Protokoll der Sitzung vom 29.06.2011

Ich will noch einmal daran erinnern, und jetzt richte ich mich an die Sozialpartner, die ja hinten im Zuschauerraum so wunderschön nebeneinandersitzen: Ich glaube, wenn ich jetzt das Gesetz nehmen würde, dann würde ich wahrscheinlich genau dazwischen sitzen. Aber ich will daran erinnern, wir haben in der Tat eine Unterschrift geleistet unter einer Vereinbarung, haben das in der Öffentlichkeit bekannt gegeben und haben gesagt, wir wollen die Tarifpartner stärken. Und dann, finde ich, ist es auch nur logisch und konsequent, wenn wir es da, wo der Staat, wo die Kommunen Geld herausgeben für Leistungen, am Ende auch tun. Insofern denke ich, dass dies ein ganz wichtiger Schritt in diese Richtung ist. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Danke schön, Herr Minister.

Die angemeldete Redezeit der Landesregierung wurde überschritten. Entsprechend Paragraf 85 unserer

Geschäftsordnung steht diese jetzt den Fraktionen der Opposition zur Verfügung. Acht Minuten sind überschritten worden.

(Regine Lück, DIE LINKE: Jetzt werden wir aber zuschlagen. – Michael Roolf, FDP: Oha! – Zuruf von Burkhard Lenz, CDU)

Wir fahren jetzt fort. Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Fraktionsvorsitzende und Abgeordnete Herr Holter.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Tat findet heute, und ich hoffe, es ist erst einmal ein vorläufiger Schlusspunkt einer sehr, sehr langen Debatte, die Auseinandersetzung zu einem Vergabegesetz in unserem Bundesland MecklenburgVorpommern statt. Es ist eine unendliche Geschichte. Verschiedene Gesetzentwürfe haben vorgelegen. Es gab zwischenzeitlich die schon erwähnten Urteile, die dann dazu geführt haben, dass die Arbeit faktisch von vorne begonnen werden musste.

DIE LINKE im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern hat sich diesem Thema immer sehr offensiv gestellt, sowohl in der Regierungskoalition mit der SPD als eben auch jetzt als Oppositionsfraktion in dieser Wahlperiode. Wenn es denn zwei konkurrierende Gesetzentwürfe gibt, einen Gesetzentwurf, den wir eingereicht haben, und einen Gesetzentwurf der Koalitionen, dann ist das auch Demokratie. Und es ist dann natürlich auch Demokratie, wenn im federführenden Ausschuss entschieden wird, dass ein Gesetzentwurf zur Verhandlungs- und Beratungsgrundlage gemacht wird. Das ist eigentlich üblich, das will ich nur noch mal feststellen.

Aber wir haben uns, das will ich hier ausdrücklich unterstreichen, im Wirtschaftsausschuss darauf geeinigt, dass beide Gesetzentwürfe gleichberechtigt und parallel behandelt werden. Dass der Fokus auf dem Gesetzentwurf der Koalition gelegen hat, das versteht sich aus der Anlage der gesamten Debatte. Fakt ist aber, dass beide Gesetzentwürfe auch eine öffentliche Debatte entfacht haben und gerade, wie Minister Seidel deutlich gemacht hat, zur Mindestlohndebatte Mecklenburg-Vorpommern wiederum beigetragen haben und natürlich auch die Frage aufgeworfen haben, zu welchen Bedingungen sollen denn öffentliche Aufträge ganz konkret vergeben werden.

Ich bin nicht froh über den Abschluss dieser Debatte am heutigen Tag, und zwar aus unterschiedlichen Gründen. Ich kann das so zusammenfassen: Dieses Gesetz, welches seitens der Koalition vorliegt, will niemand.

(Michael Roolf, FDP: Nee!)

Die CDU will es nicht, die SPD will es nicht, die Wirtschaft will es nicht, die Gewerkschaften wollen es nicht und auch die Kommunen wollen es nicht.

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Das ist eigentlich ein einmaliger Vorgang in der Geschichte dieses Hohen Hauses,

(Regine Lück, DIE LINKE: So ist es.)

dass ein Gesetzentwurf durch niemanden – weder hier in diesem Hohen Haus noch in der Öffentlichkeit – tatsächlich gewollt ist. Ja, er ist ein Kompromiss und dieser Kompromiss ist ein schlechter Kompromiss und er zeigt auch in dieser Frage die Zerrissenheit der Koalition.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Oh, oh! Das hätten Sie gerne, Herr Holter. Das hätten Sie gerne, Herr Holter. – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Doch, doch, Herr Seidel hat das eben noch mal deutlich gesagt, die Zerrissenheit der Koalition in dieser Frage. Herr Seidel hat das eben noch mal sehr deutlich formuliert. Es mache sich fest an der Frage, wie stehe ich denn nun eigentlich zum Mindestlohn.

(Michael Roolf, FDP: Nee, nee!)

Doch, doch, Herr Roolf, genau das ist der Dreh- und Angelpunkt.

(Michael Roolf, FDP: Gar nicht.)

Ich habe verschiedene Diskussionen gehabt, auch im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Wahlkampf,

(Zuruf von Hans Kreher, FDP)

wo ausdrücklich die CDU-Vertreter noch mal darauf hingewiesen haben, was Herr Seidel eben noch mal aus seiner Überzeugung – ich werfe ihm das ja gar nicht vor, ich stelle das nur fest und kritisiere ihn natürlich dafür – gesagt hat, dass die CDU, gegen einen flächendeckenden Mindestlohn ist. Das ist Aufgabe der Tarifpartner, so sind ja sinngemäß Ihre Worte eben gewesen, das zu vereinbaren.

(Hans Kreher, FDP: Deshalb ist die Frage, wie stehen Sie zur Tarifautonomie.)

Die SPD ihrerseits tritt in der Öffentlichkeit sowohl bundesweit als auch in Mecklenburg-Vorpommern für einen gesetzlichen Mindestlohn ein.

(Michael Roolf, FDP: Richtig.)

Und damit sieht man zwei sich sozusagen aufeinander zubewegende Züge,

(Michael Roolf, FDP: Ja.)

die sich zwar nicht getroffen haben,

(Michael Roolf, FDP: Ja.)

weil Sie vorher den Prellbock in Form dieses Gesetzes eingebaut haben. Deswegen kann man die ruhig zwischen die beiden Sozialpartner stellen. Ich glaube, menschlich verstehen die beiden sich schon.

(Hans Kreher, FDP: Ja, bei der Tarifauto- nomie halten Sie ja auch zusammen.)

Ja, das ist ein, Herr Kreher, substanzieller Unterschied.

Nun will ich etwas zu unserem Gesetzentwurf sagen, ohne ihn noch mal detailliert aufzuführen. Wir haben uns als LINKE die Frage gestellt, welche Ansprüche muss denn ein Landesvergabegesetz für Mecklenburg-Vorpommern erfüllen. Nicht nur die Frage nach dem Mindestlohn, sondern wir haben uns auch gefragt, ob denn nicht andere Standards, wie tarifliche, soziale, ökologische Standards, zur Bedingung gemacht werden können. Ich erinnere an die Aktuelle Stunde, die wir heute Morgen zur Energiewende durchgeführt haben.

Wir haben übrigens in Gesprächen mit den Sozialpartnern diese Frage sehr intensiv diskutiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, ja, in der Beziehung sind wir ja alleine, wir müssen auf keinen Partner Rücksicht nehmen, das ist vielleicht unser Vorteil. Ich habe ja immer gesagt, dass wir in der Beziehung ein idealtypisches

Gesetz vorgelegt haben, um sehr deutlich zu zeigen, dass es sehr wohl auf Grundlage der gesprochenen Urteile sachgerecht ist, ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen.

Wenn wir also tatsächlich wollen, so, wie es der Ministerpräsident und auch der Wirtschaftsminister dieses Landes formulieren, dass wir von dem Niedriglohn image Mecklenburg-Vorpommern wegkommen, dann ist es unsere Überzeugung, dass man mit einem Landesvergabegesetz in Bezug auf die öffentlichen Aufträge hier vorangehen muss, um auch der Wirtschaft deutlich zu zeigen, wo die Hebel und die Möglichkeiten zu finden sind, um tatsächlich hier gegen den Niedriglohnsektor in Mecklenburg-Vorpommern vorzugehen. Da teile ich eben nicht die Auffassung der CDU und auch nicht die von Herrn Seidel, dass das Sache der Tarifpartner ist. Ich will das hier noch mal ausdrücklich wiederholen, weil auch teilweise falsche Dinge erzählt werden: Der Mindestlohn bestimmt die Lohnuntergrenze, und nicht mehr.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Alles andere darüber hinaus ist Verhandlungssache der Tarifpartner. Und das, meine ich, soll man hier noch mal feststellen, das war auch unsere Ausgangsposition für unseren Gesetzentwurf.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das wissen sie doch.)

Wenn jetzt seitens der SPD immer wieder formuliert wird, Herr Schulte hat es getan in einer Pressemitteilung, dass das Gesetz, welches hier gerade von Herrn Schulte als Ausschussvorsitzendem in diesem Fall und auch von Herrn Seidel noch mal dargestellt und auch noch mal begründet wurde, mehr erreicht hat, als wir als LINKE es jemals zustande gebracht haben, dann muss man einfach fragen: Wer war denn unter Rot-Rot der Bremser? Wer hat denn verhindert, dass es ein solches Gesetz gegeben hat?

(Torsten Renz, CDU: Na, wer war das?)

Das war damals die Debatte gewesen, die wir zwischen Rot-Rot, zwischen SPD und PDS/Linkspartei geführt haben. Aber das ist Geschichte. Deswegen bin ich der Überzeugung, dass das Gesetz der Koalition, was heute vorliegt, das ist das Papier tatsächlich nicht wert, auf dem es steht, weil es die Ansprüche an ein Vergabegesetz nie erfüllen kann und auch nie erfüllen wird. Dieses Gesetz in dieser Form braucht niemand. Und es wird auch nicht dazu beitragen, irgendetwas in MecklenburgVorpommern zu verändern.

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Und wir machen ja …

Herr Roolf, aus Ihrer Sicht können Sie es hier ja noch darstellen.

(Michael Roolf, FDP: Verkompliziert, verkompliziert.)

Wir, die Fraktionsvorsitzenden, machen ja, das ist ja bekannt, vor der Landtagssitzung immer wieder unsere Pressekonferenzen, Pressegespräche. Und da finde ich auf „NDR online“ die Aussage, auch das ist ein Widerspruch zwischen SPD und CDU, dass Herr Glawe eindeutig formuliert, dieses Gesetz gilt speziell für Bahnunternehmen. Sie müssen für öffentliche Aufträge ihren Beschäftigten Tariflöhne zahlen.

Und wenn Herr Nieszery dann betont, es gilt grundsätzlich für alle Unternehmen, die öffentliche Aufträge bekommen wollen, dann empfehle ich tatsächlich das, was Herr Seidel gesagt hat, dann solle man tatsächlich den Gesetzestext lesen. Also Interpretationen sind hier nicht zulässig,