Protokoll der Sitzung vom 14.06.2007

Danke, Herr Heydorn.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Köster von der Fraktion der NPD.

Lieber Herr Heydorn! Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bislang ging ich zumindest immer noch davon aus, dass Sie lesen können, aber offensichtlich können Sie noch nicht einmal dieses. Was steht denn in unserem Antrag drin? Sie haben Begründungen vorgelesen, aber nicht den Antrag. Unser Antrag lautet: „Der Landtag möge beschließen: Die Landesregierung wird aufgefordert, das Heimgesetz auf Landesebene zu reformieren. Es soll dabei zu vorderst sichergestellt werden, dass der § 15 Heimgesetz novelliert wird, sodass dann die Überwachung der Heime durch die zuständigen Behörden ausschließlich in unangemeldeten Kontrollen erfolgt.“

(Beifall Udo Pastörs, NPD)

Ihre Ausführungen könnte ich als Lehrer nur folgendermaßen qualifi zieren: Sechs, setzen!

(Jörg Heydorn, SPD: Noch mal, das habe ich nicht verstanden!)

Das war eine glatte Sechs.

(Jörg Heydorn, SPD: Sprechen Sie mal ein bisschen deutlicher!)

Das war eine glatte Sechs, Herr Heydorn.

(Zuruf von Jörg Heydorn, SPD)

Sie hätten sich mal informieren können, dass das Land Bayern als einziges Bundesland diese unangemeldeten Kontrollen auch wirklich durchführt. Vor Kurzem hat ein Politikmagazin, entweder in der ARD oder im ZDF, festgestellt, dass alle anderen Bundesländer hier erheblichen Nachholbedarf haben.

(Udo Pastörs, NPD: Richtig.)

Ihre Ausführungen beweisen, dass Sie sich immer auf die Theorie beschränken, die Praxis, die Realität aber überhaupt nicht kennen. Insofern haben Ihre Ausführungen wieder einmal klar gezeigt, Ihnen geht es nur darum, einen Antrag der NPD, der notwendig ist, abzulehnen, und Sie sind hilfl os in Ihren Bemühungen.

(Beifall bei Abgeordneten der NPD)

Danke, Herr Köster.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/591. Wer diesem zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/591 mit den Stimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion der Linkspartei.PDS und der Fraktion der FDP abgelehnt bei Zustimmung der Fraktion der NPD.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 24: Beratung des Antrages der Fraktion der Linkspartei.PDS – Auswirkungen und Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie, Drucksache 5/600. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 5/630 vor.

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS: Auswirkungen und Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie – Drucksache 5/600 –

Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und CDU – Drucksache 5/630 –

(Harry Glawe, CDU: Können Sie die Präsidentin verstehen da hinten?)

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Borchardt von der Fraktion der Linkspartei.PDS.

(Harry Glawe, CDU: Mikro ist sehr schlecht. Bitte lauter.)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die EU-Dienstleistungsrichtlinie ist in vielerlei Hinsicht etwas ganz Besonderes. Selten zuvor erfasste eine Richt linie derart viele Bereiche, selten zuvor war eine Richtlinie der Europäischen Union so umstritten, selten zuvor im parlamentarischen Verfahren so häufi g geändert, selten zuvor erforderte die Umsetzung einer Richtlinie einen derart großen Aufwand und selten zuvor waren die Auswirkungen einer Richtlinie derart unklar wie bei der Dienstleistungsrichtlinie. Und genau um die letzten beiden Punkte – Umsetzung und Auswirkungen der Dienst leistungsrichtlinie – geht es meiner Fraktion im vorliegenden Antrag, denn beides ist für MecklenburgVorpommern von herausragender Bedeutung.

Ich will an dieser Stelle auch nicht verhehlen, dass wir die im Herbst 2006 verabschiedete Dienstleistungsrichtlinie für eine falsche Entscheidung halten, die wenig durchdacht war, eben auch weil die Konsequenzen nicht klar sind. Aber darauf komme ich an einer anderen Stelle zurück. Vorher ein paar grundsätzliche Ausführungen:

Wie gesagt, die Dienstleistungsrichtlinie wurde im Herbst 2006 beschlossen, im Dezember 2006 mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU trat sie in Kraft. Drei Jahre haben nun die Mitgliedsstaaten Zeit, um die Umsetzung zu realisieren. Davon ist fast ein Jahr vergangen. Betroffen von dieser Richtlinie sind die Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit, das heißt alle staatlichen oder vom Staat mit Rechtsgebungsbefugnissen ausgestatteten Ebenen. Angesprochen sind also nicht nur Bund und Länder, sondern auch die Kommunen, auch die Berufs

kammern. Sie alle werden in den nächsten Monaten eine Vielzahl komplexer Prüf-, Anpassungs-, Berichts- und Organisationsaufträge umzusetzen haben. Ziel dieser neuen Richtlinie sind die Erleichterung der Niederlassung in einem Mitgliedsstaat durch Verwaltungsvereinbarung, die Verbesserung der Qualität von Dienstleistungen durch gezielte Harmonisierung, vor allem in den Bereichen Verbraucherinformation, die Einführung der Verwaltungszusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten durch gegenseitige Unterstützung und Information, die Stärkung der Rechte der Dienstleistungsempfänger auf grenzüberschreitende Dienstleistungen.

Zur Umsetzung der Richtlinie sind in den Mitgliedsstaaten eine Reihe von Aufgaben zu erfüllen und wie kompliziert diese Umsetzung zu sein scheint, zeigt eine Tatsache, nämlich: Noch im Frühsommer 2007 soll ein sogenanntes Umsetzungshandbuch erscheinen, ein Bericht zur Implementierung der Dienstleistungsrichtlinie in das geplante elektronische Amtshilfesystem und ein Arbeitsplan für Verhaltensregeln für Dienstleister erarbeitet werden. Darüber hinaus laufen weitere parallele Verfahren, die offensichtlich dazu dienen, die Dienstleistungsrichtlinie konsequent umzusetzen beziehungsweise Vorhaben für die totale Freiheit im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge im Nachhinein zu legalisieren. Dabei denke ich an die Vorbereitung einer Richtlinie „Soziale Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“, des Gemeinschaftsrahmens für sichere, hochwertige und effi ziente Gesundheitsdienste, das Grünbuch für ein modernes Arbeitsrecht und der europäischen Energiepolitik.

Und damit nicht gleich wieder behauptet wird, dass unsere Fraktion gegen eine Liberalisierung des Dienstleistungssektors wäre, möchte ich an dieser Stelle an unsere Debatte in diesem Hohen Haus im Januar 2006 verweisen, in der wir uns ganz konkret positioniert haben.

Aber zurück zum Antrag: Dass es in Bezug auf die Umsetzung der zu verändernden Rechtsvorschriften noch viele Unbekannte gibt, beweisen nicht zuletzt die in den unterschiedlichen Parlamenten gestellten Anfragen zu diesem Thema und die dazugehörigen Antworten des Bundes und der Landesregierungen. Und, das will ich an dieser Stelle auch feststellen, in unserem Gespräch in Brüssel mit dem Gesandten der Ständigen Vertretung Deutschlands habe ich diesbezüglich konkret nachgefragt, leider keine konkrete Antwort erhalten.

Nun stellt sich für mich die Frage, welche Prüfungen werden vonseiten der Bundesregierung in Vorbereitung von EU-Richtlinien überhaupt durchgeführt. Einerseits wird gegenüber den Kritikern permanent behauptet, dass sie alles als falsch ansehen, andererseits kann man bis zum heutigen Tag noch nicht genau sagen, welche Gesetze und Richtlinien verändert werden müssen. Mit solider Arbeit hat das wenig zu tun. Oder geht es nur um ein Ziel, nämlich den Dienstleistungsmarkt ohne Rücksicht auf Verluste freizugeben und alle vorhandenen Standards über Bord zu werfen, ja, auch den Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge noch stärker zu privatisieren?

Meine Damen und Herren, uns allen sollte bewusst werden, über welche Dimension wir hier reden. Immerhin handelt es sich um einen Bereich, der in den meisten Mitgliedsstaaten mit fast 70 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt und sehr viel zur Beschäftigung beiträgt. Darüber hinaus wird diese Richtlinie den Liberalisierungsdruck Daseinsvorsorgeleistungen erhöhen, auch zu mehr Lohn- und Sozialdumping führen, den Standard in den

kleinen und mittelständischen Betrieben auch in Bezug auf die Ausbildung und hier insbesondere bei den Handwerkern.

Meine Damen und Herren, diese Sorge teilen wir mit vielen anderen, etwa mit den Handwerkskammern, den verschiedenen Innungen, den Gewerkschaften und den Wohlfahrtsverbänden. Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir dort, wo wir als Land noch Gestaltungsmöglichkeiten haben, diese im Sinne einer sozial gerechten Politik wahrnehmen. Dazu gehört für mich auch die Stärkung der Unternehmen in unserem Land. Deswegen müssen wir von der Landesregierung genau wissen, was insbesondere auf die Bürgerinnen und Bürger, die Kommunen und die kleinen und mittelständischen Unternehmen zukommt. Inwieweit wird die Daseinsvorsorge betroffen sein?

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den Antrag der SPD und der Linkspartei zur Dienstleistungsrichtlinie in der vergangenen Wahlperiode. Hier hat sich der Landtag damals dafür ausgesprochen, dass Leistungen der Daseinsvorsorge von dieser Richtlinie auszuschließen sind. Aus unserer Sicht ist in dieser Beziehung keine Klarheit eingetreten. Wer sind die einheitlichen Ansprechpartner und wie viele soll es davon im Land geben? Was ist mit dem Subsidiaritätsprinzip? Die Richtlinie greift in so viele Bereiche ein, dass man sich schon fragt, ob denn alles von der EU geregelt sein muss. Wie sieht es grundsätzlich aus mit der Rechtssicherheit? So ist etwa dem Standpunkt des deutschen Juristenbundes zu entnehmen, dass die Dienstleistungsrichtlinie eine verwirrende Anzahl von Regelungen, Ausnahmen, Gegenausnahmen, Lücken und Unwägbarkeiten aufweist. Bei näherem Hinsehen bestätigt sich diese Auffassung. Die 46 Artikel benötigen zu ihrer Erklärung sage und schreibe 118 Erwägungsgründe. Man muss keine prophetischen Gaben haben, um festzustellen, dass in zahlreichen Fällen der Europäische Gerichtshof darüber entscheiden wird, wie die Richtlinie auszulegen ist.

Ich möchte die Rechtsunsicherheit an einem Beispiel verdeutlichen. Nach Artikel 2 Absatz 2 a erstreckt sich die Dienstleistungsrichtlinie nicht auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse. Dies sind nach Erwägungsgrund 17 Dienstleistungen, für die eine sogenannte wirtschaftliche Gegenleistung erbracht wird. Sind demnach etwa Bereiche wie Bildung, Soziales und Kultur plötzlich eine wirtschaftliche Tätigkeit, wenn sie nicht überwiegend aus öffentlichen Mitteln fi nanziert werden? Im Ergebnis könnten etwa die Volkshochschulen oder öffentlichen Weiterbildungseinrichtungen, wie wir sie heute kennen, der Dienstleistungsrichtlinie zum Opfer fallen? Dies setzt unweigerlich den Trend der Privatisierung von Bildung fort. Des Weiteren ist bislang völlig unklar, welche Landesgesetze verändert werden müssen. Wir sollten uns in diesem Zusammenhang auch nicht darauf zurückziehen, dass die Richtlinie erst bis Ende 2009 in nationales Recht umgesetzt werden muss.

Nun ist es ja nicht so, dass die Landesregierung in dieser Sache untätig ist. Wir alle wissen, dass sie fl eißig – und das unterstelle ich erst mal – an den Einzelheiten der Umsetzung in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe beim Bundeswirtschaftsministerium arbeitet. Sie stimmen aber sicher mit mir überein, wenn ich sage, auch der Gesetzgeber muss so früh wie möglich eingebunden werden.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch ein paar Sätze zum diskutierten Artikel 16 sagen. Ursprünglich wurde dort das Herkunftslandprinzip gere

gelt, welches heftig durch das Prinzip des freien Dienstleistungssektors ersetzt wurde. Ich kann unsere Auffassung an dieser Stelle noch einmal wiederholen: Die Begriffe sind zwar ausgetauscht, der Inhalt ist jedoch weitestgehend geblieben mit all seinen negativen Folgen. Und wie man nationale Forderungen und EU-Politik verknüpfen kann, möchte ich an dem folgenden Zitat der Gewerkschaft ver.di in ihrer Stellungnahme vor dem Wirtschaftsausschuss des Bundestages belegen: „Ein verschärftes Lohn- und Sozialdumping und ein Absinken der Qualitätsstandards werden die Folge sein, wenn es keine fl ankierenden Maßnahmen wie gesetzlichen Mindestlöhne, Sozial- und Qualitätsstandards gibt.“ Also worauf warten wir? Schaffen wir fl ankierende Maßnahmen wie den Mindestlohn, dann haben wir schon ein Problem bei der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie weniger.

Zum vorliegenden Änderungsantrag möchte ich Folgendes sagen: Ja, wir sind dafür, dass wir uns ein wenig mehr Zeit nehmen und bis zum 31. Oktober 2007 die Unterrichtung vornehmen. Ich möchte aber daran erinnern, dass wir den Haushalt 2008/2009 aufstellen und auch da wird fi nanziell zu untersetzen sein, was im Grunde genommen dann festzulegen ist. Also wie wir das zusammenkriegen, sollten wir bereits berücksichtigen.

Was die Überweisung betrifft, schlagen wir vor, nicht in den Wirtschaftsausschuss federführend, sondern in den Europa- und Rechtsausschuss

(Detlef Müller, SPD: Frau Borchardt, jetzt ist es aber gut!)

und dazu in den Wirtschaftsausschuss.

(Detlef Müller, SPD: Aber jetzt nicht noch solche Dinge, Frau Kollegin Borchardt!)

Und ich hoffe, dass alle Ausschüsse sich im Rahmen der Selbstbefassung damit befassen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Danke schön, Frau Borchardt.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Herr Seidel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Dienstleistungsrichtlinie ist Ende des letzten Jahres veröffentlicht worden. Es ist jetzt schon viel über die Konsequenzen für die Mitgliedsstaaten gesprochen worden. Ich gehe davon aus, dass Sie die Dinge im Wesentlichen auch kennen. Ergänzen will ich, dass die Frist zur Umsetzung der Richtlinie läuft. Sie endet am 28. Dezember 2009.