgesamtplan kann allerdings nicht, wie manchmal argumentiert wird, die reine Addition der sechs Hochschulentwicklungspläne sein. Die Landesregierung und das Parlament müssen aus diesen Einzelplänen vielmehr mit den Erfordernissen der Landesentwicklung übereinstimmende, die demografischen Fakten und auch finanziellen Möglichkeiten des Landes berücksichtigende Eckwerte zusammenführen. Und in der Annahme, dass nicht alles, was die Hochschulen in ihren eigenen Entwicklungsplänen festgelegt haben, übernommen wird, würde es bei der Erarbeitung der Eckwerte der Hochschulentwicklung und den daraus folgenden Zielvereinbarungen genau die gleiche kontroverse Debatte um fachliche, inhaltliche und strukturelle Fragen auf Landesebene geben.
Insoweit ist der aus dem Landeshochschulgesetz abzuleitende, relativ weich formulierte Planungszeitraum von etwa fünf Jahren für Hochschulentwicklungspläne angemessen und nicht so sehr problematisch. Unser Hauptproblem liegt in der Beantwortung der Fragestellung: Was passiert im Zeitraum von 2010 bis 2020? Und da will ich einen Aspekt anführen, wenn ich das so schnell finde, der in der entsprechenden Stellungnahme des Wissenschaftsrates zu den Hauptentwicklungslinien der künftigen Entwicklung des Wissenschaftssystems in Deutschland enthalten ist. Auch dieses Papier empfehle ich gern Ihrer geneigten Aufmerksamkeit. Da heißt es nämlich im Überblick der Zusammenfassung im ersten Punkt: „Die zu erwartende gesteigerte Nachfrage nach Arbeitskräften mit einem Hochschulabschluß wird sich hin zu wissenschaftlich fundierten praxisorientierten Ausbildungs- und Qualifikationsprofilen verschieben. Deshalb muß durch ord
nungspolitischen Eingriff von staatlicher Seite das begrenzte Fächerspektrum der Fachhochschulen deutlich erweitert werden.“
(Wolfgang Riemann, CDU: Das kennen wir doch, Herr Bluhm, das kennen wir doch! – Harry Glawe, CDU: Da haben Sie Erfahrung.)
Und wenn ich jetzt höre, dass man lieber in Kauf nimmt, entgegen aller internationaler Tendenzen Fachhochschulen in diesem Lande zu schließen, die wir eigentlich hätten stärken müssen oder sollen, dann weiß ich nicht, ob man solche Vorschläge wirklich ernsthaft prüfen kann.
Und wenn Herr Rehberg hier vorgeschlagen hat, wir führen Studiengebühren ein und damit lösen wir das ganze Problem,
dass die Einführung von Studiengebühren ausschließlich etwa ein Zehntel der tatsächlichen Finanzbedarfe der deutschen Hochschullandschaft von etwa 3 Milliarden Euro im Jahr bringen würde.
Von daher, denke ich, gibt es nach wie vor Diskussionsbedarf – auch zu dem vorliegenden Gesetzentwurf, unstrittig.
Wenn das Argument kommt, mit dem vorgelegten Gesetzentwurf würde sich das Parlament selbst sozusagen entmannen, dann muss man vielleicht darüber nachdenken, ob dieses Parlament, ähnlich wie bei den Eckpunkten oder den Eckwerten, die entsprechenden Strukturentscheidungen hier bestätigen muss. Das kann man ja diskutieren. Ich denke, das wäre dann das, was die Abgeordneten in diesem Hause auch entscheiden sollten.
Es ist nicht nur Sache des Bildungs- und Wissenschaftsministers, es ist Sache der Landesregierung nach dem vorgeschlagenen Gesetzentwurf und es ist, mit Verlaub, auch eine Frage, wie dieses Parlament in diesem Prozess agieren will.
So weit mein erster Redebeitrag. Da es sicherlich noch den einen oder anderen Redebeitrag geben wird, bin ich an dieser Stelle zu Ende und schon sehr gespannt auf den weiteren Verlauf der Debatte. – Danke schön.