Protokoll der Sitzung vom 13.04.2011

Mir liegen einige Punkte, die ich hier nennen will, besonders am Herzen. Besonders wichtig war mir von Anfang an, dass diese Umstellung auf das ganz neue System nicht mit einer Erhöhung der Gebühren verbunden ist, nicht mit einer Erhöhung dessen, was man da zahlen muss. Da habe ich mich gefreut, dass wir am Ende Einigkeit bei den Ministerpräsidenten hatten, dass wir gesagt haben, wie immer der Wechsel im Einzelnen aussieht, es soll am Ende nicht mehr Geld eingenommen werden.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Aber entscheidend, Herr Ministerpräsident, ist immer noch die KEF.)

Besonders wichtig, Herr Bluhm, ist mir auch, dass der Fünfzehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag für mehr Beitragsgerechtigkeit sorgt, und zwar,

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Frau Müller, mehr Beitragsgerechtigkeit für alle ehrlichen Zahler. Mit dem neuen System kann sich niemand mehr dadurch aus der solidarischen Rundfunkfinanzierung rausziehen, dass er sich einfach abmeldet

(Irene Müller, DIE LINKE: Das hat überhaupt nichts mit dem nicht Barrierefreien zu tun.)

und dann heimlich weiterguckt, egal ob mit den herkömmlichen Geräten oder über die neuen Wege im Internet.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Manche sehen allerdings eine Gerechtigkeitslücke darin, dass jetzt auch Menschen zahlen müssen, die tatsächlich kein Empfangsgerät haben, überhaupt keins,

(Michael Andrejewski, NPD: Das ist nicht nur eine Lücke.)

und die die öffentlich-rechtlichen Angebote damit gar nicht in Anspruch nehmen.

(Irene Müller, DIE LINKE: Es gibt auch andere, die das nicht in Anspruch nehmen können.)

Das Argument dafür, dass wir auch diese am Ende wohl sehr kleine Gruppe, ich persönlich kenne niemanden, der weder Radio noch Fernsehen zu Hause hat, der nie Radio hört und Fernsehen schaut,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

aber es wird welche geben, vielleicht hören wir noch von anderen Rednern, die jemanden kennen, also das ist eine verschwindend kleine Gruppe,

(Michael Andrejewski, NPD: Von wegen!)

und die finanziell zu belasten, das ist der Grund dafür, dass wir sagen, öffentlich-rechtlicher Rundfunk, ein starker öffentlich-rechtlicher Rundfunk, das ist auch wichtig für diese Demokratie, Informationen,

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

die unabhängig sind, unabhängig von privaten Gewinninteressen,

(Irene Müller, DIE LINKE: Das ist ja lachhaft.)

Informationen der Bürger unabhängig von privaten Gewinninteressen, das ist ein wichtiger Beitrag zur Kommunikationsvielfalt, ein wichtiger Beitrag zur Demokratie.

Beitragsgerechtigkeit für finanziell Schwache und für soziale Einrichtungen wird durch den Vertrag geschaffen.

Wer Sozialleistungen erhält, zum Beispiel in Form von ALG II oder Grundsicherung im Alter, der bleibt auch weiter befreit. Zusätzlich wird die Härtefallregelung erweitert, sodass mehr Menschen eine Befreiung bekommen. Wer mit seinen Einkünften weniger als 18 Euro über den Eckwerten liegt, also weniger als einen Rundfunkbeitrag, der muss auch künftig nichts zahlen. Das ist für Grenzfälle, glaube ich, eine echte Verbesserung.

Für bestimmte öffentliche und gemeinnützige Einrichtungen, Schulen, Feuerwehren, Vereine, Jugendhilfe, da haben wir den Beitrag klar begrenzt, die ganze Institution zahlt einen Beitrag. Damit, denke ich, wird gewürdigt, was diese Institutionen, diese Vereinigungen für unsere Gemeinschaft, für das soziale Zusammenleben leisten.

Über das wichtige Thema der Befreiung von Menschen mit Behinderungen haben wir hier bereits im November ausführlich gesprochen. Sie zahlen künftig unabhängig vom Einkommen und Vermögen ein Drittel des vollen Beitrages. Und für alle, die sich das nicht leisten können, bleibt es natürlich selbstverständlich bei der Möglichkeit, sich befreien zu lassen.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Damit, das muss man klar sagen, wenn man es hier ausführlich diskutiert, mit dieser Regelung nutzen wir den nur noch sehr geringen Regelungsspielraum, den die Politik hatte, nachdem es Grundsatzurteile höchster Gerichte gibt, die gesagt haben, nein, wir können nicht behinderte Menschen befreit lassen von dem Beitrag, weil dann die anderen Menschen das mitbezahlen müssten, sondern das Höchste ist das, was wir jetzt vereinbart haben, ein Drittel.

(Irene Müller, DIE LINKE: Was müssen die anderen Menschen mitbezahlen, das nicht Barrierefreie?)

Das muss das Ziel sein. Und ganz wichtig ist, dass wir uns darauf verständigt haben, dass das, was da gezahlt wird von Menschen mit Behinderungen, dann von den Sendern für barrierefreie Angebote genutzt wird.

(Irene Müller, DIE LINKE: Ja, wir bezahlen dafür, dass es überhaupt angeboten wird.)

Ich freue mich, dass der NDR mit seinem Projekt „Barriere freier Rundfunkzugang“ einer der Vorreiter ist.

Und schließlich, meine Damen und Herren, gibt es mit dem Modellwechsel mehr Beitragsgerechtigkeit in der Wirtschaft

(Irene Müller, DIE LINKE: Was?! Was?!)

für kleine und mittlere Unternehmen und vor allem für die Betriebe des Beherbergungsgewerbes, bei denen Radio und Fernsehen einfach zum Kundenservice gehören. 90 Prozent aller Betriebe in Deutschland haben weniger als 20 Beschäftigte. Bei uns in Mecklenburg-Vorpommern liegt dieser Anteil sogar prozentual noch höher. Diese Betriebe zahlen künftig maximal einen Beitrag. Das ist ganz bewusst eine mittelstandsfreundliche Regelung. Noch einmal: 90 Prozent der Betriebe in Deutschland zahlen für ihre Betriebsstätte maximal 17,98 Euro.

Von den Vorgaben für betriebliche Kraftfahrzeuge profitieren gerade kleine Unternehmen. So ist nach der Neuregelung ein Fahrzeug pro Betriebsstätte frei und auf alle weiteren entfällt dann ein reduzierter Beitrag in Höhe von einem Drittel. Das ist, finde ich, auch systemkonform, denn dieser Beitrag ist wie bei Wohnungen

und Betriebsstätten nicht an Geräte, sondern an Raumeinheiten geknüpft, also an die Fahrzeuge. Dazu gehören eben auch Kraftfahrzeuge. Und wir alle wissen, dass die heutzutage nahezu zu 100 Prozent serienmäßig mit Auto radios ausgestattet sind.

Ganz wichtig für uns als Tourismusland ist, wir haben Verbesserungen im Tourismusbereich erreicht. Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen müssen künftig ab dem zweiten Zimmer, ab der zweiten Wohnung nur noch ein Drittel je Raumeinheit zahlen. Und wenn vorübergehend aus saisonalen Gründen für mehr als drei Monate geschlossen wird, dann kann man sich für diesen Zeitraum gänzlich befreien lassen. Damit steht das Beherbergungsgewerbe nach den neuen Regelungen günstiger da als bisher. Ich freue mich sehr, dass wir das durchsetzen konnten. Sie können sich vorstellen, bei 16 Ministerpräsidenten aus 16 Ländern, die nicht alle den Tourismus ganz vorne haben, war das nicht ganz einfach.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in den letzten Monaten über die Neuordnung der Rundfunkgebühren in den verschiedensten Zusammenhängen ausführlich diskutiert. Wir haben im Kreis der Ministerpräsidenten lange und hart verhandelt und das Ergebnis liegt heute als Staatsvertrag auf dem Tisch. Ich finde, alles in allem, wenn Sie bedenken, 16 Länder sitzen am Tisch, 16 Interessen unter einen Hut, können wir mit dem System jetzt zufrieden sein.

Natürlich ist es nicht einfach, wenn man so einen grundlegenden Wechsel macht, genau vorherzubestimmen, wie wird sich das auswirken, gibt es da irgendwelche Unwuchten. Deshalb war es uns bei den Verhandlungen so wichtig, dass wir ganz deutlich gesagt haben, wir werden zeitnah überprüfen, wie sich das im Einzelnen auswirkt, sobald erste Erfahrungen mit dem neuen Modell vorliegen.

Also mit dem Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag machen wir ARD, ZDF und DeutschlandRadio stark für die Herausforderungen der Zukunft. Und zugleich behalten wir die Entwicklungen klar im Blick. Das, finde ich, ist der richtige Ansatz. Ich bitte Sie um Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Abgeordnete und Vizepräsident Bluhm für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, wieder sind die Messen gelesen. Und wie wir gerade beim Jugendmedienschutzstaatsvertrag gesehen haben, besteht eben leider keine Möglichkeit mehr, die rundfunkpolitischen Fehlleistungen der Staatskanzleien zu verändern. Er kann entweder nur komplett verändert oder angenommen werden.

Erstmalig, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist nämlich ein Staatsvertrag, der Vierzehnte, nicht in Kraft getreten, weil ein Bundesland nicht zugestimmt hat, und das aus gutem Grund, wie ich es für meine Fraktion

damals in der Zweiten Lesung auch hier im Hause dargestellt habe. Inwieweit der Fünfzehnte jetzt tatsächlich der Fünfzehnte ist, wo es gar keinen Vierzehnten gibt, das sei mal dahingestellt.

(Heinz Müller, SPD: Das war wohl aber nicht so entscheidend. – Volker Schlotmann, SPD: Spaßverderber.)

Er wird, in welcher Form auch immer, wieder verhandelt werden müssen, denn wir haben jetzt immer noch die Rechtssetzung des Jugendmedienschutzstaatsvertrages von 2003. Der ist nun überhaupt nicht mehr zeitgemäß.

Aber an dieser Stelle will ich für meine Fraktion vor dem Hintergrund weiterer aktueller Diskussionen deutlich sagen, wir werden keinem Staatsvertragswerk zustimmen, in dem es zu Internetsperren kommt, wie man den aktuellen Berichterstattungen zum Glücksspielstaatsvertrag entnehmen kann.

Zum Fünfzehnten einige Punkte für meine Fraktion: Unmittelbarer Anlass der Kritik in vielen Bereichen war die Kritik der Datenschutzbeauftragten. In einer Welt, in der jedermann immer und überall per Handy, Laptop, Autoradio oder iPod Rundfunk und Fernsehen empfangen kann und im Internet alle Angebote der Rundfunkanstalten auch nutzbar sind, verabschiedet sich Deutschland nun endlich davon, die Rundfunkgebühr an die Radio- und Fernsehgeräte in der Wohnung zu erheben. So weit, so gut, könnte man meinen. Jetzt kommt aber das große Aber: Anstatt den Beitrag nun von jeder und jedem Erwachsenen zu erheben, die dazu sozial in der Lage sind, wurde die Geräteabgabe durch die Wohnungsabgabe ersetzt.