Protokoll der Sitzung vom 27.01.2011

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke schön, Herr Roolf.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat ums Wort gebeten der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Herr Seidel. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich vielleicht zunächst noch etwas zur Sachverhaltsdarstellung sagen. Also mit dem Verwaltungsabkommen zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben nach dem Energiewirtschaftsgesetz hat das Land bereits Ende 2005 die wesentlichen Regulierungsaufgaben im Energiebereich auf die Bundesnetzagentur übertragen.

(Michael Roolf, FDP: Ja.)

Das ist der Inhalt des Antrages, der jetzt fordert von der Landesregierung, die Gründe, die Berechtigung oder wie auch immer, die Motivation zur Organleihe, so nennt sich das dann, noch mal zu überprüfen. Ich muss dazu sagen, wir haben dies bereits mehrfach im Rahmen der Haushaltsberatungen getan. Das Ergebnis, das ich Ihnen noch einmal darstellen will, lässt sich kurz so zusammenfassen, dass die Gründe, die zur Wahl der Organleihe, also zur Übertragung auf die Bundesnetzagentur geführt haben, heute wie damals aktuell sind.

Wir haben damals die Aufgabenübertragung an die Bundesnetzagentur damit begründet, dass

1. nur eine zentrale bundeseinheitliche Behörde die erforderliche Einheitlichkeit der Entscheidungen garantieren kann und dass

2. die Bundesnetzagentur die Regulierungsaufgaben wirtschaftlicher, deutlich wirtschaftlicher als das Land wahrnehmen kann.

Mit Mecklenburg-Vorpommern haben seinerzeit Berlin, Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen den Weg der Organleihe beschritten. Brandenburg hat erst jüngst beschlossen, seine selbstständige Landesregulierungsbehörde aufzugeben.

Wie gesagt, nach unserer Auffassung hat sich an den Grundargumenten seit 2005 nichts geändert, allerdings, das gebe ich zu, an den Aufgaben sehr wohl. Zum Beispiel ist eben neu hinzugekommen eine Aufgabenausweitung. Im Rahmen des neuen Anreizregulierungssystems müssen nämlich die selbstständigen Landesregulierungsbehörden umfangreiche Effizienzvergleiche anstellen. Weiterhin sieht das 3. Energiebinnenmarktpaket der EU schärfere Entflechtungsvorschriften vor, also die Energieversorger betreffend, die von der Behörde auch entsprechend kontrolliert werden müssen. Beide Aufgabenausweitungen, wie ich Sie Ihnen eben vorstellte, sind mit mehr Personaleinsatz, aber eben auch nicht mit Gebühreneinnahmen verbunden. Das muss man halt wissen bei dieser Geschichte.

Der geänderte europäische Rechtsrahmen, also das 3. Energiebinnenmarktpaket, schreibt vor, dass die Regulierungsbehörde völlig unabhängig von Regierungsentscheidungen zu sein hat. Zur Wahrung der Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde müssen die Mitglieds

staaten sicherstellen, dass die Regulierungsbehörde unabhängig von allen politischen Stellen, so heißt es dort, selbstständige Entscheidungen treffen kann. Es müssen für jedes Jahr separate Haushaltsmittel zugewiesen werden, damit eben diese Behörde den zugewiesenen Haushalt auch selbstständig, eigenverantwortlich ausführen kann. Und natürlich muss die Regulierungsbehörde über eine für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben, wie man sagt, angemessene personelle Ausstattung dann auch verfügen.

Das schon genannte 3. Energiebinnenmarktpaket stärkt damit die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden von anderen öffentlichen Einrichtungen. Die Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur mit ihren weisungsfreien Beschlusskammern genügt gegenwärtig europarechtlichen Vorschriften, allerdings nicht die selbstständigen Landesbehörden. Die erfüllen, wenn man das europarechtlich sieht, diese Vorschriften so im Moment nicht.

Mit anderen Worten müssten wir heute, wenn wir also eine selbstständige Landesregulierungsbehörde einrichten, eine entsprechende Arbeitsebene, eine weisungsfreie Entscheidungsebene dann auch wirklich schaffen. Das würde natürlich – aber ich gebe zu, daran alleine kann man es nicht festmachen –, das würde aber einen deutlichen zusätzlichen Personalbedarf letztlich zur Folge haben.

Seinerzeit wurden bei der Kostenrechnung drei Stellen für die Wahrnehmung der Regulierungsaufgaben durch das Land unterstellt. Heute gehen wir eher davon aus, dass dies fünf Stellen sein müssten. Und vom Qualifikationsspektrum wären das eben Stellen – das können Sie sich aber auch schnell vorstellen – für Juristen, Betriebswirte, Diplomingenieure, Informatiker, die sich speziell im Bereich der Energiewirtschaft auch spezialisiert haben. Wir meinen, dass das bei einer solchen Organisationsstruktur sich für das Land nicht lohnt und auch unwirtschaftlich wäre.

Weiterhin will ich sagen, dass die Bundesnetzagentur im Rahmen der Organleihe, so, wie wir das jetzt haben, auch das Prozessrisiko trägt, wenn es zu Verfahren kommt, und eben nicht das Land. Im Zuge der Einführung der Regulierung ist eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten bei den Oberlandesgerichten anhängig. Zurzeit laufen allein in Mecklenburg-Vorpommern hier 15 Verfahren vor dem Oberlandesgericht Rostock. Der Vorteil der Organleihe ist ganz klar: Es fallen keine zusätzlichen Kosten und Risiken für die Prozessführung beim Land an, und das, denke ich, ist schon mal nicht ganz von der Hand zu weisen.

Nun kann man ja sagen, wir wollen eine norddeutsche Regulierungsbehörde haben. Das wäre ja auch noch eine Möglichkeit. Sie sprechen ja vor allen Dingen auch von der Thematik erneuerbare Energien, das ist ja in Schleswig-Holstein nicht viel anders als in

(Michael Roolf, FDP: Sachsen-Anhalt.)

Mecklenburg-Vorpommern oder in Sachsen-Anhalt, wie auch immer. Ja, wenn man das aber mal weiterverfolgt, dann würde diese Idee sich zumindest mit Schleswig-Holstein und Niedersachsen nicht machen lassen, denn – das wissen wir – die wollen die Organleihe beibehalten. Brandenburg wie gesagt hat erst jüngst beschlossen, die eigene Landesregulierungsbehörde aufzugeben.

Die Auffassung der Organleiheländer wird inzwischen maßgeblich durch die zwischenzeitlich vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung auch bestätigt. Der Bundesnetzagentur wird die korrekte Anwendung der nach dem Energiewirtschaftsgesetz und den flankierenden Verordnungen bestimmten Berechnungsmethoden auch bescheinigt.

Auch die Monopolkommission hat bereits in ihrem Sondergutachten „Strom und Gas 2009“, so nennt sich das, die Haltung der Organleiheländer bestätigt. Insbesondere kritisiert die Monopolkommission, dass die Landesregulierungsbehörden nicht dieselbe politische Unabhängigkeit genießen und dass ein Problem auch insbesondere bei den Landesregulierungsbehörden eben sich darin zeigt, dass die Vergleichsmöglichkeiten, die man ja braucht für die Regulierung, doch schlicht in den Ländern so nicht gegeben sind.

Die Regulierung durch die Bundesnetzagentur, so meinen wir, war auch durchaus effizient, wenn man sich einmal anschaut, dass die Netzentgelte in Mecklenburg-Vorpommern auch heute niedriger sind als vor fünf Jahren. Bezogen auf den Gesamtverbrauch von Strom und Gas ergibt sich eine jährliche Ersparnis für die Wirtschaft, die durchaus im dreistelligen Millionenbereich liegt. Vergleicht man die Netzentgelte MecklenburgVorpommerns und Thüringens, beides Organleiheländer, dann sind diese günstiger als in Brandenburg, in Sachsen und in Sachsen-Anhalt. Das sind die Länder, die selbst regulieren. Also das Argument kann man so nicht gebrauchen. Dass angesichts des Vergleichs die Verbände der Energiewirtschaft allerdings durchaus die Übernahme der Regulierung durch das Land fordern, na ja, das kann sich jetzt jeder selbst auf der Zunge zergehen lassen.

Die Netzentgelte sind in jüngster Zeit wieder angestiegen. Das hat jetzt was zu tun mit der Netzintegration der erneuerbaren Energien,

(Michael Roolf, FDP: Genau das.)

zeigt aber auch, dass nach unserer Auffassung die Bundesnetzagentur den Unternehmen durchaus Spielraum für Netzinvestitionen lässt.

Ich will abschließend noch einmal bemerken, dass wir – und das war ja auch ein Argument, Herr Roolf, wenn ich das richtig gelesen habe in Ihrem Antrag – den notwendigen Netzausbau mit einer selbstständigen Landesregulierungsbehörde nicht vorantreiben können. Das, glaube ich, ist ein Denkfehler, sondern hier gibt es eigentlich andere Probleme. Das scheitert nicht daran, dass die Unternehmen nicht wollten, wir haben ja die Anträge auch da, sondern es geht eigentlich deswegen nicht schneller, weil oftmals die Genehmigungsverfahren sehr langwierig sind, auch dadurch bedingt, dass es eben massiv Bürgerproteste in der Regel gibt.

Erinnern Sie sich mal daran, wir haben ja gerade gebaut, aber auch das war begleitet von erheblichen Protesten. Und die Leitung, die wir jetzt gebaut haben, endet dann dort in, ich glaube, Zarrenthin ist es, wo es dann nach Schleswig-Holstein hineingeht. Auch da wissen wir, dass das Verfahren dort erheblich behindert wird durch Fragen der Akzeptanz und so weiter und so fort. Also das ist ein Thema, an dem wir arbeiten müssen, aber eben nicht auf der Strecke einer Landesregulierungsbehörde.

Weiterhin müssen wir sagen, das nächste Thema, was uns sehr stark beschäftigt, ist natürlich die Frage, wie

geht es mit der Netzintegration und den dadurch entstehenden Kosten weiter. Werden die jetzt bei uns im Lande hängen bleiben? Das ist ja eine Frage. Wir können einen Teil der Kosten übrigens auch heute umlegen, bei den Höchstspannungsnetzen, aber eben dann nicht, …

(Michael Roolf, FDP: Im Verteilungsnetz.)

Ja, richtig.

… dann nicht, wenn es in die Verteilernetze geht. Es ist ein lange laufender Streit, aber wir haben jetzt gerade wieder ein Bundesratsverfahren laufen, wo wir gemeinsam mit Thüringen und anderen Ländern versuchen, hier eine Mehrheit hinzubekommen. Ich will nicht verhehlen, das ist schwierig. Auch das, glauben wir, können wir nicht mit einer Landesregulierungsbehörde beschleunigen. Das ist einfach eine Frage des Suchens von Mehrheiten. Und ich will nur sagen, dass wir daran arbeiten.

Also insofern bleibe ich dabei, dass die Gründe, die damals für die Organleihe sprachen, auch heute zutreffen und dass wir nicht der Meinung sind, dass das mit einem gesonderten Bericht jetzt noch unterlegt werden muss. Insofern, muss ich sagen, bringt uns dieser Antrag nach unserer Auffassung so wirklich nicht weiter. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Danke schön, Herr Minister.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Dr. Timm. Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Die damalige Landesregierung Rot-Rot in der 4. Legislaturperiode hat die Vereinbarung mit dem Bund, mit der Bundesnetzagentur zur Organleihe beschlossen und Herr Minister Seidel hat ja noch mal vorgetragen, von welchen Gründen wir uns damals haben leiten lassen, diesen Vertrag auch so abzuschließen.

Heute gibt es eine etwas veränderte Aufgabenlage. Die Gründe allerdings, die dafür sprechen, den Föderalismus an dieser Stelle nicht über Gebühr zu strapazieren, sondern eben eine einheitliche und deshalb zentrale Regulierung vorzusehen für die Aufgaben auch auf Landesebene, sind immer noch im Raum. Und ebenso ist natürlich im Raum der Kostenfaktor. Eine eigene Landesbehörde scheint jedenfalls kostspieliger zu sein als eine zentrale Behörde beim Bund, die wir dann als Dienstleistung für uns in Anspruch nehmen und entsprechend – mit über 206.500 Euro, steht im nächsten Jahr im Haushalt – gegenfinanzieren.

Wir kriegen auch viel Besuch in der SPD-Fraktion von den Stadtwerken, Geschäftsführern, von Energieunternehmen im Bereich neuer Energien, von denen, die regionale Energiekreisläufe wollen, und insbesondere natürlich auch vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, Landesgruppe Nord, deren Positionspapier wahrscheinlich Ihnen allen vorliegt. Dort ist noch einmal aufgeschrieben worden, welche Gründe dafür sprechen, die Organleihe zurückzunehmen und eine eigene Landesbehörde vorzusehen. Beide Argumentationslinien sind ja jetzt auch in dieser Sitzung schon genügend vorgetragen worden.

Ich will für die SPD-Fraktion sagen, dass wir im Moment jedenfalls und vor allem auch deswegen, weil die Legis

laturperiode ja faktisch – demnächst jedenfalls – zu Ende ist, keine Möglichkeit sehen, das Ruder herumzureißen und noch bis zum Sommer diese Bundesdienstleistungsaufgabe ans Land zurückzunehmen. Aber wir bleiben mit den entsprechenden Unternehmen – den Stadtwerken und den anderen Unternehmen im Bereich der neuen Energien – im Gespräch. Und es kann durchaus sein, dass wir in der nächsten Legislaturperiode an dieser Stelle den Denkprozess fortsetzen und auch zu anderen Erkenntnissen kommen. Der ist bei uns nicht abgeschlossen. Deswegen werden wir jetzt dem Antrag nicht zustimmen, sondern ihn ablehnen, aber wie gesagt, die Argumente weiterhin abwägen

(Rudolf Borchert, SPD: Sehr gut.)

und noch einmal vornehmen, wenn wir uns in der nächsten Legislaturperiode noch einmal mit diesem Thema beschäftigen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Rudolf Borchert, SPD: Sehr gut.)

Danke schön, Herr Dr. Timm.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Griese. Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Lieber Herr Kollege Roolf, so eine kleine Spitze kann ich mir nicht verkneifen. Ich meine, Ihre Partei hat ja viele Markenschilder. Eines lautet Deregulierungs- und Entbürokratisierungspartei, und jetzt wollen Sie … Ich meine, da haben Sie gelernt von dem Entwicklungsministerium sicherlich im Bund.

(Rudolf Borchert, SPD: Aber in erster Linie sind sie ja Steuersenkungspartei.)