... eine Änderung, die die moralisch-ethischen Grundlagen unserer Gesellschaft, unseres Landes betraf und betrifft, also die politischen Grundwerte.
Heute kommen wir von der Moral aufs Geld, jedenfalls scheinbar, und doch betrifft auch diese Änderung die Grundlagen unseres Landes, nämlich die finanziellen Grundlagen. Heute ist die vorgeschlagene Änderung im Ausschuss von drei und nicht wie damals von vier Fraktionen getragen worden, und zwar von den Fraktionen der SPD, der CDU und der FDP.
Der Ausschuss schlägt mehrheitlich vor, den Artikel 65 Absatz 2 unserer Verfassung so zu ändern, dass der Landeshaushalt grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen ist. Ich wiederhole: Der Haushalt soll grundsätzlich ohne die Aufnahme von Krediten ausgeglichen werden. Diese etwas verklausulierte Formulierung hängt mit einer Besonderheit des öffentlichen Haushaltsrechts zusammen: Danach ist ein Haushalt auch dann ausgeglichen, wenn er mit Einnahmen aus Krediten aufgestellt wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der amerikanische Autor Mark Twain hat das dahinter stehende Prinzip mal, wie ich finde, auf den Punkt gebracht, als er gesagt hat, ich zitiere: „Von jetzt an werde ich nur so viel Geld ausgeben, wie ich einnehme, selbst wenn ich dafür Geld borgen muss.“ Zitatende. Und wir empfehlen nun, unsere Verfassung so zu ändern, dass dieser zweite Halbsatz – „selbst wenn ich mir Geld borgen muss“ – gestrichen wird. Also vom Inkrafttreten der Änderung an werden wir nur noch so viel ausgeben können, wie wir auch einnehmen. Punkt, aus!
Und das ist dann doch wieder etwas, das – wie die Änderung im Jahre 2007 – etwas mit Moral zu tun hat, denn die Frage des Schuldenmachens ist schon auch eine Frage von Verantwortung, eine Frage von Moral. Jede Kreditaufnahme verengt den Handlungsspielraum der künftigen Generationen, nimmt sozusagen unseren Kindern ein Stück weit Gestaltungsspielraum.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die heute vorgeschlagene Änderung der Verfassung beruht auf einem Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und CDU. Zu diesem Gesetzentwurf haben wir im Ausschuss eine, wie ich finde, hochkarätige Anhörung durchgeführt, haben Rechts- und Finanzwissenschaftler und die kommunalen Spitzenverbände gehört. Die Einzelheiten können Sie in meinem ausführlichen schriftlichen Bericht nachlesen.
Gestatten Sie mir, dass ich an dieser Stelle den Sachverständigen mein herzliches Dankeschön sage und auch den Mitarbeitern des Sekretariates des Ausschusses. Wir haben, wie ich finde, eine tolle Arbeit geleistet.
Im Ergebnis der Anhörung haben sich die Fraktionen der SPD, CDU und FDP auf einen Änderungsantrag verständigt.
Mit diesem Änderungsantrag soll die Formulierung noch stärker an den Vorgaben des Grundgesetzes ausgerichtet werden. Er ist im Ausschuss mehrheitlich angenommen. Mit einem eigenen Antrag hatte die Fraktion DIE LINKE im Ausschuss versucht, im Wesentlichen zwei Punkte noch hineinzunehmen. Zum einen ging es um die Kommunen. Diesen sollte das Land – und zwar unabhängig von der eigenen finanziellen Leistungsfähigkeit – eine Mindestausstattung garantieren. Zum anderen hatte die Fraktion DIE LINKE die Anregung eines Sachverständigen aufgenommen und eine Ergänzung vorgeschlagen, die, wenn ich es richtig sehe, auch die SchleswigHolsteiner mit aufgenommen haben. Und zwar sollte ausdrücklich mit in die Verfassung aufgenommen werden, dass die Landesregierung bei ihrer Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung und in Angelegenheiten der Europäischen Union die Verpflichtung aus der Schuldenbremse zu berücksichtigen hat. Dieser Vorschlag folgte also dem Motto: Wenn wir schon keine neuen Kredite aufnehmen dürfen, dann hat unsere Landesregierung das auch bei kostenverursachenden Verhandlungen im Bundesrat zu berücksichtigen.
Diese von der Fraktion DIE LINKE vorgeschlagenen Änderungen sind im Ausschuss mehrheitlich abgelehnt worden. Doch ich denke, die von mir angerissenen Punkte werden auch im Rahmen der Aussprache hier heute noch eine Rolle spielen. Die mitberatenden Ausschüsse haben wir um eine Stellungnahme sowohl zum Gesetzentwurf als auch zum Änderungsantrag gebeten. Beide Mitberater haben empfohlen, den Gesetzentwurf in der Fassung des Änderungsantrages der Fraktionen der SPD, CDU und FDP anzunehmen. – Der Kollege Müller hat es noch mal beniest. – Und somit hat sich der Ausschuss mehrheitlich darauf verständigt, die Ihnen heute vorliegende Beschlussempfehlung vorzulegen.
Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, gestatten Sie mir zum Abschluss eine persönliche Bemerkung: So ein Gesetzgebungsverfahren mit Erster Lesung hier im Plenum, mit Ausschussberatung, Anhörung von Sachverständigen, Auswertung und anschließender Beratung im Ausschuss hat ja auch die Rolle, Antworten auf unsere Fragen zu geben.
Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, am Anfang, vor rund dreieinhalb Monaten, hatte ich schon so meine Zweifel – ich glaube, der eine oder andere von Ihnen auch – und ich stellte mir die Frage: Brauchen wir die Änderung der Verfassung überhaupt? Diese Frage ist mir – und ich habe den Eindruck, auch vielen anderen Kolleginnen und Kollegen – im Laufe des Verfahrens doch sehr deutlich beantwortet worden, sodass ich heute als Vorsitzender im Auftrag der Mehrheit im Ausschuss und auch als ein nur seinem Gewissen verpflichteter Abgeordneter der mehrheitlich gefassten Beschlussempfehlung des Europa- und Rechtsausschusses mit voller Überzeugung zustimmen kann.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Zurufe von Barbara Borchardt, DIE LINKE, und Peter Ritter, DIE LINKE)
Die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Schuldenbremse habe ich mir gestellt, weil wir hier in diesem Hohen Hause doch schon seit 2006 Haushalte aufstellen, die ohne Nettoneuverschuldung auskommen und seit 2007 das einfach gesetzliche Verbot einer Neuverschuldung enthalten oder, anders gesagt, das, was wir mit der Verfassungsänderung für das Jahr 2020 anstreben, bereits
seit 2006 und 2007 praktizieren. Und außerdem wird doch, auch wenn wir hier nichts tun, ab dem Jahre 2020 die Schuldenbremse des Grundgesetzes ohnehin für uns gelten.
Nach den Beratungen im Ausschuss kann ich also sagen: Ja, wir brauchen diese Verfassungsänderung, denn wir wollen nicht, dass diese Schuldenbremse uns durch das Grundgesetz sozusagen ins Land gesetzt wird und der Eindruck entsteht, als könnten wir das nicht aus eigener Kraft. Wir wollen sie aus eigener Kraft in unsere eigene Verfassung aufnehmen, denn die Verfassungsänderung nimmt uns und unsere Nachfolger in besonderem Maße in die Pflicht. Das politische Gestalten wird noch stärker als bisher nur im Rahmen der Haushaltsdisziplin möglich sein. Dass wir das können, glaube ich, beweisen wir sehr eindrucksvoll seit 2006. Und der neue Landtag wird zeigen müssen, dass auch er dieses kann.
Meine Zweifel sind also vollständig ausgeräumt, denn letztlich ist diese Verfassungsänderung auch Ausdruck unserer finanzpolitischen Festigkeit, eine Festigkeit und Beständigkeit, die uns in Mecklenburg-Vorpommern, wie ich finde, gut zu Gesicht steht, und eine Festigkeit und Beständigkeit, deren Fehlen manche von uns anderen Staaten in Europa vorwerfen.
Auch deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich Sie im Namen der Mehrheit im Ausschuss und in meinem eigenen Namen um Ihre Zustimmung zu der vorliegenden Beschlussempfehlung bitten. – Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 180 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Bevor ich die Aussprache eröffne, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf ich Sie darüber informieren, dass die Fraktion der NPD eine Ältestenratssitzung beantragt hat, die wir am Ende der heutigen Beratungen durchführen werden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist heute eine wirklich wichtige Entscheidung, die das Parlament zu treffen hat. Die Selbstverpflichtung des Parlaments, an dem bisherigen, man muss ja sagen, weitgehend gemeinsamen Kurs der soliden Finanzpolitik festzuhalten, die Selbstverpflichtung, auch in Zukunft nicht über die Verhältnisse zu leben, weiter ohne neue Schulden auszukommen, das ist eine Entscheidung von existenzieller Bedeutung für uns in Mecklenburg-Vorpommern.
Wir sind in den letzten 20 Jahren wirklich gut vorangekommen in der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes auf dem Weg zu einer Zukunft aus eigener Kraft. Als wir im zeitlichen Umfeld des 20-jährigen Jubiläums unseres Landes die Bürgerinnen und Bürger befragt
haben, da haben 92 Prozent gesagt: Ja, wir sind gut oder sogar sehr gut vorangekommen in diesen 20 Jahren. Und genauso viele haben gesagt: Man kann hier in diesem Land gut oder sogar sehr gut leben.
Und es stimmt ja, meine Damen und Herren, wir in Mecklenburg-Vorpommern können stolz sein auf das, was wir in den letzten 20 Jahren gemeinsam geschafft und aufgebaut haben.
Meine Damen und Herren, das Parlament hat sicherlich seinen Teil beigetragen mit vielen guten, richtungsweisenden Entscheidungen, nicht immer gemeinschaftlich, manchmal nach ausführlichen inhaltlichen Kontroversen. Unsere Fortschritte auf dem Weg zu einer Zukunft aus eigener Kraft sind überall sichtbar und sie werden zunehmend auch außerhalb des Landes wahrgenommen und mit Anerkennung und Respekt kommentiert.
Die jüngste Studie der Initiative „Neue Soziale Marktwirtschaft“ bestätigt das noch einmal: MecklenburgVorpommern ist bundesweit die Region mit der größten Dynamik in der Entwicklung gleich nach der Hauptstadtregion Berlin/Brandenburg. Bei der Verringerung der Arbeitslosigkeit, beim Angebot an Ausbildungsplätzen, beim Wachsen der Steuerkraft,
beim Einkommenszuwachs der Menschen, überall haben wir das größte Potenzial der Entwicklung. Wir sind nicht vorn, aber wir haben gute Chancen, weiter voranzukommen.
Die Aussichten sind weiter gut, wobei ganz klar ist, der enorme Aufholprozess, den wir jetzt 20 Jahre betreiben und in dem wir uns immer noch befinden, ist noch lange nicht abgeschlossen. Aber gemeinsam haben wir hier im Landtag und in den Landesregierungen seit den 90er-Jahren viele Weichen richtig gestellt und wir sind auf einem guten Weg.
Ganz wesentlich dazu beigetragen hat – und das erfährt außerhalb unseres Landes ganz besondere Aufmerksamkeit und Anerkennung, was zu dieser positiven Entwicklung beigetragen hat – unsere seit vielen Jahren erfolgreich umgesetzte kluge, langfristig ausgerichtete solide Politik der Haushaltskonsolidierung. Und den Ergebnissen dieser soliden Haushaltskonsolidierung, dass wir nämlich eines der ganz wenigen Länder ohne Neuverschuldung sind, dass wir entgegen dem Bundestrend sogar Schulden abgebaut haben, dem wird bei der Beurteilung der Zukunftschancen für unser Land größte Bedeutung beigemessen, auch jetzt wieder in der aktuellen Studie – zu Recht. Denn es ist schon entscheidend für die Entwicklungspotenziale der nächsten Jahre und Jahrzehnte, ob eine immer größer werdende Zinslast den Entscheidungsspielraum einengt oder ob ganz im Gegenteil die Rückzahlung, die Tilgung von Zinsen langfristig und nachhaltig zusätzliche Spielräume eröffnet. Darauf kommt es an. Für uns als ostdeutsches Bundesland ist es noch von ganz besonderer Bedeutung, weil unser Haushalt in den letzten 20 Jahren zu einem
ganz erheblichen Teil von Transferleistungen mitfinanziert worden ist, Transferleistungen, die bis 2019 Stück für Stück gänzlich zurückgehen werden.
Also, meine Damen und Herren, die Haushaltspolitik dieses Parlaments und der Landesregierung seit Ende der 90er-Jahre ist eine große Erfolgsgeschichte. Sie war möglich, weil letztlich hier im Hause mehrheitlich die Einsicht in die dringende Notwendigkeit dafür bestand, weil mehrheitlich die Selbstverpflichtung akzeptiert worden ist, dass die schwierigen Entscheidungen über politische Prioritäten, was ist wichtig, was können wir uns leisten, weil ganz klar war, dass wir diese Entscheidungen nur innerhalb eines vorgegebenen äußeren finanziellen Rahmens treffen können und treffen dürfen.
Bei der Entscheidung heute geht es darum, diese Selbstverpflichtung zu erneuern und zu verstärken, sie in der verbindlichsten Form abzulegen, die einem Parlament möglich ist durch die Verankerung in der Landesverfassung. Ich halte das für einen wichtigen, einen notwendigen Schritt. Dieser Schritt ist nicht etwa deshalb entbehrlich, weil es inzwischen die Schuldenbremse im Grundgesetz gibt, im Gegenteil. Ich habe immer gesagt und ich bin davon überzeugt, dass das nach wie vor richtig ist, der schwierige Weg der Haushaltskonsolidierung, der manchmal sehr schmerzhaft ist, weil Dinge nicht möglich sind, die wir uns eigentlich wünschen. Dieser schwierige Weg kann nur erfolgreich aus eigener Einsicht beschritten werden, nicht durch Auferlegung von außen. Das ist das eine starke Argument für die vorgesehene Veränderung der Landesverfassung.
Das andere – die Schuldenbremse des Bundes – gilt erst ab 2020. Und wer sie als fremde Fessel empfindet, der hat reichlich Zeit, bei den Schulden noch einmal in die Vollen zu gehen, übrigens noch mit dem Zusatznutzen, Zusatznutzen für notorische Schuldenmacher, dass die erst ab 2020 greifenden Beschränkungen sich dann auf einen erheblich höheren Schuldenstand beziehen würden und viel leichter einzuordnen wären, ohne dass man in Wirklichkeit vorangekommen ist. Deshalb enthält die Selbstverpflichtung des Landes, wie sie heute zur Abstimmung steht, die zusätzliche Festlegung, uns schon mit den Haushalten bis 2020 entsprechend aufzustellen, das nicht rauszuschieben.
Für mich kommt ein Gesichtspunkt hinzu, nämlich, dass die Aufnahme dieser Regelung in die Landesverfassung gegenüber den Menschen im Land ein klares Signal, ein klares Bekenntnis bedeutet, die solide Finanzpolitik fortsetzen zu wollen. 86 Prozent der Menschen im Land wollen eine solche Politik, die Schulden begrenzt und möglichst abbaut, und die haben gerade auch vor der Wahl Anspruch darauf zu wissen, wie die politischen Parteien dazu stehen.
Ich freue mich sehr, meine Damen und Herren, dass die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen geschlossen den heutigen Vorschlag mittragen. Vielen Dank dafür.