Protokoll der Sitzung vom 28.06.2006

Die Erfahrungen zeigen sehr wohl, dass wir Abstandsregelungen deutlicher entwickeln müssen, als wir das noch vor einigen Jahren gedacht haben. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Wissenschaft uns hier auch etwas schuldig ist, und zwar uns schnell klare Hinweise zu geben, wie man mit solchen Entwicklungen umgeht. Ich halte es nach wie vor für richtig, dass wir den bundesweiten Versuch mit anderen Bundesländern auch hier umgesetzt haben.

Freisetzung und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen – die Kurzbezeichnung GVO dürfte inzwischen ja allen geläufig sein – erfolgen auf der Grundlage von internationalen, europäischen und natürlich auch den nationalen Gentechnikrechtssetzungen, die wir in Deutschl and haben. Daran hat das Land Mecklenburg-Vorpommern aktiv mitgewirkt. In Deutschland ist es im Übrigen so – fälschlicherweise werde ich immer bezichtigt, dass ich die Genehmigungen erteilen würde –, dass das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit oder aber das Bundessortenamt dafür die Genehmigung erteilen. Wir als Landwirtschaftsministerium sind für die Genehmigung nicht zuständig. Das möchte ich hier ausdrücklich noch einmal sagen.

Die Landesregierung hat sich seit Beginn der Verhandlungen um die Novellierung des Gentechnikrechtes für eine sach- und fachgerechte Umsetzung der sogenannten Freisetzungsrichtlinie der Europäischen Union eingesetzt. Erinnern darf ich jedoch daran, dass für das Gen

technikrecht in Mecklenburg-Vorpommern das Sozialministerium ausdrücklich Verantwortung zeigt. Schließlich ist unser Ressort stark betroffen und deshalb hat sich das Landwirtschaftsministerium stets für die Möglichkeiten des Nebeneinanders und der friedlichen Koexistenz eingesetzt, um damit die verschiedenen Bewirtschaftungssysteme umzusetzen. Dafür gibt es noch keine klare Rechtssetzung in der Bundesrepublik Deutschland. Aus diesem Grunde haben wir als Haus und ich selber auch die Initiative ergriffen und den Landwirten in Mecklenburg-Vorpommern ausdrücklich empfohlen, und zwar gemeinsam mit dem Bauernverband, so lange auf den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen zu verzichten, bis wir innerhalb der Bundesrepublik Deutschland klare und eindeutige Rechtsvorschriften haben. Daran halte ich nach wie vor fest.

(Konrad Döring, Die Linkspartei.PDS: Gut, sehr gut.)

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal ausdrücklich sagen, dass es natürlich eine ganze Reihe von Produktgruppen gibt, bei denen Gentechnik keine Rolle spielt. Bei anderen Produktgruppen wissen wir heute, dass diese sehr wohl mit gentechnisch veränderten Organismen erzeugt worden sind. Auf europäischer Ebene wurde daher die Kennzeichnung von Lebens- und Futtermitteln geregelt, die aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellt werden. Anders verhält es sich dagegen bei Lebens- und Futtermitteln, die mithilfe von gentechnisch veränderten Produkten erzeugt worden sind. Ich nehme einmal das Beispiel der Milch. Wir haben heute zum Teil Produkte dabei wie das Sojaschrot, die aus gentechnisch veränderten Produkten erzeugt worden sind und indirekt die Milch daraus produziert worden ist. Es sind bis heute keine Gefahren aufgetreten, denn es unterliegt einer sehr intensiven Kontrolle. Ich halte – und das ist ja der Gegenstand dieser Debatte – die vollständige Kennzeichnungspflicht für richtig und für sinnvoll. Nichtsdestotrotz halte ich das weitere Forschen an diesem Thema für unerlässlich, um damit mehr Sicherheit gegenüber anderen Ländern der Welt entwickeln zu können. Zum Ausgleichsfonds habe ich bereits was gesagt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, außerdem haben wir immer wieder Folgendes deutlich gemacht: Vor der Zulassung von gentechnisch veränderten Sorten müssen auch die Regeln der guten fachlichen Praxis beim Anbau von Gensorten formuliert sein. Das Fehlen einer Gentechnikpflanzenerzeugungsverordnung hat daher nicht nur dazu beigetragen, die Akzeptanz zu minimieren, sondern wir brauchen diese dringend. Ich weiß aber, dass der Bundesminister intensiv daran arbeitet. Wir haben in diesem Zusammenhang immer wieder deutlich gemacht, dass an dem Beispiel des gentechnisch veränderten Mais – auch Bt-Mais genannt – das Bundessortenamt in Hannover bereits 1998 die Vorvertriebsgenehmigung erteilt hat und damit das Saatgut angewendet werden konnte. In Deutschland ist dieses Saatgut im Übrigen auch seit 1998 a n g ewandt worden. Ich glaube, wir brauchen hier eine Versachlichung dieser Diskussion. Von diesen Empfehlungen weichen wir nach wie vor ab, weil es mangelnde Haftungsregelungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland gibt. Stattdessen habe ich ganz bewusst die Schirmherrschaft für den Erprobungsanbau übernommen. Die Ergebnisse dieses Erprobungsanbaus werden sicherlich Eingang bei dieser zu entwickelnden Gentechnikpflanzenerzeugungsverordnung finden. Ich habe es dem Bundes

minister mitgeteilt, dass wir hier neue Erkenntnisse haben und von daher die Abstandsregelung erhöhen sollten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Wenn der Landtag Mecklenburg-Vorpommern diese Bemühungen als solche würdigt, dass wir hier eine klare Linie haben, um die Risiken, aber auch die Chancen zu erkennen, wir diese wissenschaftlich begründet umzusetzen haben, dann finde ich das richtig. Von dieser geraden Linie – und das ist hier auch so gemacht worden in den letzten Jahren – werden wir auch künftig nicht abweichen. Insofern bitte ich um Zustimmung zum Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Danke schön, Herr Minister.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der Linkspartei.PDS

die Abgeordnete Frau Wien. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem Antrag, und zwar unabhängig davon, ob wir jetzt Befürworter der grünen Gentechnik sind oder ob wir Ablehner sind, geht es ganz einfach darum, dass wir akzeptable Regeln finden, die letztendlich in den ganzen Prozess wieder mehr Vertrauen hineinbringen.

Vielleicht ein Wort für die Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion: Wenn wir uns ein Auto kaufen, dann haben wir uns erst einmal eine gefährliche Maschine angeschafft und es ist uns erst durch die Straßenverkehrsordnung möglich, diesen Verkehrsfluss mit diesen Autos in die richtigen Bahnen zu lenken. Ich brauche also Regeln und darum geht es zum einen in diesem Antrag. Zum anderen, wenn trotzdem etwas passiert, und damit muss man immer rechnen, wenn man irgendwo auf irgendeinem Gebiet tätig und aktiv wird, können immer irgendwelche Schäden entstehen. Dann haftet – wenn ich einen Autounfall verursache – generell der Verursacher. Genau das möchten wir letztendlich, dass der Verursacher beziehungsweise der, der das Auto hat, haftet. Wir möchten also ordentliche Regeln.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS und Dr. Margret Seemann, SPD)

Es geht nicht darum, ob wir die Gentechnik möchten oder nicht. Das muss einfach jeder – und darum stellen wir hier noch einmal ab auf den Verbraucher – für sich selbst entscheiden. Und wenn der Minister hier zum Beispiel sagt, es sind keine Stoffe in der Milch nachgewiesen worden, dann ist das richtig. Der Verbraucher, der weiß das ja auch, dass er wahrscheinlich schon sehr lange Milch trinkt, die aus Tieren entsteht, die schon lange mit Gentechnik gefüttert werden. Das weiß der Verbraucher. Er hat die Möglichkeit sich zu entscheiden, ich trinke diese Milch auch weiterhin, weil dat måkt nicks. Aber das muss seine Entscheidung sein. Er kann diese Entscheidung erst treffen, wenn er auch wirklich über den Prozess der Herstellung informiert ist.

Ich möchte jetzt zur Diskussion noch ausführen, dass der aktuelle Landwirtschaftsminister der Bundesrepublik am 20. April zum Beispiel Vertreter des Unilever-Konzerns eingeladen hat. Unilever sagte selber, sie stehen dem zwar positiv gegenüber, aber weil der Verbraucher Gen

technik ablehnt, wird er nicht mit Gentechnik arbeiten. Das wirtschaftliche Risiko ist ihm einfach zu groß. Und bei derselben Veranstaltung sagte der Bundesvorsitzende der ABL Friedrich Wilhelm Grafe zu Baringdorf, wenn schon Unilever dieses wirtschaftliche Risiko zu groß ist, wir als landwirtschaftliche Betriebe leben von der besonderen Qualität unserer Erzeugnisse. Wenn sich bei uns auf unseren Feldern Gentechnik einkreuzt, dann wäre unsere Existenz dahin. Ich möchte einfach zu bedenken geben, dass auf diesem Gebiet nicht nur für ökologisch arbeitende Landwirte, sondern auch für gentechnikfrei arbeitende Landwirte die Angst da ist, dass sich Gentechnik einkreuzen könnte.

(Wolfgang Riemann, CDU: Jede Mutationszüchtung ist Gentechnik pur.)

Die Mutation ist ja das, was sich so dahinmendelt, was von alleine kommt, beziehungsweise was durch Auswahl und Züchtung kommt. Das ist ein bisschen was anderes.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das hat mit Mendel gar nichts zu tun.)

Herr Riemann, wir könnten einen kleinen Biologieexkurs machen,

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

was der Unterschied zwischen grüner Gentechnik, Zucht und Auslese ist.

(Zuruf von Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS)

Das können wir machen, aber es ist nicht Gegenstand dieses Vortrages.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Auf der gleichen Veranstaltung hat zum Beispiel Herr Seehofer auch noch einmal eindeutig gesagt, dass die Haftungsfrage dahin gehend geklärt wird, dass keine Steuergelder in den Haftungsfonds fließen werden. Da sind wir mit Herrn Seehofer natürlich ganz auf einer Linie. Wir möchten die Bundesrepublik mit diesem Antrag unterstützen, damit sie bei dieser Linie und bei dieser Argumentation bleibt.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS)

Vielleicht noch ein kleines Wort zur Geschwindigkeit der Wissenschaft, das, was der Minister angesprochen hat. Da bitte ich einfach darum, wir müssen Geduld haben. Ein Vegetationsjahr dauert in unseren Breitengraden zwölf Monate. Das können wir nicht wirklich beschleunigen, sonst sind wir ja wieder im Gewächshaus. Wir wissen ja, die Aussagen reichen nicht.

Wir waren in der letzten Woche mit dem Landwirtschaftsausschuss in der Genbank auf der Insel Poel. Dort hat man uns sehr genau und detailliert gezeigt – die machen es nicht selber, sondern es machen andere auf deren Versuchsfeldern zum Teil –, dass dort wirklich darauf geachtet wird, wie groß die Abstände sind, andere Vegetationszeiten, also Sicherheitsmaßnahmen ohne Ende und ringsum natürlich Pflanzen, wo es sich nicht auskreuzen kann. Es werden durch die Wissenschaftler sehr hohe Barrieren gelegt und diese wurden, davon konnten wir uns überzeugen, sehr exakt und ordentlich gemacht. Trotzdem wurde uns dort gesagt, selbst sie können nicht 100-prozentig garantieren, dass keine Aus

kreuzung bei den Versuchen erfolgen wird. Dennoch werden wir Versuchen, die natürlich mit großer Sorgfalt gemacht werden, so, wie sie zum Beispiel auf der Insel Poel durchgeführt werden, weiterhin positiv gegenüberstehen. Sehr interessant war – damit möchte ich auch schließen, wir lehnen natürlich Ihren Antrag ab –,

(Renate Holznagel, CDU: Nach dem, was Sie jetzt ausgeführt haben, müssten Sie zustimmen! – Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

im Anschluss an diesen 20. April hat Herr Seehofer erstaunlicherweise das Gespräch, das er ja mit Vertretern von Kirchen, Biotechnik, Saatgutindustrie, der Wissenschaft und der Forschung hatte, folgendermaßen zusammengefasst, dass offensichtlich auch aus der Agrar- und Ernährungswirtschaft niemand sagen könne, worin der Nutzen der Anwendung der sogenannten grünen Gentechnik in Deutschland heute bestehen würde. Es gab von den Teilnehmern keinen Widerspruch.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Frau Wien.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/2354 abstimmen.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Herr Riemann, wir sind in der Abstimmung!

Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/2354 bei Zustimmung der CDU-Fraktion, Gegenstimmen der Fraktionen der SPD und Linkspartei.PDS abgelehnt.

Wer dem Antrag der Fraktionen der Linkspartei.PDS und SPD auf Drucksache 4/2310 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der Linkspartei.PDS und SPD auf Drucksache 4/2310 mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und Linkspartei.PDS gegen die Stimmen der CDU angenommen.

Ich gebe an der Stelle noch einmal einen Hinweis: Wenn die Abgeordneten abstimmen, dann bitte ich Sie, sich auf die Abgeordnetenplätze zu setzen. Es ist für mich sonst sehr schwierig zu entscheiden, wer wo stimmt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 46: Beratung des Antrages der Fraktion CDU – Landwirtschaftliche Sozialversicherung, auf Drucksache 4/2304.

Antrag der Fraktion der CDU: Landwirtschaftliche Sozialversicherung – Drucksache 4/2304 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Schlupp von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landwirtschaftliche Sozialversicherung ist die einzige Einrichtung im sozialen Sicherungssystem, die Unternehmer per Ge

setzpflicht versichert. Die Unternehmerpflichtversicherung wurde bereits 1939 in der Landwirtschaftlichen Unfallversicherung, 1947 in der Landwirtschaftlichen Alterssicherung und 1972 in der Landwirtschaftlichen Krankenversicherung eingeführt. Das landwirtschaftliche Sozialversicherungssystem ist ja nicht zufällig oder willkürlich ein eigenständiges System, sondern aus sehr guten Gründen. Hier sind Selbstständige pflichtversichert, die teilweise sehr spezifischen Risiken ausgesetzt sind, die berufsbedingt einen sehr spezifischen Bedarf an sozialer Absicherung für sich und ihre Familien haben. Für den Landwirt, anders als für den landwirtschaftlichen Arbeitnehmer, der Mitglied in der allgemeinen Sozialversicherung ist, teilen sich nicht Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Kosten für ein Versicherungsrisiko, sondern der Landwirt trägt sie alleine. An der grundsätzlichen Eigenständigkeit des landwirtschaftlichen Sozialversicherungssystems ist also nichts zu rütteln und ebenso wenig am Regionalprinzip.

Sehr geehrte Damen und Herren, das Sondersystem Landwirtschaftliche Sozialversicherung berücksichtigt unternehmensspezifische Sicherungsinteressen, deckt die Bedürfnisse der Unternehmen und sichert die berufsständische Einflussnahme. Dennoch steht sie gerade vor dem Hintergrund der dramatischen Strukturentwicklung in der Landwirtschaft vor enormen Herausforderungen. Schon heute werden über 70 Prozent der Haushaltsmittel, die seitens des Bundes für die Landwirtschaft zur Verfügung gestellt werden, für die Unterstützung der landwirtschaftlichen Sozialversicherungssysteme verwandt. Die rot-grüne Bundesregierung hat in diesem Bereich erhebliche Kürzungen mit den Haushaltsbegleitgesetzen zum Nachteil der Landwirtschaftsunternehmen und ihrer Familien durchgesetzt. Gerade deshalb ist das heute durch den Strukturwandel bedingte finanzielle Defizit in den landwirtschaftlichen Sozialversicherungsanstalten unvermeidbar gewesen.