Drittens möchte ich von vornherein klarstellen: In erster Linie sind in der Markwirtschaft, und das werden Sie sicher als überzeugte Marktwirtschaftler überhaupt nicht bestreiten, natürlich die Unternehmer in Eigenverantwortung. Die müssen nun einmal ihren Geschäftsbetrieb auf ein erfolgreiches Zahlungs- und Finanzmanagement ausrichten. Diese Verantwortung kann ihnen keiner abnehmen, auch wir nicht als Politiker. Dazu gehören Rechtskenntnisse, die man haben sollte und die man auch anwenden sollte. Allerdings gehöre ich auch zu denen, die Verständnis haben für Unternehmer in unserem Land gerade in der jetzigen Situation, denn sie haben aufgrund der Baukrise Existenzangst, Konkurrenzangst. Diese Angst führt natürlich dazu, dass sie auf Abschlagszahlungen bewusst verzichten, auf Sicherheitsleistungen bewusst verzichten, dass möglicherweise auch Aufträge herausspringen, die gar nicht ihren Möglichkeiten entsprechen und, und, und. Das ist mir alles bekannt. Und ich bin der Meinung, dass man diese Gratwanderung hinbekommen muss, einerseits an die Eigenverantwortung von
Unternehmen zu appellieren und nicht nur das, sondern sie auch einzufordern, andererseits aber auch Verständnis zu haben für bestimmte objektive Probleme, die sie gerade in der heutigen Zeit haben. Und trotzdem, da sind wir dann wieder ganz dicht beieinander, muss die Politik, müssen alle Parteien sich diesem Thema nicht nur stellen, sondern versuchen zu helfen.
Welche Instrumente gibt es? Ich verweise als Erstes auf die Richtlinie der Europäischen Union zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr vom 29.06.2000. Damit ist auch klar, das ist nicht nur ein Thema in Mecklenburg-Vorpommern, nicht nur Deutschland, sondern das ist ein internationales Problem.
Zweitens verweise ich auf das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 1. Mai 2000, übrigens mit Stimmen der CDU gegen den Widerstand der FDP durchgesetzt. Dieses Gesetz erfüllt im Nachhinein allerdings nicht die Erwartungen und deshalb prüft eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Zahlungsmoral, ob und wie eine Novellierung dieses Gesetzes angemessen beziehungsweise erforderlich ist und, falls ja, in welchen Punkten. Ich glaube, wir werden uns auch einbringen in diese Diskussionen und dann sehen, welchen Einfluss man über dieses Gesetz möglicherweise noch praktisch nehmen kann.
Und es wurde auch schon ganz klar vom Justizminister gesagt: Die Justiz insbesondere ist gefordert, wenn es um die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität geht. Ich möchte dem, was der Minister hierzu gesagt hat an dieser Stelle, nichts weiter hinzufügen.
Allerdings möchte ich einen vierten Punkt ansprechen. Ein ganz wichtiges Instrument, was es zum größten Teil momentan auch schon gilt zu nutzen, ist die gute Zusammenarbeit zwischen den Wirtschaftsverbänden und der Politik. Ich begrüße ausdrücklich die geplante und zum Teil auch schon erfolgte Zusammenarbeit der Bundesregierung mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks und den Kammern zu diesem Thema. Und ich bewerte es als sehr positiv, dass es in unserem Land eine Broschüre gibt „Gute Zahlungsmoral durch gutes Management“, gemeinsam erarbeitet vom Justizministerium, Wirtschaftsministerium und vom Bündnis für Arbeit, das heißt unter aktiver Mitwirkung auch der Unternehmerverbände. Information, Aufklärung und Hilfestellung für Unternehmen in unserem Land im Kampf gegen schlechte Zahlungsmoral – ich glaube, das ist eine Aufgabe, die immer auf der Tagesordnung stehen muss.
Herr Dr. Born, jetzt komme ich zu Punkt 3 Ihres Antrages, und zwar etwas ausführlicher. Ich glaube schon, dass es richtig ist, die übliche Soll-Besteuerung zu ergänzen beziehungsweise stärker als bisher die Ist-Besteuerung zu nutzen, um auf diese Art und Weise Liquiditätshilfe zu geben beziehungsweise einen Beitrag zu leisten im Rahmen unserer Bemühungen gegen schlechte Zahlungsmoral. Im Gegensatz zur sonst üblichen SollBesteuerung, wo bereits bei Ausführung der Leistung die Umsatzsteuer gezahlt werden muss, muss der Unternehmer bei der Ist-Besteuerung erst bei Empfang der Zahlung die Umsatzsteuer entrichten, deshalb auch Ist-Steuer.
Ich möchte allerdings auf einen Widerspruch hinweisen: In Ihrem Antragstext sprechen Sie ausdrücklich an und schlagen vor, die Umsatzsteuergrenze für Anträge auf Ist-Besteuerung auf 2,5 Millionen Euro zu erhöhen. Sie haben in Ihrem Antragstext im Gegensatz zu Ihrem Redebeitrag ausdrücklich nicht gefordert, die Ist-Be
steuerung einzuführen. Ich bin der Meinung, von daher ist Ihr Antragstext korrekt, nur Ihr Redebeitrag war an der Stelle nicht ganz sauber. Denn Sie wissen sicherlich, dass es die Ist-Besteuerung bereits gibt auf Antragstellung und dass dies an drei Voraussetzungen gebunden ist, allerdings nicht nur an die Umsatzsteuergrenze, die zurzeit in ganz Deutschland 125.000 Euro beträgt, sondern auch noch an zwei andere Punkte. Unternehmer, die verpflichtet sind, Bücher zu führen beziehungsweise aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßige Abschlüsse zu machen, sind befreit. Unternehmer, die Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs ausüben, sind ebenfalls befreit. Es kann also passieren, dass ein Freiberufler auch bei einem Umsatz von 1 Million Euro ebenfalls befreit werden kann.
Das heißt also, es ist nicht das Problem, dass es per Antragstellung die Möglichkeit der Ist-Besteuerung gibt. Ich glaube auch, dass das, was der Minister gesagt hat für unser Land, eigentlich nicht das Problem sein kann, denn wir haben eine Umsatzsteuergrenze von 500.000 Euro. 9 2 Prozent unserer Unternehmen im Land fallen unter diese Grenze, können demzufolge, wie ich meine, nicht nur einen Antrag stellen, sondern auch zu Recht erwarten, dass diesem Antrag entsprochen wird. Wenn der Verwaltungsaufwand möglicherweise zu groß ist, dann muss man miteinander ins Gespräch kommen. Nur bisher ist mir das nicht bekannt. Dann muss man es konkret machen. Aber das wäre dann unter anderem auch ein Thema im Finanzausschuss, dann muss man mit den Finanzämtern noch einmal ins Gespräch kommen.
Das eigentliche Problem bei der Ist-Besteuerung ist also nicht, dass wir das momentan nicht für unsere Unternehmen nutzen können, sondern dass wir damit rechnen müssen, dass die Sonderregelung für die neuen Länder vom 01.01.1996 bis 31.12.2004 bewusst begrenzt wurde. Das heißt, die Frage steht im Raum: Was passiert ab 01.01.2005? Dann würde auch für die ostdeutschen Unternehmen wieder die Umsatzsteuergrenze 125.000 Euro gelten. Und dann bekommen wir ein Problem.
Von daher ist es völlig richtig, was Sie dort in Ihrem Antrag zumindest thematisiert haben. Allerdings, das muss ich auch sagen, sind für mich mindestens drei Fragen in dem Zusammenhang offen, die wir dann im Finanzausschuss miteinander beraten müssen:
Erstens. Liegt es wirklich im Interesse unserer Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern, die Umsatzsteuergrenze auf 2,5 Millionen Euro zu erhöhen?
Zweitens. Ist es nicht wichtiger, eine Verlängerung der Sonderregelung für die neuen Länder über den 31.12.2004 hinaus zu erwirken, nämlich das, was wir momentan haben, die 500.000 Euro, die uns übrigens auch einen Vorteil bringen gegenüber Unternehmen in Westdeutschland?
Drittens. Wenn uns eine Verlängerung der ostdeutschen Sonderregelung nicht politisch möglich ist, auch das muss man heutzutage einkalkulieren, muss man sehen, ob es nicht vielleicht doch eher sinnvoller, auch realistischer ist, das, was wir momentan für Ostdeutschland haben, nämlich die Umsatzsteuergrenze 500.000 Euro, bundesweit auszudehnen? Dann brauchen wir keine ostdeutsche Sonderregelung mehr, dann haben wir sie bundesweit. Ich sage das auch deswegen, wir können uns ja vieles wünschen, aber für die Umsatzsteuergrenze 2,5 Millionen Euro, was ja praktisch doch, da brauchen wir uns nichts vor
zumachen, Herr Dr. Born, in gewisser Weise eine Vorfinanzierung durch die öffentliche Hand und durch den Staat ist, durch den Steuergläubiger in dem Moment bedeutet, da habe ich leichte Zweifel, ob wir dafür noch politische Mehrheiten bekommen. Und von daher müssen wir mal gucken, wie wir uns in diesem Bereich bewegen. Denn mir kommt es darauf an, dass man sich nicht etwas wünscht, sondern mir kommt es darauf an, dass ich zu konkreten Ergebnissen komme im Interesse der Betroffenen.
Ich habe es bereits angekündigt, Herr Dr. Born, ich freue mich auf eine konstruktive Zusammenarbeit zu diesem Thema in den Ausschüssen. Namens der SPD-Fraktion beantrage ich die Überweisung federführend an den Rechts- und Europaausschuss und mitberatend an den Wirtschaftsausschuss und den Finanzausschuss.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Das Problem ist nicht neu“ haben wir verschiedentlich gehört und viele erinnern sich sicher noch, dass im Sommer 2000 Frauen von Handwerkern am Brandenburger Tor in den Hungerstreik traten. Heute nun eine Demonstration im Januar 2003 von Handwerkern vor dem Schweriner Schloss.
Ja, vielen Handwerkern, vor allem denen im Bauhandwerk, geht es schlecht. Für immer mehr steht die Existenz des Unternehmens auf dem Spiel, der Arbeitsplatz der Angestellten, der Ausbildungsplatz von Jugendlichen oder dieses ist alles schon verloren gegangen. Die Situation im Handwerk ist in der Tat zum Teil bedrohlich, nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, in ganz Deutschland. Und es ist auch kein Geheimnis, dass nicht nur die nicht rosige Wirtschaftslage oder Hindernisse aus Bürokratie und Paragraphendschungel daran schuld sind, sondern vor allen Dingen die so genannte schlechte Zahlungsmoral. Zum Teil können Auftraggeber plötzlich aus wirtschaftlichen Schwierigkeiten heraus nicht zahlen. Aber immer mehr entziehen sich Auftraggeber mit den abenteuerlichsten, aber formal legalen Tricks ihrer Zahlungspflicht. Und ich kann da auch der Meinung, die ich häufig höre, nicht zustimmen, dass vielleicht die Handwerker in Mecklenburg-Vorpommern nicht fähig sind, dies zu erkennen, dass sie hier auf den Leim gehen. Wer in der letzten Woche eine ARD-Berichterstattung gesehen hat, hat vernehmen müssen, dass Bauträger gestandene Handwerker, die mit allen Wassern gewaschen sind, 40 Jahre ihr Geschäft haben in Hamburg und Itzehoe, reihenweise geleimt haben, ihnen geschadet haben, sie zum Konkurs gezwungen haben. Und das läuft nicht nur dort, sondern auch hier. Ich meine, hier stimmt etwas nicht im System und dringender Handlungsbedarf besteht.
Dies wissend haben sich die Koalitionspartner der Regierung zur Abhilfe verständigt. In der Koalitionsverein
barung können Sie die vereinbarten Maßnahmen in den Ziffern 252 und 253 nachlesen. Insofern ist den Koalitionsparteien die Situation bekannt und es bräuchte Ihres Antrags nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU. Aber es ist Zeit, hier auch eine grundlegende Änderung der Situation zu erreichen, da gebe ich Ihnen Recht. Aber, ich meine, Sie brauchen sich nicht als Vorkämpfer darzustellen. Ihre Partei hat sich auf dieser Strecke auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Einige Fakten dazu:
Ausgelöst durch die eingangs erwähnten hungerstreikenden Handwerkerfrauen in Berlin hat die PDS im Bundestag einen Hilfsfonds in Höhe von 5 Millionen DM für den Bundeshaushalt 2001 durchsetzen können. Die CDU/CSU-Fraktion hat sich damals der Stimme enthalten. Dieser Hilfsfonds hat der Liquiditätssicherung von Kleinstunternehmen des Handwerks, des Handels und des Gewerbes gedient, soweit sie durch kriminelle Machenschaften in ihrer Existenz bedroht sind. Unterstellt, die CDU hätte damals nicht zugestimmt, weil sie auf längerfristige Lösungen, Dauerregelungen abgestellt hätte, wäre dazu im März 2001 Gelegenheit gewesen zu dem Antrag „Gesetzliche Nachfolgeregelungen“, Drucksache 14/5559. Aber das Nein kam wieder. Ich meine nicht parteitaktisches, sondern vernunftgeleitetes Agieren hätte uns alle vor Situationen bewahrt, die uns die Handwerker heute hier so eindringlich vor dem Schloss demonstrierten.
Neben Berichten zur Situation schlagen Sie in Ihrem Antrag eine Bundesratsinitiative vor zur Ausweitung der Ist-Besteuerung in der Umsatzsteuer auf Unternehmen bis zu 2,5 Millionen Euro Umsatz pro Jahr. Uns reicht diese Änderung – Herr Borchert hat dazu gesprochen – dem Inhalt nach, ich möchte das jetzt nicht wiederholen, allein nicht aus. Die PDS sieht gesetzgeberischen Handlungsbedarf auch in vielen anderen Punkten. Unseres Erachtens besteht Novellierungsbedarf im Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen, es hat sich als zahnloser Papiertiger entpuppt. Reformbedarf besteht im Mahnverfahrensrecht, Novellierungsbedarf in der VOB. Das Gesetz zur Sicherung von Bauforderungen muss unseres Erachtens modernisiert werden. Gerichtliche Verfahren könnten durch das Erschweren von Verzögerungstaktiken beschleunigt werden. Das A und O auf dieser Strecke ist meines Erachtens aber auch, die vielfältigen Spielarten des betrügerischen Vermögenstransfers zu unterbinden.
Und wir gehen im Ansatz noch weiter: Arbeitsintensive Dienstleistungen, leider mit dem Wandel der Arbeitswelt an den Rand der Aufmerksamkeit gedrängt, für die wirtschaftliche wie für die soziale Entwicklung in den neuen Bundesländern wie für Deutschland, aber insgesamt unerlässlich und wichtig, müssen nach Meinung der PDS durch grundlegende Änderungen im Steuersystem unterstützt werden. Dazu gehört die Halbierung der Mehrwertsteuer. Die Halbierung der Mehrwertsteuer würde diese Leistungen ohne Verlust bei den Dienstleistern für die Dienstempfänger wieder erschwinglich beziehungsweise lukrativ machen und die Nachfrage steigern.
Der Änderungsbedarf reicht aber bis ins Rentenrecht. Zu DDR-Zeiten mitversicherte Familienangehörige von Selbständigen und Handwerkern gehen heute im Alter nach der Überleitung ins Bundesrecht leer aus. Das ist ein unhaltbarer Zustand.
Wir alle sehen, insgesamt gibt es umfangreiche Handlungserfordernisse. Und da wir nicht Gleiches mit Gleichem vergelten, lehnen wir Ihren Antrag nicht ab, sondern stimmen einer Überweisung in die Ausschüsse mit der Hoffnung auf eine sachliche, problem- und lösungsorientierte Diskussion zu. Dies tun wir auch in Respekt vor der schwierigen Lage der Handwerker im Land. Handwerk und Mittelstand sind für die Entwicklung MecklenburgVorpommerns wichtig, ja unerlässlich. – Ich danke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unser Antrag spricht ein wichtiges und heikles Thema an. Die Handwerkerdemo hat uns heute allen gezeigt, dass wir es nicht nur mit einer schlechten wirtschaftlichen Lage zu tun haben, sondern auch mit einer so genannten schlechten Zahlungsmoral.
Hinter dem Schlagwort „Zahlungsmoral“ verbirgt sich ein nicht zu unterschätzendes volkswirtschaftliches Problem, das allgegenwärtig ist und doch leider zu wenig hinterfragt wird. Das wollen wir ändern. Ein Bericht über die Zahlungsmoral in Mecklenburg-Vorpommern ist schon lange notwendig und mehr als sinnvoll. Wir wollen einen Überblick über das Ausmaß der schlechten Zahlungsmoral und der sich daraus ergebenden Folgen vor allem für die kleinen und mittelständischen Unternehmen erhalten.
Die wirtschaftliche Lage in Vorpommern und in ganz Deutschland ist seit Jahren miserabel. Die Pleitewelle rollt seit vielen Jahren ungebremst über den Mittelstand, dem Herz der deutschen Wirtschaft und nicht zuletzt dem größten Arbeitgeber, hinweg. Nach Berechnung des Bundesverbandes Deutscher Inkassounternehmen ist der deutschen Volkswirtschaft durch Unternehmenspleiten ein Gesamtschaden von rund 40 Milliarden Euro in 2002 entstanden. Das sind schätzungsweise 650.000 Arbeitsplätze. Fast jedes Pleiteunternehmen kommt dabei aus dem Baugewerbe.
Es gibt viele Gründe, die die Existenz von Unternehmen bedrohen. Jedoch gibt es insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen Charakteristika, vor allem in den neuen Bundesländern, die kennzeichnend für die schlechte finanzielle Situation der Unternehmen sind. Hier sind vordergründig die in der Regel in Ostdeutschland zu dünne Eigenkapitaldecke der Unternehmen – wir haben davon schon gehört – und nicht zuletzt die schlechte Zahlungsmoral zu nennen.
69 Prozent aller deutschen Inkassounternehmen sagten in einer kürzlich erhobenen Herbstumfrage, dass sich die Zahlungsmoral in 2002 weiter verschlechtert hat. Und was noch fataler ist, sie sehen in absehbarer Zeit keine Besserung. Davon sind hauptsächlich kleine und mittlere, bis zu fünf Mitarbeiter zählende Firmen betroffen. Diese machen über die Hälfte aller Pleiten aus.
Die großen Insolvenzen wie Kirch, Babcock und Holzmann haben im Untergang zwar ihre mediale Präsenz, jedoch schlagen sie in der Statistik nicht in dem Maße zu Buche, wie über sie berichtet wird. Es sind die kleinen Unternehmen, die die Insolvenzstatistiken füllen. Großen Pleiteunternehmen steht heutzutage oft ein Retter in der
Not zur Seite, wie zum Beispiel bei Babcock die Landesregierung Nordrhein-Westfalens oder bei Holzmann sogar der Kanzler höchstpersönlich, wenn auch letztlich vergeblich. Aber wer hilft den vielen kleinen Unternehmen? Sie haben so gut wie keine Lobby, sie sterben unbemerkt und leise.
Warum brauchen wir also diesen Bericht? Wir brauchen ihn als Orientierungspunkt, als Bestandsaufnahme, um einen Überblick über die finanziellen Probleme unserer Wirtschaft, hier bedingt durch das große Problem der schlechten Zahlungsmoral, zu erhalten. Und da meine ich nicht nur die schlechte Zahlungsmoral in der freien Wirtschaft, sondern auch immer öfter die der öffentlichen Hand.
Der deutsche Mittelstand muss jährlich Zahlungsausfälle in einer Größenordnung von mehreren Milliarden Euro verkraften. Da ist es nur natürlich, dass viele Unternehmen, vor allem solche in den neuen Bundesländern, mit einer geringen Eigenkapitalausstattung dies nicht können und somit unverschuldet in die Insolvenz gehen. Und es ist bekannt, dass mit den bestehenden gesetzlichen Regelungen diesem Problem nicht wirksam begegnet werden kann. Seit Mai 2000 ist das „Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen“ in Kraft. Trotzdem hat sich die Zahlungsmoral nicht verbessert. Das Erheben von Verzugszinsen gegenüber den säumigen Zahlern zeigt in der Regel keine Wirkung, sie werden von den Schuldnern meist schlicht ignoriert. Sowohl gewerbliche als auch öffentliche Schuldner überschreiten nach wie vor die ihnen gesetzten Zahlungsfristen und verschaffen sich somit einen kostengünstigen Lieferantenkredit. Auf der anderen Seite wird oft bewusst auf die Berechnung von Verzugszinsen verzichtet, einfach aus Angst, Folgeaufträge zu verlieren. Auch in dem Zusammenhang ist erneut auf die öffentliche Hand zu verweisen.
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks schätzt, dass 38,2 Prozent aller deutschen Handwerksbetriebe von einer schlechten Zahlungsmoral betroffen sind. Und was sind die Folgen? Wenn der Handwerker beziehungsweise Unternehmer seine offenen Forderungen nicht eintreiben kann, dann hat er den finanziellen Schaden zu tragen. Folglich wird er für seine Arbeit nicht entlohnt, muss aber das Material, die Arbeitskraft seiner Angestellten, die Steuern und Sozialabgaben bezahlen. Wie wird er also versuchen, solche Verluste zu kompensieren? Das geht nur, indem der Unternehmer seine Arbeitnehmer schlechter oder überhaupt nicht bezahlt, die Qualität seiner Arbeit einschränkt oder den Zahlungsverpflichtungen seinerseits nicht nachkommt. All das kann aber nicht in unser aller Interesse sein!
Wie schon erwähnt, geht leider bei dieser Problematik die öffentliche Hand – und dazu zähle ich auch kommunale Unternehmen – nicht immer mit gutem Beispiel voran. Die finanzschwache Situation unserer Kommunen ist uns allen gut bekannt, jedoch kann und darf dieser Umstand keine Begründung für das Aufschieben von Verbindlichkeiten sein. Mit dem Bericht zur Zahlungsmoral erhoffen wir uns diesbezüglich mehr Klarheit, denn es kann nicht sein, dass die öffentliche Hand durch besonders lange Zahlungsziele mit dazu beiträgt, schon angeschlagene Betriebe in die Insolvenz zu treiben.
Einen weiteren Aspekt, den ich im Zusammenhang mit der schlechten Zahlungsmoral nennen möchte, stellen die, wie im Jahresbericht 2002 des Landesrechnungsho
fes erwähnt, nicht im notwendigen Maße vorhandenen Gerichtsvollzieher dar. Nach Schätzungen des Bundesverbandes Deutscher Inkassounternehmen entzieht nur allein die chronische personelle Unterbesetzung bei den Vollstreckungsbeamten der Wirtschaft jährlich circa 500 Millionen Euro an Liquidität, Tendenz steigend. So ist es leider keine Seltenheit, dass die Ausführung von Aufträgen ein Jahr und länger dauert. Beispielsweise mussten im Jahr 2001 drei Gerichtsvollzieher beim Amtsgericht Hagenow rund 8.000 Aufträge abarbeiten. Dieses Beispiel ist hoffentlich ein Extremfall. Einer Kommentierung bedarf es aus meiner Sicht hier nicht.
Ebenso sind insgesamt die Verfahren vor Gericht viel zu lang. Das bedeutet eine Doppelbelastung für die Betriebe. Einerseits müssen sie auf Geld warten, wenn es denn überhaupt kommt, zum anderen sind Gerichts- und Rechtsberatungskosten zu verauslagen. Das bedeutet oft Liquiditätsverlust von zwei bis drei Jahren. Mir ist ein Beispiel einer Bauunternehmung aus meiner Region bekannt: Da gab es laut Gutachten bei einer Bauabnahme eine Mängelliste im Wert von circa 4.000 DM, ich spreche jetzt noch einmal in D-Mark. Diese Mängelliste führte zur Einbehaltung von rund 400.000 DM noch offener Verbindlichkeiten, also dem Hundertfachen des Streitwertes. Der Streit landete 1999 vor Gericht und ist bis heute noch nicht abgeschlossen. Der Prozess wurde durch Terminverlegungsanträge, Rechtsanwaltswechsel und so weiter von der Schuldnerseite über Jahre verschleppt. Der Ausgang des ganzen Prozederes ist immer noch völlig ungewiss. Das ist leider die bekannte Realität, die nur mühsam verbessert werden kann.
Meine sehr geehrten Abgeordneten, wie kann die Politik den kleinen und mittleren Unternehmen helfen? Ein hilfreiches Mittel ist, wie in unserem Antrag ausgeführt, die Ist-Besteuerung. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes Mecklenburg-Vorpommern gab es im ersten Halbjahr 2002 537 Insolvenzen. Dabei haben 2.957 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Anstellung verloren. Das heißt, jede Woche sind in Mecklenburg-Vorpommern 21 Unternehmen Pleite gegangen und jede Woche verlieren dadurch 114 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz. Wenn wir bloß mal jetzt hier in die Gegend gucken, sind vielleicht gerade 100 Leute hier in dem Saal. Und wenn man sich mal vorstellt, wie viel Leute jede Woche ihren Arbeitsplatz verlieren, dann denke ich, wir haben da auf jeden Fall etwas zu tun.
Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel zu starten, dass für Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis zu 2,5 Millionen Euro die Umsatzsteuerabführung erst bei tatsächlichem Zahlungseingang fällig wird und nicht wie vorher bei Rechnungslegung. Und da, denke ich, sollten wir Wert darauf legen, dass die Umsatzsteuer wirklich immer erst dann abgeführt wird, wenn die Firmen auch bezahlt bekommen haben und nicht, wie hier vorhin gesagt worden ist, dass wir da an der Grenze herumregeln wollen. Ich denke, es ist immer richtig, dass ein Unternehmen erst dann bezahlen kann, wenn es auch sein Geld bekommen hat, ansonsten ist das eine Vorfinanzierung der öffentlichen Hand.