Protokoll der Sitzung vom 15.09.2010

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja.)

Die Enquetekommission, so ihr im Gesetz fixierter Auftrag, soll für die Vorbereitung gesetzlicher Regelungen und anderer von Landtag und Landesregierung zu treffenden Entscheidungen Empfehlungen erarbeiten.

Meine Damen und Herren, diese Empfehlungen – einschließlich abgegebener Sondervoten –, lieber Herr Roolf, sollte der Landtag aber bitte schön erst zur Kennt

nis nehmen dürfen, auch und gerade die Positionierung zur wirtschaftlichen Betätigung. Dies umso mehr, als sich die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen seit Längerem zu einem Dauerbrenner in der Diskussion entwickelt hat. Die Kommunalverfassungen beziehungsweise Gemeindeordnungen der Bundesländer weisen teilweise erhebliche Unterschiede auf, wenn man sie unter dem Blickwinkel des kommunalen Wirtschaftsrechts beleuchtet. Rechtsprechung, Schrifttum und Interessenverbände vertreten dabei mitunter konträre Standpunkte. Werden in einem Bundesland die Voraussetzungen der kommunalen Wirtschaftsbetätigung gelockert, erfahren sie in anderen eine Verschärfung.

Gleichzeitig, und das macht die Angelegenheit nicht einfacher, meine Damen und Herren, schwebt über dieser Thematik der Glaubenskampf um Staatsquote und Staatswirtschaft. Insbesondere die mittelständische Wirtschaft macht gegen die kommunale Konkurrenz mobil und beklagt die aus ihrer Sicht nicht sehr hohe Bindungs- beziehungsweise Eingrenzungswirkung der kommunalen Wirtschaftsvorschriften. An dieser Stelle ergreift die FDP Partei und sie möchte die derzeitige Gleichrangigkeit zwischen kommunaler und privater wirtschaftlicher Betätigung aufheben, und zwar zulasten der Kommunen. Das ist das gute Recht der FDP. Kommunalfreundlich ist es aber allerdings nicht. Und genau aus diesem Grund wird die Enquetekommission, da bin ich mir sicher, das Gegenteil von dem empfehlen, was die FDP wünscht.

Meine Damen und Herren, eine dritte Anmerkung. Der FDP-Gesetzentwurf ignoriert nicht nur die Vorschläge unserer kommunalen Landesverbände zur Novellierung der Kommunalverfassung. Nein, die FDP verkennt auch weitgehend die kommunale Praxis in diesem Land. Statistisch betrachtet wurde die wirtschaftliche Tätigkeit der Kommunen – hören Sie zu, Herr Roolf! – am umfangreichsten in Nordrhein-Westfalen ausgeweitet, gefolgt von Bayern und Niedersachsen.

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Und beim Anteil von Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit an den gesamten Einnahmen liegen die südwestlichen Bundesländer vorn. Insgesamt zeigt sich, dass die vergleichsweise finanzstärkeren Westkommunen ihre Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit steigern. Mecklenburg-Vorpommern dagegen liegt im Bundesvergleich auf dem vorletzten Platz. Wir sollten bei diesem Thema also nicht nur die Kirche im Dorf lassen, sondern auch unser Land und die tatsächlichen Gegebenheiten konkret in den Blick nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich auf einen Aspekt verweisen, den der vorliegende Entwurf aufgreift und der nach meiner Kenntnis im Regierungsentwurf nicht beziehungsweise nicht mehr enthalten ist. Und dann erinnere ich an das Stichwort Marktanalyse. Ich würde es sehr begrüßen, wenn in die Regelungen zur wirtschaftlichen Betätigung unserer Kommunen ein sogenanntes Markterkundungsverfahren Eingang finden würde.

Hierbei geht es nicht allein darum, wie es der FDP-Entwurf beabsichtigt, die lokale Wirtschaft in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Mir und meiner Fraktion geht es vor allem darum, vor der Entscheidung über eine wirtschaftliche Betätigung mit einem transparenten

Verfahren die Verantwortung der Gemeindevertreter zu stärken. Ein Markterkundungsverfahren kann einen Beitrag dazu leisten, dass eine wirksame Kontrolle durch die Kommunalpolitik nicht absehbar an fachliche Grenzen stößt. Darüber sollten wir gemeinsam im Innenausschuss mit den kommunalen Verbänden befinden.

Sollte Ihr Antrag heute eine Mehrheit zur Überweisung in den Innenausschuss finden, kann ich Ihnen daher nur empfehlen, liebe Kollegen von der FDP: Verzichten Sie auf eine Einzeldebatte, sondern bringen Sie Ihre Gedanken da ein, wo wir die gesamte Änderung der Kommunalverfassung behandeln! – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Měšťan.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Lenz.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Wo ist denn Herr Ringguth?)

Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wirtschaftliche Betätigung der Kommunen ist ein wichtiger Punkt in der oder für die Wirtschaft, auch für die Kommunen,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ich hätte lieber Herrn Ringguth gehabt.)

über den sich trefflich streiten lässt, Herr Methling. Ich werde Ihnen nachher auch ein paar Beispiele nennen, die Sie in einem Einwurf vorhin von Herrn Roolf gefordert haben. Ich möchte heute darauf nicht eingehen. Ich habe gesagt, wichtiger Punkt für die Wirtschaft und auch für die Gemeinden, aber nur ein Punkt aus der Kommunalverfassung.

Ich denke, dass Frau Měšťan das aus den Medien heute morgen schon gehört hat, dass sich das Kabinett in der nächsten Woche mit der Novellierung der Kommunalverfassung,

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

da weiß sie mehr als wir, befasst. Der Innenminister – aber er ist für mich maßgebend – hat darauf hingewiesen, dass die Regierung an einer Novellierung der Kommunalverfassung arbeitet, dass wir noch in diesem Herbst über die Novellierung im Landtag diskutieren werden. Und da, Herr Roolf, sollten Sie Ihre Änderungswünsche für diese beiden Paragrafen der alten Kommunalverfassung – 68 und 70 sind 68 und 77 – einbringen. Darüber sollten wir diskutieren, so, wie es Frau Měšťan vorgeschlagen hat, im Innenausschuss. Ihr Antrag, Ihr Gesetzesentwurf zur Änderung der Kommunalverfassung kommt hier zu einem falschen Zeitpunkt. Ich könnte Ihnen auch vorschlagen: Ziehen Sie ihn einfach zurück! – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Schöner Vorschlag.)

Danke schön, Herr Abgeordneter Lenz.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Andrejewski. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Entkommunalisierung der Daseinsvorsorge ist in den letzten Jahren viel zu weit gegangen. Der Privatisierungswahn griff um sich. Alles musste der freien Wirtschaft übergeben werden, weil die alles viel besser kann als der Staat, wenn sie nicht gerade durch milliardenschwere Rettungspakete vor der Spekulationspleite bewahrt werden musste.

Als diese Bewegung einsetzte und immer mehr kommunale Wasserwerke, Stromversorger, Entsorgungsbetriebe und Ähnliches in private Hände übergingen, war jedem einigermaßen nüchtern denkenden Beobachter klar, wohin das führen musste. Die Privaten würden sich, wenn sie konnten, die profitablen kommunalen Betriebe schnappen, die defizitären dürften die Gemeinden behalten und in den übernommenen Einrichtungen würden die Investitionen sinken, während sich die Gebühren erhöhten und die Gewinne der Privaten und für den Bürger alles teurer würde. So ist es in den meisten Fällen auch gekommen, ein FDP-Traum wurde wahr, weshalb jetzt mit Recht eine Gegenbewegung in Richtung Rekommunalisierung in Fahrt gekommen ist.

Die Hansestadt Rostock hat in einer Stellungnahme zu ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit alles Nötige gesagt. Sie sagte, alles, was der Grundversorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Gütern und Dienstleistungen dient, muss auch staatlich betrieben werden. Die Alternative kann man in Großbritannien besichtigen, wo Profitgeier große Teile des öffentlichen Verkehrs und Gesundheitswesens und weitere Bereiche der Infrastruktur ausgeschlachtet und ruiniert haben.

Genauso wenig wie die Kommunen auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge Boden preisgeben sollten, genau wenig sollten sich natürlich mutwillig auch wirtschaftliche Gebiete ausdehnen, die mit Daseinsvorsorge nichts zu tun haben. Die Gefahr besteht im Augenblick aber konkret nicht, sie bestünde höchstens dann, wenn, wie Herr Sarrazin es will, alle Empfänger von Arbeitslosengeld II zur Arbeit gezwungen würden. Das hätte dann in der Tat einen gigantisch aufgeblähten öffentlichen Beschäftigungssektor zur Folge, der weite Teile der Privatwirtschaft erdrücken würde, es sei denn, man ließe die Leute Löcher graben und wieder zuschütten.

Solange so etwas oder so etwas Ähnliches nicht in Angriff genommen wird, besteht kein Grund, die Kommunalverfassung in der Art und Weise zu ändern, wie die FDP das will. Die meisten Kommunen sind froh, dass sie sich überhaupt recht und schlecht über Wasser halten können. Schon mangels Geld und Personal sehe ich die Gefahr nicht, dass sich irgendeine Kommune durch gigantische Aktivitäten plötzlich zu einer Gefahr für die Privatwirtschaft aufschwingen könnte. In diesem Land geht beides parallel den Bach runter, Privatwirtschaft und Kommunen. Das ist das Problem und nicht, dass die Hansestadt Wismar Stadtrundfahrten veranstaltet.

Im Vordergrund steht das Allgemeinwohl und wenn das Allgemeinwohl es erfordert, dass eine neue Straße irgendwo neu gebaut wird, dann hat der private Betreiber einer Gaststätte an der alten Straße eben Pech gehabt. Dann hat sich ein Unternehmerrisiko verwirklicht. Denn das ist mit Unternehmertum auch verbunden, Risiko. Es gibt keine verbeamteten Unternehmer.

Und wenn es öffentliche Zwecke erfordern, dass eine Stadt privatwirtschaftlich tätig wird, auch um Geld zu verdienen, weil sie sonst vielleicht pleitegeht und ihre

Aufgaben nicht erfüllen kann, dann geht das Allgemeinwohl eben vor und die Privatwirtschaft muss zurückstehen. Dass eine Kommune das mutwillig macht, wage ich übrigens zu bezweifeln. Es wäre ein Nullsummenspiel, einerseits mehr Geld zu verdienen und andererseits steuerzahlende Betriebe aus dem Markt zu drücken. Das wird eine Kommune nur dann machen, wenn es gar nicht anders geht. Und dann ist es auch notwendig. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat noch einmal für die Fraktion der FDP der Fraktionsvorsitzende Herr Roolf. Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, wir sollten es jeder Fraktion selber zugestehen, wann sie welchen Gesetzentwurf einbringt und welcher Redner wann dazu spricht. Das zu Punkt eins.

Zu Punkt zwei muss ich feststellen, dass wir ein Stückchen verkehrte Welt oder auch nicht verkehrte Welt haben. Dass Frau Měšťan die Marktanalyse, also zumindest das Problem erkennt und der Innenminister, der zugleich CDU-Vorsitzender dieses Landes ist, sich in einer desaströsen Art und Weise über die Privatwirtschaft im Lande hier äußert,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

verwundert mich schon sehr und ich kann an dieser Stelle eigentlich nur fragen:

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das hat er überhaupt nicht getan. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Warum sind wir eigentlich in der Situation, dass wir heute hier diesen Antrag vorliegen haben? Ich habe gesprochen über die Enquetekommission und ich habe gesprochen über das politische Handeln, was in den letzten Monaten hier gelaufen ist. Die Wahrheit ist doch, dass die Landesregierung aus CDU und SPD zuerst den Kommunen den Geldhahn zugedreht hat übers FAG, über den Landeshaushalt und dann durch die Hintertür an die kommunalen Spitzenverbände rangegangen ist und gesagt hat, wir versuchen mal, das ein bisschen zu lockern, dass ihr euch mehr unternehmerisch betätigt. Damit könnt ihr das, was ihr von uns weniger bekommt, dann kompensieren.

(Heinz Müller, SPD: Das entspricht vornehm formuliert nicht den Tatsachen.)

Das ist die Realität und das ist die Situation. Und ich will auf ganz konkrete Dinge noch einmal hinweisen, und zwar auf die konkreten Dinge mit dem ÖPNV. Der Staat muss die Hoheit über den ÖPNV haben, aber kein Mensch der Welt legt fest, dass er ihn auch selber betreiben muss.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Der Staat muss dafür sorgen, dass es Rechtsschutz für betroffene Unternehmerinnen und Unternehmer in der Privatwirtschaft gibt. Diesen Rechtsschutz gibt es heute nicht.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Gucken wir uns mal die Preisentwicklung an!)

Und wer mögliche Stellungnahmen, Herr Kollege Müller, der Selbstverwaltung der Wirtschaft als Popanz bezeichnet, so, wie Sie es getan haben, und die Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände als Allheilmittel darstellt, der treibt einen Keil zwischen Kommunen und Private. Es ist nicht unser Anliegen. Wir haben im Vorfeld unserer Gesetzesinitiative eine Veranstaltung mit den liberalen Kommunalpolitikern gehabt, wo die kommunalen Spitzenverbände da waren, wo die Vereinigung der Stadtwerke da war, wo Rechtsanwälte da gewesen sind, wo die Landesregierung anwesend gewesen ist, und haben genau diese Problemsituation, in der wir uns befinden, gemeinschaftlich besprochen.

Wir, meine Damen und Herren von der CDU und von der SPD, haben im Vorfeld unseres Antrages die IHK Rostock, die IHK Schwerin, die IHK Neubrandenburg, die Handwerkskammer Ostmecklenburg-Vorpommern, die Handwerkskammer Schwerin, die Vereinigung der Unternehmensverbände, die DEHOGA angeschrieben und um Stellungnahmen gebeten.