Jetzt könnten Sie einwenden, dass in Bremen im nächsten Jahr erstmals auch 16- und 17-Jährige an der Bürgerschaftswahl teilnehmen dürfen.
Was dort geht, müsste doch auch hier möglich sein. Aber, Frau Měšťan, der Vergleich hinkt: In der Bremischen Bürgerschaft sind Abgeordnete aus der Stadt Bremen und aus der Stadt Bremerhaven vertreten. Sie ist nicht nur das Landesparlament der Freien Hansestadt Bremen. Die Abgeordneten aus der Stadt Bremen bilden eben zugleich auch die Stadtbürgerschaft. Damit hat die Bürgerschaft nicht nur die Aufgabe eines staatlichen Parlaments, sondern zugleich auch die einer Kommunalvertretung.
Diese Besonderheit könnte es möglicherweise rechtfertigen, dass bereits 16-Jährige an einer Bürgerschaftswahl teilnehmen dürfen.
Der Blick in die Rechtsprechung zeigt aber, dass eine gerichtliche Prüfung solcher Ausnahmen zumindest nicht ausgeschlossen ist.
Außerdem hat die Fraktion der FDP heute zum wiederholten Male auch nach der Ausschusssitzung Änderungsanträge vorgelegt. Zu dem einen oder anderen möchte ich hier noch mal Stellung beziehen, nicht zu allen, aber zu dem einen oder anderen.
Sie wollen in den Paragrafen 28 die Regelungen zu Lautsprecher- und Plakatwerbung im Wahlkampf aufnehmen. Bisher sind diese in einem Erlass enthalten. Richtig ist, dass es vor jeder Wahl Diskussionen darüber gibt, mit welchen Mitteln die Parteien um Stimmen werben dürfen. Momentan werden den Kommunen in dem angesprochenen Erlass Hinweise für die Ausgestaltung eventueller Satzungen und Genehmigungen gegeben. Meiner Ansicht nach sollte das auch so bleiben. Wahlkampf wird vor Ort gemacht. Da ist es nur folgerichtig, wenn es der örtlichen Gemeinschaft überlassen ist, Regelungen für den Wahlkampf aufzustellen.
Hinzu kommt, dass auch bei diesem Vorschlag verfassungsrechtliche Folgen bedacht werden müssen: Wahlwerbung ist eine wesensnotwendige Erscheinungsform der freiheitlichen Demokratie, Herr Schnur. Die Parteien haben in der heißen Wahlkampfphase einen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf. Jede Kommune muss entscheiden, in welcher Form sie den Anspruch erfüllen will. Vor allem den häufig bestehenden Interessenwiderspruch zwischen dem Anspruch auf Wahlwerbung und den Regelungen des Straßen- und Wegerechts kann man nur vor Ort auflösen. Und dies wird auch in Zukunft so bleiben.
Und schließlich, auch auf den Vorschlag wurde noch mal eingegangen, soll die Zahl der Gemeindevertreter und Kreistagsmitglieder für Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohnern stark angehoben werden. Rostock hätte dann beispielsweise statt 53 69 Bürgerschaftsmitglieder. Die größten zukünftigen Landkreise mit 275.000 Einwohnern hätten dann 83 Vertreter.
Darüber hinaus soll für die Gemeinden und Kreise die Möglichkeit bestehen, die ohnehin schon sehr hohen Zahlen noch einmal um etwa ein Drittel zu erhöhen. Damit könnte ein Kreistag in Mecklenburg-Vorpommern in Zukunft bis zu 110 Kreistagsmitglieder haben. Meinen Sie das, Herr Schnur, wirklich im Ernst? Haben Sie bei Ihrem Vorschlag auch an die Arbeitsfähigkeit dieser Gremien gedacht?
Alles in allem kann man Ihre Vorschläge – und jetzt spreche ich Sie ganz speziell an, Herr Schnur – aus fachlicher Sicht wirklich nur ablehnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich zum Abschluss komme, erlauben Sie mir noch einen Hinweis: Wenn das neue Wahlgesetz beschlossen ist, wird auch die Wahlordnung neu erlassen werden. Diese wird eine Überarbeitung der alten, sehr umfangreichen und zum Teil auch sehr unübersichtlichen Formulare beinhalten. Es wird aber auch dafür gesorgt werden, dass die Vorbereitung der Wahlen im Jahr 2011, die ja auf den jeweiligen Ebenen bereits begonnen hat, nicht beeinträchtigt wird. Vor allem die Parteien müssen also nicht befürchten, dass sie ihre Wahlvorbereitungen dann noch einmal von vorn zu beginnen haben.
Ich bedanke mich ausdrücklich beim Fachausschuss und dem mitberatenden Ausschuss für die intensiven Beratungen und werbe für die Zustimmung zum Gesetz. – Recht herzlichen Dank.
Das eine oder andere Gesagte, was wir jetzt gehört haben, ist vielleicht wiederholt worden, aber davon wird es ja noch lange nicht richtig. Das erst mal zum Anfang.
Mein geschätzter Kollege Müller hat mal gesagt, beim Wahlrecht handelt es sich um ein Spielregelgesetz. Ich würde diese Auffassung im Großen und Ganzen teilen wollen, insbesondere deswegen, weil wir letzten Endes ja für die zukünftigen Wahlen die Spielregeln festlegen.
Aber in diesem Gesetz, was uns nun mal vorliegt, auch nicht verändert durch die Beschlussempfehlung, in diesem Gesetz befinden sich verfassungsrechtliche Mängel. Auch darauf habe ich im Ausschuss hingewiesen. Zum einen ist der erheblichste aller Verfassungsmängel meiner Ansicht nach in der Zusammensetzung der Wahlausschüsse zu sehen. Denn die Wahlausschüsse unterliegen entgegen allen Beteuerungen des Innenministeriums, ich habe es ja immer wieder versucht zu sagen, einer Schranke, nämlich in den Wahlausschüssen müssen alle Partien entsprechend ihrer Bedeutung vertreten sein, und das wird in unserem jetzigen Gesetz nicht berücksichtigt.
Das ist ein außerordentlicher Mangel, gerade wenn man sich anschaut, dass es auf der Bundesebene dazu ja sogar Rechtsprechungen gibt.
Und wenn man sich dann noch anschaut, dass im Bundeswahlausschuss, ich glaube, dem größten Gremium, denn er bestimmt die Bundestagswahlen, zwar entsprechend dem Bundestag eine Vertretung stattfindet, aber dieser Bundeswahlausschuss durchaus auch Parteien, deren Bedeutung groß genug ist und angemessen ist, in diesem Bundeswahlausschuss hinzuziehen kann –
deswegen waren zu jedem Zeitpunkt DIE LINKEN im Bundeswahlausschuss, denn sie waren ja nicht immer im Deutschen Bundestag, das traf im Übrigen auch für die Grünen zu –, sollte man das vielleicht einfach mal sacken lassen.
Wir regeln das jetzt anders und sagen Nein, wir setzen den entsprechenden Wahlausschuss nach dem in der Vertretung vorhandenen Stimmenanteil zusammen. Das führt dann im Ergebnis dazu, dass wir bei einem Wahlausschuss die Situation haben, dass die großen Parteien regelmäßig vertreten sind und auf der anderen Seite die kleineren, und wir sind eine der kleineren, natürlich möglicherweise gar keinen Sitz oder nur einen Sitz erhalten und damit politisch motivierte Entscheidungen zukünf
tig in Kreiswahlausschüssen gefeilt werden können. Das muss man einfach auch mal den Leuten sagen. Das kann passieren.
Und ich will dann noch weiter darauf hinweisen, dass wir im Gesetz ja noch etwas ganz Spannendes haben, nämlich die Situation – Frau Měšťan hat das im Nebensatz mit dem Wiederholen der Wahl bei Lorenz Caffier angedeutet, da wird es jetzt ja spannend –, wir haben die Situation, es gibt ja auch Parteien, die möglicherweise ihre Direktkandidaten noch gar nicht bestimmt haben. Soll es ja geben.
Und wenn man sich vorstellt, das Gesetz tritt ja jetzt am 01.01.2011 in Kraft, dann werden wir zwei Arten von Direktkandidaten haben, nämlich die einen, die bis zum 31.12.2010 nach dem alten Wahlrecht zu behandeln sind, und die anderen, die ab dem 01.01.2011 nach neuem Wahlrecht zu behandeln sind. Auch das sollte man einfach mal sacken lassen.
Und wenn wir das jetzt mal zusammenpacken und sagen, das ist Deregulierung, dann habe ich möglicherweise ein anderes Verständnis davon.
Das erklären Sie mal den Kreiswahlleitern! Die werden ihre Freude haben an Ihrer Deregulierung in den nächsten Wochen und Monaten, glauben Sie es mir!
Und das Spiel wird ja noch viel schöner, denn wir haben ja nicht nur einen Wahlausschuss, wir haben ja unter Heranziehung der Kreisstrukturreform sogar auch noch das große Glück, dass wir nicht nur einen Wahlausschuss haben, sondern mehrere,