denn nur wenige Branchen sind davon berührt. Die Masse der Beschäftigten aber, etwa in Callcentern, im Bewachungsgewerbe, im Friseurhandwerk und anderen, geht leer aus. Mehr als 900.000 Beschäftigte im Niedriglohnsektor beziehen heute schon aufstockendes Arbeitslosengeld II. Bei uns im Land betrifft dies sage und schreibe circa 20.000 Menschen. Und auch das muss man sich vor Augen führen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Zwei Drittel derer, die einen ganzen Tag für einen Armutslohn arbeiten, sind Frauen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem die bröckelnde Tarifbindung, aber auch Tarifverträge, die kein Garant mehr für existenzsichernde Löhne sind, machen einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn unumgänglich. Schauen wir uns die Situation an: In mehr als 130 Tarifverträgen sind mittlerweile Stundenlöhne von unter 6 Euro festgesetzt,
ganz zu schweigen von der Lohnsituation in den Bereichen, die ohne tarifl iche Regelungen sind. Dort müssen Menschen unter unwürdigen Bedingungen für 3 Euro oder 4 Euro in der Stunde schuften. Wir sagen, es muss jetzt gehandelt werden. Man muss von Arbeit leben können.
Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, fordern wir Sie auf, den Erwartungen Ihres Vizekanzlers, Herrn Müntefering, nachzukommen. Er hat in der Öffentlichkeit erklärt, dass es Initiativen zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns aus den Bundesländern geben muss. Einige Bundesländer sind dem Aufruf bereits gefolgt. Deshalb sollten wir in Mecklenburg-Vorpommern nicht zurückstehen
und dem Beispiel von Berlin und Rheinland-Pfalz, wo Ihr Parteivorsitzender sogar mit der FDP eine solche Bundesratsinitiative hinbekommen hat,
und anderen Ländern folgen. Zeigen Sie Verantwortung, liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmen Sie unserem Antrag zu. Ich beantrage hiermit eine namentliche Abstimmung.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Herr Kollege Methling, zunächst einmal will ich eins richtigstellen: Sie haben sich nicht ausreichend informiert, was die Situation in Österreich betrifft. In Österreich ist es so, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Mindestlohn vereinbart haben. Ich lese Ihnen einmal die entsprechende Passage aus dem „Handelsblatt“ vor: „Ein Gesetz, das die in Wien regierende Große Koalition aus Sozialdemokraten und konservativer Volkspartei beschließen müsste, ist nicht vorgesehen.“ Insofern taugt dieses Beispiel nicht, wenn wir hier über das Thema Mindestlohn reden.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Da haben sich die Tarifparteien geeinigt. – Peter Ritter, DIE LINKE: Ausreden, nichts als Ausreden!)
Das ist überhaupt keine Ausrede, Herr Ritter. Das ist etwas ganz anderes. Ja, und da hat doch kein Mensch etwas dagegen. Insofern taugt dieses Beispiel für das, was Sie wollen, hier nicht, denn Sie wollen ausdrücklich einen gesetzlichen Mindestlohn.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Wir haben schließlich auch Rechte und Pfl ichten.)
Ich will gerne meine Position wiederholen, obwohl wir in einer Aktuellen Stunde, wie ich fi nde, ausreichend über dieses Thema diskutiert hatten. Aber nun sei es, wie es sei. Ich sage Ihnen noch einmal: Ich akzeptiere kein Lohndumping, ich akzeptiere keine sittenwidrigen Löhne und ich akzeptiere auch nicht die Verletzung von Arbeitnehmerrechten.
Es ist so, dass sittenwidrige Löhne in Deutschland verboten sind. Und hier haben Sie recht, da ist unser Gesetzesvollzug sicherlich zu hinterfragen.
Zweitens. Ich lehne nach wie vor einen allgemeinen fl ächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn ab, denn er würde Arbeitsplätze gefährden. Er würde ungefähr 25 Prozent der Unternehmen, das ist eine Zahl, die man nicht bis in die letzte Kommastelle belegen kann, er würde aber ungefähr 25 Prozent der Unternehmen treffen. Nun kann man natürlich sagen, wir machen mal eine Umfrage: Sind Sie dafür, dass Sie demnächst eine Lohnerhöhung kriegen? Da weiß ich, wie die Antwort ist.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Es geht hier um Niedriglöhne. – Zuruf von Angelika Gramkow, DIE LINKE)
Angesichts einer Zahl von 140.300 Arbeitslosen ist das Gebot der Stunde der Aufbau von Arbeitsplätzen.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Michael Roolf, FDP)
Auf bundespolitischer Ebene hat sich die Bundesregierung kürzlich auf erweiterte Möglichkeiten zur branchenspezifi schen Regelung verständigt.
Es gibt die Regelung, mit dem Arbeitnehmerentsendegesetz diese zu erweitern auf andere Branchen. Das ist, wie ich fi nde, zunächst einmal ein vernünftiger Kompromiss. Künftig soll es für zehn bis zwölf weitere Branchen erweitert werden. Die Koalition hat sich damit dafür ausgesprochen, die Tarifparteien zu stärken. Angesichts dieser Entscheidung ist die Forderung nach einer Bundesratsinitiative mit einem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn wirklich nur so als das zu bezeichnen, was ich schon sagte, es ist Oppositionspopulismus.
Das Arbeitnehmerentsendegesetz erlaubt es, einen von den Tarifparteien vereinbarten Mindestlohn für alle Betriebe der jeweiligen Branche allgemeinverbindlich vorzuschreiben. Damit würde ein tarifl icher Mindestlohn auch für die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten. Eine Aufnahme zusätzlicher Branchen in das Entsendegesetz macht durchaus Sinn, ist aber kein Freifahrtsschein. Wie im Baugewerbe könnten danach Mindestlohnvereinbarungen getroffen werden – das ist übrigens das österreichische Modell –, die nach Branche und Region verschieden sind.
(Babara Borchardt, DIE LINKE: Das ist aber nicht darauf festgelegt. – Zuruf von Angelika Gramkow, DIE LINKE)
Damit wird den unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Bundesländern auch Rechnung getragen.
Ich verweise noch einmal auf den Koalitionsvertrag der Regierungsparteien, wo formuliert ist: „Die Koalitionspartner unterstützen Bemühungen der Bundesregierung zur Erweiterung des Entsendegesetzes für die Einführung von Mindestlöhnen in Branchen, in denen derzeit keine existenzsichernden Tarifl öhne bestehen oder diese nicht eingehalten werden.“ Genau das tun wir auch.
Meine Damen und Herren, man muss noch einmal klarstellen: Natürlich wollen wir, dass die Menschen mehr Einkommen haben.
Ja, genau das ist das Bemühen, was ich heute schon einmal bei der Kleinen Anfrage versuchte, deutlich zu machen,
indem wir zum Beispiel die Herausbildung von höherwertigen Arbeitsplätzen hier in Mecklenburg-Vorpommern unterstützen, indem wir zum Beispiel die Förderung differenzierter einsetzen. So gesehen will ich auch noch einmal an die Frage der Bildung erinnern. Das hatte ich bereits heute früh erläutert.
Meine Damen und Herren, die Situation, die wir gegenwärtig haben, ist durch eine Entwicklung bestimmt, wo Unternehmen expandieren und wo wir Gott sei Dank auch Nachfragen nach Ansiedlungen haben und diese auch mit ganzer Kraft unterstützen. Es ist zu erkennen, dass, wie gesagt, das allgemeine Lohnniveau dadurch gesteigert wird oder nach oben geht.