Protokoll der Sitzung vom 10.05.2007

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist richtig.)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie auch ganz herzlich, die Außenwirkung gegenüber dem Bürger hier zu bedenken.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)

Ich nehme es bloß mal an: Wenn das Kraftwerk trotz entgegenstehendem Landtagsbeschluss genehmigt werden würde, dann könnte ich nur sagen, das wäre nun wirklich Politikverdrossenheit par excellence.

(Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Im Zweifel den Bürgerwillen beachten.)

Also ich bin ganz sicher, dass der Landtag klug und verantwortungsbewusst genug ist, dem Unsinn der Linkspartei.PDS hier nicht zu folgen.

(Beifall Dr. Armin Jäger, CDU – Zurufe von Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS, und Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, wir sollten vielmehr die arbeitsmarkt- und industriepolitischen Chancen derartiger fi nanzintensiver Großprojekte in unserem Lande nutzen. Sie sagten vorhin, dass allen klar ist, dass wir vom Tourismus allein nicht leben können. Das stelle ich leider Gottes nicht fest, dass dies so ist. Und nun bin ich weiß Gott jemand, der sich immer sehr für den Tourismus einsetzt, dies in den Jahren bewiesen hat, aber es ist völlig unstrittig, dass wir auch in anderen Bereichen der Wirtschaft weiter vorankommen müssen, wenn wir den Menschen wirklich eine Chance geben wollen. Wir haben gestern hier über Mindestlohn gestritten. Das genau ist ein Punkt, wo wir uns jetzt unterscheiden

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

und sagen, wir wollen hier über diesen Weg weitere Investitionen,

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Aber das haben wir doch getan in Lubmin.)

dass die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern mehr Geld in die Tasche bekommen.

Meine Damen und Herren, Verantwortung heißt für mich, die Dinge sachlich auf der Basis von Fakten, ohne Emotion, ohne Ideologie zu bewerten, und ich glaube, das wird auch dieser Landtag tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Das passiert, wenn der Wirtschaftsminister für Klimaschutz zuständig ist und für Emission.)

Danke schön, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Borchert von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende PDSAntrag greift ein außerordentlich aktuelles und brisantes Thema auf, den Bau eines Steinkohlekraftwerkes in Lubmin mit einer Leistung von mindestens 1.600 Megawatt, das ab 2012 ans Netz gehen soll. Die politische Dimension dieses Vorhabens ist schon klar geworden. Hier gibt es nicht nur eine lokale Diskussion – es ist ja nicht nur eine landespolitische –, sondern im Zusammenhang mit der gegenwärtigen globalen Klimadiskussion und der aktuellen Debatte über die Energie- und Klimastrategie der Europäischen Union, der Bundesregierung und auch im Zusammenhang mit der Klimastrategie unseres Landes ist es wie gesagt ein außerordentlich politisch brisantes Thema.

Auch auf dem Landesparteitag der SPD in Salem spielte dieses Thema eine Rolle, vor Ort spielt es eine Rolle in Lubmin und Umgebung, Usedom insbesondere. In Lubmin selbst haben sich 79,5 Prozent der Einwohner in einer Befragung gegen das Steinkohlekraftwerk ausgesprochen. Es gibt Bürgerinitiativen wie zum Beispiel „Kein Steinkohlekraftwerk Lubmin!“. Und auch hier im Landtag ist dieses Thema heute im Mittelpunkt einer, wie ich fi nde, wichtigen Debatte. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es sowohl Befürworter als auch Gegner bei einem solchen Vorhaben gibt. Das ist nichts Ungewöhnliches. Das ist bei einem Vorhaben in dieser Größenordnung völlig normal.

Ich möchte als Erstes noch einmal kurz die Argumente der Befürworter nennen. Da steht zum einen natürlich die gewaltige Investitionssumme von 1,6 Milliarden Euro, die 1.000 Arbeitsplätze während der Bauphase, mindestens 120 Dauerarbeitsplätze, direkte Arbeitsplätze, aber auch 200, 300, 400 indirekte Arbeitsplätze und die Stärkung, das wurde schon gesagt, des Energiestandortes Lubmin sowie darüber hinaus sicherlich die Chance um die Stärkung des gesamten Industriestandortes Lubmin. Auch die Ablösung ineffi zienter Kohlekraftwerke in Deutschland durch neue, moderne, effi zientere Kohlekraftwerke spielt natürlich hier aufseiten der Befürworter eine wichtige Rolle. Aber genauso gut ist auch nachzuvollziehen, dass es Gegner gibt, die durchaus mit Sachargumenten ihre Kritik oder ihre Einwendungen vorbringen. Das sind insbesondere regionalwirtschaftspolitische, regionalökologische, aber vor allen Dingen auch klimapolitische Argumente.

In diesem Zusammenhang ist natürlich die Frage wichtig, wie wir insbesondere damit umgehen, dass dieses Steinkohlekraftwerk nach aller Wahrscheinlichkeit circa sieben Millionen Tonnen CO2-Ausstoß haben wird. Das ist die zentrale Frage. Wie ist das vereinbar mit dem Klimaschutzziel unseres Landes, mit dem Klimaschutzziel in Deutschland beziehungsweise der Europäischen Union und der Welt insgesamt? In diesem Zusammenhang muss man grundsätzlich – und das ist keine Erfi ndung von mir – Kohlekraftwerke kritisch bewerten. Sie haben einen relativ geringen Wirkungsgrad und natürlich auch einen hohen Anteil, eine hohe Reduktion von CO2-Emissionen.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Das ist so.)

Demzufolge muss man einerseits zur Kenntnis nehmen – und da hat Herr Minister Seidel völlig recht –, wir werden mittelfristig, das sage ich jetzt, leider, auf Kohle als fossilen Energieträger nicht verzichten können,

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Aber immer weniger hoffentlich.)

aber gleichzeitig haben wir die Verantwortung, dass wir möglichst wenig neue Kohlekraftwerke bauen und diese auch effi zient sind.

Die Position von Bundesumweltminister Gabriel in dem Zusammenhang kann ich allerdings nur unterstützen, weil er deutlich gemacht hat, dass die Zahl 40, die vor ein paar Monaten einmal im Raum stand, zu reduzieren ist. Seine letzte Aussage in diesem Zusammenhang war für Deutschland die Zahl 9, nämlich konkret 6 neue Steinkohlekraftwerke und 9 neue Braunkohlekraftwerke. Ich glaube, die Richtung, wenn überhaupt, möglichst wenig neu zu bauen, ist schon angegeben worden. Und er hat etwas Zweites deutlich gemacht: Wenn es schon neue Kohlekraftwerke sein sollen, dann mit einer optimalen Kraft-Wärme-Kopplung.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)

Optimale Kraft-Wärme-Kopplung liegt momentan in Deutschland bei circa 12 Prozent. Das ist, sagen alle Fachleute, absolut zu niedrig. Wir müssen auf wenigstens 25 Prozent kommen, zu einer Verdopplung,

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)

sodass sich jeder Neubau eines Kohlekraftwerkes daran messen lassen muss, welcher Grad von Kraft-WärmeKopplung erzielt wird. Technologisch befi ndet sich bereits in einer Erprobung in Spremberg beim Energiekonzern Vattenfall, auch mit der Zielsetzung der CO2-freien Abscheidung, dieses neue Verfahren. Sicherlich ist es beim technologischen Fortschritt denkbar, dass wir da zukünftig, das hoffe ich zumindest, zu effi zienten Umsetzungen kommen.

Ich möchte jetzt noch einmal kurz auf die wirtschaftspolitischen und regionalökologischen Argumente eingehen. Wirtschaftspolitisch ist klar, Lubmin und Usedom sind klassische Tourismusgebiete. Ich kann das durchaus nachvollziehen, weil ich, wie der Minister Seidel auch, aus einer Tourismusregion um Waren und Müritz komme.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Also wenn ich mir bei uns ein Steinkohlekraftwerk mit einem Schornstein vorstelle,

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)

150 Meter hohe Kesselhäuser in Höhe von 120 Metern, das heißt praktisch doppelt so groß in etwa,

(Helmut Holter, Die Linkspartei.PDS: Würden Sie mal an der Spitze der Initiative von Waren stehen!)

doppelt so groß wie in Rostock, würde ich dort auch an der Spitze einer Bürgerbewegung stehen. Das wäre wahrscheinlich so.

(Egbert Liskow, CDU: Dann brauchen wir doch gar keine Werkteile mehr zu bauen.)

Ich glaube, da wird jeder Tourismuspolitiker zumindest zur Kenntnis nehmen müssen, dass es ein sensibles Thema ist. Insofern gibt es von mir ein gewisses Verständnis für Tourismusakteure vor Ort.

Wir hatten auch die Diskussion bei Offshoreanlagen vor der Küste. Es ist immer die Frage, welche negativen Auswirkungen das möglicherweise für den Tourismus haben könnte.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Ja, da kenne ich noch die Argumente der CDU von damals.)

Zu den regionalökologischen Argumenten: Auch darauf ist der Minister Seidel schon eingegangen. Es ist wirklich so, dass die Frage, mit welcher Erwärmung des Wassers im Greifswalder Bodden zu rechnen ist und welche Veränderungen das für Flora und Fauna des Gebietes hat, ein wichtiger Punkt ist, den es hier vertieft zu untersuchen gilt, zumal dazu auch noch umfangreiche Schwermetallemissionen entstehen, circa 900 Kilo Quecksilber pro Jahr. Das muss natürlich gründlich untersucht werden.

Ich sage „untersucht werden“ und wenn das dann genehmigungsfähig wird, so, wie Herr Seidel das auch angekündigt hat, ich glaube, dann ist es mit einem rechtlichen Verfahren auch völlig logisch, dass man die Genehmigung erteilt. Nur für mich persönlich ist zum heutigen Zeitpunkt die Frage der Genehmigungsfähigkeit offen,

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Sehr richtig.)

weil deutlich zu sagen ist, wir haben dort nicht nur das Steinkohlekraftwerk Lubmin. Der Minister hat zu Recht darauf verwiesen, dass wir elf große Industrievorhaben jetzt schon haben beziehungsweise noch haben in Lubmin und Umgebung. Das heißt, alle Negativwirkungen auf das Ökosystem sind praktisch zu summieren und dann entsprechend zu bewerten. Es geht also nur scheinbar nur um dieses Steinkohlekraftwerk, es geht insgesamt um die Industrieansiedlung und Entwicklung um Lubmin, Stichwort: Gaskraftwerk und andere. Ich will das hier nicht weiter im Detail ausführen.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Das würde ausreichen, das Gaskraftwerk.)

Ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen, dass es für die SPD-Fraktion viele offene Fragen zum jetzigen Zeitpunkt gibt. Die Antragsunterlagen werden zusammengestellt. Insofern fi nden wir das absolut sachgerecht und folgerichtig, dass der vorliegende Antrag der PDS zum heutigen Zeitpunkt nicht entschieden werden kann, zumal ich dem Minister zugestehen muss, dass es wirklich keinen Sinn macht, wenn der Landtag zum jetzigen Zeitpunkt irgendetwas dafür oder dagegen beschließt. Ich halte es zum jetzigen Zeitpunkt des Verfahrens für absolut sachgerecht und logisch, diese Thematik zu überweisen, weil folgende Fragen für meine Fraktion wirklich weitgehend ungeklärt sind. Ich möchte die fünf wichtigsten Fragen noch einmal kurz nennen:

Erstens. Welchen Wirkungsgrad wird dieses Steinkohlekraftwerk erzielen? Muss es bei 46 Prozent bleiben oder kann es nicht vielleicht doch noch etwas besser werden?

Zweitens. Wie hoch wird wirklich der Schadstoffausstoß sein? Sind es die angekündigten sieben Millionen Tonnen oder können es möglicherweise auch weniger werden?

Drittens. Wie stark ist das geplante Kühlsystem, um die Temperatur zu minimieren, die praktisch den Greifswalder Bodden belasten wird? Auch darauf hat der Minister schon hingewiesen. Was kann man da technologisch bei dem Thema machen?

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)