Protokoll der Sitzung vom 19.05.2011

(Udo Pastörs, NPD: Die Glaubwürdigkeit der FDP: Steuern runter!)

Das zweite Problem ist, wir setzen es heute nicht für die Straßen ein und das Geld, was wir nicht für die Straßen einsetzen, nehmen wir aber nicht und tragen es zur Bank von Moskau,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

sondern wir müssen es nehmen, um es woanders einzusetzen. Und da hat der Kollege Borchert völlig recht, das Geld liegt ja nicht irgendwo herum.

(Egbert Liskow, CDU: Aber wir haben ein Gesetz gemacht.)

Herr Kollege Liskow, deshalb ist es unredlich, sich hier hinzustellen und zu sagen, wir hätten Massen an Geld. Das haben wir eben nicht. Wir haben eine Verwendung von Geldern, die wir für die Infrastruktur eigentlich zweckgebunden einsammeln über Steuern und Gebühren in anderen Bereichen. Also, wir haben keine Massen an Geld, sondern wir haben ein Defizit an Geld. Und das muss uns allen auch so bewusst sein.

(Egbert Liskow, CDU: Dann muss man ehrlicherweise das Gesetz zurücknehmen.)

Dann muss ich entweder das Gesetz zurücknehmen oder es irgendwann so durchsetzen, dass das, was ich für einen Zweck erhebe, auch für den Zweck eingesetzt wird. Aber der Glaube, denke ich, fehlt uns im Augenblick beiden.

Ich will abschließend einfach sagen, wir brauchen diese Analyse. In Mecklenburg-Vorpommern heißt sie Analyseprognose. Und wir brauchen einen Verkehrsminister, der sich nicht mit einem Fähnchen unter den Tisch setzt und sagt, ich sage euch das nicht, was ich brauche. Wir brauchen einen, der klare Vorstellungen seines Bedarfes hat, denn am Tag X wird er gefragt: Was willst du? Was brauchst du? Was musst du unbedingt haben? Und dann sollte er nicht wieder sagen: Das sage ich euch nicht. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Heinz Müller, SPD: Wir brauchen Volker Schlotmann.)

Danke schön, Herr Roolf.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/4315. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/4315 bei Zustimmung der Fraktion der FDP, Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der CDU, der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der NPD abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 34: Beratung des Antrages der Abgeordneten Sigrun Reese, Fraktion der FDP, und des Abgeordneten Matthias Mantei, Fraktion der CDU – Erhalt der stationären Kinder- und Jugendmedizin am Standort Anklam, Drucksache 5/4314.

Antrag der Abgeordneten Sigrun Reese, Fraktion der FDP, und des Abgeordneten Matthias Mantei, Fraktion der CDU: Erhalt der stationären Kinder- und Jugendmedizin am Standort Anklam – Drucksache 5/4314 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Reese von der Fraktion der FDP.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ja, vielleicht ist es schon ein ungewöhnlicher Weg, den Herr Mantei und ich hier heute mit diesem Antrag gewählt haben.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Allerdings. – Zuruf von Rudolf Borchert, SPD)

Er beweist aber auch, wie wichtig uns dieses Thema ist. Es geht mit unserem Antrag um nicht mehr, aber auch um nicht weniger als um Strukturpolitik im ländlichen Raum. Bedauerlicherweise ist es uns bis zum Antragszeitpunkt oder dem Zeitpunkt, wo man den Antrag einreichen musste, nicht gelungen, unsere beiden Fraktionen davon zu überzeugen,

(Michael Andrejewski, NPD: Das lässt tief blicken.)

sodass wir uns entschieden haben, diesen Antrag selbst einzureichen.

Mecklenburg-Vorpommern hat durch den demografischen Wandel und die Abwanderungswellen nach der Wende gut 200.000 Einwohner verloren. Einwohner, Kaufkraft, Arbeitskräfte und ehrenamtliches Enga gement in einem Umfang der Hansestadt Rostock hat dieses Land verlassen. Leben im Durchschnitt in Deutschland 229 Einwohner pro Quadratkilometer, so sind es in Mecklenburg-Vorpommern lediglich 71, im Landkreis Ostvorpommern gar nur noch 56 und in Uecker-Randow 45 Einwohner pro Quadratkilometer.

Viele Menschen lieben diese Lebensweise – ruhig, abgelegen, entspannt, außerhalb der Ballungszentren. Andere wiederum sind einfach aufgrund ihrer Lebenssituation nicht in der Lage, die Gegend zu verlassen. Aber die Anforderungen, die wir an Infrastruktur und Versorgung in diesen ländlichen, dünn besiedelten Gebieten stellen müssen, sind eben andere als im Durchschnitt der Bundesrepublik. Ich verwehre mich dagegen, dass die Landespolitik zum Nachlassverwalter ganzer Landstriche in unserem Land wird.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Und mit meinem Antrag und dem Antrag von Herrn Mantei geht es, wie ich schon sagte, um nicht mehr, aber auch um nicht weniger als um Strukturpolitik im ländlichen Raum. Wir wollen hier weder Wahlkampf betreiben

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nein, nein!)

noch sind wir Lobbyisten

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nein! Nein! Nein!)

von irgendeinem Krankenhausbetreiberkonzern.

(Heinz Müller, SPD: Wie könnte man nur auf einen solchen Gedanken kommen?! Das ist ja unglaublich. – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das hätten wir nie gedacht.)

Es geht um den Standort in Anklam.

(Rudolf Borchert, SPD: Das ist ja unglaubwürdig!)

Und ich wundere mich, dass Sie das unglaubwürdig finden.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, das wundert Sie?)

Ja, das wundert mich sehr.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ah ja! Weil ich genau weiß, dass dieser Antrag sinnlos ist. – Zuruf von Rudolf Borchert, SPD)

Dann haben Sie die Problematik bis heute nicht erkannt.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Doch, die habe ich erkannt.)

Es ist die Aufgabe hier im Land, den Bürgerinnen und Bürgern in diesen dünn besiedelten Gebieten Perspektiven und Lebensqualität zu bieten.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Können Sie jetzt mal zum Antrag sprechen?)

Die Situation in den Kreisen ist sehr unterschiedlich und es bedarf individueller Modelle zum Erhalt der Versorgungsstruktur und der Lebensqualität. Als liberaler Mensch vertraue ich natürlich darauf, dass die Menschen sich auch selbst helfen können. Und wir finden oftmals vor Ort funktionierende funktionelle Lösungen und Strukturen, so auch hier mit der Vereinbarung zwischen dem Klinikum Anklam und dem Universitätsklinikum Greifswald. Es konnte die Pädiatrie schon seit vielen Jahren erhalten bleiben. Den handelnden Personen vor Ort war dabei bislang nämlich nicht die ausschließlich zwingende, notwendige medizinische Versorgung oder gar der finanzielle Nutzen im Vordergrund, sondern tatsächlich die Lebensbedingungen für die Menschen vor Ort.

Mit einer Äußerung von Staatssekretär Voss im November ist ein wenig Unruhe in diesen Bereich gekommen, es ist dann auch in den Medien deutlich geworden. Herr Mantei hat zum Thema eine Kleine Anfrage gestellt und wir beide haben uns seit Monaten ganz stark für den Erhalt eingesetzt. Wir haben Gespräche geführt mit den derzeitigen Betreibern, mit dem Uniklinikum. Die Kommunalvertreter in Anklam, im Landkreis Ostvorpommern haben sich sehr intensiv mit dem Thema befasst und haben dazu eindeutige Beschlüsse gefasst, im Landkreis einstimmig und in der Hansestadt Anklam gab es lediglich eine Gegenstimme, die von einem SPD-Mitglied kam, was ich durchaus bedauerlich fand.

Die Kooperationsvereinbarung und das, was an Aussage gekommen ist, ist eigentlich immer nur gewesen: Wir halten uns an die Vereinbarung. Das ist eine Aussage, die auch sehr deutlich von Herrn Dr. Zygmunt aus Greifswald ausgesagt wurde. Wir halten uns an die Vereinbarung. Wenn man diese Vereinbarung aber ansieht, dann gilt sie lediglich bis zum 31.12. dieses Jahres und könnte bis zum 30. September des Jahres gekündigt werden, verlängert sich dann jeweils um ein Jahr. Das heißt, für den Bestand und die Sicherheit der Kinderstation am Standort ist es überhaupt nicht aussagekräftig und in keiner Weise bindend.

Gerade aber ein kinder- und jugendmedizinisches Versorgungsangebot vor Ort ist für junge Familien ein entscheidender Standortfaktor. Und diese Standortfaktoren werden in Zukunft auch immer größere Bedeutung erlangen. In Zeiten des stetig zunehmenden Mangels an Fachkräften dürfen wir uns in Mecklenburg-Vorpommern einer solchen Debatte keineswegs verschließen. Der Werbeslogan „Leben, wo andere Urlaub machen“ ist durchaus ein Argument für junge Menschen, eine Zukunftsperspektive in Mecklenburg-Vorpommern zu suchen. Wir müssen ihnen aber auch den Rahmen bieten, der ihnen diese Zukunftsperspektive ermöglicht. Dazu gehört neben funktionierender Kinderbetreuung auch eine funktionierende medizinische Versorgung. Die Aussagen „Familienland Nummer eins“ und „Kinderland Nummer eins“ allein reichen nicht aus. Worten müssen Taten folgen.

Als Landtag sollen wir hier ein klares Bekenntnis zu solchen Lösungen abgeben, wie zum Beispiel der Ko operationsvereinbarung der Kliniken Anklam und Greifswald, die zum bisherigen Erhalt dieser wichtigen Standortfaktoren beigetragen hat. Wir sollten den Partnern dieser Kooperationsvereinbarung aber auch ein klares Signal senden, dass sie nicht allein auf sich gestellt sind mit dieser Vereinbarung. Im Zuge der Kreisgebietsreform hat sich allzu oft in vielen Kommunen des Landes das Gefühl des Alleingelassenwerdens ergeben. Das Versprechen unseres Ministerpräsidenten, dass im ländlichen Raum durch die Kreisgebietsreform kein Nachteil entstünde, wirkt dabei eher vertröstend als Hoffnung stiftend. Als Landtag sollten wir es nicht bei den bloßen Lippenbekenntnissen belassen, sondern ein klares Signal für die Zukunft einer Lebensperspektive im ländlichen Raum setzen.

Ich möchte einfach noch auf ein paar Details eingehen, die dann tatsächlich die Regionen vor Ort betreffen. Das Einzugsgebiet der Kinderklinik in Anklam betrifft auch den Landkreis Uecker-Randow. Und, Herr Müller, gerade deshalb verstehe ich Ihre Abneigung und Ihre Reaktion, die Sie gestern auch dem Kollegen Mantei gegenüber geäußert haben, beim besten Willen nicht.

(Der Abgeordnete Heinz Müller bittet um das Wort für eine Anfrage. – Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist noch die Einbringung.)

Sie wissen, dass zum Beispiel Altwarp 105 Kilometer von Greifswald entfernt liegt. Ich stelle mir gerade vor: Frau Schwesig, ich weiß, Sie haben auch keine 30-StundenWoche und Sie haben viel um die Ohren. Vielleicht würden Sie, um ein wenig Ruhe und Entspannung zu finden, ein ausgeglichenes, harmonisches Wochenende mit Ihrer Familie verleben, den Ort Altwarp wählen, in dieser wunderschönen Landschaft am Haff, um mit Ihrem Sohn Julian – ich glaube, so heißt er – sich dort zu entspan

nen. Ich stelle mir gerade vor, wie der Julian plötzlich – und das kommt bei dreijährigen Kindern ab und an vor – hoch fiebert, sich permanent übergeben muss

(Udo Pastörs, NPD: Oh, da wünschen Sie aber was Nettes. Das tut man aber nicht.)

und Sie mit Ihrem Latein als Mutter am Ende sind. Die kinderärztliche Versorgung in dem Bereich ist verdammt schlecht, der nächste Kinderarzt sitzt in Anklam. Wenn Sie Glück haben und es ist noch nicht 16.00 Uhr – das funktioniert aber nicht an jedem Wochentag –, dann erreichen Sie dort jemanden in lediglich 55 Kilometern Entfernung.