Protokoll der Sitzung vom 09.07.2010

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung.

Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen, und unterbreche für zwei Minuten.

Unterbrechung: 11.07 Uhr

Wiederbeginn: 11.08 Uhr

Meine Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sitzung und gebe das Ergebnis bekannt. 58 Abgeordnete beteiligten sich an der Abstimmung, 6 stimmten mit Ja, 52 Abgeordnete stimmten mit Nein, Enthaltungen waren keine. Damit ist der Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/3559 abgelehnt.

Meine Damen und Herren, die Fraktion der FDP hat um eine Unterbrechung von 15 Minuten gebeten. Ich unterbreche jetzt die Sitzung für 15 Minuten und wir werden sie um 11.25 Uhr wieder eröffnen. Die Sitzung ist unterbrochen.

Unterbrechung: 11.09 Uhr

Wiederbeginn: 11.27 Uhr

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 20: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Nachhaltige Entwicklung der ländlichen Räume durch regionale Vielfalt sichern, auf der Drucksache 5/3573.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Nachhaltige Entwicklung der ländlichen Räume durch regionale Vielfalt sichern – Drucksache 5/3573 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Lück. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Seit geraumer Zeit kochen hier im Land die Emotionen hoch, wenn es um Investitionen im Tierproduktionsbereich geht. Meine Fraktion und ich wollen erreichen, ländliche Räume durch ein konfliktarmes Nebeneinander vielfältiger Nutzungen zu stärken. Diese vielfältigen Nutzungen müssen unter einen Hut gebracht werden, denn sie bedingen sich gegenseitig. Tourismus- und Gesundheitswirtschaft funktionieren ohne Kulturlandschaft und intakte Umwelt nicht. Eine vielfältige Nutzung stärkt regionale Vermarktungschancen und erzeugt Synergieeffekte zum gegenseitigen Vorteil aller in den ländlichen Räumen Agierenden. Gerade der Mix unterschiedlichster Nutzungen macht den Reiz des ländlichen Raumes aus. Zusammen mit dem regionalen Besonderen entstehen die regionale Vielfalt und die Unverwechselbarkeit der Regionen. Deshalb muss das Ziel der Lan

desraumordnung und der Landesentwicklung sein, eine Balance unterschiedlicher Raumnutzung zu erreichen, damit ein störungsarmes Nebeneinander möglich ist.

Mit dem Punkt 1 fordern wir, dass alles Machbare getan wird, um Immissionen und Emissionen zu minimieren. Seit November 2006 gilt die Geruchsimmissionsrichtlinie als Verwaltungsvorschrift. Sie ist befristet bis 2011 und basiert auf der von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz erarbeiteten Geruchsimmissions-Richtlinie aus dem Jahre 2004.

In die aktuelle Geruchsimmissions-Richtlinie 2008 flossen neue Erkenntnisse ein, so auch aus dem Jahr 2006 das durchgeführte Projekt „Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft“. Darin wurde festgestellt, dass Gerüche von Rindern akzeptierter sind als die von Schweinen. Gerüche von Geflügel seien am penetrantesten und wirkten deutlich stärker belastend als Industriegerüche. Das ist wirklich neu.

(Ute Schildt, SPD: Die haben schon immer gerochen.)

Bisher wurden die verschiedenartigen Gerüche von Rindern, Schweinen und Geflügel mangels wissenschaftlicher Erkenntnisse stets gleich behandelt. Außerdem berücksichtigt diese Richtlinie aus dem Jahr 2008 Standorte mit Anlagenhäufung, wo sich Gerüche überlagern. Die ergänzte und aktualisierte Fassung gibt den Vollzugsbehörden Kriterien für eine sachgerechte Beurteilung im landwirtschaftlichen Bereich vor. Genau deshalb führten mittlerweile einige Bundesländer diese Richtlinie als Verwaltungsvorschrift verbindlich ein.

Meine Fraktion und ich fordern, die GeruchsimmissionsRichtlinie 2008 ohne Befristung einzuführen. Damit wäre sie künftig bei der Anlagengenehmigung anzuwenden. Darüber hinaus sollten das Fachministerium, die Beratungsunternehmen und der Bauernverband alles dafür tun, damit Anlagen betreibende und investitionswillige Landwirte alle nötigen Informationen erhalten, um Emissionen nachhaltig zu vermindern.

Wie sieht es heute aus? Baurechtlich zu genehmigende Tierproduktionsanlagen, also Anlagen, für die kein BImSchG-Verfahren durchzuführen ist, müssen nicht zwingend dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Dabei gibt es bereits kostengünstigere Filteranlagen, die Emissionen von Staub und Ammoniak deutlich reduzieren. Beim Einbau dieser Filter müssen nicht einmal die Baukosten steigen, denn die jetzige Praxis – der Bau hoher Schornsteine und/oder der Bau eines zentralen Abluftschachts – sind auch sehr kostenintensiv. Die laufenden Kosten könnten sinken, denn durch den Einsatz der Reinigungsanlagen würde eine bessere Luftqualität im Stall erzeugt und so Krankheiten bei den Tieren vermieden werden. Teure Medikamente könnten gespart werden und die Sterberate würde deutlich sinken.

Nun zum Punkt 2 unseres Antrages. Raumentwicklungsminister Schlotmann ist gegen eine Ausweitung von Raumordnungsverfahren. Das zeigte seine Reaktion auf unseren diesbezüglichen Antrag vom Dezember 2009. Aber Fakt ist, die Dimensionen von Anlagen für die Tierproduktion oder Bioenergieerzeugung müssen am Standort verkraftet werden können, also raumverträglich sein. Genau da habe ich bei geplanten Anlagen, bei denen es um 10.000 Sauen oder Mastanlagen für 500.000 Hähnchen allein in der Umgebung des Plauer Sees geht, so meine Zweifel.

Deshalb brauchen wir dringend Möglichkeiten der Steuerung durch Raumplanung. Im Rahmen des Anlagengenehmigungsverfahrens wird eine behördliche Stellungnahme abgegeben, ob das Vorhaben den landesplanerischen Zielen entspricht. Dabei ist nur diese Anlage zu betrachten und nicht, was rechts und links passiert. Und genau das ist der Dreh- und Angelpunkt. Eine umfassende Sichtweise würde nur ein Raumordnungsverfahren leisten können, aber das wollen Sie ja nicht. So ein Raumordnungsverfahren konnte für Klein Luckow durchgesetzt werden, aber für andere Vorhaben bisher noch nicht. Wenn also die behördliche Stellungnahme die Regel bleiben soll, dann muss den Landesplanungsbehörden für ihre landesplanerische Stellungnahme auch was Greifbares in die Hand gegeben werden. Und eben das kann das Landesraumentwicklungsprogramm leisten. Deshalb sehen meine Fraktion und ich Fortschreibungsbedarf dahin gehend, Möglichkeiten zur Steuerung bei großen Vorhaben zur Tierproduktion und zur Nutzung von Bioenergie zu schaffen.

Und wir stehen nicht alleine da. Auch Experten für Regionalentwicklung, zum Beispiel von der Fachhochschule Neubrandenburg, sehen Handlungsbedarf. Auch bei der Anhörung im Fachausschuss zum Antrag meiner Fraktion zur Zukunft der ländlichen Räume plädierten Vertreter der Regionalen Planungsverbände für raumordnerische Vorgaben.

Nun zum Punkt 3. Meine Fraktion nimmt die Initiative von Bündnis 90/Die Grünen auf. Diese haben im Mai dieses Jahres einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung des Baugesetzbuches im Bundestag vorgelegt. Im Baugesetzbuch gibt es eine Begriffsbestimmung für Landwirtschaft. Danach wird Tierhaltung der Landwirtschaft zugeordnet, soweit das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Flächen erzeugt werden kann. Tierintensivhaltung ohne Bodenbindung ist gewerbliche Tierhaltung und nach Paragraf 35 Absatz 1 Nummer 4 des Baugesetzbuches privilegiert im Außenbereich.

Weil diese Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen haben können, wurden sie also dem Außenbereich zugeordnet. Das heißt, es bedarf keiner gemeindlichen Bauleitplanung, um Baurecht zu schaffen. Baurecht ist vorhanden, nur eine Anlagengenehmigung wird gebraucht. Die Gemeinden können zwar Bauleitpläne aufstellen, um in ihrem Gemeindegebiet Flächen auszuweisen, auf denen Tierproduktionsanlagen zulässig oder unzulässig wären, aber so eine Planung ohne konkreten Anlass macht keinen Sinn.

Vernünftig wäre doch, das zu tun, wenn der konkrete Anlass vorhanden ist, also der Landwirt bauen will. Damit hätte die Gemeinde Einfluss auf den Standort im Gemeindegebiet und die Größe der Anlage. Aber auch der Landwirt hätte einen Nutzen davon, denn ein Bauleitplan kostet relativ wenig Geld und benötigt nicht den Planungsstand, der für eine Anlagengenehmigung gebraucht wird. Ein Bauleitplan ist mit allen Trägern öffentlicher Belange abgestimmt und enthält eine Umweltprüfung. Das bedeutet erheblich mehr Planungssicherheit. Außerdem wird das, was bereits im Bauleitplanverfahren geprüft wurde, nicht erneut geprüft.

Ich bitte deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag und schlage Einzelabstimmung für die einzelnen Punkte vor. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Lück.

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat ums Wort gebeten der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Dr. Backhaus. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, man darf feststellen, heute ist ein besonderer Tag für Mecklenburg-Vorpommern und die Ferien beginnen. Ich wünsche den Kindern viel Freude in dieser unterrichtsfreien Zeit, aber …

(Torsten Renz, CDU: Eis essen heute Nachmittag.)

Ja, ich gebe auch ein Eis aus heute, da bin ich mir schon ziemlich sicher, also für die Schülerinnen und Schüler.

(Heinz Müller, SPD: Ach so. – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Die bestellen wir jetzt alle her. Alle bestellen wir her.)

Ja, holt sie her! Holt sie her, ich gebe einen aus!

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Ja, ja.

Dann möchte ich aber die zweite wesentliche Feststellung treffen. An diesem Wochenende können Sie davon ausgehen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beginnt eine der anstrengendsten Phasen, die in der Landwirtschaft im Laufe des Jahres durchlaufen werden. Die Ernte der Wintergerste wird beginnen. Wenn Sie die Bestände draußen sehen, das will ich auch nur kurz einflechten, das stand alles relativ gut. Wir sind doch noch – trotz des schweren Winters – über ein gutes Frühjahr gekommen. Die Bestände haben sich hervorragend entwickelt, aber jetzt gibt es doch Anzeichen dafür, ob in Müritz, Ludwigslust, Mecklenburg-Strelitz oder auch an anderen leichteren Standorten, dass es bereits zur Notreife kommt. Das wird dazu führen, dass wir nicht die Ernte erreichen, die sich die Landwirte gewünscht haben. Aber ein Positives hat es auch immer wieder: Die Preise steigen und damit wird sicherlich hoffentlich einiges kompensiert. Aber die Küken werden im Herbst gezählt und dann werden wir sehen, wie die Landwirtschaft – die Landwirtschaft, Frau Lück – mit dem Thema klargekommen ist.

Deswegen möchte ich natürlich auch auf diesen Antrag eingehen. Die Überschrift Ihres Antrages lautet ja „Nachhaltige Entwicklung der ländlichen Räume durch regionale Vielfalt sichern“. Das klingt sehr vielversprechend, gar keine Frage. Wir sind uns auch in wesentlichen Punkten einig gewesen, immer. Und wenn Sie der Ehrlichkeit halber zugeben, und das werden Sie auch bestätigen müssen, dann stammt das letzte Raumordnungsgesetz, das will ich gleich angesprochen haben, aus der letzten Legislaturperiode. Herr Methling oder auch Herr Holter werden sich erinnern, wir haben hart gerungen mit diesem Gesetz, aber wir haben es verabschiedet.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das kann man wohl sagen.)

Ja, es wird gerade auch bestätigt.

Da sind weitreichende Entscheidungen getroffen worden, nämlich die Vorhangräume für touristische, wirtschaftliche Entwicklung, aber auch in dem Kontext der landwirtschaftlichen Entwicklung.

Zur Zielsetzung gibt es eigentlich gar keinen Dissens. Genau das ist die Politik der Landesregierung, was Sie hier andeuten, aber Sie können sich meine Enttäuschung hoffentlich vorstellen, als ich den Antrag dann zu Ende gelesen habe. Nämlich – entschuldigen Sie diese doch herbe Kritik an dieser Stelle, meine sehr geehrten Damen und Herren von der LINKEN – er trifft weder die wirklichen Kernpunkte, die wir als Probleme im Land erkennen müssen, noch sind die vorgeschlagenen Lösungsansätze wirklich vielversprechend.

Worum geht es wirklich in der Sache?

(Irene Müller, DIE LINKE: Um Raumordnung.)

Mecklenburg-Vorpommern ist nun mal durch die Agrarwirtschaft und die Veredelungswirtschaft in der Landwirtschaft geprägt. Ich sage es immer wieder, wir machen 8 Milliarden Euro Umsatz und wir haben auch das Potenzial, uns weiterzuentwickeln. Im Übrigen kommt danach der Tourismus mit 3,5 – 3,8 Milliarden und dann der Schiffbau. Das heißt, die Landwirtschaft und die Ernährungswirtschaft ist und bleibt nach wie vor die wichtigste Branche.

Unsere Landwirtschaft zu erhalten, gilt es natürlich auch. Wir wollen mit der nachhaltigen landwirtschaftlichen Flächennutzung natürlich auch Perspektiven vorantreiben. Die Existenz unserer Dörfer, das ist doch auch Anliegen dieses Hohen Hauses, und auch die ländliche Infrastruktur müssen wir sichern. Wir wollen doch gemeinsam die Schaffung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum sichern. Deshalb müssen die bestehenden Potenziale für die landwirtschaftliche Veredelungsproduktion über die Tierhaltung oder auch, auch die haben Sie kritisiert, über die Bioenergieanlagen weiter ausgebaut werden. Das brauchen wir, um damit die ländlichen Räume überhaupt erhalten zu können.

Bezogen auf einen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche – und diese Zahl ist vielleicht mal interessant –, in der reinen Marktfruchtproduktion erzielen wir heute einen Umsatz von 1.000 Euro pro Hektar. Ich gehe mal davon aus, Herr Professor Tack wird dazu noch reden. Wenn wir uns dann anschauen, wie ist es denn mit der Milchproduktion, wie ist das mit der Geflügelproduktion, wie ist das mit der Schweineproduktion, dann kann ich Ihnen hier heute auch sagen, wir haben Umsatzerlöse im Vergleich zum reinen Marktfruchtbau von 1.000 Euro, bei der Veredelung von Milch, Schweinen oder Geflügel von bis zu 3.000 Euro, das heißt also, das Zweifache. Darüber muss man auch reden, wenn man hier sagt, wir wollen einen anderen Weg oder wir wollen auch landwirtschaftliche Tierhaltungsanlagen in unserem Lande nicht mehr.

Bei der Milchproduktion haben wir tatsächlich in diesem Lande gute Entwicklungen, aber wir sind an der Grenze – das weiß auch jeder in diesem Raum, der sich damit befasst –, weil wir keine zusätzlichen Milchlieferrechte zurzeit bekommen und die durch Quoten manifestiert ist. Auch die Zahl ist in Deutschland immer wieder in der Kritik, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern gerade mal 0,8 Arbeitskräfte auf 100 Hektar beschäftigen. Womit hängt das zusammen? Nämlich genau mit der Tatsa

che, dass wir zu wenig veredeln. Auf der anderen Seite könnten wir bei der Veredelung tatsächlich deutlich mehr Menschen beschäftigen. Leider ist der Ausbau – und das habe ich schon angedeutet – der Milchproduktion nicht möglich.