9. Welchen Zwecken dienen die Programme „Stärkung der Demokratie – Bekämpfung von Rechtsextremismus“ noch außer der Bekämpfung der NPD?
10. Inwieweit sollen zur Bekämpfung dessen, was die Landesregierung unter Rechtsextremismus versteht, auch Mittel des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales eingesetzt werden und waren diese ursprünglich zur berufl ichen Weiterqualifi kation und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bestimmt?
Zunächst zu Frage 1. Die Programme dienen in erster Linie der Stärkung unseres freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates. Wir wollen vor allem junge Menschen von den Vorteilen unseres Gemeinwesens überzeugen. Das Programm „Jugend für Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ zielt deshalb vor allem darauf ab, dass wir das Verständnis für unsere gemeinsamen demokratischen Grundwerte wecken, für kulturelle Vielfalt, dass wir die Achtung der Menschenwürde entwickeln und Toleranz sowie Weltoffenheit fördern.
Wer diese Ziele verfolgt, muss aber natürlich auch ganz klar all diejenigen benennen, die diese demokratischen Werte bekämpfen. Deshalb sollen mit diesem Programm die jungen Menschen unterstützt und befähigt werden, sich mit der antidemokratischen, menschenverachtenden Hasspropaganda der NPD gegen unser Gemeinwesen auseinandersetzen zu können,
und auch mit den peinlichen Verfälschungen unserer Geschichte, die von dieser Seite kommen. So weit zu Frage 1.
Zu Frage 2: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist lediglich für die Koordinierung des Programms „XENOS – Leben und Arbeiten in Vielfalt“ zuständig. Die Gelder dazu kommen aus dem Europäischen Sozialfonds. Eine fi nanzielle Beteiligung des Bundes erfolgt nicht. XENOS als Programm knüpft an an der Schnittstelle von Schule, Ausbildung und Arbeitswelt und verknüpft dabei das Programm „Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen“ mit Aktivitäten gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie Aktivitäten zur Stärkung zivilgesellschaftlicher Strukturen. Und aus diesem Programm wird schon deutlich, dass es um beides geht, Stärkung der Zivilgesellschaft und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. Deshalb benutzt XENOS auch Mittel, die für diesen umfassenden doppelten Zweck vorgesehen sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es liegen keine weiteren Fragen vor. Damit sind wir dann am Ende der heutigen Fragestunde.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 16: Beratung des Antrages der Fraktion der Linkspartei.PDS – Tarifl icher Mindestlohn ist unverzichtbares Kriterium bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, auf Drucksache 5/155.
Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS: Tarifl icher Mindestlohn ist unverzichtbares Kriterium bei der Vergabe öffentlicher Aufträge – Drucksache 5/155 –
Das Wort zur Begründung hat der Fraktionsvorsitzende der Fraktion der Linkspartei.PDS Herr Professor Dr. Methling.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine junge Frau, aufgewachsen in unserem Land, hat in Rostock studiert und im vergangenen Sommer ihr Stu
dium mit guten Noten erfolgreich abgeschlossen. Bereits während des Studiums hatte sie in zahlreichen unbezahlten Praktika bei potenziellen Arbeitgebern in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin unter Beweis gestellt, dass sie gewillt ist, Überdurchschnittliches zu leisten, und sie dieses auch kann. Sie hat dafür viel Anerkennung erlangt. Natürlich hat sie das auch getan, um für sich eine Anstellung nach ihrem Studium zu erreichen. Voller Optimismus hat sie dann zahlreiche Bewerbungen geschrieben und sich persönlich nochmals vorgestellt. Die erste Ernüchterung kam recht bald. Angebote für neue dreimonatige, allerdings wiederum unbezahlte Praktika hat sie mehrere erhalten, aber inzwischen muss sie ihren Lebensunterhalt allein bestreiten und hat deshalb ablehnen müssen. Schließlich hat sie doch einen Arbeitsplatz gefunden. Ihre Freude darüber hält sich jedoch in Grenzen, weil von ihr wie selbstverständlich erwartet wird, dass sie zwölf Stunden am Tag zur Verfügung steht und möglichst sieben Tage in der Woche. Sie erhält einen Lohn, der zum Leben nicht reicht. Ob sie wollte oder nicht, sie musste ergänzendes Arbeitslosengeld II beantragen.
Warum erzähle ich Ihnen das, meine sehr geehrten Damen und Herren? Abgesehen davon, dass in einigen Bereichen offensichtlich die Ausbeutung von Menschen wieder vergleichbar ist mit dem vorletzten Jahrhundert, ist mir zum wiederholten Male deutlich geworden, dass wir es endlich schaffen müssen, eine untere Grenze bei der Entlohnung einzuziehen.
Das Beispiel zeigt auch, dass von sittenwidrigen Niedriglöhnen bei Weitem nicht nur unqualifi zierte und schwer vermittelbare Menschen betroffen sind. Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben sicher die Tabelle in der Presse gesehen. Stundenlöhne unter oder leicht über 5 Euro sind in Mecklenburg-Vorpommern fast die Regel. Können Sie sich vorstellen, von 800 Euro brutto – ich betone, brutto – zu leben und eine Familie zu gründen? Überhaupt stelle ich fest, dass stets Menschen, die selbst niemals in einer solchen Situation waren und auch nicht befürchten müssen, dahin zu kommen, am vehementesten gegen einen Mindestlohn auftreten, darunter leider auch Minister aus unserem Land.
Bereits in der vergangenen Legislaturperiode haben wir an dieser Stelle über das Problem gestritten. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, dass Helmut Holter und meiner Fraktion immer entgegengeschleudert worden ist, dass die niedrigen Einkommen ein Standortvorteil seien. Die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes zeigt aber leider überdeutlich, dass niedrigste Löhne kein Garant für wirtschaftliche Prosperität sind. Sollten wir nicht inzwischen gelernt haben, dass Abwanderung, eins der schwierigsten Probleme unseres Landes, auch mit den Bedingungen der Entlohnung zu tun hat? Lassen Sie mich einen Kommentar aus der „Ostsee-Zeitung“ vom 22. Januar 2007 zitieren: „Immer weniger Menschen verdienen immer mehr Geld, und immer mehr Menschen verdienen so wenig, dass sie in Armut leben. Zugleich schieben sich Ackermänner, Essers, Zwickels, Hartz’ Millionen zu und fi nanzieren sich vor Gericht Freifahrtscheine.“
„Arbeitnehmern so wenig zu zahlen, dass sie keine Familie ernähren können, ist nicht anrüchig. Es ist System.“ und das, meine Damen und Herren, ist das Problem.
Und ich darf das ergänzen durch ein neues Zitat aus der „Ostsee-Zeitung“ vom gestrigen Tag: „Und wo die selbstzerstörerische Geiz-ist-geil-Mentalität die Schranken des Anstands unterläuft, wo die selbstheilende Tarifautonomie versagt – da ist der Staat aufgerufen, einzugreifen.“ Und schließlich formuliert die „Ostsee-Zeitung“: „Und der Staat muss glaubwürdig bleiben. Denn all das, was er propagiert – Kinderkriegen, private Altersvorsorge oder höhere Eigenbeteiligung im Krankheitsfall – muss man sich leisten können. Hungerlöhne taugen dazu nicht. Sie sind eine Schande.“
Wir fordern gesetzlichen Mindestlohn von 8 Euro. Dabei sind wir uns völlig darüber im Klaren, dass wir uns damit nach wie vor im Niedriglohnbereich bewegen und nicht im Hochlohnbereich. Die Nettosumme entspricht lediglich der sogenannten Pfändungsfreigrenze, die in Deutschland gilt, also einem Betrag, der einem Menschen zum Leben bleiben muss. Unser Hauptziel ist die Festlegung der bereits erwähnten Grenze nach unten. In Mecklenburg-Vorpommern arbeiten 80.000 Menschen zu solchen Hungerlöhnen. Zählt man die 155.000 Arbeitslosen und die 70.000 ALG-II-Bezieher in 1-Euro-Jobs, Qualifi zierungs- und Trainingsmaßnahmen hinzu, sprechen wir von über 300.000 Menschen, ohne dabei ihre Familien zu berücksichtigen. Spricht man mit Handwerksbetrieben, so hört man viel Zustimmung zum Thema Mindestlohn. Sie wissen nämlich, dass dann der ruinöse Unterbietungswettbewerb, der ihren eigenen Markt kaputt macht, beendet wäre. Außerdem würde die Kaufkraft steigen und mehr Menschen könnten sich die Dienstleistungen kleiner Unternehmen überhaupt erst leisten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Mindestlohn vernichtet Arbeitsplätze – ein häufi g gehörtes Argument der Gegner. Aber auch durch stetige Wiederholung wird dieses Argument nicht richtiger. Wenn es in den vergangenen Jahren hier im Hause um die wirtschaftliche Entwicklung ging, wurden Länder wie Irland und Großbritannien als positive Beispiele hervorgeholt, gerade vom heutigen Koalitionspartner CDU. Beide Länder haben einen Mindestlohn von etwa 8 Euro. Er hat ihrer Wirtschaft augenscheinlich nicht geschadet. In 20 von 27 EU-Staaten gibt es gesetzliche Mindestlöhne. Es wäre demzufolge auch kein deutscher Alleingang, würde man ihn bei uns einführen.
Und auch das Argument, Mindestlohn bereitet den Weg zur Schwarzarbeit – zuletzt wieder hervorgeholt von Frau Professor Tivig von der Rostocker Universität, die sich übrigens für einen Mindestlohn von 4,50 Euro ausgesprochen hatte –, ist für mich nicht nachvollziehbar. Im Gegenteil, Menschen die einen Lohn erhalten, der für ihren Lebensunterhalt nicht reicht, sind doch geradezu gezwungen, entweder mehrere Jobs anzunehmen oder eben schwarz an der Steuer und an den Sozialsystemen vorbei Arbeit anzunehmen.
Nun wird gesagt, die Betroffenen können sich ja zusätzlich Unterstützung für Miete und Heizung beim Staat holen. Dazu kann ich erstens nur betonen, dass es eine große Zahl Betroffener gibt – nach Aussage des DGB etwa die Hälfte aller Anspruchsberechtigten –, die sich schämen, Hilfe in Anspruch zu nehmen, und es deshalb unterlassen. Zweitens wird dieses Gefühl nicht gerade
gemindert, wenn man trotz Arbeitsverhältnis, trotz fl eißiger Arbeit bei Behörden regelmäßig seine Bedürftigkeit nachweisen muss. Und das dritte Gegenargument ist, dass Kosten der Unterkunft die Kommunen zu zahlen haben. Die CDU hat sich immer als der besondere oder gar der einzige Anwalt der Kommunen bezeichnet. Es müsste also in Ihrem eigenen Interesse sein, die Kommunen vor solchen Ausgaben zu bewahren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Antrag meiner Fraktion fordert von der Landesregierung, sich auf Bundesebene für tarifl iche Mindestlöhne als Kriterium bei der Vergabe öffentlicher Aufträge einzusetzen und mindestens im eigenen Land entsprechende Regelungen einzuführen, die immerhin die Umsetzung eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts bedeuten würden. Das ist eine Forderung, das erkennen Sie sicherlich sofort, die noch weit weniger als einen branchenübergreifenden gesetzlichen Mindestlohn verlangt. Es wäre nur ein erster Schritt.
In der vergangenen Legislatur konnten wir uns bei unserem damaligen Koalitionspartner in dieser Frage nicht durchsetzen. Inzwischen höre ich seitens der SPD auf der Bundesebene, aber auch auf der Landesebene, dass man dieser Frage eine andere Wertung einräumt und zu anderen Bewertungen kommt. Ich hoffe, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass das gilt, was wir gemeinsam im Wahlkampf gesagt haben bis hin zur FDP, dass es sein muss, dass der Mensch von seiner Arbeit leben kann. Dieses müssen wir erreichen und dafür ist der Mindestlohn ein Beitrag. Ich bitte um Unterstützung für unseren Antrag.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von insgesamt 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Zunächst einmal habe ich ein kleines Problem, Herr Professor Methling. Ich habe jetzt gerade von Ihnen ein Plädoyer zu gesetzlichen Mindestlöhnen gehört. Im Übrigen, das will ich gleich deutlich sagen, stimmen wir in einem Punkt überein, nämlich dass manche Löhne, wie sie jetzt durch die Medien geistern, unanständig sind und man das auch vor Unternehmern sagen muss. Da bin ich völlig Ihrer Meinung und das tue ich im Übrigen auch. Die Frage ist: Wie kommen wir zu einer anderen Situation? Was mich etwas irritiert, das ist wie gesagt die Tatsache, Sie sprachen eben zu einem gesetzlichen Mindestlohn. In Ihrem Antrag wird die Forderung erhoben, dieses Urteil zur Abgabe einer Tariftreueerklärung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge umzusetzen. Und in der Begründung Ihres Antrages wollen Sie ein Tariftreuegesetz haben. Das sind aber sehr unterschiedliche Dinge und wir müssten uns mal einigen, über was wir jetzt hier reden wollen. Ich bleibe mal beim Antrag, weil er das ist, was ich zur Verfügung hatte.
Meine Damen und Herren, diesbezüglich will ich noch einmal deutlich machen, dass – und Sie haben auch darauf hingewiesen – das Anliegen, ein Tariftreuegesetz für
Mecklenburg-Vorpommern zu schaffen, bereits in der letzten Legislaturperiode bei einer anderen Mehrheit aus, wie ich fi nde, guten Gründen nicht umgesetzt worden ist. Bis heute sind auch die Argumente für ein Tariftreuegesetz nicht besser
(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Vor allem unwirksam. – Zuruf von Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)
Ich will noch einmal auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Berliner Tariftreuegesetz, auf das Sie hier abheben, eingehen. Der Antrag suggeriert, dass dieses Urteil bundesweit oder auch in Mecklenburg-Vorpommern umzusetzen wäre.
Und deswegen will ich doch eine rechtliche Klarstellung hier vornehmen. Es ist also überhaupt nicht so, dass diese Forderung besteht. Aus dem Urteil ergibt sich kein verfassungsgerichtlicher Auftrag an den Gesetzgeber für eine Regelung, die bei der Vergabe öffentlicher Aufträge eine Tariftreueerklärung fordert.
Auch diese Forderung nach bundesweiter Einführung lässt sich aus diesem Urteil überhaupt nicht ableiten.