Es wurden einige der neuen Vorschläge in der vergangenen Woche schon in den Medien sehr heftig diskutiert. Lassen Sie mich nur einige Schlagzeilen zitieren. So stand in der „Schweriner Volkszeitung“ vom 3. September 2010, ich zitiere: „Datenschützer warnt vor Polizeige
setz“, Ende des Zitats. Die „Ostsee-Zeitung“ betitelte am 2. September 2010 ihren Artikel mit der Überschrift, ich zitiere: „Land schafft Elektroschocker gegen Demonstranten an“, Ende des Zitats. Auch der „Norddeutsche Rundfunk“ hat sich an der Diskussion beteiligt und so war auf seiner Internetpräsentation unter anderem zu lesen, ich zitiere: „Großer Lauschangriff blieb aus“, Ende des Zitats.
Bevor der jetzt zu diskutierende Gesetzentwurf als Drucksache der Öffentlichkeit zugänglich war, wurde in den Medien zum Teil mit dramatischen, aber eben auch unwahren Informationen versucht, eine negative Stimmung gegen diesen Entwurf zu entwickeln. Dies verwundert mich umso mehr, als dass wir alle in diesem Zusammenhang gestellten Anfragen der Presse umfänglich und korrekt beantwortet haben.
Also, meine Damen und Herren, nutze ich die Gelegenheit der Landtagsdebatte, Ihnen die Eckpunkte dieser Novelle noch mal zu erläutern, aber auch, um das eine oder andere klarzustellen. Ganz besonders möchte ich Sie aber bitten, den Gesetzentwurf kritisch zu lesen und sich eine eigene, unbeeinflusste Meinung zu bilden.
Zunächst gibt es die zeitliche Notwendigkeit, auf die ist schon einmal hier eingegangen worden. Einige Regelungen des Gesetzeswerkes laufen im Jahr 2011 aus. Diese Regelungen sollen nun nach dem Willen der Koalitionsfraktionen entfristet werden. Diese Entscheidung ist konsequent und sie ist vor allen Dingen richtig.
Denn alle drei Regelungen haben sich in der Praxis bewährt und ich bin auch der festen Überzeugung, dass sie fortgelten müssen. Machen wir uns doch nichts vor: Skrupellose Straftäter suchen sich immer neue Wege und Methoden, um ihre Taten zu begehen.
Eine Gefahrenabwehr kann letztendlich nur dann erfolgreich sein, wenn auch der Gesetzgeber bereit ist,
den Sicherheitsbehörden ein Regelwerk an die Hand zu geben, das den Einsatz auch moderner Mittel und moderner Technik überhaupt gestattet. Würden wir die Regelungen zur Bild- und Tonaufzeichnung, zur präventiven Telekommunikationsüberwachung oder zu KfzKennzeichenlesegeräten Mitte nächsten Jahres auslaufen lassen, wäre dies definitiv ein nicht hinnehmbarer Rückschritt für die Arbeit der Sicherheitsbehörden des Landes.
Ich möchte Ihnen kurz skizzieren, was sich hinter der beabsichtigten Entfristung der eben von mir genannten drei Regelungen verbirgt:
Die Möglichkeit der Bildbeobachtung und -aufzeichnung in Paragraf 32 Absatz 3 gibt es bereits seit Inkrafttreten des SOGs im Jahre 1992. Sie wurde von den kommunalen Ordnungsbehörden und der Polizei in zahlreichen Fällen genutzt. Im Übrigen wird sie eben nicht „konspirativ“ eingesetzt, wie in der Presse zu lesen war. Das SOG erlaubt seit jeher nur eine offene, das heißt für jedermann erkennbare Beobachtung und Aufzeichnung, und dies
soll auch in Zukunft so bleiben. Vielmehr wird die Vorschrift weiter konkretisiert. Es soll nunmehr auch gesetzlich festgelegt werden, dass für die Bildbeobachtung konkrete Anhaltspunkte für ein die öffentliche Sicherheit schädigendes Ereignis vorliegen. Insofern kann von verdachtsunabhängiger Videoüberwachungen absolut nicht die Rede sein.
Meine Damen und Herren, die Telekommunikationsüberwachung in Paragraf 34 des Gesetzentwurfes hat sich zu einem unverzichtbaren Instrument bei der Gefahrenabwehr entwickelt. Gerade Standortfeststellungen von Mobiltelefonen sind bei der Suche nach vermissten Personen oder auch Jugendlichen und suizidgefährdeten Personen sehr erfolgreich. Dabei gelingt es häufig, Gefahren für Leib und Leben der betroffenen Personen abzuwehren. Und dieses Mittel können wir doch wohl nicht ernsthaft infrage stellen. Jedes Leben ist es wert, dass wir dafür alle Möglichkeiten einsetzen.
Auch der Einsatz des KLS, also des Kennzeichenlesesystems, wurde bisher kontrovers diskutiert. Die Landespolizei hat ein System in einem Pilotversuch im grenznahen Raum zu Polen getestet. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu den vergleichbaren Regelungen in Hessen und in Schleswig-Holstein, die für nichtig erklärt wurden, haben wir diesen Pilotversuch unter eingeschränkten Bedingungen durchgeführt. Es ist für mich selbstverständlich, dass sich das Innenministerium und die Behörden der Polizei streng an die Vorgaben der Verfassung zu halten haben. Der Pilotversuch hat dennoch überzeugend bewiesen, dass das Lesesystem gerade im Grenzgebiet und auf den Autobahnen geeignet ist, Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren und Straftaten zu verhindern.
Die auf der Bundesautobahn 20 verstärkt durchgeführten allgemeinen Verkehrskontrollen haben gezeigt, dass Diebesgut aus West- und Nordeuropa nach Osteuropa über die Autobahnen verbracht wird
Selbstverständlich wurde die Regelung nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes ausgestaltet. Der jetzt vorliegende Entwurf orientiert sich maßgeblich an der Regelung des Landes Brandenburg, welche vom Verfassungsgericht als eine die Verhältnismäßigkeit wahrende Regelung eingestuft wurde.
Ich hoffe, deutlich gemacht zu haben, dass weder die Fraktionen noch das Innenministerium die notwendige Novelle des SOGs nutzen wollen, um die befristeten Vorschriften zu verschärfen. Das ist eindeutig nicht der Fall. Vielmehr wurden die Regelungen konkretisiert und an Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes angepasst.
Eine neue Regelung im SOG, die aufgenommen werden soll, wurde bereits von den Medien aufgegriffen. Ich spreche hier die Einführung von Distanz-Elektroimpulsgeräten, den sogenannten Tasern, an. Die Funktionalität hat ja Frau Měšťan schon außerordentlich genau beschrieben, sodass ich mich hierauf zurückziehen kann. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass Sie dann in Zukunft auch die Gefährdung, die durch eine Waffe entstehen könnte, genauso definieren, denn die gehört zur Grundausstattung jedes Polizisten.
Ziel ist es, mit den Tasern einen Täter augenblicklich außer Gefecht zu setzen, ohne dass dieser schwere oder lebensbedrohliche Verletzungen davonträgt, wie sie regelmäßig durch eine Schusswaffenverletzung herbeigeführt werden könnten. Erst in der vergangenen Woche konnten Beamte eines Spezialeinsatzkommandos in Rheinland-Pfalz eine Geiselnahme nur durch den Einsatz eines Tasers gegenüber dem Geiselnehmer unblutig beenden. Das war überall nachzulesen und sogar in Bildern abgebildet.
Insofern ist die Diskussion, die hier geführt wird, auch eine Diskussion, die der Sachlichkeit entbehrt. Vor diesem Hintergrund stellt der Taser in der Tat im Vergleich zur Schusswaffe ein milderes Mittel dar. Er soll auch nur von den Spezialeinheiten in bestimmten Einsatzlagen wie zum Beispiel bei Geiselnahmen oder Amokläufen eingesetzt werden.
Nun ist es möglich, Frau Měšťan, dass Sie das nicht wissen, aber die Bundespolizei hat eben keine SEKs
oder keine MEKs. Die sind nach Länderrecht bei den Ländern angesiedelt. Und die Justizvollzugsbeamten haben überhaupt keine Befugsrechte, bei Geiselnahmen zum Einsatz zu kommen. Da müssen dann eben genau diese Einheiten zum Einsatz kommen. Deswegen sollten wir alles dafür tun, dass wir sie so ausstatten können, dass sie möglichst unbeschadet aus ihrem Einsatz wieder zurückkehren.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, deutlich gemacht zu haben, dass es sich nicht – wie in der Presse verlautbart – um sogenannte elektronische Schlagstöcke, die bei Demonstrationen eingesetzt werden sollen, handelt. Vielleicht gelingt es uns in der parlamentarischen Debatte, auch die Diskussion über solche Einsatzgeräte zu versachlichen.
Mit dem Paragrafen 31a des vorliegenden Entwurfes wollen wir eine neue Befugnis für die Behörden schaffen. Sie sollen in der Tat die Möglichkeit erhalten, zur Identifizierung hilfloser Personen und Vermisster sowie unbekannter Toter auf die molekulargenetische Untersuchung zurückgreifen zu können. Die DNA-Analyse ist nun mal in manchen Fällen die einzige Möglichkeit, auch für die Angehörigen, Gewissheit über den Verbleib eines Familienmitgliedes zu erhalten. In den Fällen, in denen eine Straftat ausgeschlossen werden kann, gab es bislang keine Rechtsgrundlage für eine derartige Untersuchung. Im Übrigen setzt diese Maßnahme die Mitwirkung eines Richters voraus. Auch hier sind die gesetzlichen Rahmen ganz klar definiert. Und das sollte für alle wichtig sein, dass wir dies in dem Fall auch so tun.
Im Weiteren sieht der Entwurf in einigen Vorschriften vor, die Rechte der von polizeilichen Maßnahmen Betroffenen zu stärken. Die Polizei wird in größerem Umfang verpflichtet, die Betroffenen über gegen sie gerichtete Maßnahmen zu unterrichten. Sie sollen damit die Möglichkeit erhalten, die Maßnahme wenigstens im Wege nachträglichen Rechtsschutzes überprüfen lassen zu können.
Vor diesem Hintergrund sind die öffentlichen Vorwürfe des Landesbeauftragten für den Datenschutz in der Tat nicht zu verstehen, sie sind ja geradezu kontraproduk
tiv. Folgt man hier dem Landesdatenschutzbeauftragten, geht der Datenschutz vor die Gefahrenabwehr. Das jedoch, meine Damen und Herren, ist mit mir und dem Haus nicht zu machen.
Ferner nutzen wir die Novelle, so, wie sie Ihnen heute vorliegt, auch dazu, europäisches Recht in nationales Recht umzusetzen. Ich spreche hier den sogenannten Ratsbeschluss von Prüm an, der eine Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beinhaltet. Die Änderung sieht vor, dass ausländische Polizeivollzugsbeamte in Mecklenburg-Vorpommern Amtshandlungen wahrnehmen können und Polizeivollzugsbeamte aus unserem Land auch außerhalb der Bundesrepublik tätig werden können.
Ich finde es richtig, dass wir diese Regelungen im SOG verankern, obwohl ich der festen Überzeugung bin, dass wir gerade, wenn wir unsere Zusammenarbeit mit den polnischen Sicherheitsbehörden betrachten, hier keinen Nachholbedarf haben, aber wir schaffen auch dafür die rechtlichen Rahmenbedingungen.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, mit meinen Ausführungen deutlich gemacht zu haben, dass es sich bei dem Ihnen vorliegenden Entwurf nicht um eine Verschärfung des Polizeirechts handelt.
Es geht um die Novelle des SOGs unseres Landes. Wir wollen es moderner machen, an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und des EU-Rechtes anpassen und damit allen Beamtinnen und Beamten unseres Landes auf der Straße einen Handlungsrahmen mitgeben, in dem sie sicher und klar zu unserem Schutz ihre Aufgaben erfüllen können und in dem wir als Parlament auch klar zum Schutz unserer Beamtinnen und Beamten das notwendige Regelwerk mit auf den Weg geben und uns auch da vor sie stellen.
Lassen Sie mich abschließend noch auf einen unverständlichen öffentlichen Einwurf zu dem Gesetzesentwurf eingehen. Da gab es den Hinweis, manche Vorschriften seien unnötig, weil sie zu wenig angewandt worden seien. Dazu kann ich Ihnen nur Folgendes sagen: Einige Vorschriften stellen wegen ihrer Eingriffsqualität, nämlich dem Eingriff in Rechte der Betroffenen, sehr, sehr hohe Voraussetzungen an ihre Anwendung. Das ist auch gut so. Dessen ist sich auch die Polizei bewusst und geht mit ihnen außerordentlich verantwortungsbewusst um. Aber selbst wenn einige Vorschriften nur selten angewandt wurden, so kann man deren Notwendigkeit doch daraus nicht ableiten und in Abrede stellen. Denn wenn nur in einem einzigen Fall die körperliche Unversehrtheit oder gar ein Leben geschützt werden könnte, hat sich doch eine solche Vorschrift schon bewährt.
Wir sollten vielmehr froh sein, dass die Sicherheitslage in unserem Land nicht ein häufigeres Zurückgreifen der Polizei auf diese Möglichkeiten erfordert. Niemand würde doch auf die Idee kommen, die Feuerwehr abzuschaffen, weil es jahrelang nicht gebrannt hat. Auch insoweit bitte ich alle, hier eine sachliche Diskussion über den Gesetzentwurf zu führen.
Mit dem Inkrafttreten dieses Änderungsgesetzes wird Mecklenburg-Vorpommern über ein moderneres Polizei
gesetz verfügen. Unsere Polizeibeamtinnen und -beamten sowie die Mitarbeiter der Ordnungsbehörden benötigen diese Eingriffsbefugnisse, um Gefahren effektiv entgegentreten zu können. Ich wünsche uns daher eine sachliche und gute Diskussion zum Gesetzentwurf und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Die angemeldete Redezeit wurde mit fünf Minuten überschritten, sodass entsprechend unserer Geschäftsordnung Paragraf 85 dies der Opposition zur Verfügung steht.