Aber das ist auch nicht das Hauptthema. Wir werden bei all dem, was in Diskussion steht mit Schule, die Selbstständigkeit, die wir vor vier Jahren auf den Weg gebracht haben, die sich im Zwischenbericht als Erfolg erweist, natürlich für das Land ausbauen. Wir müssen also auch die Kolleginnen und Kollegen an jeder einzelnen Schule mitnehmen.
Aber auch das ist nur ein Drittel der Wahrheit, denn wenn es uns nicht gelingt, Leistungsbereitschaft und Motivation von Schülerinnen und Schülern signifi kant zu verbessern, dann ist auch ein Lehrer, so motiviert er sein mag, ziemlich hilfl os. Man muss einfach sagen, dass teilweise die Arbeit in den einzelnen Schulen sehr schwierig geworden ist und sehr wenig Unterstützung bekommt. Und da ist auch das Thema Elternhaus für mich ganz deutlich noch einmal zu benennen. Es muss uns gelingen – und dafür sind wir als Politiker verantwortlich –, mehr Verbindlichkeit in dieses System zu bekommen. Es muss einfach mehr gesamtgesellschaftliche Unterstützung für den Lehrer geben, der eine besondere Kompetenz hat. Ich weiß, bei Schule kann jeder mitreden, jeder weiß es besser, er ist immerhin auch mal zur Schule gegangen. Aber ich denke, dieser Trend hat inzwischen dazu geführt, dass wir positive Leitlinien, Autoritäten im Sinne von Vorbild in dieser Gesellschaft kaum noch vorfi nden. Auch das hat Negativauswirkungen auf die Schule. Und wir müssen, denke ich, als Politiker damit ein bisschen konzertierter umgehen. Lassen Sie uns das vielleicht über die Fachbereiche hinaus auf die Fahnen schreiben. Ich gehe davon aus, dass die Bildungskommission zu dem Thema auch noch etwas sagen wird.
Wir werden im Hinblick auf Prüfungsergebnisse, im Hinblick auf eine gute Schule nicht daran vorbeikommen, dass äußere Strukturen, gewisse pädagogische Ansätze, gewisse Schlaglichter oder Überschriften natürlich sehr wichtig sind. Die Debatte ist da, aber schlicht und ergreifend sagen sogar Wissenschaftler: Wir kommen nicht daran vorbei, die einfache Wahrheit heißt, eine gute Schule zeichnet sich aus durch einen störungsfreien Unterricht. So einfach ist das. Und da können wir immer noch sagen, Projektarbeit ist wichtig und Langzeitfächer sind wichtig. Organisation von Projektwochen ist wichtig und dies und das ist alles wichtig. Partnerlernen, Gruppenlernen – ich will Sie gar nicht mehr weiter behelligen mit diesen Fachausdrücken. Es heißt einfach: Motivierte Schüler in störungsfreiem Unterricht haben die größten Chancen, auch in der Chancengleichheit, gute Ergebnisse zu erzielen.
(Harry Glawe, CDU: Voll motivierte Lehrer. – Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das kommt aber darauf an, wie viele es sind.)
Und ich habe manchmal so das Gefühl, dass wir uns auch durch diese Wissenschaft von diesem Weg wieder entfernen. Aber genau da müssen wir hin. Der Minister hat vorhin das Thema aufgegriffen. Es ist signifi kant, dass uns die Jungen zuhauf hinten herunterfallen,
dass diese in einer Größenordnung keinen Schulabschluss schaffen oder aber nur den Hauptschulabschluss,
dass sie dann in der Folge in der Gesellschaft auch diejenigen sind, die quasi die meisten Sorgen bereiten.
Und wenn man das mal in Töpfen sieht: Das, was wir an der Stelle an der Bildung sparen, das geben wir dann übers Justizministerium, Sozialministerium und Innenministerium wieder aus. Auch hier sollte man wirklich ganz ernsthaft darangehen und sagen: Wo liegen die Ursachen? Darüber könnte ich Ihnen jetzt auch noch ein Referat halten, das wäre nur ein bisschen zu lang für eine Aktuelle Stunde. Aber man muss gezielt darauf eingehen, denn ich verstehe unter Gender Mainstreaming die Betrachtung von beiden Seiten.
(Beifall Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS – Reinhard Dankert, SPD, Harry Glawe, CDU, und Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist richtig.)
Und eine Benachteiligung muss ausgeglichen werden, wenn man sie erkennt, weil für eine gerechte Gesellschaft auch das dazugehört.
In dem Sinne würde ich an dieser Stelle gern aufhören. Ich betrachte die Aktuelle Stunde auch als eine Zusammensetzung von Beiträgen, die ein bisschen spontaner als vorbereitete Redebeiträge kommen, aber, denke ich, umso lebendiger deutlich machen – so kam es mir bis jetzt jedenfalls vor –, dass wir doch auf einem relativen Konsensweg sind. Das kann mich nur freuen und optimistisch machen für die weitere Arbeit. – Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete und Vizepräsident Herr Andreas Bluhm von der Fraktion der Linkspar tei.PDS.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war schon etwas überrascht, als ich das Thema unserer heutigen Aktuellen Stunde las. Nun ja, die Prüfungen liegen eine Weile zurück, aber eine aktuelle Debatte zu Schlussfolgerungen für die Bildungspolitik wäre mir lieber gewesen anhand eines konkreten Antrages,
Aber sei es drum, wir diskutieren heute bereits das zweite Mal über ein bildungspolitisches Thema und ich denke, Bildungspolitik wird auch in den nächsten viereinhalb Jahren dieses Parlament immer wieder und akut bewegen.
Morgen werden zweieinhalb Millionen Zensuren den Schülerinnen und Schülern dieses Landes auf den Halbjahreszeugnissen ins Stammbuch geschrieben.
Ein halbes Schuljahr liegt wieder hinter den Schülerinnen und Schülern. Sie gehen genauso wie die Lehrer morgen in verdiente Ruhezeiten. Und ich möchte mich hier daher ausdrücklich dem Minister anschließen: Der Dank gilt den Lehrerinnen und Lehrern, die unter komplizierter werdenden Bedingungen, auch unter sich verändernder Schülerklientel versucht haben, ein Höchstmaß an Bildung und Erziehung, an Qualitätsentwicklung von Schule zu realisieren.
Und ich möchte aufgreifen, was gestern der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung formuliert hat: Es geht um Kontinuität in der Bildungspolitik. Und es entsteht nur scheinbar ein Widerspruch zu den Schlussfolgerungen, die unter anderem der Minister hier schon vorgeschlagen hat, die aus meiner Sicht aber natürlich nicht ausreichen, sondern die nur einen Teilbereich von Schule und Schulentwicklung ausmachen, also nur scheinbar ein Widerspruch zu notwendigen weiteren Veränderungen in unserem Bildungsbereich.
Herr Reinhardt hat in seiner Rede hier über Wünsche gesprochen, von denen er sich sozusagen erhofft, dass sie Realität werden. Ich denke, bei vielen dieser Wünsche sind wir beieinander, was zum Beispiel die Frage der Senkung der Abbrecherquote, was das Reduzieren der Zahl der Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss betrifft, und bei einigen sind wir eben weit auseinander. Aber ich hätte schon ganz gern gehört, wie Sie sich das im Einzelnen konkret an Maßnahmen vorstellen, vielleicht kommt das ja noch.
Wo wir beide weit auseinander sind – und da bin ich auch bei mir in der Fraktion sowie in der Partei durchaus nicht auf eine einhellige Meinung aus –, ist die Diskussion um Kopfnoten. Es ist ein zunehmend typisch deutsches Problem, alles in irgendeiner Art und Weise benoten zu wollen. Es liegt im System und in der Geschichte des deutschen Bildungswesens. Andere Länder kommen ohne eine solche Benotung aus,
viel besser sogar. Ich denke, wenn man über Kopfnoten redet, muss man über Leistungsfeststellung überhaupt reden,
denn die Frage, die wir in den zurückliegenden Jahren auch in Bezug auf Umsetzung internationaler Erfahrungen im Grundschulbereich gemacht und diskutiert haben, ist die Frage: Ab wann brauchen wir Noten? Brauchen wir sie überhaupt? Was stellen Noten eigentlich fest? Und Frau Polzin hat es deutlich gemacht: Die Prüfungsergebnisse sind natürlich eine Leistungsfeststellung zu einem gewissen Zeitpunkt, korrekt. Und ich denke auch, eine Leistungsfeststellung zu einem gewissen Zeitpunkt muss
sein, damit sozusagen eine Vergleichbarkeit des erreichten Niveaus da ist. Aber Benotungen zum Nonplusultra zu erheben, Sozialverhalten unter komplizierter werdenden Bedingungen jetzt wieder in Noten zu pressen und sie nicht verbal zu bewerten, Schülerinnen und Schülern, den Eltern etwas an die Hand zu geben, was ihnen hilft, Persönlichkeit weiterzuentwickeln, ist, glaube ich, eine lohnenswerte Diskussion.
(Beifall Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS, und Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS – Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)
Was uns nicht unbedingt hilft, sind natürlich solche Schlagzeilen, wie sie in den letzten zwei Tagen in den Zeitungen standen nach dem Motto „Zensuren noch schlechter geworden“ oder „Schlechte Noten beschäftigen den Landtag“. Ich glaube, diese Schlagzeilen selbst greifen auch zu kurz.
Und sowohl die Rede von Frau Polzin als auch des Ministers hat deutlich gemacht: Natürlich haben wir im Prozess der Bildungsentwicklung, der Aneignung von Wissen eine sogenannte Blackbox vor uns, die es aus der Fachwissenschaft heraus genau zu analysieren bedarf. Was passiert im Bildungsprozess? Was befördert ihn? Was hemmt ihn? Ich denke, die Bildungskommission, die der Landtag der letzten Legislaturperiode eingesetzt hat, wird den Landtag in seiner intensiven Arbeit unterstützen. Und vielleicht haben wir sie sogar überlastet mit dem, was wir ihr an Aufgaben aufgetragen haben, auch darüber muss man reden. Aber dafür werden wir das eine oder andere an Konsequenzen und Schlussfolgerungen aus der Bildungskommission an Erfahrungen erhalten. Ich bin sehr dafür zu sagen: Jawohl, wir müssen die Einzelschule stärken. Ich sage aber gleichzeitig: Wir müssen neben der Stärkung der Einzelschule auch das System in Gänze stärken.
Und dann erinnere ich immer wieder an die vielen Diskussionen um die Bereitstellung von entsprechenden Stunden- und Finanzvolumina für Schule und die Frage von anderen Fachpolitikern: Muss das denn schon wieder sein, diese Diskussion? Wenn wir alle gemeinsam – und auch gestern habe ich den Ministerpräsidenten so verstanden – Bildung als eine der zentralen Aufgaben der Gesellschaft heute verstehen, dann geht es eben und insbesondere um die Ausgestaltung in diesem Bereich.
Und wenn der ehemalige Chef von McKinsey & Company Deutschland, Herr Dr. Kluge, festgestellt hat im Zusammenhang mit PISA – ich darf ihn zitieren: „Es ist nicht so, als sei seit PISA nichts passiert, im Gegenteil. Aber zwei Jahre später haben wir die zentrale Frage noch nicht beantwortet: Wie schaffen wir es in Deutschland, was andere Länder seit Jahren schaffen, Weltklasse-Leistung und soziale Gerechtigkeit?“, dann sind wir vor dieser Frage nach wie vor nicht abschließend gefeit. Auch nicht vor dieser Frage: Wie sichern wir vor auch komplizierter werdenden sozialen Bedingungen bei uns im Land soziale Sicherheit, soziale Chancengleichheit und hohe Leistungsfähigkeit von Schule? Ich behaupte, das kann man nicht nur durch das Messen und Wiegen von Leistungen machen, da gehört eine ganze Menge mehr dazu. Deswegen, denke ich, geht es um die Frage, wie wir unser Schulsystem in der Einheit von Struktur und Inhalt weiterentwickeln.
Und wenn wir über Strukturfragen reden, dann haben wir in der letzten Legislatur begonnen mit dem längeren gemeinsamen Lernen in der 5. und 6. Jahrgangsstufe. Wir werden sicherlich bald darüber zu reden haben, was die ländlichen Räume in diesem Lande betrifft in Bezug auf die Erhaltung von Schulstandorten ab der Jahrgangsstufe 7. Aber ich sage ausdrücklich, nicht Strukturen allein entscheiden die Qualitätsentwicklung von Schule. Dazu gehört eine ganze Menge mehr, begonnen mit der Frage: Wie bilden wir Lehrerinnen und Lehrer aus? Wie hoch ist ihr Anteil an Didaktik, an praktischen Handhabungen neben der Fachlichkeit ihrer Ausbildung? Da ist die Frage: Wie verwurzelt ist die Schule? Wie entwickeln wir die Schule unter dem gefl ügelten Begriff „Öffnung von Schule“ weiter? Wie beziehen wir die Gesellschaft insgesamt mit ein? Und natürlich nicht zu vergessen neben der Motivation und der Qualität von Lehrerinnen und Lehrern unter den Bedingungen des Lehrerpersonalkonzeptes ist die Frage: Wie beziehen wir Eltern, die sich im Moment nicht so um ihr Kind in der Schule kümmern, wieder stärker ein? Wie können wir sie stärker in die Verantwortung nehmen, um dieser für ihr Kind gerecht zu werden?
Dies sind also Ansätze, die ich neben den konsequenten Fragen, die der Minister hier dargestellt hat, überwiegend teile, was konkrete Umsetzung von Prüfungsergebnissen und Schlussfolgerungen betrifft. Es muss aber weit darüber hinausgehen, wenn es um die Schlussfolgerungen und Konsequenzen für die Bildungspolitik bei uns in Mecklenburg-Vorpommern geht. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde ist im Wesentlichen zu einer Grundsatzdebatte über Bildung geworden. Und das ist auch nicht schlecht, wenn wir uns hier zu Beginn dieser Legislaturperiode darüber einig werden, wohin wir das Schulsystem in Mecklenburg-Vorpommern entwickeln wollen. Und ich kann erst einmal feststellen, Herr Minister, wenn wir hier sagen, wir wollen zunächst Verlässlichkeit in der Entwicklung, wir wollen Kontinuität, dann unterstützen wir das als Liberale nach den Erfahrungen der letzten 15 Jahre, wo ich als Lehrer nie wusste, wo soll es eigentlich hingehen. Ich unterstütze das sehr und wir als Liberale unterstützen das auf jeden Fall. Herr Minister, Sie haben in diesem Bereich unsere Unterstützung.
Wenn wir das aber wollen, dann ist die größte Bedingung für Verlässlichkeit, dass wir den Menschen nach draußen deutlich machen, es wird nach fünf Jahren, wenn eine andere Parteienkonstellation hier im Land ist, nicht schon wieder alles umgemodelt. Wir brauchen gerade im Bildungsbereich eine große Übereinstimmung in den Parteien. Das ist eine der wichtigen Rahmenbedingungen für die Bildung im Land, dass man wissen muss, es wird sich nicht von heute auf morgen wieder ändern, wenn andere